Im November 2015 erteilte das Deutsche Institut für Bautechnik (DIBt) die erste bauaufsichtliche Zulassung für ein reaktives Brandschutzsystem (RBS) für Stahlzugglieder mit Kreisprofil.
Zugglieder sind filigrane Bauteile, die überwiegend zur Stabilisierung von Tragwerken sowohl in Neubauten als auch bei der Altbausanierung eingesetzt werden. Im Kapitel „Hochfeste Zugglieder“ des Springer Fachbuchs „Stahlbau 1“ werden die Gruppen von Zuggliedern nach DIN EN 1993-1-11 [1] mitsamt den typischen Anwendungsfällen aufgeführt.
Um diese Konstruktionen vor Brandeinwirkung zu schützen, werden immer häufiger reaktive Beschichtungssysteme genutzt. Deren Vorteil ist: Durch die relativ geringen Beschichtungsdicken bleibt das architektonische Erscheinungsbild der Stahlkonstruktionen erhalten. Andere Schutzmaßnahmen würden einen größeren Materialaufwand benötigen.
Die Tragfähigkeit wird verlängert
Kommt es zum Brand, schäumt das reaktive System auf und bildet eine wärmedämmende Schutzschicht um das Stahlbauteil. Die Erwärmung des Stahls verlangsamt sich und die mit steigender Temperatur einsetzende Festigkeitsabnahme des Stahls wird verzögert. So bleibt die Tragfähigkeit des Bauteils länger erhalten.
Allerdings fehlten für allgemeine bauaufsichtliche Zulassungen – sowohl im europäischen als auch im internationalen Regelwerk – bislang ausreichende Kenntnisse über das Verhalten dieser Brandschutzsysteme, die auf Stahlzuggliedern mit Vollprofil Verwendung finden sollten. Somit gab es auch nur sehr eingeschränkte Anwendungsmöglichkeiten.
Neues Prüf- und Bewertungsverfahren
Dies hat sich durch ein neues von der Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung (BAM) entwickeltes Prüf- und Bewertungsverfahren geändert. Die dortigen Wissenschaftler untersuchten die mechanischen Hochtemperatureigenschaften des eingesetzten Stahls, führten Brandversuche an Stahlzuggliedern mit reaktiver Brandschutzbeschichtung im Realmaßstab sowie numerische Berechnungen mittels der Finite-Elemente-Methode durch.
Außerdem wurden der Einfluss verschiedener Parameter, wie beispielsweise Profilgeometrie, Trockenschichtdicke der reaktiven Brandschutzbeschichtung sowie Höhe der Zugbeanspruchung untersucht. Im Fokus der Forschung standen dabei vor allem kreisrunde Stahlbauteile mit kleinem Durchmesser. Dr. Sascha Hothan, Leiter des Fachbereichs Brandingenieurwesen am BAM, erklärt: „Ferner haben wir Bewertungskriterien entwickelt, die es ermöglichen Stahlzugglieder mit reaktiver Brandschutzbeschichtung in entsprechende Feuerwiderstandsklassen einzuordnen.“
Weltweit erstes Produkt zugelassen
Da sich reaktive Brandschutzsysteme außerdem hinsichtlich der erforderlichen Trockenschichtdicke, Höhe und Struktur der Aufschäumung, thermischen Schutzwirkung sowie Rissbildung und Rissheilungsvermögen unterscheiden, war eine produktbezogene Prüfung in Form von Brandversuchen unverzichtbar.
So wurde nun das reaktive Brandschutzsystem „HENSOTHERM® 420 KS“ der Firma Rudolf Hensel GmbH als erstes Produkt weltweit für die Anwendung auf Stahlzuggliedern mit Kreisvollprofil oder Kreishohlprofil nach den erarbeiteten Methoden geprüft, bewertet und allgemein bauaufsichtlich zugelassen.