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18-05-2021 | Automatisiertes Fahren | Interview | Article

"Simulation steckt noch in den Kinderschuhen"

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Autor: Christiane Imhof

Die Simulation gilt als Schlüsseltechnologie auf dem Weg zum automatisierten Fahren. Im Interview spricht Florian Frank, vormals Technical Expert bei der Alten GmbH, über Vor- und Nachteile der digitalen Technik.

Springer Professional / ATZextra: Herr Frank, wie lässt sich die Entwicklungszeit für automatisierte Fahrzeuge weiter verkürzen bei zeitgleicher Material und Kostenersparnis?

Florian Frank: Im Umfeld des automatisierten Fahrens wird von mehreren Milliarden Testkilometern zur sicheren Testabdeckung gesprochen. Daher greift die Industrie in die Trickkiste der Digitalisierung und verschiebt die Entwicklung immer weiter hin zur modellbasierten Simulation. Bei ADAS-Systemen können so in 20 Minuten schon mehrere Terabyte Daten anfallen. Anschließend erfolgt die Auswertung der Messergebnisse. Sie sehen schon, das ist ein sehr zeitintensiver und aufwendiger Prozess. Die Simulation hingegen ist sehr flexibel und automatisiert. Sie gilt als eine der Schlüsseltechnologien auf dem Weg zum automatisierten Fahren. Dennoch bleibt zu sagen, dass die physikalisch getreuen Modelle und Simulation noch in den Kinderschuhen stecken. Ein Beispiel ist das Umweltmodell. Viele Firmen konzentrieren sich auf die Fahrbahn und digitalisieren sie in Form einer HD-Karte. Die gesamte Umwelt außen herum wird jedoch größtenteils vernachlässigt. Es wirkt, als wäre die Automobilindustrie an der Geoinformatik vorbeigefahren. Daher appelliere ich für interdisziplinäres Zusammenarbeiten mit anderen Domänen. 

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01-03-2021 | Titelthema

Systematisches Testen für autonomes Fahren

Autonomes Fahren ist der Schlüssel zu ökologischer und ökonomischer Mobilität. Robo-Test der Universität Stuttgart hat eine Pilotumgebung geschaffen, mit der mithilfe von KI-basierten Clustering automatisch Testszenarien abgeleitet und somit automatisierte Fahrsysteme effizient und effektiv validiert werden können.

Bringt virtuelles Testing für automatisiertes und autonomes Fahren das gewünschte Mehr an Sicherheit?

Mit der Simulation ist es wahrscheinlich sehr viel schneller möglich, die Grenzfälle oder Extremsituationen in dieser Vielzahl an Testkilometern zu finden und beherrschbar zu machen. Sie müssen sich vorstellen, dass ein heutiges Schildererkennungssystem einen Schlüsselindikator von einem verpassten Schild unter 1.000 Schildern hat. Daraus ergibt sich eine Fehlerrate von 10-4. Für das automatisierte Fahren ist eine Fehlerrate von 10-8 angestrebt. Dies wiederum ergibt einen geforderten Verbesserungsfaktor von 10.000. Hierbei kann wiederum die Simulation in iterativen Testverfahren zur Verbesserung der Algorithmen und KI beitragen. Zusammengefasst, wird die Simulation einen entscheidenden Beitrag zum sicheren automatisierten Fahren leisten. Dennoch wird sich die letzte Meile zur Testabdeckung nach wie vor in der Praxis bewähren müssen.

Die präzise Fahrzeuglokalisierung gehört zu den wichtigsten Voraussetzungen für das autonome Fahren. Welche Unterstützung leisten hier digitale Zwillinge?

Als zukunftsweisendes Musterbeispiel eines digitalen Zwillings ist das SAVe-Projekt in Ingolstadt zu nennen. In diesem Projekt wurde erstmals bei Gebäuden eine dreidimensionale Fassadenrekonstruktion vorgenommen und daraus ein digitaler Zwilling erstellt. Damit ist die Lücke zwischen der Realität und Simulation nochmals kleiner geworden. Das bringt einen wesentlichen Vorteil mit sich: Wenn Sie zum Beispiel eine Straße digitalisieren und ein Baum ein Gebäude verschattet, entstehen in der dreidimensionalen Rekonstruktion dadurch Informationslücken am Gebäude. In der späteren Simulation sind Sie dadurch in der Montageposition eingeschränkt, da Sie kein vollständiges Abbild Ihrer Umgebung haben. Die Fassadenrekonstruktion in dem Level-of-Detail-3-Datenzwilling des SAVe-Projekts stellt einen nahezu lückenlosen Informationsinhalt dar. Das heißt, die Sensoren können in der Simulation an beliebiger Stelle und Pose am Fahrzeug montiert werden. Dies ist ein revolutionärer Schritt.

Unter der Prämisse, dass der digitale Zwilling auf wenige Zentimeter mit der realen Welt übereinstimmt, kann die Fahrzeuglokalisierung zum größten Teil in der Simulation getestet werden. Weitergedacht, kann der digitale Zwilling oder Teile davon, als HD-Karte im automatisierten Fahren angesehen werden. Somit spielt der digitale Zwilling nicht nur eine bedeutende Rolle in der Fahrzeuglokalisierung, sondern auch in der gesamten Entwicklung umwelterfassender Sensorsysteme.  

Wie schätzen Sie teleoperiertes Fahren (5G) als Brückentechnologie für automatisiertes Fahren ein?

An sich ist das ein guter Gedanke, aber die Schwachstelle des Systems ist die Funkübertragung. Was passiert, wenn eine Funkzelle gestört ist oder ausfällt? Dann muss das Fahrzeug in einen Notbetriebsmodus übergehen und sich selbstständig in einen sicheren Zustand bringen. Dies wiederum setzt eine gewisse autonome Intelligenz des Fahrzeugs voraus. Die andere Argumentation wäre, eine Redundanz in der Netzabdeckung einzuführen, die wiederum störanfällig wäre. Letztendlich muss eine sichere Fahrzeugführung nach ISO26262 und ISO/PAS 21448:2019 für Insassen und Umwelt gewährleistet werden.

Denkbar wäre daher bei höheren Geschwindigkeiten eine Verarbeitung der Sensordaten bis hin zur Szeneninterpretation in einem echtzeitfähigen Servercluster. Bei Ausfall der Kommunikation des Systems wäre eine Fahrzeuggeschwindigkeitsreduktion denkbar, sodass das autonome System im Fahrzeug alle Daten selbst prozessieren kann und einen sicheren Betriebsmodus einnimmt. Weiter birgt diese Technologie ein Sicherheitsrisiko, weil jedes System angreifbar und manipulierbar ist. Dies ist immer eine Frage von Zeit, Aufwand und Geld.

Daher ist teleoperiertes Fahren als Brückentechnologie durchaus denkbar. Die andere Frage, die sich an dieser Stelle stellt, ist der flächendeckende Breitbandinternetausbau eines 5G-Netzes. Aktuell unternimmt Deutschland enorme Anstrengungen, um den Breitbandausbau voranzutreiben, aber wie lange wird es noch weiße Flecken auf der Landkarte geben? Ich sehe hier die Hausaufgaben bei den Netzanbietern.

Hinweis der Redaktion: Das Interview wurde bereits im Februar 2021 geführt.

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