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2015 | Book

Die Politisierung des Islam

Islamismus und Dschihadismus

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About this book

Islamismus und Dschihadismus bedrohen die Weltordnung – durch ihren Terrorismus und ihre globale Expansion. Wilfried Röhrich diskutiert die Politisierung des Islam und analysiert die islamistisch-dschihadistischen Organisationen vor allem der al-Qaida und des Islamischen Staats. Er unterscheidet unter anderem zwischen den radikal-islamistischen Taliban einerseits und der gemäßigten Muslimbruderschaft andererseits. Das Essential bietet einen kurzen Überblick für alle, die den Islamismus und den Dschihadismus besser verstehen wollen.

Table of Contents

Frontmatter
1. Einleitung
Zusammenfassung
Die Khomeini-Revolution im Iran vom Februar 1979 und die damit verbundene Repolitisierung des Islam haben den Blick erstmals konkret auf den Islamismus gelenkt. Danach waren es die al-Qaida-Terroranschläge auf das World Trade Center mitten in Manhattan und auf das Pentagon in Washington am 11. September 2001, die insbesondere in den Vereinigten Staaten einen tiefen Schock auslösten. Inzwischen geht eine globale Gefahr von der dschihadistischen Terrormiliz „Islamischer Staat“ aus, die militärisch hoch professionell vorgeht und ganz bewusst Morde als Internetpropaganda nutzt. Dieser Dschihadismus, der ein Beispiel dafür bietet, wie sich Terrorgruppen über ihr terroristisches Handeln hinaus territorial konsolidieren, ist eine militante Form des Islamismus, der sich wie der Islamismus allgemein als eine Politisierung des Islam darstellt. Das bedeutet, dass bei den islamistischen Terroraktionen in ihrer verschiedenartigen Ausprägung der Islam nicht als Religion, sondern als politische Ideologie in Erscheinung tritt, wenngleich der Islamismus religiös begründet ist.
Wilfried Röhrich
2. Der Islam und seine Politisierung: Religion und politische Ideologie
Zusammenfassung
Ungeachtet der kulturellen Verschiedenartigkeit und seiner politischen Gestaltungsbreite lässt sich die Frage, was der Islam sei, stark verkürzt wie folgt beantworten: Er gründet auf den Glaubenstexten des Korans und auf den Hadith-Überlieferungen des Propheten Mohammed, der sich als Abgesandter Allahs begriff. Die islamische Offenbarung in Gestalt der Koransuren, die Mohammed um 610 n. Chr. in Mekka verkündete, erreichte zunächst nur eine kleine Sekte. Mit ihr floh er 622 nach Medina, wo ihm weitere Teile des Korans offenbart wurden und wo er den ersten islamischen Stadtstaat errichtete. Den Unterschied zwischen den Mekka- und den Medina-Texten hat die moderne Reformtheologie(An-Na’im 1990) immer wieder betont. Während die Mekka-Texte als weltoffen zu bezeichnen sind, zielen die Medina-Texte auf die Binnenloyalität der Umma, der Gemeinschaft der Gläubigen, sowie darauf, äußere Feinde abzuwehren.
Wilfried Röhrich
3. Das koloniale Erbe: Der nominelle Nationalstaat
Zusammenfassung
Innerhalb eines Jahrzehnts – vom Golfkrieg 1991 bis zum 11. September 2001 – wurden die islamischen Nationalstaaten destabilisiert und der Islamismus gefestigt. Nach dem Golfkrieg suchte man nach einer Neuordnung des Nahen Ostens. Und seit den Terroranschlägen in New York und Washington geriet die gesamte Welt des Islam ins Blickfeld der Öffentlichkeit. Lange davor hatte sich mit der Abschaffung des Kalifats 1924 die islamische Umma in zahlreiche islamische Nationen aufgelöst – analog der damals von Europa übernommenen Idee der Nation. Es vollzog sich ideologisch und politisch ein Wandel von der „Gottesherrschaft“ zum säkularen Nationalstaat, der im Kolonisationsprozess auf die islamische Zivilisation übertragen wurde, ungeachtet dessen, dass dem Islamischen Nationalstaat all das fehlt, was die europäischen Institutionen auszeichnet.
Wilfried Röhrich
4. Die ägyptische Politisierung des Islam
Zusammenfassung
Der Islamismus kann als ein Phänomen dargestellt werden, das sich in regional verschiedenen Formen manifestiert. Die Politisierung des sunnitischen Islam in Ägypten lässt zwar einen Mikrokosmos der islamischen Welt erkennen, ist aber insofern singulär, als sich hier eigene historische Rahmenbedingungen herausgebildet haben: Nachdem der Versuch, das 1924 von der türkischen Nationalversammlung abgeschaffte Kalifat wiederherzustellen, gescheitert war, begann die ägyptische politische Führungsschicht in den Jahren nach der Unabhängigkeit damit, die islamischen Normen den Erfordernissen des nominellen Nationalstaats anzupassen. Die sich damals herausbildenden islamistischen Bewegungen, die islamische Grundlagen für den ägyptischen Staat forderten, können als Vorläufer der Muslimbruderschaft angesehen werden, die im März 1928 entstand.
Wilfried Röhrich
5. Die Khomeini-Revolution und die Repolitisierung des Islam
Zusammenfassung
Dass die verschiedenartige Religionstradition in den islamischen Ländern jeweils eine theologisch-politische Dimension aufweist, zeigt sich besonders deutlich bei der Betrachtung der Khomeini-Revolution im Iran. Damals, im Februar 1979, ist erstmals in der iranischen Geschichte die schiitische Konfession in ein Stadium eingetreten, in dem unter der Leitung des schiitischen Klerus eine religiös legitimierte Herrschaft entstand. Zwar hat sich der schiitische Islam immer auf einen Klerus stützen können, der sich autonomer gegenüber der jeweiligen Herrschaft verhielt als die sunnitischen Geistlichen. Doch während der Abwesenheit des „entrückten“ zwölften Imam, der den Safawiden zufolge seit dem 9. Jahrhundert in „Verborgenheit“ lebt, war nach der schiitischen Doktrin im Grunde jede Herrschaft – auch die des Klerus – illegitim. Erst Ayatollah Ruhollah Khomeini entwickelte in diesem Kontext seine eigene Doktrin der Wilayat al-faqih, der Herrschaft des anerkannten Gottesgelehrten. Damit avancierte im Iran unter der Führung Khomeinis der schiitische Klerus, dessen Herrschaft jahrhundertelang als illegitim galt, zu den Trägern der Herrschaft.
Wilfried Röhrich
6. Die palästinensische Politisierung des Islam: Die Hamas
Zusammenfassung
Die Politisierung des Islam in Gestalt des palästinensischen Islamismus der Hamas kennzeichnet noch immer den problembeladenen Israelisch-Palästinensischen-Konflikt, der den Kern des Nahostkonflikts bildet. Im Sechstagekrieg vom Juni 1967 hatte Israel das Westjordanland (inklusive Ostjerusalem) und den Gazastreifen erobert. Die darauf folgenden Autonomiebemühungen für die palästinensischen Gebiete scheiterten an Israel und führten vermehrt zu einer Repolitisierung des palästinensischen Islam – wenngleich die Hamas, wie nachfolgend vermerkt, auch den parlamentarischen Weg einzuschlagen versuchte.
Wilfried Röhrich
7. Die afghanische Politisierung des Islam: Die Taliban
Zusammenfassung
Die Taliban-Bewegung, deren Totalitaristen sich Dschihad-Kämpfer nennen, zählt zu jenen islamistischen und dschihadistischen Organisationen, die mit ihrem Neo-Dschihad den gewaltsamen Kampf zur Durchsetzung ihrer politischen Ziele führen. Islamismus und Gewalt bilden bei den Terrorfeldzügen und der Einführung eines Emirats eine Einheit. Dieser politische Islam der Taliban verbindet sich mit einer religiösen Überzeugung, die auf dem Deobandismus der islamischen Hochschule Darul Uloom in der indischen Kleinstadt Deoband gründet, die einen dogmatischen, orthodoxen und puritanischen Islam vertritt: Kein „Vermittler“ zu Gott, sondern Gott allein darf angerufen und angebetet werden. Schiiten, Christen und Juden werden als Ungläubige betrachtet. Der Islam des Deobandismus beinhaltet eine stark negative Haltung gegenüber allem Westlichen und Vorislamischen. Dementsprechend betont die Hochschule die Notwendigkeit, den Westen, vor allem die USA, zu bekämpfen und einen Dschihad gegen die Ungläubigen zu führen. Bedeutsam ist, dass eine islamistische Niederlassung der Hochschule in Pakistan besteht, wo mehrere Führer der Taliban und auch Mohammed Omar (Mullah Omar) ausgebildet wurden. Bedeutsam ist auch, dass zahlreiche pakistanische Medressen von Deobandis geleitet werden – Koranschulen, in denen der Deoband-Islam gelehrt wird.
Wilfried Röhrich
8. Al-Qaida und der 11. September 2001
Zusammenfassung
Die Terroranschläge auf das World Trade Center mitten in Manhattan und auf das Pentagon in Washington am 11. September 2001 trafen eine Nation, die sich auf heimischem Boden unangreifbar wähnte. Damals hatten al-Qaida-Terroristen vier Passagierjets gekapert, von denen zwei in die Twin Towers und einer in das Pentagon gesteuert wurden. Das vierte Flugzeug, das vermutlich das Kapitol oder das Weiße Haus zerstören sollte, konnte von Passagieren zum Absturz gebracht werden. In Manhatten stürzten der Südturm nach etwa neunzig Minuten und der Nordturm nach etwa zwei Stunden vollständig ein, wobei sie über 3000 Menschen unter sich begruben. Außerdem starben alle Passagiere und zahlreiche Feuerwehrleute sowie viele Menschen im Pentagon. Der tiefe Schock der Amerikaner, den diese Anschläge auslösten, lässt sich kaum in Worte fassen. Die Illusion von Sicherheit galt nicht mehr. Das World Trade Center in Trümmern, Teile des Pentagons in Flammen, das Weiße Haus evakuiert, die Flughäfen geschlossen. Die Szene übertraf jene Fiktion der ins Meer stürzenden Freiheitsstatue in Roland Emmerichs Film „Independence Day“.
Wilfried Röhrich
9. Der Islamische Staat
Zusammenfassung
Im dritten Millennium steht erneut der Gottesstaat im Mittelpunkt des Dschihadismus. Die modernen Dschihadisten sehen im Dschihad den militanten Kampf zur Durchsetzung ihres politischen Islam. Terror und Gewalt dienen als Instrumente, um ihre universale Herrschaft in Gestalt des Kalifats zu errichten. Ihr Zurück zur großen Zeit der ersten Kalifen entspricht der islamistischen Ideologie, die im Kalifen noch immer den Stellvertreter des Propheten sieht. Und dass in der Epoche der rechtgeleiteten Kalifen große Reiche entstanden waren, forciert den expansiven Anspruch der Dschihadisten.
Wilfried Röhrich
10. Schlusswort
Zusammenfassung
Am Ende dieses Bandes soll ein kurzes Resümee erfolgen:
Die Khomeini-Revolution von 1979, die al-Qaida und der 11. September 2001 sowie der „Islamische Staat“ wurden in den drei Hauptkapiteln der Untersuchung vorgestellt. Es zeigte sich, dass die iranische Revolution gelingen konnte, weil sie – entgegen der Pahlewi-Monarchie – auf autochthone Elemente des schiitischen Islam zurückgriff. Spätestens seit dieser Revolution und vor allem seit den Terroranschlägen der Kern-al-Qaida bestimmen der Islamismus und der Dschihadismus das kollektive Gedächtnis der westlichen Länder. Damals führte die al-Qaida ihren Dschihad-Krieg gegen die USA – als einen Religionskrieg zwischen Iman/Glauben und Kufr/Unglauben nach der Formel des radikal-islamistischen „Propheten“ Sayyid Qutb.
Wilfried Röhrich
Backmatter
Metadata
Title
Die Politisierung des Islam
Author
Wilfried Röhrich
Copyright Year
2015
Electronic ISBN
978-3-658-08941-2
Print ISBN
978-3-658-08940-5
DOI
https://doi.org/10.1007/978-3-658-08941-2