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21-03-2013 | Umwelt | Schwerpunkt | Article

China als Versuchslabor für die Stadt der Zukunft

Author: Matthias Schwincke

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Städte sind als Hauptverursacher und als potenzielle Risikozonen vom Klimawandel ganz besonders betroffen. Wie die Internationale Bauausstellung (IBA) in Hamburg zeigt, haben viele Städte die Notwendigkeit eines nachhaltigen Stadtumbaus erkannt. Doch wie sieht eine nachhaltige Metropole der Zukunft in der Realität aus? Eines der wichtigsten Versuchslabore für die Städte der Zukunft ist derzeit China. Eines der vielversprechenderen Beispiele ist die geplante Ökostadt Wanzhuang.

Im weltweiten Klima- und Ressourcenschutz spielen Metropolen eine Schlüsselrolle. Städte bedecken zwar nur drei Prozent der Erdoberfläche, aber sie verbrauchen rund 80 Prozent der weltweiten Ressourcen. Gleichzeitig gewinnen Städte als Wirtschafts- und Lebensraum immer weiter an Bedeutung. Je nach dem Entwicklungsstand eines Landes werden zwischen 55 und 73 Prozent des nationalen Bruttosozialprodukts in Städten erwirtschaftet. Weltweit leben schon heute über 3,5 Milliarden Menschen, also mehr als die Hälfte der Menschheit, in städtisch geprägten Räumen, viele davon in einer von weltweit 50 Megastädten mit über 5 Millionen Einwohner und einer Gesamteinwohnerzahl von über 500 Millionen.

Nachhaltige Stadtentwicklung

An Ideen und ersten Ansätzen für eine nachhaltige Stadtentwicklung fehlt es nicht. Bereits im Jahr 1987 benutzte der US-amerikanische Städtbauvisionär Richard Register erstmals den Begriff "Eco-City" als Bezeichnung für eine Stadt, die von natürlichen Ressourcen auf nachhaltige Weise Gebrauch macht und nicht die Umwelt belastet. Diese Grundidee wurde unter anderem durch den finnischen Designer und Professor Eero Paloheimo weiterentwickelt und 2004 im Werk "The Way Towards a New Europe" zu einem innovativen und schlüssigen Pionierkonzept zusammengefasst. 2010 veröffentlichte eine internationale Expertenkommission des World Future Council (WFC) und der Hamburger Hafen City Universität (HCU) das Konzept der "Regenerativen Stadt" oder "Ecopolis". 2011 lieferte die International Eco-Cities Initiative sogar erstmals einen weltweiten Überblick mit 174 Beispielen für "Eco-Cities".

Mit fünfundzwanzig, zumeist im Bau oder in der Planung befindlichen Ökostädten nimmt China in dieser ersten Überblicksstudie die Spitzenposition ein. Vor allem nach der chinesischen Übersetzung des Standardwerkes von Eero Paloheimo im Jahr 2005 wurden dort zahlreiche "Eco-City"-Projekte gestartet. Insgesamt gibt es mittlerweile in China sogar etwa 80 Projekte mit dieser Bezeichnung, allerdings mit sehr unterschiedlichem Inhalt. Zu den vielversprechenden Modellvorhaben zählt die Ökostadt in Wanzhuang bei Langfang in der Hebei-Provinz zwischen der Hafenstadt Tijanjin und der Hauptstadt Beijing. Auf einer Fläche von 80 Quadratkilometern soll dort bis 2025 eine nachhaltige Stadt für 400.000 Einwohner entstehen. Das von einem interdisziplinären und internationalen Designerteam entworfene Projekt zielt auf eine komplette Strom- und Wärmeversorgung durch Sonne, Wind, Biomasse und Erdwärme sowie auf ein in sich geschlossenes System zur Wasserversorgung und Abwasseraufbereitung. Zudem soll ein gesundes Nebeneinander von Arbeit und Leben erreicht werden und zur besseren Anbindung an die nächste größere Stadt, Langfang, soll eine Strassenbahnverbindung entstehen.

Erste Eco-City mit Bürgerbeteiligung

Städtebaulich sieht der auf der Basis eines vielschichtigen und nachhaltigen Best-Practice-Ansatzes entstandene Masterplan ein Cluster von Dörfern und einen gemeinsamen Stadtkern vor, der in Verbindung mit dem Städtekorridor Beijing-Tianjin steht. Eine kompakte und funktional durchmischte Flächenentwicklung ermöglicht die Bewahrung von landwirtschaftlichen Produktivarealen, überlieferten Agrartraditionen, gewachsenen Dorfstrukturen sowie von anderen Elementen der bestehenden Natur- und Kulturlandschaft. Denn infolge der dynamischen Urbanisierung und der rapide fortschreitenden Bodendegradation sind Agrarräume in China in einem besonderen Maße bedroht. Vor diesem Hintergrund bietet das Projekt Wanzhuang eine einzigartige Gelegenheit, um das Eco-City-Konzept mit einer besonderen Schwerpunktsetzung auf das Thema Landwirtschaft weiterzuentwickeln.

Vor diesem Hintergrund sind die Bewahrung, Nutzung und Verbesserung des regionalen Wissens und der überlieferten Landwirtschaftstechniken entscheidende Erfolgsfaktoren. Im Gegensatz zu allen bisherigen "Eco-City"-Projekten in China gibt es daher in Wanzhuang auch eine breite Beteiligung der Bewohner einschließlich eines Anwohnerbeirats und regelmäßigen Versammlungen. Dass die in 15 Dörfern in und um Wanzhuang lebenden 100.000 Menschen angehört und eingebunden werden, war bisher bei keinem Projekt in China der Fall.

Allein schon diese Tatsache hat in China neue Maßstäbe gesetzt und sie stimmt optimistisch. Wenn es in der mit 400.000 Einwohnern noch relativ kleinen Ökostadt Wanzhuang funktioniert, kann im nächsten Schritt auf diese Weise vielleicht eine Ökostadt mit einer Million Einwohnern gebaut werden – genauso, wie die Erfahrungen von gescheiterten Vorgängerprojekten wie zum Beispiel Dongtan in Wanzhuang auf positive Weise genutzt wurden. Denn was die Frage nach der klimafreundlichen Stadt der Zukunft angeht, gibt es auch in China keine Fertigrezepte, die einfach nur umgesetzt werden müssten. Eines ist allerdings klar: Am nachhaltigen Städtebau führt in China mittelfristig kein Weg vorbei.

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