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2020 | OriginalPaper | Chapter

7. Empirische Untersuchung des Idling und Facetrack Modus

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Zusammenfassung

Mit unseren Ausführungen in Kapitel 3 & 4 zu den fundamentalen Eigenschaften von Akteuren in den Bereichen der Interaktionsfertigkeit und sozialen Kognition, können wir ein in Frage stehendes Sozialgefüge analysieren und den Akteursstatus von ungewissen (sozialen) Entitäten erforschen. Die oben ausgeführten Thesen erlauben es, neben dem inhaltlichen Verstehen von Äußerungen, ein Kategoriensystem von Eigenschaften des formalen Verstehens auf den Ebenen von sowohl kontingent gesetzten Akteuren als auch von kontingent gesetzten symbolischen Gesten und Drittengefügen auf Entitäten mit ungewissem Akteursstatus anzuwenden. Vermittels der sich aus Anschlusskommunikation ergebenden Kommunikationsgestalten und der Sinneinheiten der an der sozialen Begegnung beteiligten Akteure, können Relationen zwischen Akteuren als Sozialgefüge verifiziert bzw. abgelehnt werden.

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Footnotes
1
Eine gesellschaftstheoretische Reflexion zu den normativen Bedingungen für allgemeingültige Personalisierungen von Maschinen vor dem Hintergrund moderner Grenzregime, die über die hier untersuchten personal-kommunikativen Leistungen hinausgehen, würde den Rahmen dieser Arbeit übersteigen und muss an anderer Stelle vorgenommen werden. Für diesen Hinweis danke ich Gesa Lindemann.
 
2
Zur kritische Betrachtung der Anthropomorphisierung von technischen Objekten siehe auch Tietel (1995) und Aggarwal & McGill (2007), bzw. Linn (1997) oder Luczak et al. (2003).
 
3
Damasio (2000) listet beobachtbare Merkmale, die darauf hinweisen, dass eine Person bei Bewusstsein ist. Hierzu zählen Augenzwinkern, gespannte Muskulatur für eine aufrechte Körperhaltung und leiblich-körperliche Reaktionen der Person auf ihre Umwelt. Diese Reaktionen umfassen wechselnde Blick- und Kopfrichtungen, Mimik und Körperposturen relativ zu Umweltereignissen. “For instance, we know that organisms in a normal state of consciousness are awake, are attendive to stimuli in their surroundings, and behave in a manner adequate to the context and to what we imagine their purpose to be. (…) The presence or absence of wakefulness can be established by direct observation of the organism – the eyes must be open, the muscles must have a tone enough to permit movement. The ability to attend to stimuli can be established from the organism’s ability to orient to stimuli, and we can observe eye movements, head movements, and patterns of limb and whole-body movement as the organism responds to varied sensory stimuli and interacts in an environment. The presence of background emotion can be established from the nature of facial expressions and from the dynamic profile of limb movements and posture. The purposefulness and adequancy of behaviour can be assessed by taking into account the context of the situation, whether natural or experimental, and determining whether the organism’s responses to stimuli and the organism’s self-initiated actions are appropriate to that context.” (Damasio 2000: 86 f.) sowie “(…) telltale signals include the overall body posture and the range of motion of the limbs relative to the trunk; spatial profile of limb movements, which can be smooth or jerky; the speed of motions; the congruence of movements occurring in different body tiers such as face, hands, and legs; and last and perhaps most important, the animation of the face.” (Damasio 2000: 92).
 
4
Die Inhalte der Transkripte werden in der vorliegenden Studie im Text zitiert und mit Zeilenverweisen versehen. Die vollständigen, detaillierten Transkripte befinden sich im Anhang.
 
5
Jene beobachtbaren direkten taktilen Berührungen an GHI-1 sowie die Annäherung an GHI-1 in unvermittelter Distanz und das Betrachten von Nahem als Leibpositionierungen in Relation zu GHI-1 im Raum, wollen wir nach der Analyse zur der interaktiven Exploration mit weiteren Belegen in Abschnitt 7.5 ff. als Brüche von Territorialbereichen markieren und als einen gewichtigen Hinweis auf die Grade der Zuschreibung eines Sozialstatus gegenüber GHI-1 werten.
 
6
Diese Beobachtung deckt sich mit der Watzlawickschen Aussage „Man kann nicht nicht kommunizieren“ (Watzlawick, Beavin & Jackson 1969: 53).
 
7
Bzw. als an Erwartungshaltungen orientierte/motivierte Handlungen.
 
8
Dabei basiert die graduelle Handlungsträgerschaft auf handlungstheoretischen Ansätzen.
 
9
Diese Sichtweise korrespondiert mit der Akteur-Netzwerk-Theorie (ANT) im Sinne Latours (1981, 2007).
 
10
Harth benennt in seiner Studie entsprechende Personalisierungen von Avataren/Spielfiguren in einem Computerspiel als temporäre Personalitätszuschreibungen (Harth 2014: 306 ff.) und die Figuren damit als Hybriden zwischen Ding und Akteur. Die Personifikation von virtuellen Figuren bewirkt eine auf der graduellen Handlungsträgerschaft formulierte temporäre Zuschreibung eines Akteursstatus. Harth stellt den aktuellen Spieler dabei in einen Gegensatz zu der virtuellen Spielfigur, indem er eine Dichotomie von Personalität und Trivialität aufstellt, die auch für den Spieler, der sich in die Spielfigur versetzt, gilt (Harth 2014: 232 ff.).
 
11
Um den sich daraus ergebenden unendlichen Regress von Zuschreibungsschleifen zu verdeutlichen, siehe auch Lindemann (2009a: 164). Hier wird deutlich, dass auch die zuschreibende Person zu einem sozialen Akteur wird, indem diese wiederum von jemand anderes eine Zuschreibung von Akteursschaft erfahren hat etc.
 
12
Demnach ist der Ansatz der graduellen Handlungsträgerschaft, der auf Zusprache von Akteursschaft beruht, in seiner Anlage eine Entsprechung zu Ethnotheorien. Für diesen Hinweis danke ich Gesa Lindemann.
 
13
Vgl. den Begriff „Aufmerksamkeitsfänger“ von Tomasello (2009: 63).
 
14
In den Fällen in denen die Distanz schnell aufgehoben wird, ist eine Deckung zu der Exploration von GHI-1 durch die Besucher beobachtbar, die den beschriebenen Abläufen im Idling Modus gleicht. So gehen die Besucher näher an GHI-1 heran, betrachten GHI-1 von Nahem und berühren die Gestalt an Hand/Gesicht o. ä. Die Fälle der Aufhebung von Distanz zu GHI-1 schließen wir darauf zurück, dass die Besucher die Kopfbewegungen GHI-1s als alleinigen Bewegungsmechanismus erschlossen haben und keine weitere Reaktion der Gestalt erwarten, somit GHI-1 auf der Ebene der fundierenden Deutung/personalen Erscheinung näher betrachten.
 
15
Näheres zu den Differenzen betreffend der räumlichen Leibpositionierungen und Distanzen als Territorialmarker im Idling und Facetrack Modus sowie deren Implikationen für den Sozialstatus von GHI-1 wird ab Abschnitt 7.5 besprochen.
 
16
Einige der genannten Aktionen sind nicht in den beispielhaft ausgewählten und hier abgedruckten Transkripten enthalten, kommen aber im Datenpool des Öfteren vor. In dieser Arbeit wurden lediglich solche Transkripte als Beispiele selektiert, die einen hohen Informationswert für die Analyse haben und die Differenz der Exploration in den unterschiedlichen Aktivitätsmodi verdeutlichen.
 
17
Der Begriff der personalen Präsenz spielt für die weitere Bestimmung des Roboters als Entität auf der Ebene der fundierenden Deutung eine signifikante Rolle. Auf den Begriff und dessen Implikationen für die Bestimmung einer Entität wird näher in Abschnitt 7.4.7 eingegangen.
 
18
Die Zuwendung an herannahende Gesichter scheitert jedoch im offenen Feld an technischen Einschränkungen. Z. B. reagiert das Facetrackingsystem fehlerhaft, wenn mehrere Personen anwesend sind, die Distanz nicht mehr stimmt, die Person von dem technischen System nicht eindeutig erfasst wird etc.
 
19
Mimische Ausdrücke stellen dabei eine Sonderform von nonverbalen Aufmerksamkeitshaschern.
 
20
Die parallele Bewegungsabfolge bezeichnet eine Gegenposition zu seriellen Bewegungsabfolgen, die für die soziale Handlungskoordination zwingend notwendig wären.
 
21
In jenen Initiierungsversuchen zur Interaktion zeigen sich die Grundhaltung und Grunderwartungen der Besucher gegenüber dem Roboter zu dessen (erwarteten) Spektrum an sozialen Fertigkeiten. So gibt es Besucher, die den Roboter mit Initiierungsversuchen von verbaler Interaktion mit etablierten Grußritualen begrüßen, wie etwa („Hallo“, „Grüß Gott“, „Hello“, „Servus“, „Guten Tag“, „Sayonara“) bzw. mit selbsterfundenen asiatisch anmutenden Neologismen, wie („Huitshaa mon joo“) (vgl. Straub o. J.).
 
22
Präziser formuliert baut die kommunikative Deutung zunächst auf einer vermuteten fundierenden Deutung auf, misslingt die kommunikative Deutung jedoch, so wird die fundierende Deutung – und somit die personale Präsenz der betreffenden Gestalt – mit weiteren Explorationsmethoden in Frage gestellt.
 
23
Die weiteren Territorien die Goffman nennt, spielen für unsere Untersuchung eine nebengeordnete Rolle und werden daher nicht näher behandelt. Hierzu zählt der Bezugsraum, Reihenposition, sowie das Gesprächs- als auch das Informationsreservat (Goffman 1974).
 
24
Dies äußert sich beispielsweise bei Distanzen von Personen in überfüllten Bahnen, Aufzügen o. Ä.
 
25
Diese persönlichen Gegenstände werden von Goffman zudem mit exklusiven Nutzungsansprüchen versehen und als Besitzterritorien bezeichnet.
 
26
Und das Zitat weiter: “(…) Finally, there are objects that remain tethered to a particular setting but can be temporarily claimed by persons present, much as can stalls: ashtrays, magazines, cushions, and eating utensils are examples. One might also include here regulative command over mechanical creature-comfort devices: control over radio, television sets, temperature, windows, light and so forth.” (Goffman 1972: 38).
 
27
Auch wenn die in dem Experimentalsetting vorliegenden Gegenstände bzw. Güter nicht explizit in Goffmans Listung auftauchen, so reihen sich die in dem Experimentalsetting befindlichen Accessoires wie Laptop, Uhr, Brille, Bekleidung etc. in die Liste der Gegenstände, welche das Besitzterritorium von GHI-1 kennzeichnen.
 
28
So lassen sich (unter Berücksichtigung situativer umstandsbedingter Ausnahmen) Verhaltensordnungen bzw. -regeln beobachten, welche die Inanspruchnahme des belegten Raumes ausschließt bzw. nur nach Einwilligung des Akteurs erfolgen darf. Eine ungefragt unmittelbare Annäherung an das „besetzte Territorium“ gilt als rüder Vorstoß gegenüber dem personalen Distanzbereich der den Raum einnehmenden Person. Mitunter wird dies als „ungeschriebene Regel“ moralisch festgelegt, evoziert jedoch bei kleinen Verstößen im Alltag, bis auf persönliche Ärgernisse, keine größeren Sanktionen. Zu den geahndeten Übergriffen der Territorialbereiche zählen Vergehen, wie Misshandlungen, mutwillige Verletzungen o. Ä.
 
29
Das Bewerten einer Annäherung als Übertritt des Distanzbereiches divergiert mit den Graden der Relation der Akteure zueinander.
 
30
Der Begriff ist eine Anlehnung an das Bourdieusche Prinzip der Inkorporation (2012 [1987]).
 
31
Verstöße und Überschreitungen gegen das persönliche Territorium werden nach subjektiven Maßstäben bewertet und entsprechend verteidigt. So formuliert Goffman: “In considering the minor situational and egocentric preserves of the self – the respect shown for them and the defenses employed of them – we are led to deal with what is somehow central to the subjective sense that the individual has concerning his selfhood, his ego, the part of himself with which he identifies his positive feelings.” (Goffman 1963b: 60).
 
32
Siehe das Originalzitat von Hall: „The specific distance chosen depends on the transaction; the relationship of the interacting individuals, how they feel, and what they are doing.“ (Hall 1966: 128).
 
33
Hall beschreibt die Aufhebung von intimen Distanzrelationen unter Fremden in beengten Örtlichkeiten (hier U-Bahn und Fahrstuhl): “The basic tactic is to be as immobile as possible and, when part of the trunk or extremities touches another person, withdraw as possible. If this is not possible, the muscles in the affected areas are kept tense. For members of the non-contact group, it is taboo to relax and enjoy bodily contact with strangers! In crowded elevators the hands are kept at the side or used to steady the body by grasping a railing. The eyes are fixed on infinity and are not brought to bear on anyone for more than a passing glance.” (Hall 1966:118). Vgl auch die graphische Darstellung der Distanzzonen (Hall 1966:126 f.)
 
34
Diese Weise des „Begreifbarmachens“ eines noch unbekannten Subjekts/Objekts in der Alltagswelt finden wir in allen drei Aktivitätsmodi des Roboters wieder. Die Exploration und Erkundung eines neuen Objektes und dessen Wirkkreis/-ungsmacht scheint ein Bedürfnis zur Klarstellung des Status des unbekannten Objekts darzustellen. Wir sehen jedoch in unserer Studie, dass die Art und Weise der Annäherung in den unterschiedlichen Aktivitätsmodi stark mit der Reaktionsfähigkeit des Roboters variiert. Vgl. hierzu auch Straub (2016) und Alač (2016).
 
35
Das nahe Herantreten, Berühren, Anstarren oder Begutachten wird gemeinhin von personalen Akteuren als unangenehm empfunden und als Verstoß und Überschreitung von persönlichen Bereichen wahrgenommen.Edward Hall hat die unmittelbare Sphäre um soziale Agenten in die Kategorien als personale Region benannt, und diese Distanzen als Persönlichkeitsbereiche von sozialen Akteuren bezeichnet. Vornehmlich in westlichen Kulturen gilt ein Überschreiten der persönlichen Sphäre durch unqualifizierte/Fremde als Verstoß gegen eine ungeschriebene Höflichkeitsroutine, welches Unbehagen bei dem betreffenden Akteur auslöst.
 
36
Die Varianzen sind jedoch nicht für den Facetrack Modus verallgemeinbar. In einigen Fällen ist die fortgeführte Exploration GHI-1s deckungsgleich mit den Fällen im Idling Modus. Dort nähern sich die Besucher an GHI-1 heran, betrachten ihn von Nahem und überprüfen die technische sowie materielle Machart der Gestalt (z. B. durch Berührung, nahe Betrachtung). Bei deckungsgleichen Fällen zeigt sich eine Ignoranz gegenüber der Erfassung der Kopfbewegungen GHI-1s – d. h. eine Aufhebung dieser, als sozial signifikanter Geste und als Hinweis auf eine potentiell soziale Akteursschaft.
 
37
Vgl. hierzu Abschnitt 7.3.2 zu „aufmerksamkeitshaschenden Aktionen“ in den Facetrack Modi.
 
38
Die Accessoires, die GHI-1 von den Entwicklern beigefügt bekommen hat, dienen in erster Linie dazu, den Roboter an die menschliche Gestalt anzugleichen und den Eindruck zu erwecken, es handele sich um eine nach menschlich-gesellschaftlich anerkannten Verhaltensweisen agierende Person.
 
39
Der Begriff „ökologische Güter“ wäre die Bezeichnung im Sinne Bourdieus (2012 [1987]).
 
40
Die Gegenstände, wie Brille, Laptop, Wasserglas, die das Besitzterritorium GHI-1s markieren, werden von den Besuchern somit einerseits als zu GHI-1 gehörige Objekte erkannt, andererseits jedoch ebenso frei von Distanzen/Begrenzungen erkundet. So teilen die Besucher die Objekte zwar als zu GHI-1 gehörige ein, berühren andererseits die Gegenstände jedoch frei und ohne Hemmungen. Auch wenn die Besucher die Gegenstände um GHI-1 herum als zu GHI-1s Gestalt gehörige erkennen, muss dies nicht zwangsläufig an einen personalen Bezug gebunden und damit in der Zuerkennung einer personalen Wirksphäre begründet sein, sondern kann im Sinne eines objekthaften Gesamtexponats bewertet werden.
 
41
Das Ausbleiben der üblich genutzten Funktionsfähigkeit der Accessoires bietet den Besuchern allerdings auch zusätzlichen Interpretationsraum. So trägt zwar die Wahrnehmung des ausgeschalteten Rechners zur Hinterfragung der Menschenhaftigkeit/sozialen Aktivität/Intelligenz des Roboters bei – bei der Uhr und der Nutzung der Brille zeigen sich allerdings Alternativen zur Deutung der unüblichen Funktionsweise der objekthaften Accessoires.
 
42
Die symbolische Territorialordnung sorgt somit bei der Kontingenz von symbolischer Kommunikation (und Anschlusskommunikation) dafür, dass eine gesonderte Ordnung entsteht, welche die Persönlichkeitsstruktur der Systemkomponenten nicht soweit affiziert, dass weitere Anschlusskommunikation im Keim erstickt wird.
 
43
Hier haben wir eine Konstellation, bei der wir die Wirkung und einen direkten Einfluss Dritter auf die Situation haben und damit über verbale Äußerungen über die Erfahrung mit dem Roboter, die wir zur Auswertung der primären Eindrücke der Besucher nutzen können, verfügen. Die Anwesenheit und die Unterredung Dritter bietet Einblicke in die Emotionen, Haltungen, Einstellungen und Eindrücke der Besucher von GHI-1, die ohne deren Anwesenheit verborgen blieben. In Begleitung (womöglich auch nahestehender) Dritter, bietet der Austausch der Besucher über den Roboter einen unverstellt-objektiven Einblick in die Erfahrungen der Besucher.
 
44
Harth bezieht sich bei seiner Studie zu der „Verschmelzung“ von Spieler und Avataren auf den Hybridenbegriff im Bezug zum Personenstatus wie folgt: „Der Hybrid wird als eine Entität beschrieben, die zwar eine Zurechnung von Handlungen ermöglicht, diese Zurechnung allerdings im hohen Grad sozial verhandelbar ist. Der Status des Akteurs wird Hybriden – anders als menschlichen Individuen – nur fallweise und zumeist nur zeitweise eingeräumt, um ihn fakultativ wieder entziehen zu können.“ (Braun 2000: 15 zitiert nach Harth 2014: 232).
 
45
Hier sehen wir eine Reaktionsüberprüfung mit anschließender Reaktionszuschreibung/-interpretation im Sinne der graduellen Handlungsträgerschaft, die auf Zuschreibungen individueller Akteure basiert, wie wir es bereits in Transkript 2008_1038_ältere leute pt2 gesehen haben.
 
46
Wobei zu vermuten ist, dass hier die Erwartung an GHI-1 gerichtet ist, dass er auf die Bewegung vor seinen Augen als auch auf einen vorgetäuschten Schlag mit Ausweichaktionen reagiert.
 
47
Die taktile Exploration der Gestalt von GHI-1 durch J(10) nimmt dermaßen Überhand, dass ein Staff-Mitglied darum bittet, das Berühren einzustellen (Zeile 378–380: [K kommt aus der Nebentüre, beide schauen auf.] – K (Please do not touch too much… I’m sorry.) – F(40) Okay, I’m sorry. – [alle gehen weg]).
 
48
Die Besucher monieren dabei, dass der Roboter nicht autonom agiert, seine Accessoires nicht funktionieren, er nicht sozio-motorisch adäquat re-agiert, aus „unechtem“ Material gestaltet wurde und die motorischen Bewegungen situationsinadäquat (zum Selbst-Umwelt-Bezug als auch zum Selbst-Mitwelt-Bezug) wirken.
 
49
Hierbei erwarten die Besucher (EEE), dass GHI-1 aus einer Erwartungshaltung der (erwarteten) Erwartungserwartung gegenüber den Besuchern heraus auf sie reagiert. Bei jener temporären Personalitätszuschreibung handelt es sich indes um subjektive Erwartungen über den Personenstatus von GHI-1, die nicht über die Erwartungshaltung doppelter Kontingenz hinausgehen. Während der kommunikativen Exploration der Besucher mit Verstößen gegen den symbolischen Territorialbereich GHI-1s, können wir die Erwartungshaltungen eines allgemeinen kollektiven Erwartungshorizonts (Dritter) aufdecken, der auf nachhaltigem Wege den personalen Status GHI-1s im Facetrack Modus präzisiert und den temporären personalen Status GHI-1 sukzessive aufhebt.
 
Metadata
Title
Empirische Untersuchung des Idling und Facetrack Modus
Author
Ilona Straub
Copyright Year
2020
DOI
https://doi.org/10.1007/978-3-658-31384-5_7