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Open Access 2023 | Open Access | Book

Cover of the book

Transformation und Emanzipation

Perspektiven für Arbeit und Demokratie

Editors: Jupp Legrand, Benedikt Linden, Hans-Jürgen Arlt

Publisher: Springer Fachmedien Wiesbaden

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About this book

Dieser Open-Access-Band fokussiert das „magische Dreieck“ aus Arbeit, Zivilgesellschaft und Politik. Wie diese Drei den gesellschaftlichen Entwicklungen eine transformativ-demokratische Grundrichtung geben können, darauf suchen die Autorinnen und Autoren Antworten. Die Essays reflektieren das drohende Scheitern des Projekts der Moderne, das im Zeichen von Aufklärung und Fortschritt, mit Visionen von Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit aufbrach. Heute stehen die Nationen, alles andere als vereint, erneut unter dem Eindruck von Krise, Krieg und Katastrophe. Die Bevölkerung sieht sich konfrontiert mit zerstörten Umwelten, Hunger und Flucht, sozialen Existenzängsten in vielen Familien und unermesslichen Reichtümern in wenigen Händen.

Die wissenschaftlichen Analysen, schriftstellerischen Exkursionen und politisch-utopischen Skizzen des Bandes wenden sich an alle in Wissenschaft, Politik und Kultur, deren Interesse an engagierten, undogmatischen Diskursen und emanzipatorischen Praktiken ungebrochen ist.

Table of Contents

Frontmatter

Open Access

Die sozial-ökologische Transformation wird auch ein Demokratisierungsprozess sein oder scheitern. Eine Einleitung
Zusammenfassung
Die Frage nach der Zukunft der gesellschaftlichen Arbeit stellt sich achtsamen Beobachter:innen in der multiplen Krisenkonstellation am Beginn des 21. Jahrhunderts so dringlich und grundsätzlich, dass es verwundert, wie groß die öffentliche Bereitschaft zu sein scheint, sie auf der Agenda nachrangig einzuordnen und sich mit Hoffnungen auf Künstliche Intelligenz, algorithmische Antworten und Ausflüge ins Universum zu beruhigen. Ins Auge zu fassen gilt es das „magische Dreieck“ aus Arbeit, Zivilgesellschaft und Politik, innerhalb dessen gesellschaftliche Evolution ihren Weg findet. Die Arbeit und die sozialen sowie ökonomischen Formen, in welchen sie organisiert wird, die Zivilgesellschaft und die Art und Weise, in der sie das Persönliche, das Familiäre und das Allgemeine zueinander in Beziehung setzt, die Politik und ihre Fähigkeit, über kollektive Verbindlichkeiten zu entscheiden – dass diese Drei über alle Divergenzen und Kontroversen hinaus eine demokratisch-emanzipatorische Grundrichtung eint, darauf käme es an.
Jupp Legrand, Benedikt Linden, Hans-Jürgen Arlt

Open Access

Imagining Otherwise – Fantastische Perspektiven auf Arbeit in der Transformation
Zusammenfassung
„Ein Leben in Arbeit“ wurde für uns erfunden. Oder gegen uns. Erniedrigt zur Ausbeutung oder überhöht zum Fetisch bestimmt Erwerbsarbeit, was wir gelten und woran wir teilhaben können. Die Arbeitsgesellschaft begreift Leben als Ressource und verwertet es in Leistung. Schaffen wir sie ab. Die Postarbeitsgesellschaft begreift Leben als Sinn und verwirklicht es durch Care. Legen wir sie an. „Ein Leben in Care“ erfinden wir selbst. Begeben wir uns hierfür auf eine kollektive Suche nach dem guten Leben für alle – und nach einem gerechten Überleben in der Vielfachkrise. Trainieren wir dafür auch unsere Vorstellungskraft neu: Um zu sehen, wie es wäre, wenn es wirklich anders wäre. Um die schon entstehenden neuen Praktiken wahrzunehmen, die wir in einem guten Leben für alle brauchen. Um deren Tragkraft auch dann zu erkennen, wenn die allgemeine Erzählung von etwas Unzureichendem spricht. Um unsere eigene Befähigung dafür zu entdecken, bessere Wirtschafts- und Gesellschaftsentwürfe zu verwirklichen.
Jana Gebauer

Open Access

Zivilgesellschaftliche Wasserstände und ein alternder Meeresspiegel
Zusammenfassung
Die Zivilgesellschaft ist in der politischen Arbeit überhaupt nicht mehr wegzudenken. Ob daraus etwas erwächst, was wirklich einen Unterschied macht, lässt sich schwer abschätzen, es wundert jedenfalls nicht, dass dieses Engagement auch von zahlreichen Institutionen und Verbänden, parteinahen Stiftungen und einzelnen Politiker:innen unterstützt wird. Sie ist ein Ort der Aushandlungen, wie sie für demokratische Prozesse notwendig sind. Aber immer wieder zeigen sich die Begrenztheit, die fragilen Strukturen und Anfälligkeiten für Burnout der zivilgesellschaftlichen Organisation, schließlich hängt die Schlagmacht oft an ganz konkreten Personen. Auch sehen sie sich einem sehr mächtigen politischen und ökonomischen Gegner gegenüber, der sich ganz anders organisieren kann. Aber man soll sich nicht täuschen, auch das sind nicht festsitzende Blöcke, oftmals wird eine Zusammenarbeit auch versucht. Der größte Feind ist dabei die fehlende politische Imagination. Es gibt eine persistierende Unvorstellbarkeit von Veränderung, aus der wiederum eine fehlende Selbstwirksamkeitserfahrung resultiert, in dem Gefühl von zu geringer Handlungsmacht, egal, wo wir uns befinden. Beißt sich die Katze hier in den Schwanz? Aber natürlich – dieser Essay folgt der Kreisförmigkeit, die sich in meinen Gesprächen so deutlich ergeben hat.
Kathrin Röggla

Open Access

„We should all be feminists“ – Kapitalismuskritik als sozial-emanzipatorisches Projekt
Zusammenfassung
Die Politische Ökonomie moderner Gesellschaften steht in engen Wechselbeziehungen mit ihrer politischen Kultur. Wenn sich große Teile „der Wirtschaft“, der Wirtschaftspolitik wie auch der Wirtschaftswissenschaften (ähnlich wie die Außen- und Sicherheitspolitik) immer noch als bestens gesicherte Reservate „hegemonialer Männlichkeit“ präsentieren, dann geht es sowohl um Macht und Reichtum wie aber auch um die Kodifizierung und Normativierung von Sprache, Gebaren, Kleidung, Sexualität, Freizeit, Hobbies etc. Dabei ist durchaus offen, welche Seite der Befestigung von Ungleichheits- und Herrschaftsverhältnissen – die materielle oder die immaterielle, die systemische oder die symbolische, die soziale oder die kulturelle – diesen zu mehr Stabilität und Immunität gegen Veränderungsdruck verhilft. Mitzudenken ist: Wenn Arbeit und Individualität, Leben, Politik, Kultur etc. als vollständig bestimmt von der kapitalistischen Wirtschaftsweise betrachtet werden, schlägt Kritik um in Affirmation, weil sie die Möglichkeit widerständigen Denkens und Handelns noch nicht einmal mehr theoretisch erkennen kann. Es gilt, das emanzipatorische Versprechen der Moderne von seinen androzentrischen Verzerrungen und Verkürzungen zu befreien – allerdings ohne die Notwendigkeit von Arbeitskämpfen, Sozialpolitik, Verteilungskonflikten sowie armuts- und ethnizitätssensiblen Aktualisierungen der sozialen Frage zu verleugnen.
Ingrid Kurz-Scherf

Open Access

Wirtschaft wird von Menschen gemacht – warum merkt man so wenig davon?
Zusammenfassung
Wirtschaft ist Menschenwerk, basiert auf menschlichem Handeln, aber die Marktgesetze, die Wachstumslogik, die Eigentumsverhältnisse sollen unabänderlich sein. Diesem „ganz großartigen Zirkelschluss“ spürt der Essay nach. Er lässt sich davon faszinieren, wie sehr die kapitalistische Wirtschaftsweise das Arbeiten und das Leben permanent verändert und wie gründlich sie dabei ein und dieselbe bleibt, sich als alternativloses Optimum zu präsentieren weiß. Für alle Probleme, die sie erzeugt, für soziales Elend wie für ökologische Katastrophen, bietet sie sich als die einzig mögliche Lösung an. Die Wirtschaftswissenschaft, die Politik, die digitale Technik werden befragt, wie sie hierher geraten sind, zu glauben, dass nur das Bestehende zugleich die Alternative ist. Die Pandemie bot der Politik die Gelegenheit, sich zu besinnen, dass die Arbeit vor allem von jenen Menschen gemacht wird, die nicht an ihren Konferenztischen, in ihren Hinterzimmern und Expertenkommissionen sitzen. Aber dann blieb sie doch dabei zu glauben, dass arbeitende Menschen nur Kostenfaktoren und als solche zu behandeln sind.
Kathrin Gerlof

Open Access

Bürger 4.0
Zusammenfassung
Auch der Bürger ist eine Einmalerfindung der menschlichen Gesellschaft, Name und historische Gestalt mögen sich ändern, die Funktion wird beibehalten. Zwar erhebt erst die moderne, die bürgerliche Gesellschaft ihn zum Prinzip der Selbstbeschreibung der Gesellschaft, aber das schließt nicht aus, dass es ihn vorher schon gab (oft tatsächlich nur als Maskulinum) und dass er die Transformation der modernen in eine nächste Gesellschaft überlebt. Diese Vermutung kann nur im Rahmen einer Medienarchäologie der Gesellschaft geprüft werden. Diese Medienarchäologie unterscheidet im Anschluss an Marshall McLuhan und seine Schule vier Medienepochen der menschlichen Gesellschaft, die Epochen der Mündlichkeit, der Schriftlichkeit, des Buchdrucks und der elektronischen Medien und nimmt an, dass mit jedem Auftreten dieser dominant werdenden Medien der Maßstab, das Tempo und das Schema der Situation des Menschen verändert werden. Der Bürger 4.0, zeigt sich dabei, ist der erregte Bürger. Er erregt sich, um teilzunehmen, und er erregt sich, um abzuschalten. Erregung ist die Form, die eine Reaktion ermöglicht, ohne verstanden, geschweige denn durchdrungen zu haben, worauf man sich einlässt.
Dirk Baecker

Open Access

Freiheit oder Gleichheit? Gleiche Freiheit!
Zusammenfassung
Die republikanische Tradition hat eine natürliche Affinität zu einem Verständnis von Demokratie als nicht nur repräsentativ, sondern auch partizipativ. Ohne die Bedeutung repräsentativer Strukturen leugnen zu wollen, betont diese Richtung demokratischen Denkens die Einbindung aller Bürger:innen in demokratische Prozesse, nicht nur im politischen Geschehen auf großer (sprich nationaler) Bühne, sondern auch auf allen Ebenen föderaler Strukturen und auch in Bereichen des Lebens, die oft nicht als „politisch“ im engeren Sinne gefasst werden, zum Beispiel der Zivilgesellschaft und der Wirtschaft. Denn nur, wenn Demokratie im Alltag der Einzelnen, in ihren Begegnungen untereinander und in der Gestaltung ihrer gemeinsamen Praktiken und Regeln verwurzelt ist, kann eine wirklich demokratische Haltung entstehen, die das Versprechen einlöst, nicht der Willkür anderer unterworfen zu sein.
Lisa Herzog

Open Access

Solidarität: Konstellationen und Dynamiken in der Spätmoderne
Zusammenfassung
Solidarität ist eine paradoxe Leitidee der modernen Gesellschaft. Durch ihre übergreifende Zustimmung werden aber die Funktionsweisen und Folgen von Solidarität oftmals nicht hinreichend bedacht. Der Beitrag nimmt daher anhand konkreter Beispiele (Konservatismus, Arbeiterbewegung, Pandemie, Krieg gegen die Ukraine) die Geschichte und Funktionsweise von Solidarität in den Blick. Er untersucht typische Dynamiken (moralische Selbstorganisation, Eskalation, Burnout) und diskutiert Strategien des Umgangs mit diesen Dynamiken und ihre Folgen (Verrechtlichung, Bürokratisierung, Demobilisierung). Schließlich wendet sich der Beitrag den gesellschaftlichen Konstellationen der Gegenwart zu. Der Formwandel von Arbeit und Politik in der Spätmoderne bringt auch veränderte Bedingungen für klassische Solidaritätsakteure mit sich. Gleichzeitig haben wir es mit einer veränderten Konfliktstruktur zu tun, in der konkurrierende Solidaritätsansprüche aufeinanderprallen. Auf beiden Seiten wird dann mehr Solidarität gefordert, gerade dadurch bekommen wir aber mehr Konflikt. Dieses Solidaritätsparadox erfordert kluges Konfliktmanagement.
Vincent August

Open Access

Leben, lieben, kämpfen – in einem anderen Land
Zusammenfassung
Die Resilienz und die widerständigen Strategien der Migrantinnen und Migranten gegenüber institutionellem und alltäglichem Rassismus sowie ökonomischer und sozialer Ausgrenzung verdienen viel größere Anerkennung. Es ist erstaunlich, wie schwer Deutschland sich als Land tut, in Zeiten der Globalisierung und Digitalisierung zukunftsweisende Antworten auf Fragen zu finden, die bleiben werden. Es bedarf eines Perspektivwechsels, der darin besteht, Einwanderung und Migration als nichts Temporäres oder Vergängliches, sondern als gesellschaftliche Normalität zu begreifen. Denn das Jahrhundert der Migration hat für Almanya erst begonnen. Das Deutschland von morgen wird sehr viel stärker von Einwanderung geprägt sein, als es heute schon ist. Dabei ist es mitnichten die Aufgabe von Menschen mit Einwanderungsgeschichte, Almanya zu bereichern, weder ökonomisch noch kulturell. Ist es nicht merkwürdig, wenn in einer Demokratie dies von manchen eingefordert wird und anderen nicht? Warum müssen überhaupt Migrantinnen und Migranten produktiv und erfolgreich sein, um ohne Wenn und Aber dazuzugehören?
Imran Ayata

Open Access

Souveränitätsgewinne oder Freiheitsverluste – wohin treibt der Arbeitsmarkt?
Zusammenfassung
Die Arrangements der Plattformökonomie stehen für eine weitreichende Transformation, an deren Ende sich das rechtliche und soziale Band der Erwerbsarbeit auflöst. Solange die Plattformarbeit eher ein Randphänomen bleibt, wird die regulierte Arbeitsgesellschaft nicht grundlegend infrage gestellt. Entwickelt sich dieses Phänomen aber in der heutigen Form ungezügelt weiter, werden unsere Prinzipien des Sozialversicherungsstaats bedroht. Die neuen Konstellationen von Beschäftigung, Managementstrategien und Interessenvertretung führen dann zu Veränderungen, die das etablierte Akteurs- und Institutionengefüge sprengen und sich herkömmlichen sozialpartnerschaftlichen Aushandlungsformen und politischer Regulierung entziehen. Eine Arbeitspolitik der Souveränität braucht Antworten, die den Kontext der Akteure und Institutionen stärkt. Davon wird es abhängen, ob die Freiheitspotenziale erschlossen werden können. Dafür gibt es Ansätze, wie die bald weltweit verortete Initiative von Fairwork zeigt.
Jutta Allmendinger, Wolfgang Schroeder

Open Access

Sicher und klimafest: Der deutsche Sozialstaat vor einer doppelten Herausforderung
Zusammenfassung
Die soziale Daseinsvorsorge, eine zentrale Säule unseres Sozialstaatsgebäudes, birgt ein in der Sozialstaatsreformdebatte oftmals übersehenes, aber gewichtiges Potential für einen sozial-ökologischen Umbau. Es ist aber eine politische und keine systemische Frage, welche neuen Risiken in den kollektiven Sicherungssystemen berücksichtigt werden. Fest steht, die Umverteilung der vorhandenen Ressourcen und Kosten muss in zwei Dimensionen neu organisiert werden: Zwischen Arbeit und Kapital durch die Regulierung des Arbeitsmarktes und die Stärkung der kollektiven Systeme, sowie, stärker als in der Vergangenheit, auch zwischen starken und schwachen Bürger:innen innerhalb einer solidarischen Gesellschaft. Anstelle der Privilegierung des privaten und eben oftmals umweltschädlichen Wohlstands auf Kosten des Allgemeinwohls müssen Investitionen in die öffentliche Daseinsvorsorge so getätigt werden, dass sie die Polarität in den Lebenslagen der oberen und der unteren Mittelschicht abmildern und einen Rahmen für ein ökologisch verträgliches ‚gutes Leben‘ für alle Bürger:innen bilden.
Silke Bothfeld

Open Access

Es wimmelt von Henne-Ei-Problemen: Transformation als koevolutionärer Prozess
Zusammenfassung
Es stellt sich nicht nur aus Umweltsicht, sondern auch aus der Perspektive sozialpolitischer Akteure ein weitreichender Transformationsbedarf. Ernährung, Wohnen, Verkehr, Gesundheit, Bildung lassen sich nach Auffassung vieler nicht mehr mit kleinschrittigen Verbesserungen sichern, sondern es wird nach grundlegendem Wandel gefragt. Natürliche Ressourcen zu extrahieren und die Umwelt als Deponie für Schadstoffe und Abfälle zu nutzen, ist genauso wie die Ausbeutung von Arbeit eine Möglichkeit, um Kosten zu reduzieren und in der Konkurrenz mit anderen Unternehmen Vorteile zu erringen. Die gemeinsame Formulierung der Veränderungsanliegen durch sozial- und umweltpolitische Akteure wäre ein starker Impuls für eine Beschleunigung tiefgreifender Prozesse nachhaltigen Wandels. Wenn ein dominanter gesellschaftlicher Diskurs entsteht, in dem sich die Delegitimation des Bisherigen und die Machbarkeit und Vorteilhaftigkeit einer Alternative miteinander verbinden, hat das eine enorme Wirkung: Es gibt dem ungerichteten Innovationsgeschehen in den Nischen eine Richtung, verbindet und koordiniert das Handeln von Akteuren in eine gemeinsame Richtung. Das Geschehen erfährt große Dynamik.
Klaus Jacob

Open Access

Was heißt »linke Politik« und was wird aus ihr?
Zusammenfassung
Die modernen Ungleichheitskonflikte um Migration (Innen – Außen), Identität (Wir – Sie), Ökologie (Heute – Morgen) ersetzen nicht den klassischen, von linker Politik bearbeiteten Konflikt Arbeit – Kapital oder den patriarchalen Konflikt Mann – Frau. Vielmehr fordern sie linke Politik heraus, politisch produktive Verbindungen zwischen den Konfliktachsen herzustellen. Die Linke ist dabei in den beiden zurückliegenden Jahrzehnten mehr und mehr in die Defensive geraten gegenüber einer autoritären Rechten, der es zum Beispiel gelungen ist, aus der Verbindung von Identitätsfragen und Migrationsfragen politische Funken zu schlagen. Dass eine dauerhafte emanzipatorische Überwindung des Kapitalismus möglich ist, zählt nicht mehr zu den Gewissheiten linker Politik, wohl aber die Erfahrung, dass es gelingen kann, ihm demokratische sozialstaatliche Zügel anzulegen und Entwicklungsrichtungen etwa durch staatliche Forschungs-, Struktur- und Industriepolitik zu beeinflussen. Für eine erfolgreichere Zukunft linker Politik käme es darauf an, den gemeinsamen linken Wertehorizont erkennbar zu machen, nämlich das Streben nach Verwirklichung universeller Gleichheit von unterschiedlichen Ausgangspunkten aus als Basis für politische Kooperationen und Synergien. Radikaler Pragmatismus als linker Politikmodus verlangt vom Kapitalismus doppelte Anpassung: Dekarbonisierung, um weitere Erderwärmung zu begrenzen und sozio-ökologische Maßnahmen angesichts des stattfindenden Klimawandels.
Horst Kahrs

Open Access

Animal laborans, homo faber, homo oeconomicus – und wie weiter…
Zusammenfassung
Kollektive Arbeit und Technik befreiten die Menschheit ein Stück weit vom Naturzwang, schufen Raum für Freiheit und Autonomie. Im 20. Jahrhundert steigerten die Elektrifizierung und die tayloristische Zerlegung der Arbeit die Produktivität ins Ungeahnte. Mit der Mikroelektronik wird nach der körperlichen und disponierenden nun auch die organisierende, planende und kreative Arbeit automatisiert. In der Plattformökonomie entstehen die größten Gewinne nicht länger auf einem Markt, sondern sie resultieren aus dem Eigentum am Markt. Weit mehr als hundert Jahre Kampf für soziale Sicherheit münden in eine Turbo-Variante mittelalterlicher Markthoheit: Konzerne kassieren eine Rente für das Recht, Waren inklusive der eigenen Arbeitskraft verkaufen zu dürfen. Der Fetischismus des Algorithmus und die Furcht vor ihm verdecken, was technisches Wissen ist: kein vierter Produktionsfaktor, sondern geronnene gesellschaftliche Arbeit, formalisierte Kooperation. Digitalisierung wird bislang überwiegend zur Steigerung des konventionellen Wachstums eingesetzt. Sie könnte auch das Große Werkzeug sein, das einen Wandel im Naturverhältnis bewerkstelligen hilft: In der Dekarbonisierung, der Kreislaufwirtschaft, einer umweltschonenden Landwirtschaft, bei der effizienten Verwendung von Materie, für Logistik- und Transportsysteme, die nicht so einfältig sind wie das Elektroauto, für das Überwachen von Wäldern und Meeren, für die Verbreitung eines globalen Bewusstseins.
Mathias Greffrath
Metadata
Title
Transformation und Emanzipation
Editors
Jupp Legrand
Benedikt Linden
Hans-Jürgen Arlt
Copyright Year
2023
Electronic ISBN
978-3-658-39911-5
Print ISBN
978-3-658-39910-8
DOI
https://doi.org/10.1007/978-3-658-39911-5