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2014 | Book

Transkription von Video- und Filmdaten in der Qualitativen Sozialforschung

Multidisziplinäre Annäherungen an einen komplexen Datentypus

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Während die Transkription einer Audioaufzeichnung (z.B. von Interviews) als Usus bezeichnet wird und auf ein Set an etablierten Verfahren zurückgreifen kann, wird über unterschiedliche Formen der Transkription von Video- und Filmdaten in den einzelnen Disziplinen der Qualitativen Sozialforschung anhaltend diskutiert. Die Notwendigkeit einer Erfassung der Bedeutungsträger in ihrer Linearität und Gleichzeitigkeit wird in den meisten Fällen durch die Kombination aus interpretativen und deskriptiven Verfahren mithilfe diagrammatischer Schreibweisen („Partituren“) gelöst.

Quer zur disziplinären Forschungspraxis finden sich Gemeinsamkeiten bei der Videotranskription in multidisziplinärer Weise, weshalb der Sammelband die derzeit bestehenden Transkriptions-Praktiken des Videos oder des Films aus verschiedenen Fächern des deutschsprachigen und internationalen Raumes bündelt.

Table of Contents

Frontmatter

Forschungsmethodologische Überlegung zur Arbeit mit Video und Film in der Qualitativen Sozialforschung

Frontmatter
Vor, hinter, für und mit der Kamera: Viergliedriger Video-Analyserahmen in der Qualitativen Sozialforschung
Zusammenfassung
Der vorliegende Beitrag stellt den Versuch dar, auf der Basis der aktuellen Bestandsaufnahme gegenwärtiger Literatur zur Thematik der Video- und Filmtranskription (zu denen die Beiträge der AutorInnen des vorliegenden Sammelbandes, versehen mit dem Kürzel idB für „in diesem Band“, hinzuzuzählen sind) unterschiedliche Weisen der Transkription im Spiegel eines „viergliedrigen Video-Analyserahmen“ zu reflektieren. Dieser Rahmen besteht aus den Kategorien „vor“, „hinter“, „für“ und „mit“ der Kamera im Video-/Filmmaterial, und dient – durchaus wie eine „Checkliste“ – dazu, methodenneutral und disziplinunabhängig das eigene Forschungsmaterial hinsichtlich dieser vier Aspekte in Augenschein zu nehmen.
Im Anschluss an einen Streifzug durch die aktuelle Forschungsliteratur (Textabschnitt 1) beschäftige ich mich mit den Fragen zur Materialität des Videos (Textabschnitt 3), mit den Gründen für und gegen eine Videotranskription, mit ihren möglichen Funktionen und auch mit ihren gegenwärtigen Problemfeldern (Textabschnitt 4). Ab Textabschnitt 5 werden forschungspraktische Fragen erläutert: Die methodenneutrale Konzeption des Multikodaltranskripts erlaubt es den Forschenden, sowohl repräsentative (Einzelbilder aus dem Video, Skizzen etc.), deskriptive (Verbaltranskriptionen, Notationen) als auch interpretative und/oder hermeneutische (Memos, Interpretationssitzungen etc.) Verfahren in einem Feldpartitur-Design (FP-D) zu bündeln, und auf diese Weise die qualitative Arbeit mit einem Video forschungspraktisch zu bewältigen. Der Beitrag endet in der Zusammenfassung der bisherigen Erläuterungen in der Form des „viergliedrigen Video-/Film-Analyserahmen“ (Textabschnitt 6), um abschließend die genannten Aspekte für die gegenwärtige Forschungspraxis in einem Fazit (Textabschnitt 7) zusammen zu fassen.
Christine Moritz
Das vertextete Bild
Überlegungen zur Gültigkeit von Videoanalysen
Zusammenfassung
In dem Artikel wird die Frage erörtert, ob man die in Bewegt-Bildern jeder Art fixierten Inhalte und Bedeutungen im Rahmen sozialwissenschaftlicher Forschung verlustfrei in zeichenbasierte Inhalte und Bedeutungen transformieren und dann fixieren kann. Dies kann man – so die hier vertretene Position der hermeneutischen Wissenssoziologie –, wenn man die zu interpretierenden Bilder als soziale Handlungen begreift und nicht als ästhetische Strukturen und Muster. Dabei muss zwischen der gezeigten Handlung (also der im Bild gezeigten Handlung) und der Handlung des Zeigens (also der mit dem Bild zeigen) unterschieden werden. Beide Typen sozialen Handelns sind bereits sozial typisiert und somit auch in dieser Typik beschreib- und notierbar.
Jo Reichertz
Do It Yourself
Die hermeneutisch-wissenssoziologische Videoanalyse in praktischer Anwendung
Zusammenfassung
Aufgrund der hohen Relevanz empirischer Untersuchungen in zahlreichen wissenschaftlichen Forschungsvorhaben wird es zunehmend wichtiger, empirische (qualitative) Methoden nicht nur theoretisch im Forschungsdiskurs verorten zu können, sondern diese als ForscherIn auch eigenständig empirisch umsetzen zu können. Insb. die Analyse – allem voran die Interpretation von Daten – stellt neben dem jeweiligen Erhebungs- und Aufbereitungsverfahren von Datenmaterialien ForscherInnen immer wieder vor neue Herausforderungen und Fragestellungen. Einen besonderen Stellenwert nimmt dabei die Analyse von Videos ein, die aufgrund ihrer Komplexität durch das Zusammenspiel von Ton und Aufnahme einen hohen Grad an Sensibilität bei dem Umgang mit dem Datenmaterial erfordert. Aus diesem Grund erscheint es sinnvoll, die Anwendung eines Analyseverfahrens – hier die hermeneutisch-wissenssoziologische Videoanalyse (vgl. Reichertz/Englert 2011) – anhand kurzer Beispielausschnitte exemplarisch nachzuzeichnen, um zeigen zu können, wie eine (hermeneutisch-wissenssoziologische) Videoanalyse ‚denn nun eigentlich geht‘.
Carina Jasmin Englert

Kunst, Musik, Film, Sport

Frontmatter
‚Frei‘ laufen? Trendsportforschung aus dem Blickwinkel ihrer medialen Inszenierung am Beispiel eines Parkour Videos
Zusammenfassung
Der folgende Artikel zeigt exemplarisch auf, wie sich mittels traditioneller Filmanalyse unter Benutzung der Feldpartitur-Analyse-Software parallele Veränderungen ästhetischer Merkmale mit dem Wandel von Trendsportszenen in Verbindung bringen lassen. Im Fokus steht mehr die konzeptionelle Relevanz als Detailfragen der Transkription. Zunächst wird an Überlegungen zum Genre Sportfilm angeknüpft und der Trendsportbegriff eingeführt, wobei die besondere Bedeutung medialer Selbstinszenierung bei jugendkulturellen Sportszenen ein spezifisches Sub-Genre hervorbringt. Anhand einer beispielhaften Analyse wird deutlich gemacht, dass ästhetische Veränderungen der Videoproduktion mit dem Wandel der Szenen in Zusammenhang stehen. Ästhetische Marker sind in Videoanalysen für kodierende Verfahren zugänglich und können als Indikatoren für den Wandel der Körperinszenierung in Jugendszenen fungieren. Körperinszenierungen haben herausragende theoretische Bedeutung in der aktuellen soziologischen Diskussion über Prozesse der Subjektivierung (vgl. Alkemeyer et al., 2009; Böhle & Weihrich, 2010), für die Filmanalysen aufschlussreich sein können. Parkour wird auf dieser Basis als komplexer agierter Meta-Kommentar zu sowohl globalen als auch lokalen Entwicklungen („glocal“, vgl. Bröskamp, 2006) in urbanen Lebensräumen interpretiert. Körperliche Interaktionen sind aufgrund ihrer Flüchtigkeit nur mit Video überhaupt erfassbar. Damit wird die videographische Analyse körperlicher Handlungen zu einem relevanten Forschungsfeld, das über klassische Filmanalyse und Interaktionsforschung hinaus weist.
Maud Hietzge
Ästhetische Eroberung des Himmels und der Klassenzimmer?
Der RWU-Unterrichtsfilm „Fallschirmjäger“ (1939) eine Filmanalyse unter Anwendung der Feldpartitur
Zusammenfassung
Der Beitrag gibt einen Einblick in die Forschungswerkstatt des interdisziplinären Promotionsprojekts zum Unterrichtsfilm im Nationalsozialismus. Das Projekt strebt die forschungsmethodische und -methodologische Bestimmung des (frühen) Unterrichtsfilms an, da diese Gattung in der bestehenden film- und bildungshistorischen Forschung weitgehend vernachlässigt wurde. Der Unterrichtsfilm wird bisher vorrangig als ‚neutrales Lehrmittel‘ angesehen. Jedoch dient das Lehrmedium nicht nur der ‚reinen‘ Veranschaulichung von Fachinhalten, sondern soll die Schüler und Schülerinnen bilden und erziehen. Der stumme RWU-Unterrichtsfilm (Reichsanstalt für Film und Bild in Wissenschaft und Unterricht) ist im medialen und historischen Kontext (hier: NS-Zeit) zu sehen und weist daher ein ‚Mehr‘ an Bedeutung auf. Diese ‚Subtexte‘ (u. a. Erziehungsziele, Werte, Stereotypen) werden – auch ohne Ton – über die visuelle Ebene der Unterrichtsfilme vermittelt.
Die Grundlage der Arbeit stellen die historischen RWU-Filmmaterialien dar, deren Filmästhetik und Erzählstrukturen mit Hilfe der Feldpartitur analysiert werden. Die Interpretation der exemplarischen Unterrichtsfilme orientiert sich an der dokumentarischen Methode der Videointerpretation nach Bohnsack (2009). Ausgewählte Sequenzen werden hierfür mit der Feldpartitur-Software transkribiert. Sie dient als Analysewerkzeug und unterstützt die Prozesse der Interpretation. Die einzelnen Schritte der Videotranskription (u. a. Erstellung des Partiturdesigns, Verwendung der Transkriptionsmodi), als Teil der Filmanalyse und -interpretation, sowie erste Ergebnisse werden anhand des 1939 erschienenen RWU-Unterrichtsfilms Fallschirmjäger vorgestellt.
Verena Sophie Niethammer
„Double Blind?“ Analyse des Videotrailers einer Tanzperformance „zero degree“ der Tänzer Akram Khan und Sidi Larbi Cherkaoui
Zusammenfassung
Vorliegender Beitrag stellt am Gegenstand des Video-Trailers „zero degrees“ (eine Tanzperformance von Akram Kahn und Sidi Larbi Cherkaoui, Premiere: 8. 7. 2005, Sadler’s Wells London) eine Annäherung an Verstehensprozesse des Videos mit Techniken der empirischen Datenanalyse visueller qualitativer Sozialwissenschaft dar. Der Trailer mit einer Dauer von zwei Minuten und einundzwanzig Sekunden komprimiert Sequenzen einer tänzerischen Live-Performance auf einer Bühne. Das Instrument Feldpartitur wird für das Format Video-Trailer für die Einzelfallanalyse von künstlerischen Prozessen im Bereich Tanz in Kombination mit anderen Datensorten (Interviewdaten, Bilddaten, Kontextdaten) genutzt.
Henning Hauke, Christine Moritz
Entdeckung von Licht und Schatten in der Videoeigenproduktion von Kindern
Zusammenfassung
Der Artikel gibt einen praxisbetonten Einblick in die Forschungsarbeit einer qualitativen Untersuchung, die angelehnt an den Forschungsstil der Grounded Theory Methodology audiovisuelle Eigenproduktionen von Kindern in einem medienpädagogischen Projekt (Berlin) in den Blick nimmt. Fokussiert werden ästhetische Strukturelemente im Videomaterial, die maßgeblich für den Aufbau und die medienimmanente Ordnung im Gefüge der produzierten Clips sind. Der Schwerpunkt liegt dabei auf der Herausarbeitung nichtsprachlicher „Video-Ausdrücke“ streng entlang der videografisch empirischen Erscheinung im Material der zu individuellen Werken zusammengefassten einzelnen Clips. Anschließend erfolgt in einem vergleichenden Verfahren die Dimensionierung der herausgearbeiteten Kategorien, welche zuletzt in die Bildung von Notescript-Symbolen im Videotranskriptionssystem Feldpartitur mündet. In diesem Artikel soll exemplarisch anhand des Einzelfallbeispiels Glattes Wasser die Kategorie Licht im empirischen Videomaterial herausgestellt und die Erarbeitung ihrer Charakteristika mit den jeweiligen Dimensionen ausgebreitet werden. Wie sich zeigt, weist das Material je eigene Typiken auf, die sich anhand der medienstrukturellen Kategorien semantisch erfassen und auf der Ebene des Subjektparadigmas interpretieren lassen.
Regine Hilt
Beschreibung von täglichen Ereignissen für die Kontextrepräsentation
Zusammenfassung
In den letzten Jahren gewann die Kontextrepräsentation große Bedeutung in Bereichen wie Ambient Assisted Living (AAL), Geschichten erzählen oder Affective Computing. Einer der Gründe dafür ist nicht nur die Einschätzung der Reaktionen des Benutzers oder des Schauspielers auf bestimmte Ereignisse, sondern auch das Verständnis für den Grund diesen Reaktionen. Eine der Techniken für die richtige Beschreibung von täglichen Ereignissen ist die Semantische Analyse verbunden mit Ontologien. Ontologien sind die formalen geordneten Darstellungen einer Menge von Begrifflichkeiten und der zwischen ihnen bestehenden Beziehungen in einem bestimmten Gegenstandsbereich. Mit dieser Arbeit legen wir unser Modell vor, um tägliche Ereignisse in der Welt (Kontext) eines Charakters zu beschreiben und automatisch zu generieren. Dieser Kontext wird die Emotionen der Charaktere beeinflussen und auslösen.
Diana Arellano, Javier Varona, Francisco J. Perales
Die Bedeutung von Mimik und Emotion im Animationsfilm visuellen Effekten und Transmedia
Zusammenfassung
Der Bereich Forschung und Entwicklung am Institut für Animation der Filmakademie Baden-Württemberg beschäftigt sich mit der Entwicklung praxisnaher Technologien für den Einsatz im Animationsfilm, visuellen Effekten, Games und transmedialen Produktionen. Ein spezieller Fokus wurde dabei auf die Entwicklung von Software Tools für die Erstellung glaubhafter Mimik virtueller Darsteller gelegt. Diese finden über den traditionellen Einsatz in 3D Animation und VFX außerdem Anwendung in klinischen Studien der Autismus Forschung. An weiteren Beispielen wird aufgezeigt wie animierte Inhalte in neue Anwendungsbereiche überführt werden können. Die vorgestellten Hilfsmittel dienen, anders als die in den anderen Beiträgen im vorliegenden Sammelband, in erster Linie zur effizienten Erstellung animierter Inhalte. Die beschriebenen Werkzeuge sind für den Einsatz in Forschung und Entwicklung frei verfügbar (siehe Link-Liste am Ende des vorliegenden Beitrages) und zum Teil unter der Open Source veröffentlicht.
Volker Helzle
Grundideen des „Kremser Modells der Musiktherapie“ im Spiegel der Feldpartitur
Zusammenfassung
In vorliegendem Beitrag wird das Analyse- und Reflexionspotential der Feldpartitur anhand eines klinischen Praxisbeispiels aus der Musiktherapie im Hinblick auf Nutzungsmöglichkeiten in Forschung, Lehre und Praxis exploriert.
Dabei dient das an der IMC Fachhochschule Krems entwickelte „Kremser Modell der Musiktherapie“, das neben musiktherapeutischen Handlungskonzepten auch anthropologische, psychologische, chronobiologische und regulationsmedizinische Elemente beinhaltet gleichermaßen als Grundlage sowie als Reflexionsrahmen.
Die (musikalische) Biographie eines Menschen, Regulation und Beziehung fungieren als musiktherapeutische Kernelemente, während eine therapeutische Beziehung auf musikalischen, verbal-kommunikativen und vegetativ-regulativen Anteilen beruht. Die Feldpartitur fungiert an dieser Stelle nicht nur als Bindeglied zwischen biomedizinischen, regulationsmedizinischen und psychosozialen Blickwinkeln, sondern ermöglicht eine detaillierte Analyse und Evaluierung therapeutischer Interaktionen. Basierend auf den theoretischen Grundlagen des psychobiologischen Kommunikationsmodells von Colwyn Trevarthen, werden anhand einer rezeptiven Musiktherapiesitzung mit Hilfe der Feldpartitur chronobiologische Strukturen empirisch herausgearbeitet, die für wirksame therapeutische Interventionen Voraussetzung sind. Dabei zeigt sich, dass ein kommunikativer Spannungsbogen von weniger als dreißig Sekunden notwendig ist, damit genug Raum für den erkrankten Menschen entsteht, um reagieren und schließlich – in einem biologischen Sinn – in einen selbstregulativen Zustand kommen zu können.
Zusammenfassend und vorausblickend lässt sich festhalten, dass die Feldpartitur nicht nur spezifische systematische (Analyse)Möglichkeiten für Lehre und Forschung innerhalb der Musiktherapie bietet, sondern ausgehend von letzterer auch als innovatives Tool in verschiedenen Bereichen der Praxis (Klinik), Forschung und Lehre innerhalb der Gesundheitswissenschaften eingesetzt und weiterentwickelt werden kann.
Gerhard Tucek, Iris Zoderer, Patrick Simon, Marlies Sobotka, Claudia Wenzel
Videoannotation im künstlerischen Hauptfachunterricht an Musikhochschulen
Annotierte (Selbst-)reflexionen Musikstudierender
Zusammenfassung
Im folgenden Beitrag wird ein Dissertationsprojekt im Bereich des künstlerischen Instrumental- und Gesangsunterrichtes an Hochschulen vorgestellt. Der Beitrag gibt zunächst einen Überblick über die Ziele des Musikstudiums bzw. des künstlerischen Einzelunterrichts an deutschen Hochschulen, die insbesondere im Bereich der musikalischen Könnerschaft liegen. Vor dem Hintergrund aktueller Bestrebungen, den künstlerischen Einzelunterricht didaktisch zu erweitern bzw. den Unterricht „intensiver“ zu nutzen, werden Potenziale der Arbeit mit videobasierter Unterrichtsreflexion vorgebracht. Im Anschluss stellt der Beitrag das Feldprojekt zur Videoreflexion im künstlerischen Einzelunterricht mit Musikstudierenden mittels Videoannotationen (edubreak®) vor, und zwar zunächst hinsichtlich seiner didaktischen Konzeption und Ziele. Der begleitenden Videoannotation wird unter Bezugnahme auf das Thema des Sammelbandes besonders Rechnung getragen – auch aus softwaretechnischer Perspektive. Der Beitrag exemplifiziert die Beschreibung und Exploration von Formen der Videoreflexion und im Speziellen der Videoannotation.
Marianne Kamper
Der Mops mit der Wurst oder ein erster Einsatz der Feldpartitur zur Studie verkörperlichter Führungsprozesse bei Dirigenten
Zusammenfassung
Dieses Projekt widmet sich einem vernachlässigten Element in der Untersuchung von Führung und Führungsprozessen: dem Körper der Führungskraft. Ausgehend von einer ästhetischen Perspektive auf Führung werden das Äußere und die Oberfläche der Führungskraft sowie die Interaktion mit den Geführten am Beispiel der Dirigenten der Neujahrskonzerte 2002 – 2013 der Wiener Philharmoniker untersucht. Die Videoanalyse des Radetzkymarsches erlaubt es zudem, neben dem Orchester das Publikum als weitere Geführten-Gruppe zu berücksichtigen. Begründungen für die Auswahl und Beispiele der Verwendung der Feldpartitur zur Analyse und Theoriebildung werden am Ende des Beitrags angeführt.
Dagmar Abfalter
Transkription synchroner multimedialer rechnerbasierter Telekonferenzen
Zusammenfassung
Telekonferenzen zeichnen sich dadurch aus, dass die Teilnehmenden nicht direkt die Person am fernen Ort wahrnehmen, sondern nur technische Reproduktionen ihrer Äußerungen und ihres Aussehens. Dabei benötigen sie Kenntnisse über das Funktionieren von Aufnahme, Übertragung und Wiedergabe, um medienbedingte Effekte zu durchschauen und „durch sie hindurch“ eine Einschätzung der Gegebenheiten am fernen Ort zu erlangen. In einem Modellprojekt zur Entwicklung und Optimierung von „Telekommunikation von Kindern im Krankenhaus mit Eltern, Lehrern, Freunden (TKK-ELF)“ wurden zur Gewinnung von Einblicken in die Prozesse audiovisueller Telekonferenzen gleichzeitig auf beiden Rechnern Mitschnitte der Desktopereignisse und der akustischen Ein- und Ausgaben angefertigt und später zu synchronisierter Simultanwiedergabe montiert. Bei der Auswertung der Mitschnitte wird insbesondere der Frage nachgegangen, mit welchen Medieneffekten die Kranken konfrontiert sind, welches Wissen sie über sie haben und wie sie mit ihnen umgehen. Entsprechend wird bei Transkriptionen viel Wert auf die Erkennung und Notierung von Medieneffekten innerhalb der Telekonferenzen, aber auch in der nachgängigen Auswertung der Mitschnitte gelegt. Im vorliegenden Beitrag werden ihre mögliche Quellen und Erscheinungsformen systematisiert und Möglichkeiten ihrer Darstellung in Transkripten diskutiert.
Thomas Bliesener
Transkription multimodaler Gefüge: Herausforderungen bei der Untersuchung interaktiver Prozesse am PC
Zusammenfassung
Der Beitrag thematisiert Herausforderungen und Möglichkeiten beim Umgang mit am Computer gewonnenen Datensätzen von multimodaler Kommunikation und Interaktion. Anhand zweier Promotionsprojekte, die interaktive Prozesse am PC untersuchen (Projekt A: Textproduktion in einer webbasierten Lernumgebung, Projekt B: Kommunikation und Interaktion von Medienakteuren im Rahmen von Massively Multiplayer Online Role-Playing Games), werden zunächst die Begriffe Multimodalität, Modus und (im Anschluss an ein Modell von Bucher) multimodales Verstehen sowie die daraus resultierenden Herausforderungen erläutert und sodann ausgewählte Transkriptionsexemplare als praktische Lösungen vorgestellt und diskutiert. Dabei wird vorgeschlagen, zwischen zwei Transkriptionsformaten 1. für die Analyse und 2. für die Präsentation von Forschungsdaten zu unterscheiden.
Wolf Stertkamp, Lisa Schüler
Text-Videoüberlagerungen als Möglichkeit zur Darstellung von qualitativ kodierten Video- und Audiodaten
Zusammenfassung
Der Artikel greift das klassische Konzept der Untertitelung aus dem Filmbereich auf und wendet dieses als „Text-Videoüberlagerungen“ auf die Darstellung qualitativ kodierter Video- und Audiodaten an. Es wird der Ausdruck „Text-Videoüberlagerungen“ gewählt, um einen eigenen Sachverhalt abseits von Film und Übersetzungen auszudrücken. Neben der notwendigen Software werden grundsätzliche Konzepte und Strategien thematisiert und mit einem Anwendungsbeispiel unterlegt. Weitere Ausführungen beschreiben Anpassungen beim Layout, Internationalisierung und explizit Probleme bei der DVD Produktion. Die Diskussion umreisst die Anforderungen an qualitative Analysesoftware zur Implementation des genannten Konzeptes. Zusätzlich untersucht der Artikel potentielle Einsatzgebiete in der Wissenschaft und skizziert sich daraus ergebende Fragen (z. B. Datensicherheit, -austausch und -schutz).
Leo Gürtler
Transkription und ethnomethodologische Videoanalyse
Zusammenfassung
Das Kapitel geht aus einem Forschungsprogramm hervor, das ich in den vergangenen Jahren gemeinsam mit meinen KollegInnen am Work, Interaction & Technology Research Center, einem interdisziplinären Forschungsteam durchgeführt habe. Im Zentrum steht eine Interaktionssequenz, die ich mit einer Videokamera an einem interaktiven Ausstellungsstück, das in einem Science Center ausgestellt ist, aufgezeichnet habe. Ich benutze diese Sequenz als Beispiel, um zu illustrieren, wie ich Transkripte in meiner Forschungs- und Publikationsarbeit verwende. Nach einer kurzen Darstellung der aus der Ethnomethodologie stammenden analytischen Einstellung zu sozialen Situationen erläutere ich zunächst kurz die Erstellung von Transkripten von Gesprächen, die den Konventionen der Konversationsanalyse folgen. Die konversationsanalytischen Transkripte bilden den Ausgangspunkt für die Transkripte von sichtbaren und materialen Handlungen, die ich im anschließenden Teil beschreibe. Dabei erkläre ich mein Vorgehen an einem mit Millimeterpapier und Bleistift erstellten Transkript, eine Methode, die sich über die Jahre hin als hervorragendes Hilfsmittel für die Analyse der Organisation oralsprachlicher, sichtbarer und materialer Handlungen erwiesen hat. Im letzten analytischen Teil des Kapitels stelle ich die Transformation des detaillierten Transkriptes für die verschriftlichte Veröffentlichung in Artikeln und Büchern dar. Das Kapitel endet mit einer kurzen Reflexion, der Bedeutung von Transkripten für die Analyse und Veröffentlichung video-basierter Forschung sowie einem Ausblick auf mögliche technische Entwicklungen neuer Analysetechniken.
Dirk vom Lehn
„Marianne hat Kopfschmerzen“
Annäherung an eine videobasierte Mimiktranskription (FACS) in Feldpartitur
Zusammenfassung
Der vorliegende Beitrag unternimmt das Experiment, auf der Grundlage eines Kodierungssystems der menschlichen Mimik (Facial Action Coding System, FACS) eine Videoaufzeichnung des natürlichen Umfeldes mit der Feldpartitur Software 1.0 zu transkribieren. Die Untersuchung soll anhand des experimentell angelegten, empirischen Videobeispiels „Marianne hat Kopfschmerzen“ zeigen, wie das Format einer Videotranskription aussehen kann. FACS von Ekman und Friesen bietet eine validierte Notation, um mimische Ereignisse a) zu kodieren und b) daraus die sie auslösenden Emotionen interpretierend abzuleiten.
Der vorliegende Text untersucht die Möglichkeiten, die Notation von Ereignissen und Emotionen innerhalb der Feldpartitur durchzuführen und er diskutiert, in welchem Ausmaß und unter welchen Voraussetzungen die Feldpartitur die qualitative und, davon ausgehend, in einem späteren Schritt die quantitive Feldforschung mittels FACS unterstützen kann. Zu diesem Zweck wird eine Notation für die gemäß FACS beobachtbaren Ereignisse und die daraus abgeleiteten Emotionen vorgeschlagen und an Hand eines Praxisbeispiels veranschaulicht.
Rainer Kürvers
„Sichtbarmachen was sonst verborgen bleibt“. Annäherung an die videobasierte interpretative Mikroanalyse in der Interaktion zwischen Menschen mit Demenz und Pflegenden
Zusammenfassung
In meinem Beitrag beschreibe ich die videobasierte interpretative Mikroanalyse in der Interaktion zwischen Menschen mit Demenz und Pflegenden, wie ich sie im Rahmen meiner pflegewissenschaftlichen Dissertationsstudie praktiziere. Ich schildere die forschungspraktische Herangehensweise an einen spezifischen und schwer aufschließbaren Untersuchungsgegenstand. Schwer aufschließbar deshalb, weil Menschen, die in der Demenz schon weiter fortgeschritten sind, sich oftmals über körpersprachliche und verbalsprachliche Ausdrucksformen äußern, die zunächst eigenwillig und fremd erscheinen.
Als Erstes gehe ich auf die theoretischen Hintergründe meiner Studie ein, um im Anschluss daran mein forschungsmethodisches Vorgehen zu begründen und einzelne Schritte des Forschungsprozesses zu erläutern. Hierbei nehme ich sowohl die Aufbereitung als auch die Analyse der Video-Daten und die Besonderheiten, die damit verbunden sind, in den Blick. Abschließend stelle ich exemplarisch die Transkription und Mikroanalyse einer videographierten Interaktionssituation, die ich in einer ambulanten Wohngemeinschaft für Menschen mit Demenz aufgenommen habe, vor.
Karin Welling
Mathematische Spielsituationen im Kindergarten untersuchen – Die Herausforderung der Datenaufbereitung im Umgang mit Videodaten
Zusammenfassung
Im Fokus des Forschungsvorhabens stand die Frage, unter welchen Bedingungen mathematische Lerngelegenheiten im Kindergartenalltag entstehen können. Um diese Frage zu beantworten, wurden mathematische Spielsituationen mit vorab auf ihr mathematisches Potenzial hin analysierten Spielen unter Einsatz von Videotechnik aufgezeichnet. In drei Erhebungsphasen, in denen das Setting, die eingesetzten Materialien sowie die Rolle der Forscherin gezielt variiert wurden, entstanden insgesamt 17 Videoaufnahmen aus dem Kindergartenalltag. Für die Datenanalyse wurden die Videodaten auf zwei verschiedene Arten aufbereitet: Videotranskripte mit schriftsprachlichen und bildlichen Elementen sowie sogenannte Segmentierungen. Standbilder bzw. Stills/Stillfolgen wurden primär zur Illustration und nicht zur Entwicklung von Konzepten verwendet. Die Datenanalyse erfolgte in Anlehnung an die Grounded Theory.
Stephanie Schuler
Reflektierte strukturierte Videoanalyse als Mittel institutioneller Professionalisierung angehender Fremdsprachenlehrender: Fokus auf nonverbale Elemente
Zusammenfassung
Der Artikel stellt eine Studie vor, die sich mit dem Einsatz von Video in der Lehramtsausbildung beschäftigt. Zukünftige Fremdsprachenlehrende profitieren von der Anleitung und Durchführung von strukturierten Videoanalysen. Die Aufnahmen stammten von den Beteiligten und vorherigen Praktikumsteilnehmenden. Spezifische Herausforderungen der Verbindung von Studium und Praktikum können auf diesem Weg individuell und in Gruppen verschiedentlich reflektiert werden. Lebenslanges Lernen im Beruf wird befördert.
Zur Unterstützung der Reflexion des Einsatzes nonverbaler Elemente wurde ein schriftsymbolisches Transkriptionssystem auf Grundlage von GAT 2 entwickelt. Es befindet sich im Anhang.
Anke Köhler
Backmatter
Metadata
Title
Transkription von Video- und Filmdaten in der Qualitativen Sozialforschung
Editor
Christine Moritz
Copyright Year
2014
Electronic ISBN
978-3-658-00879-6
Print ISBN
978-3-658-00878-9
DOI
https://doi.org/10.1007/978-3-658-00879-6