2011 | OriginalPaper | Chapter
Die deutsche Russlandpolitik
Author : Dr. Hans-Joachim Spanger
Published in: Deutsche Außenpolitik
Publisher: VS Verlag für Sozialwissenschaften
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Es gibt kaum ein Staatenpaar, das wie Deutschland und Russland gleichermaßen Aufmerksamkeit und Argwohn auf sich zieht. Das gilt sowohl für die nicht eben seltenen spannungsreichen Phasen als auch für jene, in denen beide Länder auf Ausgleich und Zusammenarbeit bedacht waren. Über allem hängt die Last einer Geschichte, die zur Vorsicht mahnt und schier unbegrenztes Material für alarmistische Szenarien liefert. Solche Stimmen finden sich gleichermaßen im Osten wie im Westen. Erinnert sei nur an den Vergleich des damaligen polnischen Verteidigungsministers Radoslaw Sikorski, der die „deutsch-russische“ Nordstream- Pipeline durch die Ostsee im Frühjahr 2006 in der „Tradition des Ribbentrop- Molotow-Pakts“ verortete und damit zum Ausdruck bringen wollte, dass Polen „besonders empfindlich gegenüber Korridoren und Vereinbarungen über seinen Kopf hinweg“ sei (zit. nach Miodek 2009: 295). Ein anderes Beispiel präsentierte Ronald Asmus vom
German Marshall Fund
, der im deutschen Widerstand gegen die Einladung Georgiens und der Ukraine zum
Membership Action Plan
der NATO auf dem Bukarester Gipfel im März 2008 einen „deutschen Gaullismus“ und eine „neue prorussische Strömung“ erspähte: „Deutschland kehrt zu einer Politik des Gleichgewichts der Mächte und der nationalen Interessen zurück, die an die alten Debatten über Deutschlands ‚Mittellage‘ erinnert“ (Asmus 2008: 10). Nicht minder groß war im August 2008 die Irritation in den USA über die deutsche Reaktion auf den Kaukasuskrieg, die als Beleg für den „uncanny degree of consensus“ zwischen den deutschen Parteien in der Russlandpolitik angeführt wurde. Zwar könne es rhetorische Unterschiede geben, aber “in substance they share many of the same views, and these are very different from those that predominate in the US foreign-policy establishment“ (Chivvis/Rid 2009: 105f.). In der Tat, ein Blick auf die Koalitionsvereinbarungen der letzten Bundesregierungen bestätigt diesen Eindruck.