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2007 | Book

Einführung in die Archäometrie

Editor: Prof. Dr. Günther Wagner

Publisher: Springer Berlin Heidelberg

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About this book

Archäometrie befasst sich mit der Entwicklung und Anwendung naturwissenschaftlicher Methoden und Konzepte zur Lösung archäologischer Fragestellungen. Damit ist sie ein weites Forschungsfeld an der Schnittstelle zwischen Natur- und Geisteswissenschaften. Archäologen, Physiker, Chemiker, Bio- und Geowissenschaftler geben einen Überblick über den heutigen Stand der vielfältigen archäometrischen Ansätze, wobei die einzelnen Beiträge sowohl die Grundlagen behandeln als auch anhand von Fallbeispielen die Anwendungsmöglichkeiten aufzeigen.

Die behandelten Themen umfassen Materialanalytik, Datierung, geophysikalische Prospektion, Archäometallurgie, Molekulargenetik, geoarchäologische Umweltrekonstruktion und Kulturentwicklung durch Klimawandel.

Table of Contents

Frontmatter

Datierung

Frontmatter
KAPITEL 1. Radiokohlenstoffdatierung
Auszug
Die Datierung mit dem radioaktiven Isotop des Kohlenstoffs, 14C, ist eine gut etablierte, universell anwendbare Technik. Ihre Vorzüge liegen in der weiten Verbreitung von Kohlenstoff in der Natur, den einfachen Randbedingungen im Kohlenstoffkreislauf, und der günstigen Halbwertszeit von 5730 Jahren, mit der wichtige Abschnitte der neueren Menschheitsgeschichte, bis ca. 50.000 Jahre zurück in die letzte Eiszeit, abgedeckt werden können.
Bernd Kromer
KAPITEL 2. Kaltes Licht aus alten Steinen — Lumineszenzdatierung in der Archäologie
Auszug
Mit Lumineszenz ist es möglich, den Brand einer Keramik, die Erhitzung eines Feuersteins, die letztmalige Umlagerung eines Sedimentes und — seit Neuestem — auch die Errichtung eines (prä-)historischen Gebäudes oder Steinwerkes zu datieren. Die Lumineszenzdatierung ist eine dosimetrische Altersbestimmungsmethode, bei der man sich den Umstand zu Nutze macht, dass elektrisch nichtleitende Festkörper einen durch die natürliche Radioaktivität hervorgerufenen Strahlenschaden speichern, der mit zunehmender Dosis anwächst und dessen Grßee ein Maß für die zugehörige Zeitspanne darstellt (Aitken 1985, 1998, Feathers 2003, Roberts 1997, Wagner 1998). Als Dosimeter werden zumeist ubiquitär auf der Erdoberfläche vorkommende Quarz- und Feldspatminerale genutzt. Sie speichern den durch die ionisierende Strahlung bewirkten Schaden im Kristallgitter der Minerale. Der Strahlenschaden ist in Form eines schwachen Leuchtens als Lumineszenzsignal messbar. Dessen Höhe ist zunächst ein Maß für die im Mineral deponierte Dosis, die als auf die Masseneinheit bezogene Energie in Joule pro kg [J/kg] angegeben wird und deren physikalische Einheit das Gray [1 Gy = 1 J/kg] ist.
Annettte Kadereit, Steffen Greilich, Clemens Woda, Günther A. Wagner
KAPITEL 3. Feuer und Stein — Altersbestimmung von steinzeitlichem Feuerstein mit Thermolumineszenz
Auszug
Die Thermolumineszenz(TL)-Datierung von erhitztem Feuerstein, Hornstein, Quarz, Quarzit, Sandstein, und anderen kristallinen Gesteinen ist die in der paläolithischen Archäologie am häufigsten angewandte Datierungsmethode anorganischen Materials. Die erfolgreiche Anwendung spiegelt sich in einer Vielzahl von Veröffentlichungen wider, in denen teils auch die Übereinstimmung der Ergebnisse im Vergleich zu anderen Datierungsmethoden aufgezeigt wird (z.B. Valladas 1992, Valladas et al. 1991, Mercier et al. 1995, Huxtable 1993). Die archäologischen Anwendungen reichen dabei von der Älteren Altsteinzeit (Altpaläolithikum) bis zur Jungsteinzeit (Neolithikum) mit einem Schwerpunkt auf dem Mittelpaläolithikum. Die Nutzung von Feuer seit mehr als einer Million Jahre führte regelmäßig zur Erhitzung von Gesteinsmaterial und eröffnet somit die Möglichkeit der Altersbestimmung von archäologischen Fundstellen mittels TL. Die Anwendbarkeit der Datierungsmethode wird bei jungen Proben von der Empfindlichkeit der Messgeräte bestimmt und bei alten Proben von Sättigungserscheinungen des TL-Signals aufgrund des hohen Alters.
Daniel Richter

Geophysikalische Prospektion

Frontmatter
KAPITEL 4. Unter Acker und Wadi: Magnetometerprospektion in der Archäologie
Auszug
Magnetometer gewähren heute einen scharfen „Blick“ in die oberste, etwa ein bis zwei Meter starke Bodenschicht und offenbaren bislang verborgene Spuren einstiger Siedlungen, Gruben und Wehranlagen. Die Magnetometerprospektion ist eine zerstörungsfreie Methode; d.h. keine Grabung, keine Sondagen um archäologische Befunde zu sichern. Dazu noch kostengünstig — ein ideales Instrument für Archäologen und Denkmalpfleger, deren Ziel das Erfassen und Bewahren von Bodendenkmälern und nicht die Ausgrabung und damit eine Zerstörung solcher Orte ist. In den letzten Jahren konnte sich die geophysikalische Prospektion, im Verbund mit der Luftbildarchäologie, von einer bloßen Hilfswissenschaft für die Archäologie zu einem eigenständigen Wissenschaftszweig entwickeln. Allein aus der geophysikalischen Kartierung der Denkmäler lassen sich neue Fragestellungen zur weiteren Forschung entwickeln. Die geophysikalische Prospektion bietet erstmals die Möglichkeit, die Befunde eines archäologischen Denkmals in seiner Gesamtheit auch dort zu erfassen, wo eine Ausgrabung unerwünscht, unmöglich oder unfinanzierbar ist. Typologische Kenntnisse aus vergleichbaren ergrabenen Bodendenkmälern erlauben vielfach eine Datierung und Einordnung in eine bestimmte Zeitstufe. Damit ist aber nicht die Archäologie als Wissenschaft überflüssig, sondern eine ihrer Methoden, die archäologische Grabung, kann durch eine weitere ergänzt, weiterentwickelt und optimiert werden.
Jörg Fassbinder
KAPITEL 5. Geoelektrik und Georadar in der archäologischen Forschung: geophysikalische 3D-Untersuchungen in Munigua (Spanien)
Auszug
Seit einigen Jahren ist die Anwendung zerstörungsfreier geophysikalischer Verfahren ein wichtiger Teil archäologischer Untersuchungskonzepte und sowohl aus interdisziplinären Forschungsprojekten als auch dem alltäglichen Aufgabenfeld der Bodendenkmalpflege nicht mehr wegzudenken. Neben der bereits seit Mitte der achtziger Jahre angewandten Prospektion großer Flächen mittels geomagnetischer Kartierung (vgl. J. Fassbinder, dieser Band) rückte seit der Jahrtausendwende verstärkt der Einsatz tomographischer Verfahren zur Erforschung der dreidimensionalen archäologischen Objekte in das Blickfeld von Archäologen und Geophysikern (vgl. S. Hecht, dieser Band). Verbesserungen an der geophysikalischen Messtechnik führten zu einer Erhöhung von Messfortschritt und Datenqualität. Die heute fast selbstverständliche Verfügbarkeit der nötigen Speicher- und Prozessorkapazitäten für die Auswertung großer Datenmengen wirkten dabei als Katalysatoren der wissenschaftlichen Entwicklung. Am Beispiel von Georadaruntersuchungen und geoelektrischer Prospektion in Munigua (Provinz Sevilla, Spanien) wird gezeigt, welche Ergebnisse mit diesen Verfahren erzielt werden können. Dabei werden die Grundzüge der Theorien, die praktische Umsetzung der Messungen sowie Auswertung und archäologische Interpretation exemplarisch beschrieben.
Burkart Ullrich, Cornelius Meyer, Andreas Weller
KAPITEL 6. Sedimenttomographie für die Archäologie — Geoelektrische und refraktionsseismische Erkundungen für on-site und off-site studies
Auszug
In der Medizin gehört die Anwendung tomographischer Methoden zur Durchleuchtung unseres Körpers schon seit Jahren zum Standardrepertoire bei einer Vielzahl ärztlicher Untersuchungen. Auch bei der ‚Durchleuchtung‘ des oberflächennahen Untergrunds zur Enthüllung archäologischer Schätze stehen inzwischen verschiedene geophysikalische Methoden zum Einsatz zur Verfügung. Im folgenden Beitrag werden konkrete Fallbeispiele zur Anwendung geoelektrischer und refraktionsseismischer Methoden bei der Erkundung des oberflächennahen Untergrunds vorgestellt und ihr Potenzial für archäologische und geoarchäologische Fragestellungen erörtert. In einem Beispiel wird auch die kombinierte Anwendung beider Methoden im Vergleich erläutert. Der Begriff ‚Sedimenttomographie‘ wird in diesem Zusammenhang allgemein für den Einsatz unterschiedlicher geophysikalischer Verfahren zur Untergrunderkundung verwendet, bei denen 2DSchnittbilder des Untergrunds erstellt werden. Die Erstellung ‘echter’ Tomographien erfordert dagegen einen dreidimensionalen Datensatz.
Stefan Hecht

Anorganische Materialanalyse

Frontmatter
KAPITEL 7. Alten Berg- und Hüttenleuten auf die Finger geschaut: Zur Entschlüsselung berg- und hüttenmännischer Techniken
Auszug
Es gibt in den Archäologien eine Fülle verschiedener Funde und Befunde und dementsprechend eine große Bandbreite von Fragestellungen und Forschungszielen. Unter denen, die in besonderem Maße auf einer Zusammenarbeit mit den Naturwissenschaften basieren, ist die Frage nach dem Kenntnisstand und der Entwicklung von bergbaulichen und metallurgischen Technologien von besonderem Interesse.
Andreas Hauptmann
KAPITEL 8. Dem Euro der Römer auf der Spur — Bleiisotopenanalysen zur Bestimmung der Metallherkunft römischer Münzen
Auszug
Die Bleiisotopenanalyse ist heute von großer Bedeutung für die Herkunftsbestimmung der Metalle in archäologischen Objekten. Die Bleiisotopenverhältnisse von Erzen dienen dabei als Fingerabdruck einer Lagerstätte, und durch einen Vergleich der Bleiisotopendaten von Objekten und Erzen können die Metalle ihren Lagerstätten zugeordnet werden. Diese Möglichkeit liefert den archäologischen Wissenschaften neue Denkanstöße: Woher die Rohstoffe stammten, ob unterschiedliche Produkte absichtlich oder zufällig mit Rohstoffen unterschiedlicher Herkunft hergestellt wurden, welche Handelsbeziehungen es gab, welche Produktionsstätten bedeutend waren und welche nur geringfügig ausgebeutet wurden, wie sich Handelsbeziehungen im Verlauf einer Zeitspanne änderten (eventuell unter politischen Veränderungen), wann eine Rohstoffquelle versiegte und wo nach alternativen Rohstoffquellen gesucht wurde?
Sabine Klein
KAPITEL 9. Die Herkunft der Pyramidenbausteine
Auszug
Selbst bei einem nur flüchtigen Besuch eines ägyptologischen Museums fällt die große Anzahl von Steinobjekten ins Auge, und in der Tat nahm im alten Ägypten die Steinbearbeitung einen sehr hohen Rang im gesamten kulturellen und wirtschaftlichen Leben ein. Diese Erkenntnis wurde nicht zuletzt durch den Buchtitel von Ewers (1929) „Staat aus dem Stein“ für das alte Ägypten zu einem prägenden Begriff.
Dietrich Klemm, Rosemarie Klemm
KAPITEL 10. Tonmasse und Keramik: Herkunftsbestimmung durch Spurenanalyse
Auszug
Die Untersuchung von Keramik, die ja lange Zeiten der Bodenlagerung unbeschadet übersteht und die bei fast allen archäologischen Ausgrabungen in großen Mengen gefunden wird, nimmt einen bedeutenden Anteil der archäologischen Forschertätigkeit ein. Denn da die Lebensdauer der zerbrechlichen keramischen Gefäße nur kurz ist, kann Keramik sehr gut dazu dienen, nach eingehender stilistischer Analyse und Klassifikation einzelne kürzere Zeitperioden einer alten Kultur zu charakterisieren und, falls eine Abfolge von zeitlich aufeinanderfolgenden Schichten vorliegt, eine chronologische Typologie aufzustellen. Alexander Conze hat die Keramik deshalb nun schon vor über 120 Jahren als ‚Leitfossil der chronologischen Archäologie‘ bezeichnet. Bei Betrachtung und Vergleich der Keramik und aller anderen Funde verschiedener Ausgrabungsstätten kommt man in der Archäologie so schließlich zu einem dichten Netz von Assoziationen und Wahrscheinlichkeiten, das vielfältig verknüpft ist und das deshalb gestattet, die alte Geschichte auch in Zeiten vor einer schriftlichen überlieferung recht gut zu beschreiben. Es ist nicht erstaunlich, dass die Archäologie zur Absicherung dieses Netzes heute auch naturwissenschaftliche Methoden in wachsendem Maße nachfragt. Denn eine Auseinandersetzung mit alten Artefakten und alten Kunstwerken nur mit unserer optischen Wahrnehmung allein scheint bei den heutigen naturwissenschaftlichen Möglichkeiten nicht mehr ausreichend und akzeptabel zu sein.
Hans Mommsen
KAPITEL 11. Die Kunst der antiken Glasmacher — mit mikroanalytischen Methoden auf der Suche nach den Details römischer Mosaikgläser
Auszug
Mikroanalytische Untersuchungen gewinnen in der Archäometrie aus verschiedenen Gründen immer mehr an Bedeutung. Zum einen hat sich die Zahl der unterschiedlichen Methoden in den vergangenen zehn bis fünfzehn Jahren deutlich vergrößert. Neben der traditionell weit verbreiteten Elektronenstrahl-Mikrosonde stehen heute unterschiedliche Typen von Lasersonden, Mikro-Röntgenfluoreszenzanlagen, Mikro-Röntgendiffraktometern, Raman-Mikrospektrometern, Ionensonden oder Protonensonden zur Verfügung. Zum anderen können die Messungen an kleineren Objekten in-situ oft zerstörungsfrei oder wenigstens zerstörungsarm durchgeführt werden. Das ermöglicht die Untersuchung auch wertvoller Funde wie z.B. der prunkvollen, großzügig mit geschliffenem Granat verzierten Gold- oder Silberfibeln der Merowinger (Quast und Schüssler 2000). Für die Analyse größerer Objekte, die nicht als Ganzes in die Probenkammern einiger Instrumente passen, genügt meist die Entnahme winziger Proben für die Messung. Ein typisches Beispiel dafür ist die berühmte Portlandvase im Britischen Museum, eine römische Vase aus Kameoglas, bei deren Restaurierung kleinste Glassplitterchen anfielen, die dann eingebettet und mikroanalytisch untersucht wurden, um die Glasrezeptur zu ermitteln (Bimson und Freestone 1983). Einige Methoden sind allerdings auch geeignet, um größere Objekte in-situ zu analysieren, manche Messgeräte sind sogar portabel und erlauben Messungen unmittelbar vor Ort, z.B. in Museen, Gemäldegalerien oder an Baudenkmälern.
Ulrich Schüssler, Vilma Gedzevičiūtė, Nele Welter
KAPITEL 12. Glas für den Pharao — Glasherstellung in der Spätbronzezeit des Nahen Ostens
Auszug
Glas ist bei weitem das jüngste der drei künstlich hergestellten Materialien; Keramik erscheint im archäologischen Befund vor rund 10,000 Jahren, und aus Erzen erschmolzenes Metall — im Gegensatz zu gediegenem Metall — ist seit mindestens 6,000 bis 7,000 Jahren bekannt. Glas hingegen wird erst seit rund 3,500 Jahren von Menschen regelmäßig hergestellt und zu Gefäßen verarbeitet, obwohl es keine höheren Temperaturen erfordert als etwa die Metallgewinnung. Trotz dieser relativ jungen Geschichte wissen wir vergleichsweise wenig über die frühe Herstellung von Glas, insbesondere für die Zeit vor der römischen Epoche. Dies mag zum einen daran liegen, dass sehr viel weniger Glas hergestellt wurde als Metall; Glas war bis etwa zur Zeitenwende ein sehr exklusives Material, in Wert und Funktion vergleichbar mit Edelstein und Edelmetall. Dies, und die Notwendigkeit, teilweise sehr spezialisierte und geographisch nicht weit verbreitete Rohstoffe zu verwenden, führte früh zu einer Konzentration der Glasherstellung auf wenige Zentren. Eine andere Besonderheit der Glasherstellung liegt darin, dass Glas im Idealfall aus der vollständigen Fusion seiner Rohmaterialien entsteht, ohne dass Abfall oder Schlacke anfällt. Damit steht Glas in direktem Gegensatz zu Metall, dessen Herstellung uns vor allem durch die zahlreichen Untersuchungen an Schlackenfunden bekannt ist. Weiterhin unterliegen Glasobjekte am Ende ihrer Nutzbarkeit sehr viel stärker dem Recycling als zum Beispiel Eisen. Aus all diesem ergibt sich, dass in der Spätbronzezeit und Eisenzeit vermutlich nur relativ wenige Produktionszentren existierten, die vergleichsweise kleine Mengen an Glas herstellten und dabei dann auch noch sehr wenige Abfälle zurückließen; ein für die Archäologie der Glasherstellung denkbar ungünstiger Ausgangspunkt!
Thilo Rehren, Edgar Pusch
KAPITEL 13. Französische und schweizerische Fayencen zwischen Mythos und Realität
Auszug
Majolika, Fayence und Delfter Ware sind Synonyma für eine ganz spezielle Keramikgattung. Es handelt sich dabei um eine Irdenware, die äußerlich wie Porzellan aussieht. Zu diesem Zwecke wird der bleihaltigen Glasur Zinnoxid (SnO2, Cassiterit) als Trübungsmittel zugesetzt. Die Gefäße erscheinen so weiß. Diese Töpferresp. Glasurtechnik ist ca. 1000 Jahre alt und wurde im 9. Jh. n. Chr. im mesopotamischen Raum eingeführt. Auf Grund des porzellanartigen Aussehens in Form und Dekor der ältesten Fayencen dieses Gebietes ist anzunehmen, dass der Zinnzusatz nicht zufällig, sondern absichtlich erfolgte, wahrscheinlich um die zu dieser Zeit nach Mesopotamien gelangenden ersten chinesischen Porzellangefäße der T’ang Dynastie zu imitieren (Caiger-Smith 1973). Im Laufe der Eroberungen des Mittelmeerraumes durch die Araber gelangte die neue, musulmanische Glasurtechnik auch nach Spanien. Im 12.–15. Jh. war sie dort in Zentren wie Talavera-Puente, Paterna-Manises und Sevilla in hoher Blüte. Von Spanien kam der Keramiktyp nach Frankreich — Mitte des 13.Jh. wurde in Marseille Fayence produziert (Marchesi et al. 1997) — und über die Balearen nach Italien, z.B. Faenza, und von dort verbreitete sich die Kenntnis der Fayenceproduktion nach Norden und Westen weiter. So entstanden laufend weitere Manufakturen in Frankreich, Deutschland, Holland, England, der Schweiz usw.
Marino Maggetti

Organische Materialanalyse

Frontmatter
KAPITEL 14. Auf Spurensuche in der Vergangenheit — Isotope schreiben Geschichte
Auszug
Nahezu alle Materialien, gleich ob natürlich oder von Menschen gefertigt, bergen in den Isotopen-Häufigkeitsverhältnissen einiger Haupt- und Spurenelemente Informationen zu ihrer Herkunft und Geschichte. Die Ursachen für die beobachteten Variationen der Isotopenhäufigkeiten sind dabei für jedes Element andere. So sind die Signaturen der leichten Elemente (H, C, N, O, S) eine direkte Folge der physikalischen und chemischen Vorgänge, welche eine bestimmte Probe durchlebt hat. Die Signaturen der schweren Elemente (Sr, Pb u. a.) gehen dagegen auf eine Millionen Jahre dauernde geologische Entwicklung zurück. In der Archäometrie können Isotopensignaturen helfen, Herkunft und Geschichte von natürlichen, technischen und biologischen Fundstücken zu klären oder auf Lebensumstände in früheren Kulturen wie Ernährungsweisen, Handelsbeziehungen, Migrationen oder Klima zu schließen.
Stefan Hölzl, Göran Åberg, Robert E. M. Hedges, Peter Horn, Bradley D. Hull, Susanne Rummel, Florian Téreygeol
KAPITEL 15. Palaeogenetik
Auszug
Die Begriffe Palaeogenetik bzw. „alte DNA“ (ancient DNA, aDNA) bezeichnen kein Fach, sondern lediglich das Interesse einer Reihe von Wissenschaften an der genetischen Information aus den überresten gestorbener Organismen der nicht allzu nahen Vergangenheit. Die Erforschung dieses alten Biomoleküls, das immer nur in Spuren und zudem chemisch degradiert und modifiziert vorliegt, betreiben eine Reihe von Fachwissenschaften, allen voran die Zoologie, die Anthropologie, die Paläontologie und die Archäologie. Allen diesen ist ein historisches bzw. naturgeschichtliches Interesse gemein, und die Analyse der alten DNA soll ihnen helfen, die genetischen Eigenschaften von Menschen, Tieren, Pflanzen, Viren oder Bakterien der Vergangenheit zu charakterisieren. Zweckmäßigerweise schließt man das praktische, nicht historische Interesse der Gerichtsmedizin, die ja ebenfalls mit DNA-Molekülen im Spurenbereich zu tun hat, von einer Definition aus, die damit lauten könnte: Die Begriffe Palaeogenetik bzw. „ancient DNA“ bezeichnen die spurenanalytische, molekulargenetische Charakterisierung von degradierter DNA verstorbener Organismen aus historischem oder naturgeschichtlichem Interesse.
Joachim Burger

Klima und Siedlungsdynamik

Frontmatter
KAPITEL 16. Kulturentwicklung am Wüstenrand — Aridisierung als Anstoß für frühgeschichtliche Innovation und Migration
Auszug
Trockengebiete nehmen derzeit fast 40 % der Festlandsfläche der Erde ein und bieten über 30 % der Weltbevölkerung Raum. Weite Teile der Trockengebiete unterliegen beschleunigten Transformationsprozessen, die vom globalen Klimawandel einerseits und von tiefgreifenden Eingriffen des Menschen in die Ökosysteme andererseits verursacht sind (MEAR 2005). Verschärft wird die Lage durch das starke Bevölkerungswachstum (DSW 2006). Meist handelt es sich zudem um Agrargesellschaften, die sich neben Regen- und Bewässerungsanbau auf die Weidewirtschaft stützen und damit besonders abhängig von den jeweils herrschenden Umweltbedingungen sind. Der rapide Umweltwandel trifft die Menschen existenziell, was durch die Tatsache unterstrichen wird, dass etwa 60 % aller Katastrophentoten in den Trockengebieten der Erde gezählt werden (ISDR 2004).
Bernhard Eitel
KAPITEL 17. Entdeckungen in Amerika: Archäometrische Forschungen in Mexiko, Ekuador und Peru
Auszug
In den letzten zwanzig Jahren hat die Archäometrie eine ständig wachsende Bedeutung bei der Lösung archäologischer Fragen gewonnen. Heute wird die interdisziplinäre Forschung als optimaler methodischer Ansatz zur Rekonstruktion der komplexen Menschheitsgeschichte angesehen. Dies liegt zum einen daran, dass die rein archäologischen Methoden des Erkenntnisgewinnes, die stratigraphische Analyse und auf Ähnlichkeitsbeziehungen beruhende Untersuchungen, nicht alle archäologischen Fragen beantworten können. Hier müssen Nachbardisziplinen, insbesondere der Naturwissenschaften, in die Forschungen eingebunden werden. Zum anderen wurden natur- und ingenieurwissenschaftliche Methoden in den letzten Jahren zunehmend auf die archäologischen Fragen abgestimmt, so dass heute spezifische Probleme gezielt mit entsprechend angepassten Methoden und der geeigneten Sachkenntnis beantwortet werden können.
Markus Reindel

Archäologie und Naturwissenschaften

Frontmatter
KAPITEL 18. Mit den Methoden der Gegenwart in die Vergangenheit — Archäologie und Naturwissenschaften
Auszug
Es war genau vor 30 Jahren, als im Wintersemester 1976/77 im Kollegiengebäude am Heidelberger Marstallhof das Kolloquium „Naturwissenschaftliche Methoden in der Archäologie“ stattfand, das Mitarbeiter der Archäometrie-Gruppe am Max-Planck-Institut für Kernphysik sowie Naturwissenschaftler und Altertumswissenschaftler der Universität Heidelberg zusammenführte. Für mich, der ich just in jenem Semester das Studium der Ur- und Frühgeschichte in Heidelberg aufgenommen hatte, war diese Veranstaltung ein unvergessliches Erlebnis. Die Kontroverse um die absolute Datierung der jüngeren Urgeschichte Europas war in vollem Gange und der Hauptexponent der „niedrigen Chronologie“, Vladimir Milojčić, traf auf Naturwissenschaftler, die sich entschieden für die Richtigkeit der durch die 14C-Methode nahe gelegten „hohen Chronologie“ aussprachen. Die Unterschiede zwischen den beiden Chronologiesystemen waren beträchtlich und beliefen sich, was z.B. die Einschätzung des Beginns des Neolithikums in Mitteleuropa anbelangte, auf mehr als zwei Jahrtausende! Zu einem Dialog kam es im Hinblick auf die umstrittene Chronologiefrage nicht, wohl aber zum Streit, denn man versuchte sich gegenseitig davon zu überzeugen, dass nur die jeweils eigene Methode zum Ziel führen könne.
Joseph Maran
KAPITEL 19. Archäometrie in Heidelberg — ein Beispiel für das Werden eines neuen Faches
Auszug
Am Beispiele Heidelbergs ist es aufschlussreich, zu beobachten wie in einer alten Universitätsstadt, wo ein breites Fächerspektrum als geeigneter Nährboden für die Archäometrie eigentlich schon immer vorhanden ist, sich der Dialog zwischen Altertums- und Naturwissenschaftlern erst relativ spät und zögerlich entfaltet hat. In Heidelberg sind drei unabhängige Wurzeln archäometrischer Aktivitäten erkennbar, die alle in die Mitte des 20. Jahrhunderts zurückreichen, wenn man von sporadischen früheren Ansätzen absieht.
Günther A. Wagner
Backmatter
Metadata
Title
Einführung in die Archäometrie
Editor
Prof. Dr. Günther Wagner
Copyright Year
2007
Publisher
Springer Berlin Heidelberg
Electronic ISBN
978-3-540-71937-3
Print ISBN
978-3-540-71936-6
DOI
https://doi.org/10.1007/978-3-540-71937-3