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2010 | Book

Handbuch Netzwerkforschung

Editors: Christian Stegbauer, Roger Häußling

Publisher: VS Verlag für Sozialwissenschaften

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About this book

Das Buch bietet einen weitreichenden Überblick über Forschungs- und Theoriebereiche in der Netzwerkforschung. Neben einem einführenden Teil zur Geschichte der Netzwerkforschung, zum Selbstverständnis und zu den wichtigsten theoretischen Grundlagen werden Methoden der Netzwerkforschung behandelt. Das wachsende Paradigma wird in immer mehr wissenschaftlichen und anwendungsorientierten Disziplinen als erkenntnisleitendes Prinzip und als Methode eingesetzt. Ein Überblick über viele dieser Felder bildet einen weiteren Schwerpunkt. Das Buch wird ergänzt durch einen Serviceteil, in dem Lehrbücher vorgestellt werden. Das Handbuch wendet sich damit sowohl an Neueinsteiger in die Thematik als auch an Experten. Am Buch sind die wesentlichen Autorinnen und Autoren der deutschsprachigen Netzwerkforschung beteiligt.

Inhalt:

1. Einführung ins Handbuch der Netzwerkforschung

2. Einführung: Geschichte der Netzwerkforschung

2.1 Die Wurzeln der Netzwerkanalyse

Michael Schnegg

2.2 Der „Harvard Breakthrough”

Jörg Raab

2.3 Deutschsprachige Netzwerkforschung

Rolf Ziegler

3. Einführung in das Selbstverständnis der Netzwerkforschung

3.1 Relationale Soziologie

Roger Häußling

3.2 Positionen und Rollen

Christian Stegbauer

3.3 Netzwerkanalyse, Emergenz und die Mikro-Makro-Problematik

Bruno Trezzini

3.4 Kreuzung sozialer Kreise: Auswirkungen und Wirkungsgeschichte

Michael Nollert

3.5 Was sind die Knoten im Netzwerk?

Steffen Albrecht

3.6 Beziehungen und Kanten

Jessica Haas

3.7 Starke und schwache Beziehungen

Christian Avenarius

3.8 Strukturelle Löcher

Nicoline Scheidegger

3.9 Struktur und Dynamik in der Netzwerkanalyse

Matthias Trier

3.10 Menschenbild in der Netzwerkforschung

Jan Fuhse

3.11 Reziprozität

Christian Stegbauer

3.12 Ist die Netzwerkanalyse eine Sozialtheorie? Einige Positionen zum Status der Netzwerkforschung

Dieter Bögenhold & Jörg Marschall

3.13 Small World

Dietrich Stauffer

3.14 Netzwerk und Kultur

An

Table of Contents

Frontmatter

Einleitung

Frontmatter
Einleitung in das Handbuch Netzwerkforschung

Die Netzwerkforschung hat in den letzten Jahren einen enormen Aufschwung erfahren. Es gibt kaum mehr ein sozialwissenschaftliches Fachgebiet oder eine spezielle Soziologie, in der die Netzwerkperspektive nicht bedeutungsvoll wäre. Das, was vor allem in den USA vorangetrieben wurde und durch den Teilnehmerzugewinn der internationalen Netzwerkkonferenzen dokumentiert wird (Freeman 2004), ist auch im deutschsprachigen Bereich heute sehr deutlich wahrzunehmen. Waren die 1970er und 1980er Jahre vor allem durch einen Zugewinn an Methoden der Netzwerkanalyse geprägt (gekoppelt mit dem immensen Anstieg an computerbasierter Rechenkapazität), lässt sich seit den 1990er Jahren ein zunehmendes theoretisches Interesse verzeichnen. Dieses ist von der Einsicht getragen, dass die Untersuchung von Netzwerken eine genuin eigenständige soziologische Betrachtungsweise auf Soziales bereithält, die sich paradigmatisch von anderen – vorzugsweise akteursoder gesellschaftszentrierten – Ansätzen unterscheidet. Will man sowohl das breite Feld der netzwerkanalytischen Studien und Methodenbeiträge als auch die netzwerktheoretischen Aktivitäten erfassen, bietet es sich an, von der Netzwerkforschung zu sprechen. Die Ursache für diesen Aufschwung liegt in der Verheißung der Netzwerkforschung, nämlich soziologischer zu sein als andere Vorgehensweisen der empirischen Forschung. So nimmt die Umfrageforschung zunächst die sozialen Zusammenhänge auseinander – später kommen diese nach Analyse der erneuten Zusammensetzung über Merkmalsaggregate in der Interpretation häufig wieder zu Bedeutung. Dann sind die sozialen Zusammenhänge, um die es nach Netzwerksichtweise eigentlich geht, aber dahin. Auch die klassische qualitative Forschung nimmt die sozialen Zusammenhänge weniger Ernst – diese werden in Subjektivationen aufgelöst – zwar bilden sich die Relationen im Inneren der Akteure ab, die Beziehungen selbst unterliegen aber nicht der Betrachtung. Das Versprechen der Netzwerkforschung ist es nun, die Grundlage der Soziologie, nämlich die Beziehungen und das Beziehungsgefüge in Betracht zu nehmen. Durch dieses Vorgehen will man weiter kommen, als mit den anderen Verfahren (gleichzeitig ist man sich aber darüber bewusst, dass die Netzwerkforschung auf die anderen Methoden für ihre Interpretation angewiesen ist).

Christian Stegbauer, Roger Häußling

Geschichte der Netzwerkforschung

Frontmatter
Einleitung: Geschichte der Netzwerkforschung

Unser Handbuch ist als Arbeitsbuch konzipiert. Aus diesem Grund halten wir uns nicht zu lange bei Aspekten der Tradition auf. Wir denken, dass es dennoch notwendig ist, die wesentlichen Entwicklungslinien einer Betrachtung zu unterziehen. Geschichtliche Aspekte werden zudem auch in verschiedenen anderen Kapiteln behandelt. Unser Zugang zur Historie ist vielmehr der: Wir wünschen uns, dass Klassiker der Soziologie, die im Rahmen oder in Anlehnung an eine Relationale Soziologie argumentiert haben, in das Paradigma der Netzwerkforschung eingewoben werden. Auf diese Weise kann die moderne Netzwerkforschung an zahlreiche klassische Theoretiker anknüpfen und hierdurch hoffentlich die grundsätzlichen Ideen weiterentwickeln.

Christian Stegbauer, Roger Häußling
2.1. Die Wurzeln der Netzwerkforschung

Dieser Beitrag geht der Frage nach, wie die soziale Netzwerkanalyse entstanden ist. Um diese Frage beantworten zu können, muss man definieren, was man unter sozialer Netzwerkanalyse versteht. Freeman hat dazu vier Kriterien vorgeschlagen: (1) die Analyse der sozialen Beziehungen zwischen Akteuren als wichtiger Bestandteil gesellschaftlicher Ordnung, (2) die systematische Erhebung und Auswertung empirischer Daten, (3) die graphische Präsentation dieser Daten und (4) mathematische und computergestützte formale Modelle, um zur Abstraktionen dieser Daten zu gelangen (Freeman 2004: 3). In den 1940er Jahren hatte sich die Netzwerkanalyse (damals noch als Soziometrie bezeichnet) im Sinne dieser Kriterien als Forschungsrichtung etabliert (Freeman 2004: 63). Das zeigt sich nicht nur an der Vielzahl von Veröffentlichungen, sondern auch an der Existenz einer eigenständigen Zeitschrift und regelmäßigen Sektionen zur Soziometrie auf soziologischen Kongressen. Auch wenn das Interesse an den Themen in den darauffolgenden Jahren vorübergehend abgenommen hat, erscheint es mir daher angebracht, die 40er Jahre als Schnitt zu betrachten, vor dem die Wurzeln zu suchen sind. Dieser Beitrag konzentriert sich daher auf diesen Zeitraum und zeigt auf, welche Personen und Disziplinen entscheidende Beiträge zur Entstehung der sozialen Netzwerkanalyse geleistet haben.

Michael Schnegg
2.2. Der „Harvard Breakthrough“

„Während der letzten dreißig Jahre wurde die empirische sozialwissenschaftliche Forschung durch Fragebogenerhebungen auf Basis der Zufallsauswahl dominiert. Jedoch gleicht die Zufallsauswahl von Individuen, wie es normalerweise praktiziert wird, einem soziologischen Fleischwolf, der das Individuum aus seinem sozialen Kontext reißt und damit garantiert, dass niemand innerhalb der Studie mit jemand anderem interagiert. Dieses Vorgehen ist mit dem eines Biologen vergleichbar, der seine Versuchstiere in eine Hamburgermaschine stopft, um danach jede hundertste Zelle unter dem Mikroskop zu betrachten. Anatomie und Physiologie gehen verloren, Struktur und Funktion verschwinden, was bleibt ist Zellbiologie….Wenn es unser Ziel ist, das Verhalten von Menschen zu verstehen und es nicht lediglich festzuhalten, dann müssen wir uns mit den folgenden sozialen Phänomenen beschäftigen und darüber Wissen generieren: mit Primärgruppen, mit Nachbarschaften, Organisationen, sozialen Kreisen und Gemeinschaften sowie mit Interaktion, Kommunikation, Rollenerwartungen und sozialer Kontrolle“ (Allan Barton 1968 zitiert in Freeman 2004: 1).

Jörg Raab
2.3. Deutschsprachige Netzwerkforschung

Überblickt man die Veröffentlichungen deutschsprachiger, sozialwissenschaftlicher Autoren in den ersten drei Dekaden nach dem Zweiten Weltkrieg, so finden sich nur vereinzelt Arbeiten, die sich mit der Analyse sozialer Netzwerke und der Rezeption vor allem der angelsächsischen Literatur befassen. Das hat mehrere Gründe. Beiträge wie der von Jiri Nehnevajsa (1955) in der Kölner Zeitschrift (mit über 500 Literaturverweisen) oder seine Artikel in dem von René König herausgegebenen Handbuch der empirischen Sozialforschung (Nehnevajsa 1962, 1967, 1973) wie auch die systematische Übersicht von Rainer Dollase (1973) beschränkten sich auf die Soziometrie und erreichten mit diesem speziellen mikrosoziologischen Ansatz nur einen sehr beschränkten Adressatenkreis. Auch die interessanten Anwendungen graphentheoretischer Modelle auf die Struktur von Ruderern durch Hans Lenk (1964), der ja selbst Mitglied eines olympischen Wettkampfachters war, fanden keine große Resonanz. Für „gesamtgesellschaftliche“ Analysen erschienen diese Verfahren wenig fruchtbar. Die Entwicklungen in der angelsächsischen und amerikanischen Anthropologie wurden nicht oder sehr verspätet rezipiert – auch nicht auf dem Umweg über die deutsche, stark volkskundlich orientierte Ethnologie. In der empirischen Sozialforschung dominierte das Paradigma der „Variablensoziologie“ und der (repräsentativen) Umfragen. Schließlich wurde auch das Potential formaler Modelle bei der Begriffs- und Theoriekonstruktion nicht wahrgenommen (Ziegler 1972). Eine Ausnahme bildeten die Arbeiten von Hans Lenk (1969, 1975a, 1975b), Hans J. Hummell (1972) und der Sammelband von Renate Mayntz (1967).

Rolf Ziegler

Einführung in das Selbstverständnis der Netzwerkforschung

Frontmatter

Beziehungen

3.1. Relationale Soziologie

Bei der Relationalen Soziologie handelt es sich um eine Theorieperspektive der Netzwerkforschung, der man paradigmatischen Charakter attestieren kann. Dies ist darauf zurückzuführen, dass die Relationale Soziologie von einem anderen Ausgangspunkt aus Soziales erklärt, als andere soziologische Ansätze es gemeinhin tun. Sie geht weder von einzelnen Akteuren und deren Wünschen, Bedürfnissen und Entscheidungskalkülen aus, noch von normativ unterlegten Strukturen bzw. Erwartungen oder gegebenen gesellschaftlichen Rahmenbedingungen, sondern vielmehr von relationalen Mustern, sprich: von Beziehungen, Beziehungsgefügen, Netzwerkstrukturen und -dynamiken.

Roger Häußling
3.2. Beziehungen und Kanten

Die grundlegende Idee der sozialwissenschaftlichen Netzwerkanalyse ist, dass Akteure – wie beispielsweise Personen, Organisationen oder Nationalstaaten – durch soziale Beziehungen miteinander verbunden sind. Formal werden die Akteure meist als „Knoten“ bezeichnet, die Beziehungen zwischen ihnen als „Kanten“. Im Zentrum netzwerkanalytischer Verfahren steht die Untersuchung von Relationen, die Akteure miteinander verbinden oder voneinander trennen: Den Gegenstand der Netzwerkanalyse bilden also Beziehungen und die daraus entstehenden Muster oder Strukturen, nicht voneinander unabhängige Einheiten (siehe z.B. Knoke/Kuklinski 1982: 12).

Jessica Haas, Thomas Malang
3.3. Starke und Schwache Beziehungen

Dieser Beitrag befasst sich mit einer Eigenschaft von sozialen Netzwerken: der Stärke von Beziehungen. Er untersucht die Definitionen von Stärkegraden und diskutiert die Auswirkungen der Bestimmung von Beziehungsstärken auf die Interpretation von Netzwerkstrukturen und der Funktion einzelner Elemente innerhalb eines Netzwerkes. Die Soziale Netzwerkanalyse verwendet mit Hinsicht auf die Tragfähigkeit oder Qualität von Beziehungen die Begriffe „starke Beziehungen“, „schwache Beziehungen“ und „abwesende Beziehungen“ (bzw. „nicht vorhandene Beziehungen“).

Christine B. Avenarius
3.4. Reziprozität

Die sozialwissenschaftliche Netzwerkforschung analysiert und interpretiert die Struktur von Beziehungen zwischen Menschen (und anderen Entitäten). Aus den Ergebnissen werden Schlüsse darauf gezogen, welche Positionen eingenommen werden und welche Handlungsmöglichkeiten sich daraus ergeben. Aber welche Beziehungen stecken dahinter und welche Regeln gibt es in den Beziehungen? Wie entstehen diese und wie werden sie aufrecht erhalten? Und – nicht zuletzt, was steht eigentlich hinter der Messung von Beziehungen? Dies sind wichtige Fragen in der Netzwerkforschung.

Christian Stegbauer

Positionen und Akteure

3.5. Knoten im Netzwerk

Knoten stellen neben den Kanten eines der beiden konstitutiven Elemente von Netzwerken dar. Sie bilden damit eine wesentliche Grundlage der „relationalen Perspektive“ der Netzwerkforschung. Doch was genau stellen die Knoten des Netzwerks dar? Dieser Frage nachgehend zeigt der Beitrag zunächst auf, welche Annahmen über die Knoten im Netzwerk in der Netzwerkforschung als selbstverständlich angesehen werden und welche Aspekte von Knoten bei der empirischen Operationalisierung durch Netzwerke beachtet werden sollten. Der Beitrag geht außerdem auf die Probleme ein, die sich in der Netzwerkforschung aus der etablierten Auffassung von Knoten ergeben und diskutiert, welche neuen Perspektiven sich eröffnen, wenn diese infrage gestellt wird.

Steffen Albrecht
3.6. Positionen und positionale Systeme

Positionen und positionale Systeme stellen grundsätzliche Ordnungsprinzipen des Sozialen dar, so die Ansicht des modernen Strukturalismus, für den die Netzwerkforschung grundlegend war. Durch Positionen werden Wahrnehmungen und Handlungen geformt. Positionen bestimmen danach die Identität der Beteiligten, weil sie Sichtweisen formen und Konflikte in spezielle Bahnen lenken. Das Konzept der Positionen ist eine der wichtigsten theoretischen Grundlagen der Netzwerkforschung. Darüber hinaus sind Konzepte der positionalen Analyse in der Netzwerkforschung weit entwickelt. Im Beitrag werden wichtige Überlegungen zu Positionen vorgestellt.

Christian Stegbauer
3.7. Strukturelle Löcher

Während sich einige Netzwerkforscher mit der Verdichtung von sozialen Beziehungen und kohäsiven Teilbereichen in Netzen beschäftigen und intensive, multiplexe Ties als erklärungsmächtig hervorheben, beschäftigen sich andere Theoretiker mit den schwachen Beziehungen und dem Fehlen von Beziehungen in Netzwerken (Burt 1992a, Granovetter 1973). Dabei geht es um die strukturelle Einbettung der Akteure in deren Nachbarschaftsknoten und den daraus erwachsenden Handlungsmöglichkeiten und -restriktionen. Eine Person, die mit Personen Verbindungen unterhält, die ihrerseits untereinander nicht direkt verbunden sind, erlangt die Möglichkeit, zwischen diesen Kontakten zu vermitteln und daraus Vorteile zu erzielen. Die Ties einer solchen Person überbrücken strukturelle Löcher im Netzwerk.

Nicoline Scheidegger
3.8. Kreuzung sozialer Kreise: Auswirkungen und Wirkungsgeschichte

Georg Simmels (1858-1918) Bedeutung für die Netzwerkforschung ist in seinem Verständnis von der Soziologie als Wissenschaft von den Prozessen und Formen der sozialen Wechselwirkung verankert. Individuen sind für die Soziologie vornehmlich deshalb von Interesse, weil sie einerseits aktiv Wechselwirkungen konstituieren, andererseits aber auch von diesen Wirkungen betroffen sind. Simmel gehört damit sowohl zu den Begründern der relationalen (Emirbayer 1997) als auch der formalen Soziologie (Steinhoff 1925), die gleichermaßen entscheidend zur Entwicklung der Netzwerkanalyse beigetragen haben.

Michael Nollert
3.9. Menschenbild

Welches Menschenbild liegt der Netzwerkforschung zugrunde? Diese Frage zielt auf eine Philosophie oder auch eine Ontologie, auf die elementare Frage nach der Natur des Menschseins. Allerdings liefert die Netzwerkforschung in erster Linie ein Instrumentarium für die Analyse sozialer Strukturen. Insofern ist es nicht die Aufgabe und auch nicht die Zielsetzung der Netzwerkforschung, ein Menschenbild zu entwickeln. Dennoch liegt der Netzwerkforschung natürlich eine bestimmte Vorstellung davon zugrunde, welche Rolle Menschen in Netzwerken spielen. Und sie liefert nicht zuletzt auch empirische Ergebnisse darüber und kann damit zu einem besseren Verständnis von Menschen beitragen.

Jan Fuhse
3.10. Soziales Kapital und seine Funktionsweise

Hinter dem Begriff des Sozialkapitals steht eine relativ einfache Grundüberlegung, die davon ausgeht, dass Investitionen in soziale Beziehungen einen Nutzen erwarten lassen. Diese recht allgemeine Definition ist das Ergebnis der unterschiedlichen Überlegungen bzw. Konzepte der Wissenschaftler, die zu der Diskussion beigetragen haben (Bourdieu 1982, 1983, 1992; Burt 1992; Coleman 1988, 1990; Erickson 1995, 1996; Flap 1991, 2001; Lin 1982, 1999; Portes 1998; Putnam 1993, 1995).

Marina Hennig

Gesamtnetzwerke

3.11. Netzwerkanalyse, Emergenz und die Mikro-Makro- Problematik

Die Mikro-Makro-Problematik, d.h. die Frage, wie individuelles Handeln und soziale Struktur sich gegenseitig bedingen, ist seit jeher fester Bestandteil sozialwissenschaftlicher Selbstverständigungsversuche und Gegenstand wiederkehrender, mehr oder minder fruchtbarer akademischer Kontroversen. Sie hat in jüngster Zeit von zwei Seiten neue Impulse erhalten. Zum einen ist die Mikro-Makro-Wechselwirkung mit Rückgriff auf die neueren Emergenzdiskussionen in den Naturwissenschaften und der Philosophie begrifflich spezifiziert worden (Albert 2005; Healy 1998; Heintz 2004; Renn 2008; Sawyer 2005). Zum anderen wird die netzwerkanalytische Perspektive in zunehmendem Maße als ein Ansatz wahrgenommen, der besonders gut dazu geeignet erscheint, die Mikro- und Makroebene einer theoretischen und methodologischen Integration näherzubringen (Haines 1988; Jansen 2003; Trezzini 1998; Weyer 2000). Die Frage nach dem Verhältnis von Mikro- und Makroebene in der Netzwerkforschung kann dementsprechend in zwei Richtungen zugespitzt werden, nämlich mit Blick auf eine allgemein sozialwissenschaftliche und mit Blick auf eine spezifisch netzwerkanalytische Fragestellung:

1.

Was kann die netzwerkanalytische Perspektive zum besseren empirischen und theoretischen Verständnis der Mikro-Makro-Interdependenz in sozialwissenschaftlichen Fragestellungen beitragen? Stellen Netzwerke als relationale soziale Gebilde ein eigenständiges, gar emergentes Analyseniveau dar, und bilden sie darüber hinaus ein im Mesobereich angesiedeltes, privilegiertes Vermittlungsglied zwischen der Mikro- und Makroebene?

2.

Über welche speziellen Konzepte und Analyseverfahren verfügt der netzwerkanalytische Ansatz, um zwischen Mikro- und Makroeigenschaften empirischer Netzwerke zu unterscheiden? Welchen Stellenwert besitzt die Mikro-Makro-Wechselwirkung in netzwerkanalytischen Studien, und wie wird sie konzeptualisiert? Inwiefern kann davon gesprochen werden, dass Netzwerke emergente Charakteristiken besitzen, und wie können diese erfasst werden?

Bruno Trezzini
3.12. Struktur und Dynamik in der Netzwerkanalyse

Die Methodik der sozialen Netzwerkanalyse (SNA) ist auf die quantitative Untersuchung von strukturellen Mustern in Graphen ausgerichtet. Die Analyse arbeitet gegenwärtig meist mit Daten aus einer einmaligen und kumulierten Erhebung der Netzwerkstruktur zu einem bestimmten Zeitpunkt. Diese Herangehensweise erfordert, dass dieser eine Graph des finalen Zustands repräsentativ für die Gesamtentwicklung des Netzwerks ist. Diese Annahme ist jedoch nicht immer korrekt und vereinfacht die zugrunde liegende, nicht beobachtete, Dynamik stark. Gerade für die Untersuchung von Veränderungen sind daher explizitere Verfahren der sog. dynamischen Netzwerkanalyse erforderlich.

Matthias Trier
3.13. Small World

Wieviele Verbindungen zwischen persönlichen Bekannten muss man hintereinander knüpfen, bis zwei zufällig gewählte Leute durch so eine Kette miteinander verbunden sind? Milgram schätzte für die USA vor vier Jahrzehnten, dass typischerweise sechs solche Verbindungsschritte nötig sind: „It's a small world!“. Dieses Kapitel behandelt Modelle, vor allem aus der Physik, die im letzten Jahrzehnt für solche Phänomene analytisch (mit Bleistift und Papier) oder mit Computer-Simulationen untersucht wurden, mit Vorarbeiten der späteren Nobelpreisträger Paul Flory (Chemie) und Herbert Simon (Wirtschaft) sowie der Mathematiker Erdös und Rényi.

Dietrich Stauffer
3.14. Netzwerk und Kultur

Die Netzwerkanalyse kann zumindest in ihrer standardisierten, quantitativen Variante als ein Ansatz begriffen werden, der darauf zielt, Beziehungsstrukturen aufzudecken. Netzwerkanalytiker behandeln „kulturelle Inhalte“ – konkret: Kommunikation und soziales Handeln – als Typen unterschiedlicher Verbindungen oder Konnektivitäten und damit als eine Art „black box“, die als solche nicht weiter analysiert wird (Mische 2003: 6f.). Es interessiert primär die Form der Beziehung als Kommunikations- und Handlungsresultat. Hiermit hat die Netzwerkanalyse einen grundlegend anderen Zugriff als kulturanalytische Zugangsweisen, die zumeist qualitativ-interpretativ darauf zielen, Bedeutungsproduktion in und durch Alltagspraktiken zu erfassen. Vor diesem Hintergrund bestand über lange Phasen ein Nebeneinander von sich entwickelnder Netzwerkanalyse auf der einen Seite und kulturanalytischen Verfahren und Vorgehensweisen auf der anderen Seite (Emirbayer und Goodwin 1994: 1446).

Andreas Hepp
Einleitung: Selbstverständnis der Netzwerkforschung

Das Selbstverständnis der Netzwerkforschung hat durchaus Parallelen zu der Beschreibung ihres Gegenstands: Es zeichnet sich durch Heterogenität und Dynamik aus. Letzteres ist vor allem dem Umstand geschuldet, dass es verschiedene Theoriebestrebungen gibt, die in den seltensten Fällen als umfassende Theorien konzipiert sind. Vielmehr handelt es sich um „Theorien mittlerer Reichweite“ (Merton) oder um Theoreme, die in engem Zusammenhang mit empirisch-methodischen Fragestellungen stehen (z.B. strong ties vs. weak ties, embeddedness). Daraus resultiert dann auch ein heterogenes Selbstverständnis, das noch verstärkt wird durch divergierende Forschungsstrategien, die entweder an den Relationen (z.B. strong ties vs. weak ties), an den Positionen bzw. Knoten (z.B. strukturelle Äquivalenz) oder an dem Gesamtnetzwerk (z.B. small world) ansetzen und von dort aus Netzwerkstrukturen und -dynamiken beschreiben bzw. erklären. Nun ist es zwar so, dass diese verschiedenen Betrachtungsfoki auf Netzwerke ihrerseits aufeinander verweisen: Positionen gibt es nicht unabhängig von Relationen, wie umgekehrt. Und – Netzwerke lassen sich in Positionen und Relationen dekomponieren. Gleichwohl kann es einen Unterschied machen, was man als Dreh- und Angelpunkt seiner Argumentation nimmt. Besonders augenfällig wird dies bei den Positionen als Startpunkt: Derartige Netzwerkstudien bzw. -theoreme können durchaus kompatibel sein mit akteurszentrierten Ansätzen. Der dem methodologischen Individualismus nahestehende Ronald Burt begreift demgemäß sein Konzept struktureller Löcher durchaus akteursbezogen, wenn er Netzwerkakteuren empfiehlt, sich möglichst nahe von solchen strukturellen Löchern aufzuhalten. Bei diesem Beispiel wird aber auch die Krux sichtbar, wenn man eine solche Einteilungssystematik, die von dem jeweiligen archimedischen Punkt der forscherischen Perspektive ausgeht, vornimmt. Denn die anderen beiden Aspekte bleiben damit keineswegs ausgeblendet. Die Analyse struktureller Löcher macht nur Sinn in Referenz auf eine höhere Netzwerkebene (hier Gesamtnetzwerk genannt).

Christian Stegbauer, Roger Häußling

Theorien und Theoreme der Netzwerkforschung

Frontmatter
Einleitung: Theorien und Theoreme der Netzwerkforschung

Dieser Abschnitt wurde mit dem Ziel zusammengestellt, die wichtigsten theoretischen Grundlagen der Netzwerkforschung darzustellen. Damit ergibt sich sofort eine große Schwierigkeit. Die Netzwerkforschung selbst bezieht sich auf wenige theoretische Figuren. Sie findet vielfach erst jetzt Anschluss an bereits vorhandene Theoriestränge. Zahlreiche Verbindungen, die möglich wären, sind noch nicht erkannt und bei weitem noch nicht ausgearbeitet. Insofern besitzt dieses Kapitel Lücken, die – so die Hoffnung der Herausgeber – in Zukunft gefüllt werden können. Mit unserer Auswahl haben wir versucht, Beziehungen zwischen klassischer soziologischer Theorie und der Netzwerkforschung zu identifizieren. Dieter Bögenhold und Jörg Marschall stellen dar, dass es ein Theoriedefizit gab und gibt. Mittlerweile ist zwar die Theorie von Harrison C. White (1992, 2008) weiter ausgearbeitet worden, dies wird jedoch noch nicht alle Teilnehmer zufrieden stellen. Netzwerkforschung kann zudem von verschiedenen theoretischen Standpunkten aus betrieben werden; und es lassen sich, wie angedeutet, noch weitere hinzufügen. In einige Überlegungen aus mehr inhaltlicher Perspektive wurde im 3. Kapitel bereits eingeführt. Eine Funktion unserer Einleitung ist es denn auch, auf das hinzuweisen, was hier nicht zu finden ist. Die klassische Wissenssoziologie (etwa Schütz) fehlt. Dies ist sehr schade, denn sie ist explizit relational definiert. Wenn es etwa darum geht, was wir wissen müssen, um uns verständigen und die Gewähr dafür haben zu können, dass diejenigen, mit denen wir reden, tatsächlich dasselbe meinen oder wenn wir verstehen wollen, was wir wissen und warum wir dieses Wissen über Positionen besitzen, die wir niemals einnehmen werden, so kommen wir um die Einbeziehung dieser Soziologie nicht umhin (in Anfängen Stegbauer 2002).

Christian Stegbauer, Roger Häußling
4.1. Formale Soziologie

Die Formale Soziologie steht für eine theoretische Richtung der Allgemeinen Soziologie, der in der ersten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts besondere Aufmerksamkeit zu Teil wurde. Ihr Anspruch ist es, Soziales anhand beobachtbarer zwischenmenschlicher Beziehungen zu erklären. Dabei postuliert sie, dass es Formen des zwischenmenschlichen Zusammenlebens gibt, die man zu allen Zeiten und in allen Kulturen vorfinden kann. Sei es in der Freundesgruppe, oder in einer religiösen Vereinigung, in einer Intimbeziehung oder in einer Organisation – überall herrschen derartige prägende Formen vor. Georg Simmel und Leopold von Wiese gelten als die prominentesten Vertreter dieser Denk- und Theorierichtung.

Roger Häußling
4.2. Figurationssoziologie und Netzwerkansätze

Im Folgenden versuche ich einen Zusammenhang zwischen der Figurationssoziologie von Norbert Elias und Netzwerkansätzen herzustellen. Im ersten Schritt wende ich mich Elias, aber auch Georg Simmel, im zweiten Schritt Netzwerkansätzen zu.

Herbert Willems
4.3. Rational Choice

Rational Choice (RC) ist ein zentrales Forschungsprogramm der Soziologie. Man kann es zur „analytischen Tradition“ (Hedström 2005) der Disziplin rechnen und als Variante der „erklärenden Soziologie“ (Esser 1993, 1999-2001) und des methodologischen Individualismus betrachten. Theorien werden im Rahmen dieses Programms als Systeme von Aussagen betrachtet, nicht aber als Systeme von Begriffen oder „Konzepten“. Es geht dabei um Aussagen, die zu empirisch prüfbaren und daher im Prinzip auch widerlegbaren Hypothesen führen – empirischer Gehalt als Qualitätsmerkmal soziologischer Theorien. Umgekehrt gilt es, Hypothesen in allgemeine Theorien „einzubetten“, sie idealerweise aus allgemeinen Theorien und geeigneten zusätzlichen Annahmen deduktiv abzuleiten. Der Kern des Programms wird gut durch das bekannte Schema soziologischer Erklärungen in Abbildung 1 wiedergegeben, das man bereits bei McClelland (1961: 47) findet, bevor es durch Lindenberg (1977) und Lindenberg und Wippler (1978) genauer ausgearbeitet und durch Coleman (1990) und Esser (1993) breit bekannt wurde. Das Schema bezieht sich auf die Makro- Ebene sozialer Bedingungen (Knoten A) und zu erklärender kollektiver Effekte (Knoten D) sowie auf die Mikro-Ebene individueller Handlungen, wobei unterschieden wird zwischen Handlungsalternativen (Opportunitäten), Zielen (Präferenzen) und Informationen der Akteure (Knoten B) einerseits und ihren Handlungen, den individuellen Effekten, andererseits (Knoten C). Das RC Programm unterstellt auf der Mikro-Ebene anreizgeleitetes und zielgerichtetes Handeln der Akteure (Pfeil 2, bei Esser angedeutet als „Logik der Selektion“). Soziale Bedingungen beeinflussen die Opportunitäten der Akteure bzw. die Restriktionen, denen sie unterliegen, sowie ihre Ziele und Informationen (Pfeil 1, bei Esser angedeutet als „Logik der Situation“). Soziale Phänomene werden erklärt als Resultate, häufig unintendierte Folgen, des absichtsgeleiteten Handelns interdependenter Akteure (Pfeil 3, bei Esser angedeutet als „Logik der Aggregation“). Dieses Programm geht im Kern zurück auf die schottische Moralphilosophie (A. Smith, Hume u.a.), Coleman (1990) ist der herausragende moderne Vertreter, Boudon (1977) und Goldthorpe (2007) haben andere wichtige programmatische Beiträge geliefert. In Deutschland hat Albert (z.B. 1977) das Programm den Soziologen wieder in Erinnerung gebracht und Opp (1979), Hummell (1973), Vanberg (1975) und Bohnen (1975) haben es in der modernen Soziologie explizit formuliert, und zwar früher als das in anderen Ländern geschah (vgl. Raub und Voss 1981, Kapitel 3 für Details).

Werner Raub
4.4. Weder Methode noch Metapher. Zum Theorieanspruch der Netzwerkanalyse bis in die 1980er Jahre

Die soziologische Netzwerkanalyse ist eine formale Methode zur Beschreibung der Struktur der Muster sozialer Beziehungen. Damit allein – „nur Methode“ zu sein – mochte sie sich allerdings nie begnügen, sondern formulierte immer wieder den Anspruch, ein Paradigma, ein Ansatz oder eine Perspektive zu sein, mithin also auch eine

theoretische

Perspektive einzuschließen. Schon vor Harrison Whites (1992) Versuch der Ausweitung der Netzwerktheorie zu einem „

neuen

amerikanischen Strukturalismus“ nahm insbesondere Barry Wellman (1988) für die ältere „

structural analysis

“ eine theoretische Positionierung vor.

Dieter Bögenhold, Jörg Marschall
4.5. Strukturalismus

Der Strukturalismus besitzt wichtige Bezüge zur Netzwerkforschung. Als Begründungsressource herangezogen wurde die sprachwissenschaftliche Lehre von Ferdinand de Saussure (2001, zuerst 1917). Dieser unterscheidet zwischen Langue, Langage und Parole. Die deutsche Sprache kennt nicht die Differenz zwischen Langue und Langage. Man bezeichnet „langue“ mit Sprache und „langage“ als menschliche Rede (Saussure 2001: 17). Der Hauptunterschied, der in der Literatur immer wieder dargestellt wird, ist die Differenz zwischen dem Begriff der Langue und dem der Parole. Langue meint die Gesamtheit der sprachlichen Regeln und Begriffe. Die Äußerung von Personen dagegen wird mit dem Begriff „parole“ belegt. Mit Parole ist lediglich der aktuelle Ausschnitt, der gerade gebraucht wird, gemeint. Die Linguisten beschäftigten sich vor Saussure häufig mit dem Ausdruck von Personen – die Unterscheidung aber, auf die Saussure hinwies, öffnete den Weg zu einer Untersuchung der Regelhaftigkeit von Sprache, wie sie in der wissenschaftlichen Grammatik entdeckt wurde. Solchen Regeln, wenn auch in unterschiedlicher Ausformung, unterliegen alle Sprachen.

Christian Stegbauer
4.6. Neuer amerikanischer Strukturalismus

Der klassische amerikanische Strukturalismus begründet die methodologisch-theoretische Position der sozialwissenschaftlichen Netzwerkanalyse als „strukturale Analyse“ (

structural analysis

). Ein Hauptakteur des klassischen amerikanischen Strukturalismus ist Harrison White, der nicht nur an der Ausbildung von Generationen von Netzwerkforschern maßgeblich mitgewirkt hat, sondern auch mit seinem 1992 erstmalig erschienenen

Identity and Control

eine zentrale Referenz für den

neuen

amerikanischen Strukturalismus liefert. Dieser neue amerikanische Strukturalismus baut auf den Annahmen und Erkenntnissen der strukturalen Analyse auf, öffnet und erweitert sie jedoch, insbesondere durch das Einbeziehen sowohl von kulturellen Aspekten, wie Geschichten, Praktiken und Bedeutungen, als auch von historischen Prozessen (Beckert 2005; Diaz-Bone 2006; Mizruchi 1994; Trezzini 1998).

Sophie Mützel
4.7. Netzwerke aus systemtheoretischer Perspektive

Fragt man nach dem Stellenwert von sozialen Netzwerken in der soziologischen Systemtheorie, so scheint es zunächst, als spielten sie

keine

wichtige Rolle: Anhand der Leitunterscheidung von System und Umwelt kommen Netzwerke nicht in den Blick, weil sie sich – im Gegensatz zu Interaktionssystemen, Organisationen und Funktionssystemen – nicht klar von ihrer sozialen Umwelt abzugrenzen scheinen. Systeme bedeuten immer eine

Grenzziehung

gegenüber einer Umwelt, während sich Netzwerke offenbar dadurch auszeichnen,

keine

Grenzen zu haben (White 1995: 1039). Andererseits jedoch ist der methodologische Grundgedanke, von Beziehungen statt von Individuen auszugehen, der Systemtheorie durchaus vertraut. Die Gesellschaft ist nicht eine Ansammlung von Menschen, sondern ein Kommunikationsgeschehen, dessen Ordnung darin besteht, dass Kommunikationen selektiv – und nicht zufällig – aufeinander Bezug nehmen: Die einzelne Kommunikation bestimmt sich „als Kommunikation

im

Netzwerk systemeigener Operationen“ (Luhmann 1997: 76). Die Systemtheorie teilt also durchaus jene „relationale“ Auffassung sozialer Wirklichkeit, die beispielsweise Emirbayer (1997) programmatisch für die Netzwerkanalyse in Anspruch nimmt. Beide beziehen sich auf den Sachverhalt, dass Elemente in selektiver Weise miteinander verknüpft werden – und zwar so, dass die Realisierung einiger (und das Ausbleiben anderer) Verknüpfungen einem bestimmten Muster oder Strukturierungsprinzip folgt. In dieser Hinsicht scheinen der System- und der Netzwerkbegriff denselben Sachverhalt zu bezeichnen: Sie sind Begriffe für „organisierte Komplexität“, d.h. für selektive Beziehungsmuster zwischen Elementen.

Boris Holzer, Jan Fuhse
4.8. Akteur-Netzwerk-Theorie (ANT)

Die Akteur-Netzwerk-Theorie (engl.

actor-network theory

) (ANT) ist ein Ansatz aus der konstruktivistischen Wissenschafts- und Technikforschung. Über die spezifischen wissenschafts- und techniksoziologischen Fragestellungen hinaus, beansprucht sie, ein neues transdisziplinäres Paradigma aufzustellen. Drei Namen sind mit der Entwicklung dieses Ansatzes verbunden: Michel Callon, Bruno Latour und John Law.

Birgit Peuker

Methoden der Netzwerkforschung

Frontmatter
Einführung: Methoden der Netzwerkforschung

Auch die Wurzeln der empirischen Methoden der Netzwerkforschung reichen weit zurück. An erster Stelle ist Jacob Moreno (1953, zuerst 1934) zu nennen, der Sympathie- Antipathie-Netzwerke untersuchte und bereits eine Reihe von formalen Methoden – angefangen von der Adjazenzmatrix bis hin zu visuellen Darstellungsformen entwickelt hat. Die Pionierleistung von Moreno wird jedoch geschmälert durch heute nicht mehr haltbare gesellschafts- bzw. ordnungspolitische Vorstellungen. Auch in der englischen Sozialanthropologie und in der Ethnologie wurde bereits in der ersten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts mit (quasi) netzwerkanalytischen Methoden gearbeitet. Die entscheidende Wende brachte dann die in den 1960er und 1970er Jahren in Harvard tätige Arbeitsgruppe, in dessen Mittelpunkt Harrison C. White stand. Insbesondere die von ihnen entwickelte Blockmodellanalyse ermöglichte die Betrachtung von Netzwerken auf einem höheren Abstraktionsniveau, nämlich in Bezug auf Positionen und Rollensets. Die methodischen und auch theoretischen Implikationen der Blockmodellanalyse können kaum überschätzt werden. Sie führte eindringlich vor Augen, dass das Nichtvorhandensein von Beziehungen mitunter strukturell bedeutsamer sein kann als das Vorhandensein konkreter Beziehungen. Damit war auch der Weg geebnet für die Analyse struktureller Löcher. Die theoretische Implikation der Blockmodellanalyse besagt, dass Akteure, die in gleicher oder zumindest ähnlicher Weise mit anderen Akteursgruppierungen in Beziehung stehen, als strukturell äquivalent zu werten sind. Sie sind ähnlichen Einflussnahmen ausgesetzt und können in die Netzwerkprozesse nur in spezifischer Form – nämlich über die konkret vorherrschenden direkten und indirekten Beziehungen – eingreifen. Dies legitimiert zu einer abstrakteren Betrachtung zu wechseln: Nicht mehr Akteure und ihre Beziehungen werden analysiert, sondern zu Positionen zusammengeführte äquivalente Akteure und das Beziehungsmuster zwischen diesen Positionen stehen nun im Untersuchungsfokus.

Christian Stegbauer, Roger Häußling
5.1. Graphentheorie

Die Graphentheorie ist ein Zweig der Diskreten Mathematik, dessen Entstehung für gewöhnlich auf eine 1736 erschienene Arbeit von Leonhard Euler über das so genannte

Königsberger Brückenproblem

zurückgeführt wird (Euler 1936). Sie hat in der zweiten Hälfte des letzten Jahrhunderts eine rasante Ausbreitung erfahren und ist gleichzeitig auch zu einem wichtigen Teilgebiet der Informatik geworden.

Ulrik Brandes
5.2. Beziehungsmatrix

Außer durch Graphen lassen sich Netzwerke auch durch Matrizen repräsentieren. Zunächst einmal ist diese Art der Darstellung nicht ausdrucksstärker als die durch Graphen (siehe vorherigen Beitrag). Da es für Matrizen – als abstrakte mathematische Objekte – aber eine Vielzahl von Theoremen, algebraischen Operationen und algorithmischen Verfahren gibt, gewinnt man so auch neue Einsichten und Methoden für die Netzwerkanalyse.

Jürgen Lerner
5.3. Zentralitäts- und Prestigemaße

Zentralitätsmaße sind Indizes für die „Wichtigkeit“ (Wasserman und Faust 1994) oder „Prominenz“ (Knoke und Burt 1983) eines Knotens in einem Graphen bzw. Akteurs in einem sozialen Netzwerk. Allerdings hat sich in der Netzwerkforschung bislang keine allgemein akzeptierte Definition von Zentralität durchgesetzt (Borgatti und Everett 2006), sodass ungefähr so viele Zentralitätsmaße existieren wie es Vorstellungen von der „Wichtigkeit“ eines Akteurs in einem Netzwerk gibt. Eine zusätzliche Heterogenität resultiert aus dem Umstand, dass die Maße auf zwei grundverschiedenen Richtungen basieren: der Graphentheorie und der Matrixalgebra (Freeman 2008).

Peter Mutschke
5.4. Dyaden und Triaden

Dyaden und Triaden können im Rahmen der Netzwerkanalyse mit unterschiedlicher Bedeutung auftreten, nämlich

als eigenständige „Einheiten“, die zum Gegenstand der Aussage gemacht werden;

als sozialer Kontext für die zur Dyade gehörenden Akteure bzw. als sozialer Kontext für die zur Triade gehörenden Akteure oder Dyaden;

als Bestandteile eines größeren Beziehungsnetzes, dessen Struktur vereinfachend auf die Struktur-Formen der in ihm enthaltenen Dyaden und Triaden zurückgeführt wird.

Hans J. Hummell, Wolfgang Sodeur
5.5. Cliquen und andere Teilgruppen sozialer Netzwerke

Im alltäglichen Sprachgebrauch bezeichnet der Begriff

Clique

gemeinhin eine Gruppe von Individuen, welche in relativ engen, direkten und wechselseitigen Beziehungen stehen. Der gemeinsame Zweck, den die Gruppenmitglieder einer Clique verfolgen, kann dabei sehr verschieden sein: Eine Straßengang, ein Kaffeekränzchen oder ein Stammtisch sind nur einige Beispiele für derartige Kleingruppen.

Volker G. Täube
5.6. Positionale Verfahren (Blockmodelle)

Die Idee soziale Positionen in Netzwerken zu identifizieren, steht am Beginn des von Harrison White initiierten sogenannten „Harvard-Breakthrough“ (Scott 2000) der sozialwissenschaftlichen Netzwerkanalyse. Positionale Verfahren, die versuchen die Position von sozialen Akteuren in einer übergeordneten Netzwerkstruktur zu identifizieren und im Falle der Blockmodellanalyse diese zu gruppieren, um die Austauschbeziehungen zwischen den Gruppen zu beschreiben, sind zentrale Analysemethoden zur explorativen Erforschung sozialer Netzwerkstrukturen. Anders als in der Cliquenanalyse geht es dabei nicht nur darum, die vorhandenen Beziehungen zu identifizieren, sondern auch die nicht vorhandenen Beziehungen, die Löcher und Grenzen des Netzwerkes in die Analyse miteinzubeziehen. Zentrale Idee ist es dabei, Akteure mit einem gleichen Beziehungsmuster (strukturell äquivalente Akteure), gemeinsam zu Positionen zu gruppieren und die Beziehungen zwischen und innerhalb dieser Positionen zu betrachten. So kann sich beispielsweise eine hierarchische Position dadurch auszeichnen, dass die zentralen Akteure miteinander vernetzt sind, die peripheren Akteure aber untereinander kaum kommunizieren, sondern nur in Richtung der zentralen Akteure kommunizieren (Stegbauer und Rausch 2006). Im Falle von Arbeitsbeziehungen in einem Unternehmen beispielsweise würde solch eine Netzwerkstruktur den zentralen Akteuren eine Machtposition verschaffen, aus der sie Untergebene gegeneinander ausspielen können. Solche Strukturmuster lassen sich mit Hilfe der Blockmodellanalyse identifizieren. Die ursprüngliche theoretische Idee der Blockmodellanalyse ist, dass die Positionen von Akteursgruppen in einer übergeordneten Netzwerkstruktur das Handeln der Akteure bestimmen, ohne dass diese sich dessen zwingend bewusst sein müssen. Durch die Beziehungen wird quasi eine relationale soziale Rolle definiert (Nadel 1965). White et al. (1976) zeigen dies beispielhaft in ihrem Begründungstext der Blockmodellanalyse. Sie untersuchen umfangreiche Beziehungsdaten aus einem amerikanischen Kloster. In einer finalen Krise verlassen einige Mönche das Kloster, wobei sich das Verlassen des Klosters und die Reihenfolge des Exodus anhand des Blockmodells erklären lassen. Eine weitere bekannte Anwendung der Blockmodellanalyse stammt von Padgett und Ansell (1993), die den Aufstieg der Medici im Florenz des 14. Jahrhunderts anhand der Position der Medici im Beziehungsgeflecht der wichtigen Florentiner Familien erklären, wobei hier insbesonde- re die Trennung der Heiratsbeziehungen (prestigeträchtige Familien) und der Handelsbeziehungen (mit dem aufsteigenden Bürgertum) den Aufstieg der Medici bedingt. Seit diesen frühen Arbeiten ist die Blockmodellanalyse weiterhin vielfach in verschiedenen Bereichen sinnvoll angewendet worden. Allerdings haben die positionale Analyse und die darauf aufbauende Blockmodellanalyse auch eine kaum überschaubare Variationsbreite an mathematischen Konzepten und methodischen Spielarten mit entsprechender Software hervorgebracht. Insbesondere sind eine Vielzahl von Äquivalenzdefinitionen entwickelt worden, anhand derer Akteure gruppiert werden können. Die wichtigsten und anwendungsrelevantesten Formen von Äquivalenz, die im folgenden erklärt werden, sind „strukturelle Äquivalenz“, „reguläre Äquivalenz“ und „stochastische Äquivalenz“. Im Abschnitt 2 wird zunächst das Konzept der strukturellen Äquivalenz an einem einfachen Beispiel erläutert sowie die zentralen Begriffe der Blockmodellanalyse erklärt. Daran anschließend wird am Beispiel des „Pajek-Verfahrens“ erläutert, wie strukturelle Äquivalenz mit einem direkten Verfahren identifiziert werden kann und anhand eines Beispiels das Konzept der regulären Äquivalenz erklärt. Das Programm BLOCKS von Snijders und Nowicki (1997) wird in Abschnitt 4 als exemplarisches Verfahren der stochastischen Blockmodellanalyse vorgestellt. In Abschnitt 5 werden schließlich einige Hinweise zur Interpretation von Blockmodellen gegeben und entsprechende Verfahren benannt. Abschließend wird dann ein (tabellarischer) Überblick über ein breites Spektrum an Blockmodellanalyseverfahren gegeben, die jeweiligen Anwendungsmöglichkeiten, sowie Vor- und Nachteile diskutiert. Dies wird anhand der wichtigsten methodischen Überlegungen bei der Entscheidung für ein adäquates Verfahren zur Blockmodellanalyse verdeutlicht.

Richard Heidler
5.7. Bimodale Netzwerke

Die Analyse bimodaler Netzwerke ist durch die Überlegung motiviert, dass soziale Beziehungen nicht unabhängig voneinander entstehen, sondern dass es Gelegenheiten bedarf, die den Rahmen für die Entstehung sozialer Beziehungen bieten. Gelegenheiten zum Herstellen sozialer Beziehungen können auf sehr unterschiedliche Weisen entstehen, z.B. dadurch, dass sich mehrere Akteure zur selben Zeit am selben Ort befinden oder dadurch, dass mehrere Akteure gemeinsam ein und denselben Kommunikationskanal benutzen. Derartige Gelegenheiten bilden in dieser Sichtweise jedoch keine hinreichende, sondern nur eine notwendige Bedingung für die Entstehung von sozialen Beziehungen.

Alexander Rausch
5.8. Die statistische Analyse dynamischer Netzwerke

Das sozialwissenschaftliche Interesse an dynamischen Netzwerkfragestellungen ergibt sich aus dem oft vorläufigen Charakter von Analysen einzelner Messungen eines Netzwerks. Solche Querschnittsanalysen lassen im Allgemeinen wenig kausale Rückschlüsse zu und bieten daher lediglich ein eingeschränktes Verständnis des Netzwerkes. So kann man mit herkömmlichen (d.h., beschreibenden) Querschnittsverfahren beispielsweise den Zusammenhang zwischen strukturellen Eigenschaften der Akteure im Netzwerk und ihren individuellen Eigenschaften studieren. Beispiele hierfür finden sich überall in der Netzwerkliteratur, zu denken wäre etwa an den Zusammenhang zwischen

strukturellen Löchern

in Netzwerken von Managern und deren

Leistung

(Burt 1992), zwischen

strukturell kohäsiven

Netzwerkregionen und

Kooperation

der Akteure (Gould 1993) oder zwischen

Segregation

von Netzwerken und

Ethnizität

,

Geschlecht

oder

Verhaltensdimensionen

der Akteure (Moody 2001; Vermeij et al. 2009). Solche beschreibenden Analysen einzelner Netzwerke werfen aber vor allem die Frage auf, wie sich der gefundene Zusammenhang erklären lässt. Oft gibt es verschiedene Erklärungen für denselben Sachverhalt. Beim Beispiel der Theorie struktureller Löcher wäre die Frage zu klären, ob tatsächlich die Fähigkeit eines Manager, unverbundene Netzwerkregionen zu vernetzen, zu seinem Berufserfolg beiträgt – oder ob nicht vielmehr umgekehrt der Berufserfolg ihm erst eine Reputation zuteil werden lässt, aufgrund derer andere Netzwerkakteure ihn als Mittelsmann akzeptieren. Empirisch lassen sich diese Erklärungen nur dann voneinander unterscheiden, wenn man longitudinale Daten zur Verfügung hat. Wie das Beispiel verdeutlicht, sind es oft gerade die Prozesse, die zur Entstehung eines beobachteten Netzwerks führten, die von inhaltlichem Interesse sind. In vielen Fällen lassen sich Netzwerkdaten daher als Momentaufnahme eines Evolutionsprozesses verstehen. Dem beschreibenden Schritt der Analyse einer solchen Momentaufnahme folgt dann auf natürliche Weise der im Verständnis tiefer gehende Schritt der Analyse von generierender Netzwerkdynamik, den wir in diesem Kapitel behandeln wollen.

Christian Steglich, Andrea Knecht
5.9. Analyse großer Netzwerke

Netzwerke verfügen häufig über eine große Anzahl an Knoten: Im Gehirn werden Botenstoffe zwischen Milliarden von Nervenzellen ausgetauscht, Handelsgüter werden zwischen unterschiedlichsten Destinationen verschoben und Computernetzwerke erlauben einem Großteil der Weltbevölkerung, miteinander zu kommunizieren. Die schier grenzenlose Vernetzung und die Erweiterung der eigenen Struktur aufgrund neu eintretender Akteure ist oftmals ein inhärentes Merkmal von Netzwerken.

Sebastian Schnorf
5.10. Qualitative Methoden und Mixed-Method-Designs

Seit ihren Anfängen arbeitet die Netzwerkforschung mit qualitativen Daten, mit offenen Formen der Datenerhebung und interpretativen Verfahren der Beschreibung und Analyse von sozialen Netzwerken. In ethnographischen Gemeindestudien untersuchten britische Sozialanthropologen in den 1950er und 1960er Jahren Netzwerke in norwegischen Gemeinden (Barnes 1954), in zentralafrikanischen Städten (Mitchell 1969), und persönliche Netzwerke im eigenen Land (Bott 1957). Auch die für die Organisationsforschung wegweisende Untersuchung der Western Electric Company (Roethlisberger und Dickson 1939) ist gekennzeichnet durch eine grundsätzliche Offenheit für die Prozesse in den Arbeitsteams, explorative Vorgehensweisen bei den Arbeitsplatzbeoachtungen und non-direktive Gesprächsführung. Die in diesen Studien entwickelten Konzepte wurden wichtige Referenzpunkte der Netzwerkforschung: Hierzu gehören die Dichte (Mitchell 1969), Cliquen und Cluster (Barnes 1969), oder die Unterscheidung zwischen formeller und informeller Organisation (Roethlisberger und Dickson 1939).

Betina Hollstein
5.11. Egozentrierte Netzwerke: Datenerhebung und Datenanalyse

Unter einem egozentrierten Netzwerk versteht man die Beziehungen einer fokalen Person (Ego) zu anderen Personen (Alteri), mit denen sie in einem direkten Kontakt steht. Statt von einem egozentrierten Netzwerk wird manchmal auch von einem persönlichen Netzwerk gesprochen. Die notwendigen Angaben stammen meist von Ego; d. h. die fokale Person gibt Auskunft über ihre Beziehungen zu anderen Personen, über die Beziehungen zwischen diesen Anderen sowie über deren Eigenschaften. Während die Analyse sozialer (Gesamt-) Netzwerke typischerweise auf verhältnismäßig kleine Gruppen beschränkt ist, eröffnet das Konzept des egozentrierten Netzwerkes die Möglichkeit, Aussagen über die soziale Einbettung einer großen Anzahl von Personen zu machen. Auf diese Weise werden die Vorzüge von Zufallsstichproben mit denen der Beziehungs- und Netzwerkanalyse verknüpft.

Christof Wolf
5.12. Modellbildung

Die Beobachtung und die Analyse von Netzwerken ist in der Regel ein statischer Vorgang. Die Erhebung der Akteure und der Beziehungen in einem Netzwerk erfolgt zu einem bestimmten Zeitpunkt. Selbst wenn verschiedene Zeitpunkte im Längsschnitt beobachtet werden, geschieht dies in der Regel durch einen Vergleich mehrerer statischer Netzwerke. Will man jedoch die Dynamiken in einem Netzwerk beobachten, verstehen und vielleicht sogar Aussagen über die zukünftige Entwicklung des Netzwerkes treffen, reichen statische Analysen nicht aus. Um die Verbreitung von Krankheiten oder Informationen in einer Gesellschaft oder die Stabilität von Netzwerken bei Ausfall einzelner Knoten analysieren zu können, müssen Simulationen dieser Netzwerke durchgeführt werden. Auch im Kontext der Analyse der Struktur von Netzwerken (z.B. das World Wide Web oder die sozialen Interaktionen innerhalb einer Stadt) spielen Simulationen eine zentrale Rolle (vgl. Kapitel „Small Worlds“). Eine notwendige Vorraussetzung für Netzwerksimulationen stellt die Nachbildung des zu beobachtenden Netzwerkes in ein Computermodell dar.

Jürgen Pfeffer, Peter Fleissner
5.13. Netzwerkstrukturen für Multi-Agenten-Systeme. Probabilistische Modelle

In den letzten Jahren erfreuen sich Multi-Agenten-Simulationen kollektiven Verhaltens wachsender Beliebtheit und Anwendung (vergl. Gilbert und Troitzsch 1999). Diese Verfahren stellen eine spezielle Form von Computerexperimenten dar, in welchen dynamische Interaktionsprozesse zwischen individuellen Akteuren mittels der Interaktion sog. Softwareagenten modelliert werden. So können gleichsam „künstliche Gesellschaften“ geschaffen werden, welche wesentliche Elemente mit ihren realweltlichen Pendants teilen und nach Belieben manipuliert werden können.

Gero Schwenk
5.14. Extraktion relationaler Daten aus Texten

Daten für netzwerkanalytische Projekte können explizit oder implizit in natürlichsprachlichen, un- oder halbstrukturierten Texten enthalten sein. In dieser Situation ermöglichen Verfahren zur Relationsextraktion die Gewinnung oder Anreicherung von Netzwerkdaten. Die folgenden Beispiele verdeutlichen Einsatzgebiete für diese Familie von Methoden: Analysten aus Wirtschaft und Verwaltung entnehmen Berichten von und über Organisationen Angaben zu deren Zusammensetzung, Effizienz und Entwicklung (Corman et al. 2002; Krackhardt 1987). Kognitions- und Sozialwissenschaftler untersuchen auf der Grundlage von Interviews, wer welche Themen anspricht und wie in Verbindung setzt (Carley und Palmquist 1991; Collins und Loftus 1975). Journalisten und Analysten durchsuchen Meldungen und Archive nach Beteiligten, Gegenstand, Grund, Verlauf, Ort, Zeit, und Zusammenhängen von Ereignissen (Gerner et al. 1994; van Cuilenburg et al. 1986). Marktforscher analysieren Kundenbewertungen um herauszufinden, welche Marken und Produkte welche Empfindungen hinterlassen (Wiebe 2000). Internetforscher verfolgen die akteursbezogene Diffusion von Themen im Internet (Adar und Adamic 2005; Kleinberg 2003). Nutzer senden Suchmaschinen Anfragen, deren Beantwortung Informationen von mehr als einer Webseite bedarf (Berners-Lee et al. 2001; Brin 1999). All diesen Aufgaben ist gemeinsam, dass sie gelöst werden können, indem die jeweils relevanten Informationen (Knoten) und deren Verbindungen (Kanten) aus Texten herausgefunden, wiedergegeben und netzwerkanalytisch ausgewertet werden (McCallum 2005). In diesem Kapitel erläutern wir, unter welchen Bedingungen das Extrahieren relationaler Daten aus Texten sinnvoll ist, welche Verfahren dafür zur Verfügung stehen, und zeigen Grenzen und bislang ungelöste Probleme der Methodik auf.

Jana Diesner, Kathleen M. Carley

Visualisierung von Netzwerken

Frontmatter
Einleitung: Visualisierung von Netzwerken

Ähnlich wie in der Chaostheorie besitzen visuelle Darstellungen erklärenden und verständnisfördernden Charakter in der Netzwerkforschung. Dies hat zu einem Umdenken in der Mathematik und den mathematiknahen Forschungsgebieten geführt: Wurden lange Zeit Visualisierungen als unwissenschaftlich hingestellt, wird spätestens bei komplexitätstheoretischen Gegenständen der Ruf nach veranschaulichenden Hilfsmitteln laut. Bereits Netzwerke mit wenig Knotenpunkten und Kanten können einen Komplexitätsgrad erlangen, der nur noch durch visuelle Veranschaulichung erfasst werden kann. Große und dichte Netzwerke hingegen bedürfen einer speziellen Veranschaulichung damit sie noch ‚lesbar‘ bleiben. Dies ruft die Frage auf den Plan, welche Visualisierungsstrategien opportun und nicht gegenstandsverzerrend sind. Jedes Netzwerk lässt sich in vielfältiger Form visuell darstellen. Und jede Darstellung rückt etwas Spezifisches in das Zentrum der Aufmerksamkeit und marginalisiert anderes. Je mehr Knoten und Kanten ins Spiel kommen, umso schwieriger wird die Suche nach einer verständnisfördernden, nicht verzerrenden Darstellung des Netzwerks. Lothar Krempel führt mit seinem Beitrag in diese Thematik ein.

Christian Stegbauer, Roger Häußling
6.1. Netzwerkkarten – Netzwerke sichtbar machen

Netzwerkstrukturen sind nicht einfach sichtbar, sondern bilden ein komplexes und fein gesponnenes Geflecht hinter sozialen Beziehungen und Objekten. Um dieses sichtbar zu machen, brauchen wir ein Spektrum an Methoden, das uns hilft, Netzwerke zu verstehen. Ein entscheidendes Element dabei bilden Techniken der Visualisierung. Diese helfen die in den unterschiedlichsten Datenquellen erkennbaren Deutungs- und Handlungsmuster von Akteuren auf die relationalen Strukturen der dabei entstandenen Netzwerke zu beziehen.

Florian Straus
6.2. Netzwerkvisualisierung

Mit der Ausbreitung des Netzwerkparadigmas von der Soziologie und Anthropologie in die Informatik, Biologie, Physik und Ökonomie sind viele Computerprogramme verfügbar geworden, mit denen Netzwerke graphisch dargestellt werden können. Obwohl graphische Darstellungen von Netzwerken einfacher zu produzieren sind als jemals zuvor, hat die schnelle Ausbreitung dieser neuen wissenschaftlichen visuellen Technologie deren Potential bisher nur ansatzweise entfaltet.

Lothar Krempel

Anwendungsfelder der Netzwerkforschung

Frontmatter

Wirtschaft und Organisation

Einleitung in das Anwendungsfeld: Wirtschaft und Organisation

Eine bedeutende Rolle spielt die Netzwerkforschung bei den Untersuchungsgegenständen Wirtschaft und Organisationen. Hier sind auch besonders relevante Praxisfelder der Netzwerkforschung markiert. Gleichwohl handelt es sich um ein heterogenes und durch zahlreiche Facetten geprägtes Feld. Frühe, heute bereits klassische Untersuchungen wandten sich der Konstitution von politischen Eliten, meist in Gemeinden zu. Eine, vielleicht die wichtigste Untersuchung auf diesem Gebiet ist die Alt-Neu-Stadtuntersuchung, die der Autor dieses Beitrags (Franz Urban Pappi) selbst durchgeführt hatte. Wesentliche Impulse erhielt die Netzwerkforschung auch durch die Analyse von Organisationen. Dies wird von Jörg Raab dargestellt. Die neuere Wirtschaftssoziologie (siehe Beitrag von Sophie Mützel) wäre ohne Netzwerkforschung kaum auf ihrem heutigen Stand. Gleiches gilt für die Betrachtungen von Märkten (siehe Beitrag von Rainer Diaz-Bone), die ohne die Impulse u.a. des Netzwerkforschers Harrison C. White ebenfalls nicht einen solchen Aufschwung erlebt hätten. Aber auch die Managementforschung, die Konsumforschung und die Arbeitsmarktforschung können mittels des neue theoretische Erklärungen einbeziehenden Netzwerkparadigmas andere, weiterreichende Überlegungen anstellen, als dies ohne Netzwerkforschung möglich gewesen wäre. Neue Einblicke sind durch die neue Forschungsrichtung auch in der Unternehmensgründungsforschung zu verzeichnen (siehe Beitrag von Mike Weber). Die stärker anwendungsorientierten Felder des Consulting (siehe Beitrag von Harald Katzmair) und der Wirtschaftsinformatik (siehe Beitrag von Kai Fischbach und Johannes Putzke) treffen auf eine deutliche Nachfrage aus außeruniversitären Institutionen. Hier kann man zuschauen, wie durch soziologische Grundlagenforschung angestoßen ganz neue Berufsfelder entstanden sind.

Christian Stegbauer, Roger Häußling
7.1. Netzwerke und Netzwerkanalyse in der Organisationsforschung

Die relationale Perspektive und der Einsatz der Netzwerkanalyse haben innerhalb der Organisationsforschung seit den 1980er Jahren enorm an Popularität gewonnen. Ausdruck dafür ist die inzwischen fast unüberschaubare Menge an Artikeln in den sozialwissenschaftlichen Zeitschriften, die sich der relationalen Perspektive bei der Erklärung von organisatorischen Phänomenen und Charakteristiken wie Organisations-, Team- oder Netzwerkperformanz, Leadership, Macht, Jobzufriedenheit, Unternehmerschaft, Innovation und organisationalem Lernen bedienen, und damit auch in den Bereichen traditioneller Organisationsforschung innovative Beiträge geleistet haben (vgl. Borgatti und Foster 2003).

Jörg Raab
7.2. Netzwerkansätze in der Eliteforschung

Die empirische Eliteforschung in den 1950er und 1960er Jahren konzentrierte sich paradigmatisch auf Gemeindeeliten und war stark von zwei klassischen Studien beeinflusst: der Studie des Soziologen Floyd Hunter (1953) über die Machtstruktur von Atlanta, Georgia, und der Studie des Politikwissenschaftlers Robert Dahl (1961) über kommunalpolitische Entscheidungen in New Haven, Connecticut. Diese Studien haben ihre Hauptergebnisse jeweils mit einer dominanten Methode erzielt, Hunter mit der Reputationsmethode und Dahl mit der Entscheidungsmethode. Bei der Reputationsmethode fragt man Informanten aus der Elite, wer über besonderen Einfluss in Gemeindeangelegenheiten verfügt; bei der Entscheidungsmethode untersucht man, wer an wichtigen Gemeindeentscheidungen teilgenommen und wer sich tatsächlich durchgesetzt hat. Hauptergebnis von Hunter war die Diagnose von mehreren Machtpyramiden, die an der Spitze von einem kleinen Kreis von sich informell abstimmenden Wirtschaftsführern koordiniert wurden; Hauptergebnis von Dahl war die Diagnose einer pluralistischen Machtstruktur, in der sich je nach Sachgebiet andere Interessen durchsetzten. An Hunter wurde kritisiert, dass er tatsächlichen Entscheidungsprozessen keine Beachtung geschenkt habe und die Machtreputation mit tatsächlicher Machtausübung verwechsle (vgl. Polsby 1980), Hauptkritik am Entscheidungsansatz war der Einwand, dass sich wahre Macht daran zeige, dass man für einen nachteilige Themen gar nicht erst auf die öffentliche Agenda gelangen lasse (vgl. Bachrach und Baratz 1963; Lukes 1974). Diese in den Sozialwissenschaften heftig geführte Kontroverse (vgl. den Überblicksartikel von Knoke 1981) galt es zu beachten, wenn man mit dem Netzwerkansatz „New directions in the study of community elites“ (Laumann und Pappi 1973) aufzeigen wollte.

Franz Urban Pappi
7.3. Netzwerkansätze in der Wirtschaftssoziologie

Die neue Wirtschaftssoziologie versteht ökonomisches Handeln als soziales Handeln, das eingebettet in soziale Kontexte stattfindet. Aufbauend auf den soziologischen Klassikern prägt vor allem eine relationale Blickweise auf wirtschaftliches Handeln das sich seit Anfang der 1980er Jahre entwickelnde Forschungsfeld. Dabei stehen Analysen der Voraussetzungen und Konsequenzen von Netzwerken für das wirtschaftliche Handeln im Vordergrund. So können Studien zeigen, dass die Position im Netzwerk das Handeln von Unternehmen beeinflusst (z.B. Gulati und Higgins 2003) und unternehmerisches Handeln möglich macht (z.B. Burt 2004). Zentrales methodisches Instrument ist dafür die Netzwerkanalyse, deren Verbreitung und Institutionalisierung in den Sozialwissenschaften seit den 1970ern in enger Verflechtung mit den Entwicklungen der neuen Wirtschaftssoziologie insbesondere in den USA verlief (Beckert 2005; Convert und Heilbron 2007). Es überrascht daher nicht, dass die Diskussion um Netzwerke ein zentrales Thema der neuen Wirtschaftssoziologie bildet und sich durch die einschlägigen Handbücher (Beckert und Zafirovski 2005; Carruthers und Babb 2000; Dobbin 2004; Granovetter und Swedberg 2001; Guillen et al. 2002; Hirsch-Kreinsen 2005; Maurer 2008; Mikl-Horke 2008; Smelser und Swedberg 1994, 2005, darin besonders Powell und Smith-Doerr 1994; Smith-Doerr und Powell 2005), durch Monographien und Sammelbände, die sich explizit mit der Rolle von Netzwerken in der Wirtschaft beschäftigen (z.B. Fligstein 2001; Grabher und Powell 2004; Kilduff und Tsai 2003; Nohria und Eccles 1992; Rauch und Casella 2001; White 2002), sowie durch Übersichtsaufsätze zu den klassischen Anwendungsfeldern der Wirtschaftssoziologie „Markt“ und „Unternehmen“ (z.B. Brass et al. 2004; Fligstein und Dauter 2007; Fourcade 2007; Provan et al. 2007, siehe auch Kapitel 7.4 in diesem Band) zieht.

Sophie Mützel
7.4. Märkte als Netzwerke

Die sozialwissenschaftliche Netzwerkanalyse hat seit den 1970er Jahren wesentlich zur neuen Wirtschaftssoziologie beigetragen. Letztere ist keine soziologische Ergänzung der Wirtschaftswissenschaften, sondern beansprucht aus soziologischer Perspektive die eigenständige Analyse der ökonomischen Institutionen aufnehmen zu können. Es sind insbesondere Netzwerktheoretiker, die die Analyse der ökonomischen Institution „Markt“ als soziologischen Forschungsgegenstand wieder erschlossen haben und die damit zugleich den Anspruch (erneut) formuliert haben, dass Märkte ein

genuin soziologischer

Forschungsgegenstand sind.

Rainer Diaz-Bone
7.5. Netzwerkansätze in der Managementforschung

Dieser Beitrag bietet einen Überblick über Netzwerkansätze in der Managementforschung. Wie in vielen anderen sozialwissenschaftlichen Disziplinen ist auch hier eine erhebliche Zunahme von Arbeiten zu beobachten, die eine Netzwerkperspektive einnehmen. Da sowohl die Netzwerkforschung als auch die Managementforschung häufig nur unscharf definierte Begriffe sind, soll zunächst deren Inhalt für die vorliegende Betrachtung bestimmt werden.

Andreas Wald
7.6. Netzwerke und Arbeitsmarktprozesse

Welche Bedeutung haben soziale Netzwerke für Arbeitsmarktprozesse? In den letzten 35 Jahren ist zu vielen Aspekten dieser Frage eine reichhaltige Forschungslandschaft entstanden. Im Folgenden sollen die wichtigsten „Gegenden“ dieser Landschaft erkundet werden. Oft wird über beruflich Erfolgreiche gemutmaßt, dass diese nur über Kontakte an diesen Job oder auf diese Position gekommen sind. Es existieren zahlreiche Ratgeber zu Netzwerken, sowohl für die Stellensuche als auch für die erfolgreiche Nutzung von Netzwerken im Beruf. Eine wichtige Motivation für die Entwickler des Web 2.0 war es, die Pflege und die Nutzung realer Netzwerke zu erleichtern und neue Netzwerke entstehen zu lassen, oft mit einer deutlichen Business-Orientierung. Welche Rollen spielen Netzwerke bei der Jobsuche? Inwiefern sichern sie beruflichen Erfolg? Mit diesen Fragen wird der vorliegende Aufsatz beginnen. Allerdings ist es nicht die Absicht, einen (weiteren) Karriereratgeber vorzulegen. Aus sozialwissenschaftlicher Sicht geht es vielmehr darum, die sozialen Konsequenzen von Netzwerkprozessen, die für die obigen Fragen eine Rolle spielen, zu erkennen. Welche Rolle spielen Netzwerkprozesse auf dem Arbeitsmarkt für soziale Ungleichheit, für Mobilität? Führen sie zur sozialen Abschottung oder erleichtern sie sozialen Aufstieg? Gibt es kulturspezifische Antworten auf diese Fragen, und wenn ja, welche Folgen haben sie für das Funktionieren der Arbeitsmärkte? Einige Antworten auf diese Fragen, die in den letzten Jahrzehnten der Forschung gefunden wurden, oder die sich aus diesen Arbeiten ableiten lassen, werden im Folgenden vorgestellt.

Per Kropp
7.7. Netzwerkanalyse in der Konsumforschung

In der Konsumforschung, vor allem der nordamerikanischen „Consumer Research“, taucht mitunter der Begriff des Netzwerks auf, ohne dass immer klar wird, wie dieser Begriff eigentlich gemeint ist. Dabei liegt es durchaus nahe, die Konsumforschung daraufhin zu befragen, ob und inwiefern sie auf den Netzwerkbegriff zurückgreift, wissen wir doch spätestens seit Mark Granovetter (1985), dass jeder Marktteilnehmer in mindestens ein soziales Netzwerk strukturell eingebettet ist (Arnould und Thompson 2007; DiMaggio und Louch 1998; Dholakia et al. 2004; Frenzen und Davis 1990; Radić und Posselt 2009; Stafford 1966; Varnam und Costa 2008; Vargo 2008). Bei genauerer Betrachtung zeigt sich jedoch, dass die konkrete Struktur der sozialen Beziehungen zwischen Konsumentinnen und Konsumenten oder gar ihre Bezugsgruppe als soziales Netzwerk nur höchst selten untersucht werden (Brown und Reingen 1987; Frenzen und Davis 1990; DiMaggio und Louch 1998). Von daher sind gewisse Zweifel angebracht, ob die Konsumforschung mit der Verwendung des Netzwerkbegriffs einen sehr konkreten Sinn, gar eine Methode oder Theorie verbindet. Denn meistens kommt der Netzwerkbegriff nur metaphorisch zum Einsatz, oft bloß als Bezeichnung für ein unbestimmtes Geflecht sozialer Beziehungen, ohne dieses auch nur ansatzweise netzwerkanalytisch zu untersuchen. Angesichts dieses Forschungsstandes wird zum Schluß dieses Beitrags aufgezeigt, wie Netzwerkanalyse für die Konsumforschung auch theoretisch bzw. methodisch nutzbar gemacht kann.

Kai-Uwe Hellmann, Jörg Marschall
7.8. Die Soziale Netzwerkanalyse in der Welt des Consulting

Die Herausforderungen und Probleme in Wirtschaft, Politik und Innovation sind zahlreich – und mit der Zahl der Probleme steigt auch die Anzahl von BeraterInnen und Agenturen, die Lösungen für diese Probleme versprechen. Die Beziehung zwischen akademischer Wissenschaft und außeruniversitärem Consulting war und wird immer von einer grundsätzlichen Spannung gekennzeichnet sein: stellt das Wissen in der Welt der Wissenschaft ein „öffentliches Gut“ dar, das in Form von Publikationen der Allgemeinheit zugänglich gemacht wird, so fallen Prozeduren und Ansätze in der Welt des Consulting häufig unter den Schutz des „Intellectual Property“ mit dem der Berater, die Beraterin Lösungen für Kunden anbietet (Katzmair 2008). Auch wenn unter dem Titel „Open Innovation“ und „Open Source“ rechtliche Formen entwickelt wurden, die hier Brücken bauen, so sind grundsätzlich unterschiedliche „Währungen“ im Umlauf: Wissen als öffentliches Gut vs. Wissen als privates Gut. Die Konvertierbarkeit dieser beiden Wissensformen wäre zwar wünschenswert, hinsichtlich der gesellschaftlichen Nutzbarmachung des im Grundlagenforschungsbereichs gewonnen Wissens, verlangt den involvierten Akteuren allerdings „vielsprachige“ Fähigkeiten ab.

Harald Katzmair
7.9. Netzwerke und Existenzgründungen

Das soziale Phänomen der Existenzgründung entzieht sich weitgehend der Erklärung durch rein ökonomische Nutzenkalküle. Vielmehr bieten verschiedene Disziplinen aus ihrer jeweiligen Theorietradition unterschiedliche Zugänge zur Erklärung des Schrittes in die Selbstständigkeit. Ausgehend von den grundlegenden Überlegungen Schumpeters (1928), der die Funktion des Entrepreneurs in der Überwindung von Routinen und der Übernahme von Führerschaft in unbekanntem Gebiet sieht, eröffnet sich ein weites Spektrum theoretischer Ansätze und damit verbundener Fragestellungen. Dieses Spektrum reicht von einer „reinen Neurosentheorie selbstständig organisierter Erwerbstätigkeit“ (Müller 2004: 1005), die eine erhöhte Gründungsneigung durch frühkindliche Traumatisierungen erklären, über die Begründung des Schritts in die Selbstständigkeit aus der Not fehlender Arbeitsplatzalternativen und über betriebswirtschaftliche Ansätzen zur erfolgreichen Ausgestaltung des Gründungsbetriebes (Dowling und Drumm 2003; Pepels 2003), bis hin zur makroökonomischen Bewertung von Entrepreneurial Capital als volkswirtschaftlichen Produktionsfaktor (Audretsch und Keilbach 2002). Gründungsforschung nähert sich somit auf unterschiedlichen Analyseebenen und aus verschiedenen disziplinären Traditionen den zu erklärenden Phänomenen.

Mike Weber
7.10. Der Beitrag der Wirtschaftsinformatik zur Analyse und Gestaltung von informellen Netzwerken

In diesem Beitrag stellen wir dar, welchen Beitrag die Disziplin Wirtschaftsinformatik zur Analyse von informellen sozialen Netzwerken leistet und wie sie hilft, die Struktur und die Entwicklung dieser Netzwerke zu beeinflussen. Wir zeigen anhand einer neuartigen Sensorplattform, wie die Qualität und Verfügbarkeit von Informationen über informelle Kommunikationsprozesse verbessert werden können. Im Weiteren diskutieren wir, welche aus ihrem Selbstverständnis abgeleiteten Erkenntnisziele und Gestaltungsaufgaben der Disziplin bei der Fortentwicklung des World Wide Web erwachsen.

Kai Fischbach, Detlef Schoder, Johannes Putzke, Peter A. Gloor

Politik und Soziales

Einleitung in das Anwendungsfeld: Politik und Soziales

Die hier zusammengestellten Beiträge zeichnen sich durch eine Thematisierung dessen aus, was man früher mit dem Term „soziale Probleme“ zusammengefasst hätte. Eine der wichtigsten Funktionen, die Netzwerke leisten können, ist die soziale Unterstützung besonders in Notlagen (siehe Beitrag von Martin Diewald und Sebastian Sattler). Eine solche Notlage stellt die Arbeitslosigkeit dar (vgl. den zweiten Beitrag der soeben genannten Autoren). Die in diesem Kapitel thematisierten Aspekte spielen auch eine Rolle in der Gesundheits- und Rehabilitationsforschung, wie Ernst von Kardorff in seinem Beitrag zeigt. Von einer anderen Seite rollen Jana Diesner und Kathleen M. Carley in ihrem Beitrag solche Probleme auf, wenn sie die beträchtlichen Potentiale der Netzwerkforschung für den Schutz vor und der Aufdeckung von Kriminalität darlegen. Wie soziale Bewegungen entstehen und fortbestehen, behandelt der Beitrag von Jens Aderhold. Die erziehungswissenschaftliche Forschung mit ihren Untersuchungen einerseits der Beziehungen zwischen den Schülern selbst und andererseits mit einem Fokus auf die Institution Schule bildet den letzten Beitrag (von Nils Berkemeyer und Wilfried Bos) in diesem Schwerpunkt.

Christian Stegbauer, Roger Häußling
7.11. Soziale Unterstützungsnetzwerke

Während das Geflecht sozialer Beziehungen als soziales Netzwerk bezeichnet wird, bezeichnet der Begriff der sozialen Unterstützung die – in der Regel positiven – Auswirkungen dieser Beziehungen auf das individuelle Wohlergehen im weiteren Sinne. Darunter kann man sich alle in der Theorie sozialer Produktionsfunktionen genannten Oberziele individuellen Handelns vorstellen (Ormel et al. 1997), es geht sowohl um gegenständliche Hilfe als auch um psychische Hilfen. Soziale Unterstützung findet also innerhalb von Beziehungen eines Netzwerkes statt. Für sich genommen bezeichnet soziale Unterstützung noch keine Theorie, noch keinen sozialen Mechanismus, doch führt er zu einer Forschungstradition der Untersuchung von informellen Austauschprozessen, die einige Unterschiede zur Sozialkapitalforschung aufweist, auch wenn auf einer allgemeinen Ebene der Unterstützungsbegriff zunächst mehr oder weniger synonym mit dem Sozialkapital-Begriff (siehe Kapitel 3.10) zu sein scheint. Ebenso wie der Sozialkapital-Begriff wird auch der Unterstützungsbegriff für seine fehlende konzeptuelle Klarheit und Trennschärfe angegriffen, etwa wenn Wood (1984: 314) feststellt, dass die häufigste Vorgehensweise der „usewhatever- is-most-convenient-or make-something-quick“-Ansatz sei (s. a. House und Kahn 1985). Aus diesem Grund ist es unmöglich, soziale Unterstützung letztgültig zu definieren bzw. vom Begriff des Sozialkapitals eindeutig abzugrenzen. Im Folgenden sollen dennoch zunächst einige Unterschiede herausgearbeitet werden, bevor die verschiedenen Dimensionen des Unterstützungskonzepts detaillierter dargestellt werden (Abschnitt II). Eine Darstellung möglicher Operationalisierungen des Konzepts schließt sich daran an (Abschnitt III). Abschließend werden unterschiedliche Wirkungsweisen und Voraussetzungen der Leistung und Wirkung sozialer Unterstützung behandelt, die in der Unterstützungsforschung bedeutsam sind (Abschnitt IV).

Martin Diewald, Sebastian Sattler
7.12. Wechselwirkungen zwischen Arbeitslosigkeit und dem sozialen Netzwerk

Zwischen dem Ereignis bzw. Zustand der Arbeitslosigkeit auf der einen und dem sozialen Netzwerk auf der anderen Seite bestehen Abhängigkeiten in beide Wirkungsrichtungen. Insgesamt betrachten wir im Folgenden vier dieser Zusammenhänge: I) Arbeitslosigkeit kann sich 1. auf Netzwerkeigenschaften Egos auswirken. II) Umgekehrt können soziale Beziehungen Ego 2. bei der Bewältigung von Arbeitslosigkeit helfen und ihn 3. bei der Überwindung von Arbeitslosigkeit unterstützen, 4. aber auch die Entstehung von Arbeitslosigkeit induzieren (siehe Abbildung). Mit diesen jeweils spezifischen Zusammenhängen beschäftigen sich – teilweise mit Überschneidungen – jeweils eigene Forschungsstränge, die in diesem Beitrag überblicksartig dargestellt werden. Diese Forschung besitzt aus mehreren Gründen eine gewichtige gesellschaftliche Relevanz: Beispielsweise kann mit den Erkenntnissen an der Vermeidung negativer Folgen von Arbeitslosigkeit für die Betroffenen, zugehörigen Familien (insbesondere Kinder) sowie für das soziale Sicherungssystem gearbeitet; die Verweildauer in Arbeitslosigkeit beeinflusst; schnellere „job-matches“ erreicht; aber auch Anforderungen des sozialen Netzwerkes an das Individuum bei der Integration in den Arbeitsmarkt berücksichtigt werden (u.a. Hakim 1982; Hess et al. 1991; Wanberg et al. 2000).

Sebastian Sattler, Martin Diewald
7.13. Soziale Netzwerke in der Rehabilitation und im Gesundheitswesen

Wie in anderen gesellschaftlichen Bereichen erfreut sich das Konstrukt sozialer Netze und die viel versprechende Formel der Vernetzung auch im Gesundheitswesen großer Beliebtheit. Die damit verbundenen Erwartungen richten sich u.a. auf eine Stärkung familiärer und nachbarschaftlicher Netze bei der Krisenbewältigung, auf Emergenz von Selbsthilfe und bürgerschaftlichem Engagement durch kommunale Netzwerkförderung und -intervention, auf die Überbrückung von Schnittstellen im gegliederten Versorgungssystem durch Kooperationsanreize, auf Synergieeffekte und Kostenreduzierung mit Hilfe der Vernetzung von Leistungsanbietern sowie auf nachhaltige Effekte der Gesundheitsförderung durch lokal vernetzte Präventions- und Rehabilitationsprogramme oder den Aufbau von Pflegenetzen. Rehabilitation und Nachsorge interessieren sich darüber hinaus für Leistungsfähigkeit und Belastbarkeit sozialer Unterstützungsnetze (siehe Kapitel 7.11), für ihre Funktionen und Veränderungsdynamiken sowie für ihre Bewältigung und Genesung fördernden Potentiale bei chronischer Krankheit, Behinderung und Pflegebedürftigkeit. Vor allem hier wurden bislang Konzepte, Methoden und Ergebnisse der Netzwerkforschung im engeren Sinne (Stegbauer 2008) aufgenommen und für die Entwicklung professioneller Unterstützungsformen genutzt. In jüngster Zeit geraten in der Rehabilitation die mit dem Internet erschlossenen Informations- und Vernetzungsmöglichkeiten und ihre Folgen etwa für die Arzt- Patient-Beziehung in den Blick. Unter fachlichen, ökonomischen und verwaltungstechnischen Gesichtpunkten werden zudem die mit Telemedizin und „e-health“ im Gesundheitswesen eröffneten und propagierten Vernetzungspotentiale sowie bereits umgesetzte Projek- te auch unter dem Blickwinkel ihrer gesellschaftlichen Gefahren für Kontrolle, Überwachung und Datensicherheit diskutiert.

Ernst von Kardorff
7.14. Relationale Methoden in der Erforschung, Ermittlung und Prävention von Kriminalität

Dieser Beitrag vermittelt aus der Perspektive akademischer Forschung nach einer kurzen Einleitung einen Überblick über die wesentlichen Gruppen von netzwerkanalytischen Methoden, die bei der Erforschung, Ermittlung und Verhinderung von Kriminalität Einsatz gefunden haben. Im Anschluss daran erläutern wir verschiedene inhaltliche Unterbereiche von Kriminalität aus dem Blickwinkel der Netzwerkanalyse. Der Beitrag schließt mit einer kurzen Diskussion zu Datenschutz und Datensicherheit.

Jana Diesner, Kathleen M. Carley
7.15. Soziale Bewegungen und die Bedeutung sozialer Netzwerke

Soziale Bewegungen, die auch als Protestbewegungen bezeichnet werden, thematisieren und problematisieren gesellschaftliche Entwicklungen. Sie stoßen auf diese Weise selbst gesellschaftliche Veränderungen an oder forcieren diese (vgl. Kern 2008; Watz 1987). Ihre besondere Stärke liegt in der Fähigkeit zur öffentlichen Problemartikulation (Klein 2008: 247). Auslöser sind vielfältigste Problemlagen der modernen Gesellschaft, die mit gezielten Aktionen öffentlichkeitswirksam thematisiert werden (Giddens 1995). Vor allem sind es ungewünschte gesellschaftliche Vorgänge, auf die kritisch reagiert wird. Die Aktivitäten beschränken sich aber nicht nur auf das Artikulieren von Kritik und Protest. Vielmehr wird die absorbierte Kontingenz gesellschaftlicher Problemverarbeitung attackiert und unterbrochen, in dem bisher geltende Sichtweisen, Wertvorstellungen, Expertisen, aber auch gesellschaftliche Routinen und Problemverarbeitungsmuster thematisiert, hinterfragt, aufgebrochen oder skandalisiert werden. Hierbei werden Problemstellungen der sozialen Frage, des Umweltschutzes, der Ausgestaltung und Einhaltung der Menschenrechte, der Friedenspolitik, der Gleichstellung von Frau und Mann, der Globalisierungsproblematik oder des als uniform erlebten standardisierten Massenkonsums aufgegriffen (Tilly 2004). Zu denken wäre aber auch an religiös motivierte Strömungen (Protestantismus), an die unterschiedlichen Nationalbewegungen, an rechte und fundamentalistische Bewegungen sowie an unterschiedlichste lokale Initiativen oder in Zeiten des Internets an open-sourcecommunities (u. a. Hellmann 1996; Holtgrewe 2005).

Jens Aderhold
7.16. Netzwerke als Gegenstand erziehungswissenschaftlicher Forschung

Netzwerkforschung ist kein Spezifikum einer bestimmten universitären Fachdisziplin, vielmehr finden sich Studien über Netzwerke mittlerweile in einer Vielzahl von wissenschaftlichen Disziplinen (vgl. exemplarisch Stegbauer 2008 sowie die Beiträge in diesem Band). Der Grund hierfür ist leicht zu benennen, wenn man wie Baecker (2007) die Auffassung teilt, dass man Netzwerke nicht machen, sondern nur entdecken kann. Entsprechend dieser gesellschaftstheoretischen Annahme Baeckers (vgl. Baecker 2007a, 2008), ist es wenig überraschend, dass Netzwerke überall in der Gesellschaft vermutet werden können und auch de facto zu finden sind. Menschen und darüber hinaus Akteure in einem weiter gefassten Sinn (vgl. Schimank 2002) können so gesehen nicht nicht-vernetzt sein, lediglich der Grad ihrer sozialen Eingebundenheit in Netzwerken kann differieren. Diese Sichtweise auf Netzwerke entstammt im Wesentlichen einer Perspektive, die Netzwerke als soziale und nicht notweniger Weise intentionale Verbünde interagierender Partner versteht. Neben einer solchen, als klassisch für die Netzwerkforschung zu bezeichnenden Perspektive, finden sich auch Verwendungsweisen des Begriffs, die Netzwerke einerseits als gewollte und initiierte Kooperationsverbünde begreifen und die besonders dazu geeignet sind, bestimmte Aufgaben oder Funktionen zu übernehmen (z.B. Innovationsnetzwerke, strategische Netzwerke, Unternehmensnetzwerke etc., vgl. zusammenfassend Sydow et al. 2003), andererseits in einer deutlich abstrakteren Variante nutzen. Dabei werden Netzwerke, neben Markt und Hierarchie, als dritter Koordinationsmechanismus moderner Gesellschaften betrachtet (vgl. Willke 2001; Wald und Jansen 2007). Analytisch ist diese Trennung sinnvoll, in der Forschungspraxis dürfte es aber durchaus Sinn ergeben, alle drei Perspektiven in den Fällen, wo eine zweifache oder dreifache Bedeutung des Begriffs zutreffend ist, aufeinander zu beziehen.

Nils Berkemeyer, Wilfried Bos

Wissenschaft, Technik und Innovation

Einleitung in das Anwendungsfeld: Wissenschaft, Technik und Innovation

Die berühmten Columbia-Studies, an denen wesentliche Soziologen, Sozialpsychologen und Medienforscher beteiligt waren, sind zu Klassikern dieser drei miteinander verwandten Fachdisziplinen geworden. Auf diese Forschungen greift man heute noch in der Begründung des Netzwerkaspektes in der Medienforschung zurück. Ohne diese könnte man heute kaum Aussagen dazu treffen, wie Medien wirken. In dieser Tradition steht die Medienforschung wie Michael Schenk aufzeigt. Die zunehmende Evaluationitis im Wissenschaftsbetrieb ist so ohne die Entwicklungen der Netzwerkforschung gar nicht denkbar. Der Bereich der Zitationsforschung (Peter Ohly), beziehungsweise die Scientrometrie sind in der Lage, in der Literatur die Vernetzung zwischen Koautoren aufzudecken. Nicht nur das – sie belegen, dass Zitierungen einem bestimmten Muster folgen, und dass Wissenschaftsbereiche in bestimmten Journalen ihre Heimat gefunden haben. Allerdings wird durch die Messbarkeit einiger Bereiche – meist sind es Journalveröffentlichungen auch ein guter Teil wissenschaftlicher Debatten ausgeblendet und damit für weniger relevant betrachtet. Dies betrifft momentan den Teil des wissenschaftlichen Diskurses, der in Sammelbänden und Monographien abgebildet wird. Die einheitliche Verfügbarkeit von Daten und der damit vorhandenen Messbarkeit setzt Standards, die weitgehende Konsequenzen für individuelle Karrieren, die Wissenschaftsförderung und die Entwicklung des Wissenschaftssystems insgesamt haben. Diese Anwendung in der Praxis hat allerdings erhebliche Nebenfolgen, die aus dem Versuch entstehen, komplexe Zusammenhänge und Traditionen innerhalb der Wissenschaftsdisziplinen mittels Messungen über einen Kamm zu scheren. In diesen Bereich der Forschung führen Frank Havemann und Andrea Scharnhorst ein.

Christian Stegbauer, Roger Häußling
7.17. Medienforschung

Die soziale Netzwerkanalyse trägt in der Medienforschung dazu bei, den vorherrschenden „Psychological Bias“ zu überwinden; damit gemeint ist die Tendenz, sich auf Mediennutzung und Medienwirkungen zu konzentrieren, die sich auf Individuen beziehen und nicht das soziale Gefüge berücksichtigen, in welchem sich die Individuen befinden. Die soziale Netzwerkanalyse stellt eine Möglichkeit dar, der Einbettung der Individuen in soziale Beziehungen und Strukturen Rechnung zu tragen. Hierbei ist allerdings zu berücksichtigen, dass Individuen nicht nur abhängig von ihrem sozialen Umfeld sind, sondern durch ihr kommunikatives Handeln auch ein definierendes Element der sozialen Gesamtstruktur und Teil des Kontextes anderer Personen darstellen (Rogers und Kincaid 1981: 39). Durch die soziale Netzwerkanalyse werden gewissermaßen die in der Medienforschung vorherrschenden psychologischen und kausalistischen Vorstellungen um eine „soziale Perspektive“ erweitert. Auch die klassische Methode der Umfrageforschung, die in der Medienforschung üblicherweise eingesetzt wird, kann durch die soziale Netzwerkanalyse ergänzt werden. Eine Umfrageforschung, die mit Netzwerkinstrumenten kombiniert wird, bringt gewissermaßen die „Gesellschaft“ zurück, die bei einer ausschließlichen Betrachtung von individuellen Präferenzen, Merkmalen und Einstellungen verloren geht. Durch Netzwerkinstrumente und -konzepte wird gesichert, dass das „Netz sozialer Beziehungen“ in dem Individuen sich befinden, Berücksichtigung findet und nicht gekappt wird, wie dies in herkömmlichen Umfragen zumeist der Fall ist (Barton 1968). Eine probate Möglichkeit dafür ist das Instrument der egozentrierten Netzwerkanalyse (siehe Kapitel 5.11), mit dem die sozialen Beziehungen der Befragten transparent gemacht werden. Dabei kann „jeder/e Befragte als Informant über ‚sein‛ Netzwerk verwendet werden. Es ist deshalb möglich, Daten über solche egozentrierten Netzwerke in normalen Bevölkerungsumfragen zu erfassen“ (Pappi 1987: 20). In der Medienforschung wurde diese Methode, wie noch zu sehen sein wird, wiederholt eingesetzt. Abgesehen davon sind auch eine Reihe von Gesamtnetzwerkanalysen durchgeführt worden, mit denen Kommunikationsstrukturen in größeren sozialen Einheiten bzw. Systemen (z.B. Schulklassen, Gemeinden, politischen Gruppen sowie Organisationen) untersucht wurden (siehe Beispiele bei Rogers und Kincaid 1981). Mit Blick auf Medienbezüge sind dabei unter anderem Arbeiten zur Diffusion von Neuerungen (Rogers 2003; Schnorf 2008), zur Verflechtung von Medienunternehmen (Fennema und Heemskerk 2002), zum journalistischen Handeln in Online-Redaktionen (Quandt 2005) sowie zu Kommunikationsrollen in Schulklassen (Friemel 2008a) zu nennen.

Michael Schenk
7.18. Zitationsanalyse: Beschreibung und Evaluation von Wissenschaft

Bereits in den 30er Jahren wurde zur Quantifizierung von Wissenschaftsentwicklungen auf bibliographisches Material zurückgegriffen. Robert K. Merton machte an Hand von Veröffentlichungslisten Aussagen zur „Entwicklung und Wandel von Forschungsinteressen“ , zur „Ambivalenz von Wissenschaftlern“ oder zum sog. „Matthäuseffekt in der Wissenschaft“ (Merton 1985). Im ersten genannten Fall benutzte er spätere bibliographische Kategorisierungen von Artikeln des 17. Jahrhunderts in der Zeitschrift

Philosophical Transactions

, im zweiten Fall Beurteilungen zu wissenschaftlichen Plagiaten und Mehrautorenschaft, im letztgenannten Zitationen mit renommierten Autoren. Der Physiker de Solla Price (1974) untersuchte die Dynamik der steigenden Anzahl von Wissenschaftlern und von wissenschaftlichen Publikationen und behandelte auch ‚Invisible Colleges‘ (74 ff; vgl. Crane 1972), wo innerhalb einer engen Forschergemeinschaft konkurrierend publiziert wird und entsprechend gesichtet und zitiert aber weniger gelesen wird (vgl. auch Umstätter 2002). Aufbauend auf solchen Überlegungen und anknüpfend an die Tradition von Registern zu Zitaten, wie sie im religiösen und im juristischen Bereich bekannt waren, wurde von Garfield (1955, 1964; s.a. Garfield und Stevens 1965) im ISI (Institute for Scientific Information, Philadelphia) der Science Citation Index (SCI; in erweiterter Form als SCI-E im Web of Knowledge von Thompson Reuters) und später auch der Social Science Citation Index (SSCI) und der Arts and Humanities Citation Index (A& HCI) entwickelt, der den bibliographischen Angaben von wissenschaftlicher Literatur die zitierten Arbeiten hinzufügte.

H. Peter Ohly
7.19. Bibliometrische Netzwerke

Bibliometrie ist ein Forschungsgebiet, das sich mit der statistischen Analyse bibliographischer Informationen beschäftigt. Die meisten bibliometrischen Untersuchungen sind auch als scientometrisch einzustufen, weil sie sich auf den Publikationsoutput der Wissenschaft beziehen, vor allem auf Zeitschriftenaufsätze. Informetrie erfasst auch Informationsströme jenseits der Welt der Bücher und Zeitschriften, einschließlich der Kommunikation über das Web (Webometrie) und das Internet.

Frank Havemann, Andrea Scharnhorst
7.20. Diffusionsforschung

Die Diffusionsforschung beschäftigt sich mit der Ausbreitung von Ideen, Meinungen, Verhaltensweisen oder Produkten in einem sozialen Netzwerk. Etwas allgemeiner formuliert, geht es um die Veränderung von Akteursmerkmalen im Zeitverlauf, wobei eine Abhängigkeit dieser Veränderungen von der Merkmalsverteilung im Netzwerk und der Netzstruktur angenommen wird. Für die Analyse von Diffusionsprozessen werden deshalb Netzwerksdaten und Akteursattribute zu mehreren Zeitpunkten benötigt. Die Daten eines Messzeitpunkts dienen dabei als unabhängige Variable für die Erklärung der Akteursmerkmale zu einem späteren Zeitpunkt. Die Diffusionsforschung beschränkt sich also auf diejenigen dynamischen Prozesse in einem Netzwerk welche als „Beeinflussung“ bezeichnet werden (siehe Kapitel 5.8 zu dynamischen Netzwerken). Im Zentrum des Forschungsinteressens stehen dabei zumeist die Geschwindigkeit der Diffusion bzw. die Faktoren, welche die Geschwindigkeit beeinflussen.

Thomas N. Friemel
7.21. Netzwerkanalyse in der Innovations- und Wissensmanagementpraxis

Innovationen sind der Schlüssel zum Erfolg von Unternehmen. Sie beruhen auf der Umsetzung von Wissen und kreativen Ideen in neue Produkte oder Dienstleistungen, die auf dem Markt erfolgreich sind. Dabei ist die informelle Kommunikation von Wissen ein kritischer Faktor entlang des gesamten Innovationsprozesses. Um die informellen kommunikativen und sozialen Beziehungen im Innovationsprozess sowohl zwischen Individuen als auch zwischen sozialen Aggregaten (Gruppen, Teams, Abteilungen, Standorte, Unternehmen, Zulieferer, externe Forschungspartner etc.) analytisch zu erfassen und zielgerichtet zu steuern, bietet das Netzwerk-Konzept einen pragmatischen Ansatz und die soziale Netzwerkanalyse (SNA) ein mächtiges Werkzeug. Die soziale Netzwerkanalyse stellt Methoden zur systematischen Analyse, Evaluation und Steuerung von Prozessen der Wissensgenerierung und des Wissensaustauschs in Netzwerken bereit, deren Grundlagen für die Innovationsund Wissensmanagementpraxis in diesem Beitrag vorgestellt werden sollen.

Tobias Müller-Prothmann
7.22. Netzwerke in der Techniksoziologie. Karriere und aktueller Stellenwert eines Begriffs

In den 1980er und 1990er Jahren hat der Begriff des „Netzwerks“ Einzug in die – noch junge – Disziplin der Techniksoziologie gefunden. Die ubiquitäre und gelegentlich unscharfe Verwendung des Begriffs rief zunächst Kritik hervor. Mittlerweile hat sich jedoch ein Konsens herausgebildet, dass die Kategorie des „Netzwerks“ ein wichtiges und nahezu unentbehrliches Instrument der techniksoziologischen Forschung darstellt.

Johannes Weyer

Soziale Räume und Zeiten

Einleitung in das Anwendungsfeld: Soziale Räume und Zeiten

Geht man von den drei Strukturdimensionen der Lebenswelt im Sinne von Alfred Schütz aus (vg. Schütz/Luckmann 1994: 63ff.), so sind neben der sozialen Struktur, die bislang in diesem 7. Kapitel den Gegenstand der Erörterungen bildete, noch die räumliche und zeitliche Struktur eigens zu behandeln. In der Geographie und insbesondere in der Wirtschaftsgeographie werden regionale Netzwerke, Kooperationen und Verbünde netzwerkanalytisch untersucht. Der räumliche Aspekt steht hierbei im Vordergrund. Über den Stand der Diskussion in dieser Fachdisziplin informiert der Beitrag von Johannes Glückler. Die Potentiale der Netzwerkforschung für die Verkehrsplanung lotet der Beitrag von Andreas Frei et al. aus. Netzwerkforscherische Überlegungen haben beiden Wissenschaften zu einem wesentlichen Aufschwung verholfen.

Christian Stegbauer, Roger Häußling
7.23. Ethnologie

Die Ethnologie hat einen wichtigen Beitrag zur Entstehung und Entwicklung der sozialen Netzwerkanalyse geleistet (Freeman 2004; Johnson 1994; Mitchell 1974). Das Ziel dieses Aufsatzes ist es aufzuzeigen, (1) worin dieser Beitrag besteht, (2) welche Fragestellungen Ethnologen heute mit Hilfe der Netzwerkanalyse untersuchen und (3) wodurch sich ihr spezifischer Ansatz auszeichnet. Der Beitrag, den die Ethnologie zu unterschiedlichen Phasen geleistet hat, hing dabei stark von den Theorien und Themen ab, die in der Ethnologie diskutiert wurden.

Michael Schnegg
7.24. Netzwerkansätze in der Geschichtswissenschaft

Dieser Überblick soll zum einen über die Grundzüge der Verwendung von Netzwerk- Ansätzen durch Historiker unterrichten; zum anderen sollen die spezifischen, für die gegenwärtige historische Netzwerk-Forschung repräsentativen Fragestellungen und Themenfelder skizziert werden. Aus diesen Untersuchungsinteressen ergibt sich wiederum das besondere Ensemble der gegenwärtigen Methoden und Verfahren, das der gegenwärtigen historischen Forschung zu sozialen Netzwerken ihr charakteristisches Profil verleiht. Zum Abschluss soll der Versuch einer vorläufigen Bewertung ihrer bisherigen Erträge unternommen werden.

Morten Reitmayer, Christian Marx
7.25. Netzwerkforschung in der Geographie

Die sozialwissenschaftliche Geographie widmet sich dem Verhältnis zwischen Territorium und Gesellschaft. Sie fragt nach der spezifischen räumlichen Organisation sozialer Praxis, gesellschaftlicher Institutionen und wirtschaftlichen Austauschs. In einer vormodernen Gesellschaft stellt sich dieses Verhältnis relativ einfach als überwiegend lokale Lebens- und Wirtschaftsweise dar. Die geographische Analyse konzentriert sich vor allem auf die Kontextualität und Diversität regional verfasster gesellschaftlicher Ordnung. Im Zuge der Modernisierung ermöglichen neue Transport- und Kommunikationstechnologien eine zunehmende geographische Entankerung der Lebensverhältnisse (Werlen 1999). Diese Entkopplung sozialer Interaktion von der Notwendigkeit körperlicher Anwesenheit wandelt den Zusammenhang von Territorium und Gesellschaft in eine interessante Frage: Wie und warum organisieren sich soziale oder wirtschaftliche Beziehungen in geographischer Perspektive? Wenn der Wertschöpfungsprozess eines Gutes nicht mehr notwendigerweise lokal sein muss, ist es umso interessanter zu klären, unter welchen Bedingungen er über große Entfernung oder eben doch lokal organisiert ist. Die wirtschaftliche Globalisierung bringt auffällige geographische Veränderungen mit sich. Während sich wirtschaftliche Beziehungen weltumspannend immer stärker verflechten, wachsen alte und entstehen neue lokale Agglomerationen. Auf der Suche nach Erklärungen für regionalwirtschaftliche Spezialisierungen einerseits und der Organisation räumlich getrennter wirtschaftlicher Beziehungen andererseits hat der Begriff des Netzwerks große Bedeutung gewonnen. Dieser Beitrag verweist auf vier wichtige Entwicklungs- und Verwendungszusammenhänge von Netzwerkansätzen in der wirtschaftsgeographischen Forschung: Netzwerke materieller Infrastrukturen, regionale Unternehmensnetzwerke, Städtenetzwerke und Migrationsnetzwerke. Die Darstellung widmet sich insbesondere solchen Ansätzen, die Netzwerke (als Erkenntnisgegenstand) auch mit netzwerkanalytischen Begriffen untersuchen.

Johannes Glückler
7.26. Die Verbindung zwischen Verkehrsplanung und sozialen Netzwerken

Die Verkehrsplanung versucht die Entscheidung von Personen während der Ausführung von Aktivitäten des täglichen Lebens zu beschreiben, zu verstehen und zu modellieren (Ortuzar und Willumsen 2001). Das zugrunde liegende Paradigma dabei ist, dass das Individuum versucht, seine Bedürfnisse zu befriedigen, während es seinen Nutzen durch die Ausübung von Aktivitäten maximiert. Dazu müssen unterschiedliche Orte aufgesucht werden. Dabei werden in der Verkehrsplanung hauptsächlich die Raumnutzungsstrukturen, welche Aktivitäten ermöglichen, die generalisierten Kosten der Nutzung der verfügbaren Infrastrukturen, welche Zugang zu den Raumnutzungsstrukturen schaffen und die Eigenschaften der Personen als Randbedingungen betrachtet. Lange Zeit waren Aspekte sozialer Interaktionen keine Erklärungsansätze für das Verkehrsverhalten. Dies lag vor allem an den Schwierigkeiten, solche Daten zu erheben und der Darstellung von Verkehr als zonenaggregierte Herkunfts-Zielortflüsse, welche für die Bedürfnisse der Raumplanung als zufriedenstellend präzise angesehen wurden.

Andreas Frei, Matthias Kowald, Jeremy Hackney, Kay W. Axhausen

Psyche und Kognition

Einleitung in das Anwendungsfeld: Psyche und Kognition

Die beiden Beiträge, einerseits zur Bedeutung der Netzwerkforschung in der Psychologie von Bernd Röhrle und Anton-Rupert Laireiter und andererseits der Kognitionswissenschaft von Florian Windhager, Lukas Zenk und Hanna Risku stellen den Abschluss des langen Kapitels zu den Anwendungsfeldern dar. Da die Kognitionswissenschaft zahlreiche Anleihen in der Psychologie macht, scheint es uns gerechtfertigt, die beiden Perspektiven einem gemeinsamen Schwerpunkt zuzuordnen.

Christian Stegbauer, Roger Häußling
7.27. Netzwerkforschung in der Psychologie

Historisch betrachtet war die Psychologie mit ihrem sehr frühen Interesse, Verhältnisse von Personen als Beziehungsgefüge zu verstehen, eine der Quellen der Netzwerkforschung (vgl. Holzer 2006; Jansen 2006; Laireiter 2008; Röhrle 1994; Schnegg in diesem Band; Scott 2000; Trappman et al. 2005). Diese Beziehungsgefüge wurden aus verschiedenen Blickwinkeln betrachtet:

a.

Als Muster von Präferenzen, auch in Hinsicht auf gemeinsame dritte Elemente oder Sachverhalte, die sich stimmig bzw. ausbalanciert zueinander verhalten (balancetheoretischer und soziometrischer Zugang).

b.

Als Muster des Austausches von Ressourcen im Sinne von geregelten Strukturen zwischen den Elementen eines sozialen Systems; und dies auch mit Hilfe von Interaktionsformen (austauschtheoretischer und relationaler Zugang).

c.

Als subjektiv wahrgenommene Einheit von Beziehungsgefügen im Sinne von wahrgenommener sozialer Umwelt (sozial-kognitiver Zugang).

Bernd Röhrle, Anton-Rupert Laireiter
7.28. Netzwerkforschung in der Kognitionswissenschaft Kognitionswissenschaft als Netzwerkforschung

Die Kognitionswissenschaft ist ein junges transdisziplinäres Forschungsfeld. Ihr Gegenstand ist die Fähigkeit von Lebewesen sich intelligent zu verhalten. Sie versucht die individuelle und artenspezifische Entwicklung intelligenter Verhaltensweisen (wie Wahrnehmung, Denken, Lernen, Motorik, Emotion, Aufmerksamkeit, Sprache) durch Modelle und Simulationen zu erklären. In Weiterführung dessen untersucht sie auch die Möglichkeit der Kognition bzw. der Intelligenz von künstlichen Systemen (Künstliche Intelligenz). Der kognitionswissenschaftliche Diskurs findet dabei in wechselnden Gewichtungen und Vernetzungen über den disziplinären Feldern der Psychologie, Informatik, Neurowissenschaft, Linguistik, Anthropologie und Philosophie statt (Thagard 1996; Friedenberg und Silverman 2006).

Florian Windhager, Lukas Zenk, Hanna Risku
Einleitung: Anwendungsfelder der Netzwerkforschung

Es gibt kaum Themenfelder, in denen nicht Netzwerkforschung betrieben werden könnte. Dies gilt sowohl für den gesamten Gegenstandsbereich der Soziologie als auch über die disziplinären Grenzen hinweg. Entsprechend kann die Netzwerkforschung aus einem weiteren Blickwinkel als interdisziplinäres, ja zum Teil sogar transdisziplinäres Forschungsprogramm begriffen werden. Auf der internationalen Tagung der Netzwerkforscher, organisiert von der INSNA (International Network for Social Network Analysis), herrscht ein reger Austausch zwischen Soziologen, Informatikern, Physikern, Kommunikationswissenschaftlern, Wirtschaftswissenschaftlern, Kulturwissenschaftlern und Psychologen. Die Soziologie kann in diesem interdisziplinären Feld als eine Art Leitdisziplin begriffen werden, da sie eine konzeptuelle, methodische und methodologische Klammer um die heterogenen Forschungsfelder legen kann. In der Soziologie selbst hat bereits jetzt die Netzwerkforschung in viele Spezielle Soziologien Eingang gefunden. Prinzipiell kann sie in jeder Speziellen Soziologie die herrschenden Diskussionen mit eigenständigen Beiträgen in Bewegung versetzen.

Christian Stegbauer, Roger Häußling

Serviceteil

Frontmatter
Einleitung: Serviceteil

Hier wird ein Überblick über Lehrbücher gegeben. Dabei kam es uns vor allem darauf an, auf schnelle Weise einen Einblick in die Inhalte der verschiedenen Werke zu geben. Deutlich ist, dass keines der Bücher wirklich umfassend ist – eine für die spezifischen Bedürfnisse zugeschnittene Auswahl relevanter Lehrbücher und ihr ertragreicher Einsatz wird, so erhoffen wir es uns, durch dieses kurze Kapitel von Ines Mergel und Marina Hennig erleichtert.

Christian Stegbauer, Roger Häußling
8.1. Lehrbücher der Netzwerkforschung

Die soziale Netzwerkforschung ist ein stark wachsendes methodisches Themenfeld, das sowohl national als auch international im Bereich der empirischen Sozialforschung zunehmend an Bedeutung gewinnt. Viele aktuelle Theoriediskussionen, wie aber auch anwendungsorientierte Fragestellungen zwingen, methodisch das Individuum und die Bedingungen und Konsequenzen individuellen Handelns des Individuums im Kontext ihrer Beziehungen zu anderen Akteuren zu erfassen. Und obwohl im Laufe der letzten zwanzig Jahre eine Vielzahl von Büchern zu verschiedenen Aspekten bzw. Verfahren der sozialen Netzwerkanalyse erschienen sind, bleibt die Netzwerkforschung für viele Forscher nach wie vor schwer erschließbar. Dies hängt vor allem damit zusammen, dass Texte und Quellen für Methoden und Verfahren der sozialen Netzwerkanalyse von Wissenschaftlern mit ausgeprägtem methodischem bzw. mathematischem Hintergrund verfasst wurden. Es ist schwierig, das richtige Computerprogramm für diese Techniken zu finden und wenn man Zugang zu den Programmen gefunden hat, gibt es oft nur wenig praktische Anleitung für deren Nutzung und Anwendungsmöglichkeiten im netzwerkanalytischen Forschungsprozess.

Ines Mergel, Marina Hennig
Backmatter
Metadata
Title
Handbuch Netzwerkforschung
Editors
Christian Stegbauer
Roger Häußling
Copyright Year
2010
Publisher
VS Verlag für Sozialwissenschaften
Electronic ISBN
978-3-531-92575-2
Print ISBN
978-3-531-15808-2
DOI
https://doi.org/10.1007/978-3-531-92575-2

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