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05-05-2020 | Unternehmensstrategie | Schwerpunkt | Article

Wie es Technologien vom Labor in die Industrie schaffen

Author: Thomas Siebel

4:30 min reading time

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Deutschland zählt zu den innovativsten Volkswirtschaften. Dennoch werden auch vielversprechende Forschungsergebnisse nicht wirtschaftlich verwertet. Sollten Wissenschaft und Wirtschaft stärker kooperieren?

Wer mehr weiß, ist im Vorteil. Oder auf die Industrie gemünzt: Wer die neuesten Technologien beherrscht, setzt sich von seinen Wettbewerbern ab. Entsprechend groß sind die Anstrengungen in vielen Unternehmen, frühzeitig jene Technologien zu erschließen, mit denen sie entweder kostengünstiger produzieren oder die Qualität ihrer Produkte auf ein höheres Niveau heben können. Dabei entstehen innovative Technologien jedoch selten allein im Unternehmen. Vielmehr sind sie Folge eines ständigen Wechselspiels zwischen Unternehmen, Forschungseinrichtungen, staatlichen Behörden und letztlich auch den Bildungseinrichtungen.

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2019 | OriginalPaper | Chapter

Strategien zur Entwicklung der Zusammenarbeit von Wissenschaft und Wirtschaft

Insights in Science Marketing, Barrieren und Treiber, Anreizsysteme und Nudges

Der Beitrag trägt ausgewählte Erkenntnisse der Forschung zu Science Marketing und Wissenschafts-Wirtschafts-Kooperationen zusammen und bereitet sie in Form kurzer zugespitzter „Insights“ für praktische und politische Entscheidungsträger auf. 

Für Unternehmen stellt sich in diesem Innovationssystem die schwierige Aufgabe, auch sehr schwache Signale über neue Technologien aufzunehmen und zu interpretieren – und sie im entscheidenden Moment schneller als die Wettbewerber anzuwenden, wie Josef Gochermann im Kapitel Wie identifiziere ich frühzeitig neue Technologien? im Buch Technologiemanagement erläutert. Dabei bedienen sich die Innovationsmanager in den Unternehmen unterschiedlicher Ansätze zur Technologiefrüherkennung, etwa um Technologien zu erkennen, mit denen sich das eigene Portfolio erweitern ließe, aber auch, um die Gefahren potenzieller Konkurrenztechnologien abzuschätzen. Fachtagungen, Fachzeitschriften, Newsletter von Forschungseinrichtungen, Messebesuche, der Austausch mit innovativen Kunden oder Zulieferern und die Teilnahme an Innovationsnetzwerken: Dem Autor zufolge bestehen zahlreiche Möglichkeiten, relevante Entwicklungen frühzeitig zu erfassen.

Der richtige Zeitpunkt für neue Technologien

Den richtigen Zeitpunkt für eine Investition in neue Technologien zu finden, ist dabei knifflig, wie Gochermann im Kapitel Wie verändern sich Technologien im Laufe der Zeit? mit Blick auf die sogenannten vier Technologiezustände weiter beschreibt:

  • Schrittmachertechnologien befinden sich noch in der Entwicklung und lassen sich nur mit sehr großem Aufwand erschließen.
  • Schlüsseltechnologien sind entwickelt, erfordern jedoch gute Kenntnisse, um sie zu erschließen.
  • Basistechnologien werden von vielen Unternehmen beherrscht und sind Grundlage für moderne Produkte.
  • Bedrohte Technologien gehen dem Ende ihrer Leistungsfähigkeit entgegen.

Schrittmachertechnologien sind für Industrieunternehmen in der Regel noch zu schwer verwertbar. Hingegen streben Unternehmen nach der Beherrschung von Schlüsseltechnologien, um sich vom Wettbewerb abzusetzen. Zugleich müssen bedrohte Technologien im Portfolio ersetzt werden. 

Dass das deutschlandweit gut gelingt, belegen mehrere vergleichende Studien: Seit Jahren zählt Deutschland zu den innovativsten Volkswirtschaften, wie etwa Ulrich Schmoch und Rainer Frietsch im Kapitel Perspektiven des deutschen Innovationssystems: Technologische Wettbewerbsfähigkeit und wirtschaftlicher Wandel im Buch Innovationssysteme beschreiben. Deutschlands Stärken liegen den Autoren zufolge unter anderem in den hohen Investitionen in Forschung und Entwicklung seitens der Industrie und der öffentlichen Hand, in den zahlreichen Patentanmeldungen und in der guten Zusammenarbeit von Wissenschaft und Wirtschaft. Allerdings konzentriere sich Deutschland dabei vor allem auf hochwertige Technologien, etwa auf Automobile oder Maschinen, deren Entwicklung keinen extrem hohen Forschungsanteil erfordere. Die Erfahrung zeige jedoch, dass Länder mit einer starken Orientierung an besonders forschungslastigen Spitzentechnologien wie EDV oder Pharmazie dynamischer wüchsen als Deutschland.

Wissenschafts-Wirtschafts-Kooperationen als treibende Kraft

Obwohl es um die Innovationsfähigkeit in Deutschland so gut bestellt ist, erkennen Kritiker noch immer Mängel im Transfer von wissenschaftlichen Erkenntnissen in die industrielle Anwendung. Eine noch intensivere Zusammenarbeit von Wissenschaft und Wirtschaft kann hierbei Abhilfe schaffen, wie Thomas Baaken im Kapitel Strategien zur Entwicklung der Zusammenarbeit von Wissenschaft und Wirtschaft im Handbuch Wissenschaftsmarketing beschreibt. Wissenschafts-Wirtschafts-Kooperationen (WWK) sieht der Autor als die treibende Kraft in einer künftigen Wissensgesellschaft, sei es im Rahmen von Forschungs- und Entwicklungskooperationen, durch den Austausch von Studenten und Wissenschaftlern, der gemeinsamen Kommerzialisierung von Forschungsergebnissen oder dem Gründen von Spin-offs. Dabei ermutigt der Autor Wirtschaft und Wissenschaft auch schon zu niedrigschwelligen Kooperationen, die nur einen geringen Aufwand erfordern.

„Es ist strategisch […] unerheblich, an welchen Stellen die Zusammenarbeit beginnt; sie weitet sich auf andere Felder aus.“  

Thomas Baaken

Durch den Einzug eines unternehmerischen Denkens können Hochschulen und Forschungseinrichtungen ihre Forschungsleistungen so besser an den Bedürfnissen des Markts ausrichten. Von den Kooperationen profitieren dem Autoren zufolge beide Seiten, da wertvolles Wissen und Ressourcen von der Wissenschaft in die Wirtschaft als auch vice versa flössen und so für lange Zeit stabile Partnerschaften und Netzwerke entstehen. Um WWK zu fördern, schlägt der Autor mitunter vor, Wissenschaftler neben Forschung und Lehre auch stärker zu Kooperationen zu motivieren. Politik, Hochschulen und Unternehmen sollten hier Anreize bieten, unter anderem auch nicht-monetäre wie Preise, Ehrendoktorate oder Mitgliedschaften in prestigeträchtigen Akademien.

Abhängigkeit von Drittmitteln ist umstritten

Das immer engere Verhältnis von Wissenschaft und Wirtschaft erfährt jedoch ebenfalls Kritik. Eingeläutet wurde die Öffnung der Forschung für Drittmittel, und damit für eine Beteiligung der Wirtschaft am Wissenschaftsbetrieb, Mitte der 1980er-Jahre. Seither hat sich auch die Finanzierung von Forschungseinrichtungen geändert, von einer Grundförderung hin zu einer staatlichen Projektförderung, wie Uwe Hermann im Kapitel Wissenschaft und Markt erläutert. Die Diskussionen um diesen Weg halten seither an: Wird zum einen grundsätzlich kritisiert, dass Wissenschaftler nun weniger der Wahrheitssuche als dem Geldeinwerben verpflichtet sind, sehen Kritiker auch die Qualität der Wissenschaft in Gefahr. Unter dem Druck, öffentliche und private Gelder besonders effizient in Forschungsergebnisse umzumünzen, würden etwa in relativ kurzen Zeiträumen immer wieder vermeintliche Erfolge dokumentiert. Auch kleine wissenschaftliche Fortschritte würden so oftmals als Sensation verkauft, um auf diese Weise mehr Ressourcen und Unterstützung für ihre Arbeit zu erhalten.

Für die industrielle Verwertung wissenschaftlicher Ergebnisse lässt sich immerhin festhalten: Die Qualität der frühen wissenschaftlichen Arbeit zeigt sich spätestens im marktfähigen Produkt.

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Source:
Handbuch Wissenschaftsmarketing

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