Das politische Potential der Europäischen Nachbarschaftspolitik

„Der Beschluss über die Ermächtigung zu einer im Vertrag von Lissabon verstärkten Zusammenarbeit wird vom Rat als letztes Mittel erlassen, wenn dieser feststellt, dass die mit dieser Zusammenarbeit angestrebten Ziele von der Union in ihrer Gesamtheit nicht innerhalb eines vertretbaren Zeitraums verwirklicht werden können, und sofern an der Zusammenarbeit mindestens neun Mitgliedstaaten beteiligt sind.“ (Amtsblatt der Europäischen Union, C 306/22, 17. 12. 2007) Spätere Beitritte zusätzlicher Mitgliedstaaten sind möglich.

Die Europäische Nachbarschaftspolitik richtet sich an Algerien, Armenien, Aserbaidschan, Ägypten, Georgien, Israel, das besetzte palästinensische Gebiet, Jordanien, Libanon, Libyen, Marokko, Moldawien, Syrien, Tunesien, Ukraine und Weißrussland.

In der politikwissenschaftlichen Transformations- und Europäisierungsforschung wird zwar gesehen, dass die EU die institutionelle Entwicklung in ihren Nachbarländern durch die Konditionalität der Beitrittsperspektive beeinflussen kann. Aber dies wird nicht ausreichend präzise auf den empirischen Zweck dieser Konditionalität: auf die Übernahme von (Exklusions-)Aufgaben für den Kern, bezogen. Vielmehr wird der Erfolg der Konditionalität einfach an diversen wünschenswerten Kriterien wie „europäische Werte“, „Demokratisierung“ oder „Sozialstaatsentwicklung“ gemessen (vgl. Schimmelfennig u. Sedelmeier 2004; Kutter u. Trappmann 2008). Darum erscheinen Demokratiedefizite oder die schwache sozialstaatliche Entwicklung als Steuerungsmisserfolge. Aber darum geht es im Verhältnis zwischen der EU und ihrer Peripherie immer erst in zweiter Linie (vgl. Vobruba 2007a, S. 16; vgl. Vobruba 2010).

Aus der Selbstperpetuierung ergibt sich, dass die neuen Mitgliedsländer der EU mit der ENP überwiegend eine Beitrittsperspektive für einzelne ENP-Länder verbinden, die alten Mitgliedsländer dagegen eher nicht (vgl. Lippert 2008).

Eine instruktive Übersicht dazu findet man bei Kratochvil, Lippert (2008).

Dies sieht der EU-Beschluss vom 3. 10. 2005 über den Rahmen der Beitrittsverhandlungen zwischen der EU und der Türkei als Möglichkeit vor. (Vgl. FAZ 11. 7. 2008, S. 12)