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Published in: Österreichische Zeitschrift für Soziologie 3/2018

01-09-2018 | Hauptbeiträge

Wilhelm Reich über den 15. Juli 1927

Author: Helmut Dahmer

Published in: Österreichische Zeitschrift für Soziologie | Issue 3/2018

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Zusammenfassung

Der marxistisch orientierte Psychoanalytiker Wilhelm Reich (1897–1957) war am 15. Juli 1927 Augenzeuge der von Wiener Polizei-Einheiten nach dem Brand des Justizpalasts zusammengeschossenen, spontanen Massendemonstration gegen den Freispruch der Mordschützen von Schattendorf. In seiner politischen Autobiographie schrieb er (zehn Jahre später), dies Menetekel der Österreichischen Republik habe ihm den Anstoß zur Entwicklung seiner Massenpsychologie des Faschismus (1933) gegeben.

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Footnotes
1
Johannes Schober (1874–1932), Mitglied der (von Karl Lueger gegründeten) Christlichsozialen Partei, wurde noch von Karl I. 1918 zum Leiter der Bundespolizeidirektion Wien ernannt und bekleidete diesen Posten bis zu seinem Tode. In den 1920er-Jahren und Anfang der 1930er-Jahre war er daneben auch wiederholt Kanzler, Vizekanzler und Außenminister.
 
2
„Die deutsche Revolution von 1918 war eine sozialdemokratische Revolution, die von den sozialdemokratischen Führern niedergeschlagen wurde: ein Vorgang, der in der Weltgeschichte kaum seinesgleichen hat.“ (Haffner 2002 [1968], S. 6).
 
3
Der Schriftsteller Rudolf Geist (vgl. Geist 2017) war Augenzeuge dieses „Kosakenblutbads“; er schildert die Treibjagden der berittenen, mit Säbeln ausgerüsteten Polizei auf flüchtende Demonstranten und Passanten, die Schützenketten, die die Menschen „wie Hasen“ abschossen, die Prügelorgien in den Haftanstalten. (Der Hass der Wiener Polizisten auf alle, die – im Gegensatz zu ihnen – aufzumucken wagten, war durch fantastische Gerüchte über angebliche Gräueltaten, die die Aufständischen verübt haben sollten, zusätzlich angefacht worden.).
 
4
Kleine sozialistische Gruppen wie die KPÖ-Opposition blieben unbeachtet. In deren Zeitschrift Arbeiterstimme erschien am 16. Juli 1927 der folgende Aufruf: „Generalstreik bis zum Sturz der Mörderregierung! Sofortige Bewaffnung der Arbeiterschaft! Entwaffnung aller faschistischen Formationen! Reinigung der Polizei, Justiz und des ganzen Staatsapparates von allen konterrevolutionären Elementen! Weg mit Schober! Weg mit der Mörderregierung!“ (zitiert nach Scharinger und Wegner 2012, S. 41). Auch Trotzkis Warnung (den Stalin 1929 aus der Sowjetunion auf die türkische Insel Prinkipo hatte abschieben lassen) verhallte: „Es wäre unsinnig, die Augen davor zu verschließen, dass der Sieg des Faschismus nicht nur die physische Ausrottung der wenig zahlreichen Kommunisten nach sich ziehen würde, sondern auch die erbarmungslose Vernichtung aller sozialdemokratischen Organisationen und Stützpunkte.“ (Trotzki 1971, S. 60).
 
5
Kraus ließ Plakate mit der Rücktrittsforderung anschlagen und veröffentlichte in seiner Zeitschrift, der Fackel, das „Schoberlied“, in dem es heißt: „Auf die Ordnung erpicht,/bin ich treu meiner Pflicht./Wenn ein Umsturz in Sicht,/ich erfüll meine Pflicht./Die Elemente vernicht’/ich bezüglich der Pflicht.“ (Kraus 1974, S. 508 f.).
 
6
„Seine intensive Beschäftigung mit dem Marxismus begann erst nach diesen Ereignissen.“ (Sharaf 1994, S. 152).
 
7
Reich berichtet über seine politischen Erfahrungen in Österreich in seiner Autobiographie Menschen im Staat (1982), und zwar in den Kapiteln 2 („Ein praktischer Kursus in marxistischer Soziologie. Der 15. und 16. Juli 1927 in Wien“) und 4 („So ist Politik“, mit den Unterkapiteln „200 Kommunisten stürmen Wiener Neustadt“ [07.10.1927] und „Massenpsychologie – von unten gesehen“).
 
8
Diese „linke Opposition“ – die „Politische Arbeitsgemeinschaft“ – warnte Anfang August 1927 in einem von Ilona Duczynska verfassten „Flugblatt“ vergeblich vor einer Weiterführung der „verhängnisvollen Taktik“ der Parteiführung (vgl. für den Text dieses Flugblatts Geist 2017, S. 46–51).
 
9
Mary Boyd Higgins, die Herausgeberin von People in Trouble (Reich 1953b), schreibt in einer Vorbemerkung: „Das Buch […] beruht auf einem Manuskript von 1937, das durch anderes Material und Anmerkungen 1944/45 ergänzt wurde. Vor der ersten englischsprachigen Veröffentlichung 1953 fügte Reich selbst [in der Rolle eines kritischen „Stillen Beobachters“] weitere Anmerkungen hinzu.“ (Reich 1982, S. 1).
 
10
Erste Veröffentlichung: Reich, Wilhelm. (1982 [1953]). Menschen im Staat. Frankfurt a. Main: Nexus, S. 18–40 (gekürzt). Anmerkung der Herausgeber: Der folgende Text wurde mit der späteren Ausgabe aus dem Jahr 1995 verglichen – vgl. Reich 1995. Wir danken dem Stroemfeld-Verlag für die Abdruckgenehmigung.
 
11
Zusatz von Reich aus dem Jahr 1952: Die Arbeiterhilfe setzte sich hauptsächlich aus Leuten zusammen, die keine Parteimitglieder waren, aber offen mit der russischen Revolution sympathisierten. Sie und die Rote Hilfe waren dem Roten Kreuz ähnliche Organisationen. Jedenfalls gab es in den frühen dreißiger Jahren viele Fälle, in denen sie für politische Zwecke benutzt wurden, ohne die Zustimmung oder sogar ohne das Wissen ihrer Mitglieder, die unpolitisch waren. Mein späterer Konflikt mit der Führung der KPD wegen der von mir aufgebauten Sexpol-Organisation lief im Grunde nach dem gleichen Muster ab. Ich betonte immer, dass die Mentalhygienekliniken sozial orientiert, aber überpolitisch sein müssten. Aber die KPD-Führung, die im Dienste Moskaus stand, war bereits tief in die Machtpolitik verstrickt und bereit, mit den ursprünglichen Zielsetzungen, mit denen diese Organisationen gegründet worden waren, Missbrauch zu treiben. Es ist heute genau dasselbe – überall. In diesem Konflikt, der um 1930 begann, opponierte ich energisch gegen die kommunistischen Politiker, die offensichtlich begonnen hatten, all die Tendenzen zu entwickeln und zu organisieren, die sie wenige Jahre später (1934/35) in den vollentwickelten Faschismus führten. […].
 
12
Der Sache auf den Grund gehen, hätte bedeutet, herauszufinden und auszusprechen, dass alle Politik irrational und eine gesellschaftliche Krankheit ist, also die politischen Parteien aufzulösen. Sich darüber zu beklagen, an das menschliche Gewissen der Politiker zu appellieren, war dumm. Diese Haltung gehörte doch zu ihrer sozialen Missfunktion. Man kann sie nur entweder anerkennen oder radikal außer Funktion setzen. Aber darüber klagen?
 
Literature
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Metadata
Title
Wilhelm Reich über den 15. Juli 1927
Author
Helmut Dahmer
Publication date
01-09-2018
Publisher
Springer Fachmedien Wiesbaden
Published in
Österreichische Zeitschrift für Soziologie / Issue 3/2018
Print ISSN: 1011-0070
Electronic ISSN: 1862-2585
DOI
https://doi.org/10.1007/s11614-018-0312-z

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