2002 | OriginalPaper | Chapter
Bürgertum
Author : Manfred Hettling
Published in: Handwörterbuch zur politischen Kultur der Bundesrepublik Deutschland
Publisher: VS Verlag für Sozialwissenschaften
Included in: Professional Book Archive
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Bürgertum (B.) läßt sich definieren als die idealtypische Verbindung unterschiedlicher Eigenschaftsmerkmale. Mit den Begriffspaaren von Besitz und → Bildung, sowie Eigeninteresse und Gemeinwohlorientierung, und (zweckfreier) Kreativität und Nützlichkeit lassen sich die grundsätzlichen Charakteristika eines Bürgers beschreiben. Der Begriff B. ist in seinem Verheißungspotential für den einzelnen wie in seiner Zumutung an individuelle Erfordernisse gleichermaßen der idealtypischen Einheit dieser unterschiedlichen und zum Teil gegensätzlichen Strukturmerkmale verpflichtet. Bürger zu sein bedeutete seit dem 18. Jhdt. immer auch, zum Bürger erst zu werden — diesem Ideal nachzustreben. Die vielfältigen Differenzierungen der Bürgersemantik in Bildungsbürger, Wirtschaftsbürger, Kleinbürger etc. beschreiben jeweils unterschiedliche Abweichungen von diesem Idealtypus. Die erstrebte Kombination dieser Eigenschaften prägte im 19. Jhdt. für lange Zeit das bürgerliche Selbstverständnis. Als individuelle Verheißung versprach das Bürgerideal Selbstständigkeit und persönliche Selbstvervollkommnung, als politische Zielutopie die Entwicklung der bürgerlichen Gesellschaft unter liberalen Vorzeichen. Privates Eigentum, rechtsstaatliche Ordnung (→ Rechtsstaat), politische Freiheit, nationalstaatliche Einheit und Unabhängigkeit kennzeichneten die Grundpfeiler dieses Weltbildes.