Eine erfolgreiche Website sticht aus der Informationsflut heraus - und das auch unabhängig von Suchmaschinen. Springer-Buchautor Bastian Sens musste den harten Online-Kampf bereits schmerzlich am eigenen Leib erfahren. Ein Interview.
Springer Professional: Herr Sens, in Ihrem Buch "Schluss mit 08/15-Websites – so bringen Sie Ihr Online-Marketing auf Erfolgskurs" schreiben Sie, dass Sie in einer "Getränkefamilie" groß geworden sind und mitverfolgt haben, wie sämtliche Läden im Lauf der Jahre trotz Marketingmaßnahmen schließen mussten. Wie erklären Sie sich diesen Verlauf rückblickend?
Ja, das ist leider richtig – ich fahre heute noch mit Wehmut an unserem alten Standort vorbei. Rückblickend kann ich sagen: Ein gutes Google-Ranking alleine reicht zum wirtschaftlichen Überleben nicht aus. Denn obwohl "Trinkparadies Lenninghausen" top positioniert war und mit "Getränke Leverkusen" sogar Position 1 bei Google erlangte, reichte dieser Wettbewerbsvorteil langfristig nicht aus. Vor fünf Jahren musste der Getränkeladen dann geschlossen werden, nach insgesamt mehr als 55 Jahren. Das war natürlich für die gesamte Familie schmerzhaft, denn bereits meine Großeltern und später meine Eltern führten das Trinkparadies. Doch als kleines Familienunternehmen hatten wir dem Preisdruck der großen Supermärkte wenig entgegenzusetzen. Es gehört eben mehr dazu, gegen "die Großen" zu gewinnen. Eine Website, die nicht 08/15 ist, beispielsweise. Das war dann auch mitunter ein Ansporn für das Schreiben meines Buches.
Was genau sind für Sie 08/15-Websites?
'08/15' übersetzen wir Deutschen ja mit etwas Normalem oder Standardmäßigem. Doch wenn wir uns überlegen, wie wir Kaufentscheidungen treffen, wird klar, warum normale Unternehmen in der heutigen Zeit kaum eine Überlebenschance haben: Es wurde herausgefunden, dass 70 Prozent unserer Kaufentscheidungen emotional getroffen werden. Hat eine Website nun entweder Stockphotos (z.B. bei Fotolia oder istockphotos gekauft) oder sind die Texte nicht für die Besucher geschrieben, dann nenne ich das 08/15. Es werden keine Emotionen geweckt, die Website hebt sich nicht vom Wettbewerb ab. Und genau das ist in Zeiten der Informations- und Reizüberflutung absolut essenziell, um eine erfolgreiche Website zu betreiben.
Wie gelangen Unternehmen zu einer dementsprechenden Online-Marketing-Strategie?
Die Online-Marketing-Strategie fußt ganz klar auf der Unternehmensstrategie: Erst wenn die Positionierung und Zielgruppe gefunden wurden, ist die Online-Marketing-Strategie einfach festzulegen. Das Problem ist ja meistens, dass die Unternehmensstrategie nicht für den harten Konkurrenzkampf im Internet geschaffen ist. Dort sind die Unternehmen eben leicht zu vergleichen und wenn man der Zielgruppe als Unternehmen nicht den richtigen Mehrwert bietet bzw. aufzeigt, dann gewinnen die anderen.
Ein externer Berater hilft immer dann weiter, wenn die Unternehmensstrategie noch nicht so klar herausgearbeitet wurde. Der Berater hat einen neutralen Blick auf das Unternehmen und kommt auch auf Ideen, die die Unternehmen selbst schwierig sehen können. Oftmals fehlt auch einfach ein wenig Mut zu einer starken Positionierung. Denn solange die Unternehmen schwammig ihre Leistungen und Vorteile kommunizieren, wird der Interessent auch nicht restlos überzeugt. Wenn die Zielgruppe mit ihren Wünschen und Emotionen jedoch klar umrissen wurde, dann ist eine klare Positionierung nur noch der logische, finale Schritt. Das Online-Marketing schließlich darauf auszurichten, ist dann gar nicht mehr so schwer. Das zeige ich beispielsweise in meinen inhouse bzw. offenen Online-Marketing-Seminaren.
Vor allem kleine Unternehmen vernachlässigen die Messung ihrer Online-Marketing-Erfolge. Warum genau aber ist diese so entscheidend?
Zuletzt hatten wir in meiner Agentur eine Anfrage für die Begleitung während eines Website-Relaunches: Wir sollten sicherstellen, dass die Google-Rankings nicht verloren gehen. Doch für welche konkreten Keywords die Positionen nicht verloren gehen sollten, war unklar. Genau das ist ein Beispiel von hunderten: Es muss immer klar definiert werden, was der Status Quo ist und wie der Soll-Status aussehen soll. Darauf aufbauend können die Maßnahmen definiert werden, die zum Ziel führen sollen.
Des Öfteren kursiert die Annahme, Unternehmen könnten im Zeitalter von Social Media auf eine eigene Unternehmenswebseite verzichten. Doch kann etwa die Facebook-Seite allein ausreichen?
In wenigen Branchen kann das tatsächlich ausreichen, gerade wenn das Budget nicht allzu groß ist. Doch die Gefahr, dass Facebook einmal die Seite sperrt, ist aus meiner Sicht viel zu groß. Wenn das die einzige Unternehmenskommunikations-Plattform ist, dann gibt man den zukünftigen Unternehmenserfolg in die Hände von Facebook. Und wer möchte das schon? Denn was passiert, wenn die Seite durch den eigenen Account einmal gehackt wird und Facebook deshalb die Seite sperrt? Alles, was Sie dort publiziert haben, gehört Facebook und nicht Ihnen. Daher empfehle ich, unbedingt immer eine Basis mit eigenen Informationen vorzuhalten: die eigene Website.