2004 | OriginalPaper | Chapter
Demokratisierung und Wohlfahrtsstaat in Lateinamerika: Querschnittsvergleich und Fallstudien
Authors : Jörg Faust, Hans-Joachim Lauth, Wolfgang Muno
Published in: Wohlfahrtsstaatliche Politik in jungen Demokratien
Publisher: VS Verlag für Sozialwissenschaften
Included in: Professional Book Archive
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Vor dem Hintergrund der Fragestellung über mögliche Zusammenhänge zwischen Demokratisierung und der Entwicklung von Wohlfahrtsstaaten ist die Beschäftigung mit lateinamerikanischen Fällen gleich von mehrfacher Relevanz.1 Erstens ist Lateinamerika geradezu das klassische Laboratorium für die vergleichende Transformationsforschung, da die Demokratisierungsprozesse zwischen den späten 1970er und den späten 1980er Jahren mit Ausnahme Kubas den gesamten Subkontinent erfasst, und parallel zu den politischen Veränderungen auch tief greifende ökonomische Transformationsprozesse stattgefunden haben (vgl. u.a. Haggard/Kaufmann 1995, Faust 2003, 2004) Zweitens gilt Lateinamerika gemeinhin als diejenige Region, die durch eine besonders ungleiche Verteilung ökonomischer Ressourcen gekennzeichnet ist, deren Staaten also im Mittel einen sehr hohen Grad an sozialer „Ungerechtigkeit“ aufweisen (vgl. u.a. Mols/Öhlschläger 1997). Drittens ist Lateinamerika jedoch auch eine Region, in welcher einige Staaten bereits in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts mit der Implementierung weitreichender wohlfahrtsstaatlicher Politiken begonnen haben. Mithin verfügten einige lateinamerikanische Staaten bereits vor der Demokratisierungswelle der letzten beiden Dekaden bereits über entwickelte wohlfahrtsstaatliche Strukturen (vgl. u.a. Mesa Lago 1978, 1994). Aus diesen drei Beobachtungen leiten wir die für diesen Beitrag zentralen Fragestellungen ab: 1)Welche Zusammenhänge lassen sich für die Region zwischen Demokratisierung und Wohlfahrtsstaatlichkeit feststellen? Hierbei soll zum einen anhand des Vergleichs von 18 lateinamerikanischen Staaten der Zusammenhang zwischen Demokratisierung und dem zentralen Indikator für Wohlfahrtsstaatlichkeit — der Sozialleistungsquote — herausgearbeitet werden. Anhand von mehreren Kontrollindikatoren — der Einbindung in weltwirtschaftliche Strukturen, politisch-institutionellen Eigenschaften sowie dem ökonomischen Entwicklungsniveau — wird sodann der Demokratisierungseffekt im Verbund mit anderen Einflussfaktoren auf wohlfahrtsstaatliche Leistungen diskutiert.2)Neben dem regionalen Überblick werden vier Länder untersucht, die bereits vor der Demokratisierung über wohlfahrtsstaatliche Strukturen verfügten: Argentinien, Chile, Mexiko und Uruguay. Hierbei soll herausgearbeitet werden, inwieweit neben dem Wandel von der Autokratie zur Demokratie und den ökonomischen Transformationsprozessen die politisch institutionellen Kontextbedingungen sowie die wohlfahrtsstaatlichen Strukturen der vordemokratischen Zeit den Wandel des Wohlfahrtsstaates unter demokratischen Bedingungen beeinflusst haben.