2010 | OriginalPaper | Chapter
Einleitung: Selbstverständnis der Netzwerkforschung
Authors : Christian Stegbauer, Roger Häußling
Published in: Handbuch Netzwerkforschung
Publisher: VS Verlag für Sozialwissenschaften
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Das Selbstverständnis der Netzwerkforschung hat durchaus Parallelen zu der Beschreibung ihres Gegenstands: Es zeichnet sich durch Heterogenität und Dynamik aus. Letzteres ist vor allem dem Umstand geschuldet, dass es verschiedene Theoriebestrebungen gibt, die in den seltensten Fällen als umfassende Theorien konzipiert sind. Vielmehr handelt es sich um „Theorien mittlerer Reichweite“ (Merton) oder um Theoreme, die in engem Zusammenhang mit empirisch-methodischen Fragestellungen stehen (z.B. strong ties vs. weak ties, embeddedness). Daraus resultiert dann auch ein heterogenes Selbstverständnis, das noch verstärkt wird durch divergierende Forschungsstrategien, die entweder an den Relationen (z.B. strong ties vs. weak ties), an den Positionen bzw. Knoten (z.B. strukturelle Äquivalenz) oder an dem Gesamtnetzwerk (z.B. small world) ansetzen und von dort aus Netzwerkstrukturen und -dynamiken beschreiben bzw. erklären. Nun ist es zwar so, dass diese verschiedenen Betrachtungsfoki auf Netzwerke ihrerseits aufeinander verweisen: Positionen gibt es nicht unabhängig von Relationen, wie umgekehrt. Und – Netzwerke lassen sich in Positionen und Relationen dekomponieren. Gleichwohl kann es einen Unterschied machen, was man als Dreh- und Angelpunkt seiner Argumentation nimmt. Besonders augenfällig wird dies bei den Positionen als Startpunkt: Derartige Netzwerkstudien bzw. -theoreme können durchaus kompatibel sein mit akteurszentrierten Ansätzen. Der dem methodologischen Individualismus nahestehende Ronald Burt begreift demgemäß sein Konzept struktureller Löcher durchaus akteursbezogen, wenn er Netzwerkakteuren empfiehlt, sich möglichst nahe von solchen strukturellen Löchern aufzuhalten. Bei diesem Beispiel wird aber auch die Krux sichtbar, wenn man eine solche Einteilungssystematik, die von dem jeweiligen archimedischen Punkt der forscherischen Perspektive ausgeht, vornimmt. Denn die anderen beiden Aspekte bleiben damit keineswegs ausgeblendet. Die Analyse struktureller Löcher macht nur Sinn in Referenz auf eine höhere Netzwerkebene (hier Gesamtnetzwerk genannt).