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Published in: List Forum für Wirtschafts- und Finanzpolitik 2-4/2021

Open Access 20-04-2021 | Aufsätze

Erinnerung an die ehemalige „Friedrich List-Gesellschaft (FLG)“ – Würdigung ihres Initiators Edgar Salin sowie der anderen Herausgeber der Gesamtausgabe von Lists „Schriften/Reden/Briefen“

Author: Eugen Wendler

Published in: List Forum für Wirtschafts- und Finanzpolitik | Issue 2-4/2021

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Zusammenfassung

Unter den widrigsten wirtschaftlichen und politischen Verhältnissen und Bedingungen wurde die Friedrich List-Gesellschaft (FLG) 1925 gegründet und bis 1934 fortgeführt. Sie verfolgte vor allem den Zweck, die weit verstreuten, schwer zugänglichen und vielfach unbekannten Schriften, Reden und Briefe von Friedrich List (1789–1846) zusammenzutragen und in Form einer Gesamtausgabe zu publizieren.
Weder diese 10- bzw. 12-bändige Gesamtausgabe, noch die Namen ihrer Herausgeber haben in der Wirtschaftswissenschaft die gebührende Wertschätzung und Aufmerksamkeit erfahren. Die längst überfällige Dankesschuld wird in dem vorliegenden Beitrag nach nahezu 100 Jahren abgetragen. Ohne den engagierten und mutigen Einsatz der Herausgeber, insbesondere von Edgar Salin, wäre die List-Forschung undenkbar und die deutsche Wirtschaftswissenschaft um ein ruhmreiches Kapitel ärmer.

1 Vorwort

Anlässlich des 125. Todestages von Friedrich List habe ich im Reutlinger General-Anzeiger vom 30.11.1971 meinen ersten journalistischen Artikel über diesen genialen und vielverkannten und damals völlig vergessenen Nationalökonomen publiziert. Obwohl ich, wie List, in Reutlingen geboren wurde und hier zur Schule ging, erinnere ich mich nicht, dass ich während meiner Schulzeit Näheres über diesen großen Sohn der Stadt erfahren habe. Ich bin zwar häufig an dem vor dem Bahnhof stehenden List-Denkmal vorbeigekommen, das mich aber in keiner Weise angesprochen und interessiert hat.
Als ich mein Studium der Wirtschaftswissenschaft ab dem 3. Semester an der damaligen Wirtschaftshochschule (Universität) Mannheim fortgesetzt habe, bin ich in den Vorlesungen ebenfalls nicht mit List in Berührung gekommen. Über meinem Arbeitsplatz im Volkswirtschaftlichen Institut hing zwar die vergrößerte Kopie der bekannten Lithographie von Joseph Kriehuber, die mich aber nicht dazu bewegen konnte, ein Interesse für List zu wecken und Schriften von oder über ihn aus den Beständen der Handbibliothek zu entnehmen und zu studieren.
Woran ich mich jedoch noch sehr gut erinnere, ist ein Vortrag, den Edgar Salin auf Einladung der Stadt Mannheim während meiner Studienzeit vor einem kleinen Zuhörerkreis außerhalb der Hochschule gehalten hat. Die Grußworte sprach der damalige Mannheimer Oberbürgermeister Hans Reschke, der auch die Diskussion leitete. Das Thema des Vortrages ist mir entfallen – wahrscheinlich ging es um die europäische Integration. Aber ich war von dem sprühenden Intellekt und der Ausstrahlung der beiden Redner fasziniert. Diese haben sich in geistiger Hinsicht perfekt ergänzt und den Abend zu einem echten Genuss, ja ich möchte sagen, zu einem Highlight meines Studiums werden lassen. Ich konnte damals nicht ahnen, welche Bedeutung der Referent aus Basel für meine spätere wissenschaftliche Forschung haben würde.
Mit Friedrich List kam ich erst in Berührung als ich im August 1971 einen Urlaub in der Wildschönau in Tirol verbrachte und dabei die Grenzstadt Kufstein besuchte. Ich wusste zwar, dass sich List dort das Leben genommen hatte, mehr war mir aber nicht bekannt. Instinktiv ging ich jedoch zum nahegelegenen Friedhof. Ohne lange suchen zu müssen, stand ich plötzlich vor einer großen Grabplatte mit der Aufschrift: „Deutschlands Friedrich List“. Diese Formulierung hat mich wachgerüttelt. Später erfuhr ich, dass das Grab früher mit einer reich verzierten gusseiserenen Einfriedung umgeben und von böhmischen Industriellen aus Prag gestiftet worden war.
Ich stellte mir die Frage, weshalb ein Selbstmörder, zudem noch Ausländer und Protestant, auf einem katholischen Friedhof in der Fremde eine so ehrwürdige Grabstätte erhalten konnte. Als ich später dieser Frage nachging, lernte ich, dass die beiden Medizinalräte, die den Tod des Leichnams bestätigen mussten, dem Toten attestierten, dass er geistig verwirrt war und deshalb nicht als Selbstmörder betrachtet werden dürfe. Dann war nur noch die Konfession unklar. Obwohl List aus der ehemals Freien Reichsstadt Reutlingen stammte, welche die erste süddeutsche Stadt war, die sich zum lutherischen Glauben bekannte, gab man dem katholischen Pfarrer zu bedenken, dass die Konfession nicht bekannt sei und der Verstorbene auch katholisch gewesen sein könne. Deshalb war dieser bereit, Friedrich List ein offizielles Begräbnis unter Anteilnahme der Bevölkerung zu ermöglichen.
Als ich etwas nachdenklich und Gedankenverloren aus dem Friedhof hinausging, sah ich ein kleines Hinweisschild „Zum List-Denkmal“. Ich war ziemlich überrascht, weil mir völlig unbekannt war, dass es in Kufstein ein List-Denkmal gibt. Ich folgte dem Hinweisschild und stand nach einigen Hundert Metern plötzlich vor einer ca. ein Meter hohen Tuffsteinsäule mit der Aufschrift „Lists Ende“. Später erfuhr ich, dass diese Säule von einem einfachen Schneidermeister gestiftet worden war, der als 10jähriger Junge mit seinem Vater bei der Suche des Leichnams beteiligt war. Er hat diese Säule zu Lists Erinnerung gestiftet und zudem noch vier Kastanienbäume im Quadrat darum herum gepflanzt.
Aber der Wegzeiger „Zum List-Denkmal“ führte weiter. Wiederum legte ich wenige hundert Meter zurück und stand plötzlich auf einer Anhöhe mit einem prächtigen griechischen Säulenhalbrund aus weißem Marmor, in dessen Mitte sich ein großer Marmorblock befindet, auf dem in voller Größe Friedrich List Platz genommen hat. Von hier aus bietet sich ihm ein fantastischer Blick auf die Stadt und Feste Kufstein, das Inntal und das Grenzgebiet zu Bayern. Später habe ich erfahren, dass dieses eindrucksvolle Denkmal von dem Kufsteiner Bildhauer Norbert Pfretzschner im Jahre 1905 in dessen Atelier in Berlin geschaffen und von der Stadt Kufstein finanziert worden war (Abb. 1).
Auf der Rückseite des Sockels ist ein Gedicht von Martin Greif eingemeißelt, in dem das Wirken von Friedrich List in einzigartiger Weise komprimiert ist:
„Ein Anwalt ohne Sold, bemüht fürs Vaterland! Ein Kämpfer, dem kein Gold den starken Willen band! Ein Held, der weit hinaussah über seine Zeit! Ein Sämann, dem als Haus das Sternenzelt bereit!“
Diese gehäuften Eindrücke wirkten auf mich wie eine Initialzündung. Ich war tief berührt, weil mir klar wurde, dass List eine außergewöhnliche Persönlichkeit gewesen sein muss, deren Bedeutung ich näher kennenlernen wollte. Damit war der Grundstein für meine Bemühungen um die List-Forschung gelegt, die ich nun seit 50 Jahren zum zentralen Fokus meiner wissenschaftlichen Arbeit gemacht habe. Diese Herausforderung ließ sich mit meiner Lehrtätigkeit als Professor für Internationales Marketing, Marktpsychologie und Kommunikationspolitik an der Hochschule Reutlingen trotz widriger Bedingungen einigermaßen verbinden. Obgleich mir niemals Forschungsmittel, ein Assistent oder eine eigene Schreibkraft zur Verfügung standen, konnte ich dank der verständnisvollen Unterstützung meiner lieben Frau und unter erheblichem persönlichem Engagement und finanziellen Opfern ein Lebenswerk zustande bringen. Allein mein Beitrag zur List-Forschung umfasst bis jetzt ca. 30 Monographien und viele Aufsätze. 1992 habe ich an der Hochschule Reutlingen das „Friedrich List-Institut für historische und aktuelle Wirtschaftsstudien (FLI)“ gegründet, bis 2012 geleitet und dann meinem Nachfolger Prof. Dr. Stephan Seiter übertragen.
Die ganze Zeit über war ich stets Einzelkämpfer, der – wenn man den Mainstream der Wirtschaftswissenschaft zum Maßstab nimmt – aus der Zeit gefallen ist. Aber ich habe mich stets in guter Gesellschaft gefühlt, weil ich mich in der Nachfolge der Gründer und führenden Mitglieder der FLG gesehen habe, welche mit der Herausgabe der Gesamtausgabe in „kritischer Zeit“, wie sie von Edgar Salin bezeichnet wurde, erst die List-Forschung ermöglicht und damit ein bleibendes historisches Vermächtnis geschaffen haben.
Allerdings ist deren überragende Leistung weder im Dritten Reich noch danach in gebührender Weise gewürdigt worden. Sie wurde und wird von der weitaus überwiegenden Mehrheit der deutschen Wirtschaftswissenschaftler einfach ignoriert. Selbst diejenigen, die einen fachlichen Bezug zu List haben müssten, suchen kaum Anhaltspunkte für die Aktualität seiner Ideen, wie es die beiden Festschriften der List-Gesellschaft (LG) und des „Vereins für Socialpolitik“ zum 200. Geburtstag von List belegen. Es mutet stellenweise ziemlich verkrampft und gekünstelt an, wenn am Schluss eines Aufsatzes noch ein Bogen zu Lists aktueller Bedeutung geschlagen und versucht wird, dem Autor eine Rechtfertigung zu liefern, dass er sich mit diesem „obsoleten Ahnherrn“ der deutschen Nationalökonomie überhaupt noch beschäftigt hat, obwohl diesem doch nur noch in der sentimentalen historischen Rückschau ein gewisser Erinnerungswert zukomme.
Es ist bedrückend, wenn man in den Mitteilungen der LG von 1962 „ein Nachwort zur List-Ausgabe als Vorwort für künftige Leser“ von Edgar Salin liest, in dem er beklemmend und resignierend feststellen muss: „Die Gesamtausgabe ist die erste übersichtliche Zusammenfassung, welche den erhofften Lesern einen ersten Überblick über das große Werk und einen ersten Einblick in die gewaltige Natur von Friedrich List vermitteln sollte; Aufforderung und Anreiz zum Studium, zur Vertiefung und zur Auswertung, wie sie im deutschen Sprachgebiet bis heute ausgeblieben ist. Mir ist (nur) eine einzige (!) Besprechung bekannt, welche die Bedeutung der gesamten Ausgabe und welche die philologische Leistung würdigt. Sie stammt aus der Feder von Luigi Einaudi, dem großen italienischen Gelehrten, Büchersammler und Literaturkenner. Dass im Deutschland der Nazi-Jahre nur ein Oberbürgermeister von Reutlingen einen Versuch gemacht hat, den größten Sohn dieser Stadt als Prä-Nazi zu frisieren – wozu er auch die von H.W. Zimmermann im Auftrag der FLG veranstaltete List-Auswahl gestohlen hat – und dass im Übrigen die Fertigstellung der Ausgabe mit Schweigen übergangen wurde, dafür muss man fast noch dankbar sein.“
„Allein ist die Hoffnung vielleicht nicht vermessen, dass mancher, der diesen Vorbericht liest, sich veranlasst fühlt, nach der monumentalen Ausgabe zu greifen, die heute ungenutzt in den Bibliotheken verstaubt.“ Leider hat sich daran bis heute nichts, aber auch gar nichts geändert. Noch immer hat sich in den Bibliotheken dicker Staub über die Gesamtausgabe gelegt.
„Von niemandem wird erwartet, dass er alle Bände liest. Jedem aber, der unter Benutzung der Register sich die für sein Interessengebiet wichtigen Stellen heraussucht, jedem Wirtschaftspolitiker und jedem Wirtschaftstheoretiker werden sich ungeahnte Schätze enthüllen. Denn List ist aktuell, noch immer oder sogar heute verstärkt aktuell. Außer Tocqueville und Marx hat kein Staatslehrer und kein Ökonom solch aufregende, hellsichtige ‚Blicke in die Zukunft‘, das heißt in unsere Gegenwart getan. Und es sollte niemand über die Entwicklung unterentwickelter Länder schreiben, ohne bei dem großen Ahnherrn der Wachstumstheorie und der Entwicklungspolitik in die Lehre zu gehen. So öffnet dieser Nachdruck dem großen Werk den Weg zu einer gewissen Gunst des Schicksals. Habent sua fata libelli.“ (Salin 1952). Bücher haben ihr eigenes Schicksal. „Es war und ist das Schicksal der Gesamtausgabe und der phänomenale Einsatz seiner Herausgeber, dass diese Leistung auf weitgehend taube Ohren und blinde Augen gefallen ist.“
In einem Nachwort zum Neudruck der Werke Friedrich Lists vom Juli 1972 beklagt Edgar Salin: „es scheint mir angemessen, der Personen zu gedenken, um für die Nachwelt festzuhalten, wie gering dreiviertel Jahrhunderte nach dem Erscheinen des ‚Nationalen Systems‘ die Erinnerung, zumindest unter den deutschen Gelehrten, an ihrem bedeutendsten Vorgänger gewesen ist. Auch jetzt dürfte es wieder so sein, dass ‚Das Nationale System der Politischen Ökonomie‘ und erst recht die kleineren Schriften von List in anderen als den deutschsprachigen Ländern ein wesentlich höheres Ansehen genießen und eine wesentlich größere Bedeutung besitzen.“ (Salin 1972). Diese Sätze wurden fast zeitgleich niedergeschrieben, als ich damit begonnen habe, mich der List-Forschung zu widmen. Und ich kann diese deprimierende Feststellung leider nur unterstreichen und mit demselben Bedauern feststellen, dass sich die deutsche ökonomische Fachwelt über die letzten 50 Jahre hinweg für List so gut wie nicht interessiert hat, während beispielsweise in Japan und in neuerer Zeit auch in China ein deutlich größeres Interesse zu verzeichnen ist.
Als vorrangigen Grund für dieses wissenschaftliche Desinteresse führt Salin an, dass die rationale anglo-amerikanische Theorie nach dem II. Weltkrieg in dem besiegten Deutschland begreiflicherweise mit dem stärksten Nachdruck aufgenommen wurde, während die „anschauliche Theorie von Friedrich List“ in den Hintergrund getreten und schließlich in völlige Vergessenheit geraten Ist. Im Hinblick auf die Entwicklungsländer konstatierte er, dass die sehr viel flachere Entwicklungstheorie von W.W. Rostow der List’schen vorgezogen wurde.
In Gegensatz dazu war mir Lists Aktualität und phänomenale Weitsicht immer ein festes Fundament für meine Forschung, sodass ich heute mit einer gewissen Befriedigung, vielleicht sogar mit ein wenig Stolz sagen kann, dass ich dadurch meinen eigenen Weg gegangen bin und mich vom Mainstream der Wirtschaftswissenschaft abgesetzt habe.
Gerade deshalb, weil ich mich als der Letzte aus der Zunft der Protagonisten der FLG fühle, sehe ich es als meine Aufgabe an, an die Verdienste der FLG zu erinnern und ihre tragenden Säulen, soweit das anhand der verwendeten Quellen möglich ist, zu würdigen. Die meisten davon waren übrigens gegen den Nationalsozialismus eingestellt und mehr oder weniger exponierte Kritiker dieses unheilvollen Systems; es waren mutige Akteure, die durchaus zum deutschen Widerstand gerechnet werden dürfen und schon deshalb einen Platz in der deutschen Wissenschaftsgeschichte verdient haben.
Die Leserinnen und Leser mögen mir nachsehen, wenn ich im Anschluss an diese Würdigung meine eigenen Bemühungen um die List-Forschung zur Abrundung anschließe, um deutlich zu machen, wie ich darauf aufgebaut und im Sinne der Herausgeber der Gesamtausgabe Lists Erbe weitergeführt habe.

2 Edgar Salin – der Initiator und Mitbegründer der FLG

Edgar Salin wurde 1892 in Frankfurt a. M. geboren. Nach einem breit angelegten Studium der Nationalökonomie, Rechtswissenschaft sowie der Kunst- und Literaturgeschichte in Heidelberg promivierte er bei Alfred Weber mit einem soziologischen Thema. Als junger Privatdozent setzte sich der Bürgersohn, der aus seiner jüdischen Abstammung keinen Hehl machte, mit Platon und der griechischen Utopie auseinander. Er verfasste eine Geschichte der Volkswirtschaftslehre und eine Studie über die Civitas Dei des frühen Christentums (Abb. 2).
1927 folgte er einem Ruf an die Universität Basel, wo er im Laufe eines erfüllten 50jährigen Forscherlebens ein umfangreiches und thematisch weitgefächertes Lebenswerk geschaffen hat. Seine Arbeiten reichen von der klassischen Philologie und Philosophie bis zur modernen Wirtschafts- und Gesellschaftslehre, von Platons Staat bis zur Ökonomik der Atomkraft, von literaturhistorischen Beiträgen über die Spätblüte deutscher Lyrik im George-Kreis bis zu Schule machenden Untersuchungen über die Methodologie der Wirtschaftsforschung, von Deutungen des Weltbildes im frühchristlichen Mittelalter bis zur Analyse zeitgenössischer Unternehmungsformen, von der Beschwörung des schicksalhaften Gesprächs an der Zeitenwende zwischen Nietzsche und Burkhardt bis zur Problematik internationaler Verkehrsverflechtung, von der Geldwissenschaft in Tyros und Jerusalem zur Zeit des zweiten Tempels bis zur Prüfung des Wirkungspfades der Europäischen Integration, von Gutachten zu Basler Lokalsorgen bis zur Analyse weltweiter Währungs- und Entwicklungsprobleme. Salin war dreimaliger Dekan der Philosophisch-Historischen Fakultät und 1961 Rektor der Universität Basel. Noch als 75jähriger nahm er an dieser Wirkungsstätte einen Lehrauftrag für Politische Ökonomie wahr. Edgar Salin ist 1974 in Veytaux am Genfer See gestorben.
Als herausragender Schwerpunkt seines wissenschaftlichen Werkes ist sein außerordentliches Engagement und die Fülle seiner Aktivitäten bei der Edition der Gesamtausgabe von Lists Schriften/Reden/Briefen zwischen 1927 und 1935 zu betrachten. Bei der Schilderung seiner Verdienste als treibende Kraft sind die Aufzeichnungen von Hermann Brügelmann äußerst hilfreich. Dieser war ein enger Freund und Mitarbeiter von Salin. In den Jahren 1935/36 verfasste er ein über 600 Schreibmaschinenseiten umfassendes Manuskript über „Die Geschichte der Friedrich List-Gesellschaft“. Davon wurden 5 Exemplare („Stücke“ genannt) angefertigt, die wegen ihres brisanten politischen Inhalts versiegelt und mit einem Sperrvermerk versehen wurden. Dieser bestimmte, dass „der Frage der Veröffentlichung nicht vor Ablauf von 30 Jahren nähergetreten werden soll.“ Das Manuskript wurde von Bernhard Harms, Ernst Moritz Saemisch und Johannes Popitz geprüft und mit ihren Unterschriften beglaubigt.
1956 wurde das „mit größter Vorsicht“ (E. Salin) geschriebene Manuskript in gekürzter Form publiziert (Brügelmann 1956) Der Kürzung fielen alle wertenden und bekennenden Passagen zum Opfer. Durch einen glücklichen Umstand stöberte ich in einem Freiburger Antiquariat eines der Exemplare auf und wertete es für diesen und andere Beiträge aus (Wendler 1996).
Die Ausführungen von Brügelmann kommentiert Edgar Salin mit den Worten: „Hermann Brügelmann hat als Historiker mit solcher Akribie und solchem Takt diese uns zeitlich noch so nahen Vorgänge gezeichnet, dass sachlich nichts hinzuzufügen bleibt, und da Harms, Samisch und Popitz im Jahre 1936 sein Manuskript genauestens überprüft haben, besteht die Gewissheit, dass die Verteilung der Gewichte der Ansicht dieser letzten Träger der Gesellschaft vollkommen entspricht.“
Über seine eigenen Motive zur Gründung der FLG und Edition der Gesamtausgabe schreibt Salin: „Die früheren Versuche, Friedrich List das seiner allein würdige Denkmal einer Gesamtausgabe zu setzen, waren misslungen, teils weil interessenpolitischer Zweckwille erlosch wie er aufgeflackert ist, teils weil die Männer gefehlt haben, denen Einsicht und Tatkraft und Geschicklichkeit in solchem Maße eigen waren, dass sie Schwierigkeiten und Hemmnisse überwanden oder, wenn es nottat, überrannten.“
Eine Gesamtausgabe von Lists Werken war seit der Mitte des 19. Jahrhunderts ein ernstes Anliegen von Vertretern der Wissenschaft und Wirtschaft. Schon der erste List-Biograph Ludwig Häusser hat in seinem dreibändigen Werk den ersten Versuch unternommen, neben der Biographie und der Neuedition des „Nationalen Systems“ schwer zugängliche Schriften von List im dritten Band zusammenzufassen. Auch Eheberg hat sich für eine Gesamtausgabe eingesetzt. Joehlinger und Losch haben zusammen mit Goeser eine Ausgabe bereits bis in alle Einzelheiten vorbereitet. Die ersten Teile waren bereits gedruckt, als die Wirren der Inflation den Verlag zum Abbruch des Unternehmens veranlassten.
„Der Zentralverband der Industriellen“ hatte schon in den 70er-Jahren des 19. Jahrhunderts den gleichen Plan verfolgt und „der Volkswirtschaftliche Verband“ hat sich im Jahr 1909 ebenfalls für dieses Ziel eingesetzt. Alle diese Pläne sind jedoch gescheitert; die ersten, weil Krieg und Inflation die Fortführung und Realisierung dieser Idee unmöglich machten. Auch die Absicht, eine Friedrich List-Gesellschaft zu gründen, wie sie während des I. Weltkrieges von führenden Kreisen der Wirtschaft beabsichtigt war, konnte nicht verwirklicht werden. (Salin 1926)
Die Mahnung der Handelskammer zu Mannheim aus dem Jahre 1921: „dringender noch als die Errichtung eines List-Denkmals ist die Herausgabe der gesammelten Werke des größten deutschen Volkswirtes“ verhallte ebenfalls wirkungslos.

3 Vorgespräche und Gründung der FLG

Die ersten mündlichen und schriftlichen Besprechungen zur Gründung der FLG fanden im Herbst 1924 statt. Die Initiative ging von Edgar Salin aus, der damals noch in Heidelberg tätig war. Unter den Personen, die sich neben ihm von Anfang an bei der Edition der Gesamtausgabe engagiert haben, sind vor allem Salins Schüler Artur Sommer sowie die Professoren Arthur Spiethoff in Bonn und Friedrich Lenz in Gießen zu nennen. Zum späteren Triumvirat, das sich am Stärksten für das Erscheinen der Gesamtausgabe eingesetzt hat, gehörten neben Edgar Salin der damalige Präsident des Rechnungshofes, Staatsminister a. D. Dr. Ernst Moritz Saemisch sowie der Gründer und Leiter des Instituts für Weltwirtschaft in Kiel, Geheimrat Prof. Dr. Bernhard Harms.
„Es dient dem Verständnis der Situation wie der künftigen Entwicklung, wenn hier eingefügt wird, dass Lenz und Salin selbst unter der sog. jungen Generation der staats- und wirtschaftswissenschaftlichen Gelehrten des Nachkriegsjahrzehnts als Einzelgänger galten. Noch sind Werner Sombarts Methoden theoretisch-systematischer Geschichtsdurchleuchtung in der Nationalökonomie nicht durchgesetzt, als Lenz und Salin, von durchaus verschiedenen Anfangspunkten her, schon auch der ökonomischen Theorie neue Inhalte zu geben suchen. Der herrschenden Schule, angesichts der Vielheit der Lehrmeinungen – besser gesagt: den herrschenden wirtschaftstheoretischen Schulen, die das wirtschaftliche Geschehen bis zu seinen letzten Verzweigungen in Gesetzen erfassen und in Formeln ausdrücken zu können glauben, stellen sie begründete Zweifel an der zeitlichen und räumlichen Allgemeingültigkeit vieler Lehrsätze im Wirtschaftsleben gegenüber. Entschiedenere Gegnerschaft ziehen sich beide zu, als sie das Axiom ‚reiner und wertfreier Wissenschaft‘ mit der zu jener Zeit unerhörten Forderung nach politischer Theorie bekämpfen. So ist es nicht merkwürdig, dass Lenz und Salin sich im Zeichen Friedrich Lists treffen, dessen Bild von vielen zünftigen Vertretern des Faches verkannt, missachtet oder für ihre Zwecke übermalt, der Wiederherstellung harrt.“
„Diese Zielsetzungen sind es, die – mehr als das ähnliche Außenseiterschicksal – die beiden in Charakter und Begabungen grundverschiedenen Männer zusammenführen und enger miteinander verbinden als andere Umstände hätten bewirken können. Das Bewusstsein notwendiger Bundesgenossenschaft hält in den ferneren Jahren selbst Erkenntnisse und Erfahrungen aus, an denen eine Freundschaft vielleicht zerbrochen wäre. Denn es gibt immer wieder gemeinsame Enttäuschungen zu verwinden und das oberste gemeinsame Ziel, eine neue deutsche politische Ökonomie zu verwirklichen, gewinnt umso mehr anziehende Kraft als es, von einer in die Irre führenden Konjunktur missbraucht, in immer größere Ferne zu rücken scheint.“ Diese 1936 geschriebenen Sätze sind aus heutiger Sicht zutreffend, hellsichtig und sehr mutig.
Am 5. und 6. September 1925 fand dann im Europäischen Hof in Heidelberg die Gründungsversammlung der FLG statt. Salin hatte die Konferenz organisiert und eröffnet. An der Tagung nahmen außerdem noch Erwin v. Beckerath, Karl Goeser, Georg Mayer, Friedrich Lenz, Artur Sommer und Arthur Spiethoff teil. Als geschäftsführender Vorstand wurden Spiethoff zum Vorsitzenden, Salin zum Schriftführer und Goeser zum Schatzmeister gewählt (Abb. 3).
Über die nun zu überwindenden Hindernisse schreibt Salin am 30.06.1925 an Lenz: „Je mehr ich die Dinge überdenke, umso wichtiger bleibt mir die List-Gesamtausgabe, auch wenn wir sie nach Ihrem Vorschlag langsamer betreiben, denn die ganze Edition bleibt im Wesentlichen doch tot, wenn wir nicht unmittelbar daran arbeiten, ihr eine menschliche, sachliche und politische Wirkung geben!“ „Dieser und in ähnlicher Formulierung oft wiederholte Satz Salins ist es, der den Zauderern und Zuwartenden in den eigenen Reihen, den Untätigen und Unlustigen im weiteren Umkreis eingehämmert wird, weil der Mahner sich das Schicksal der früheren Versuche ständig vor Augen hält. Er weiß, dass ohne tragenden Unterbau, ehrliches Wollen und sachliche Leistung vertane Mühe, bestenfalls eine akademische Angelegenheit sind und bleiben. So scheut er weder den Verruf, ein hemmungsloser Optimist zu sein, noch die Unbeliebtheit, die das Los des Antreibers ist. Das bescheidene Amt des Schriftführers wird für ihn zur Kulisse, aus der heraus er zwei Jahre lang die Arbeit des Vorsitzenden, der selten die schon1925 bezogene Reserve verlässt und die des Schatzmeisters, soweit sie über die Verwaltung der vorhandenen Mittel hinausgeht, verwest und durch häufige Reisen und einen ausgedehnten Briefwechsel zum großen Teil selbst vollzieht. Bis zur Übernahme des Präsidiums durch Harms Ende 1927 laufen die meisten Fäden durch Salins Hand, der viele von ihnen erst selbst zu knüpfen hat.“
„Das gilt in den Kinderjahren der FLG auch für die Werbung und es tut der Anerkennung anderer Leistungen auf diesem Gebiet keinen Abbruch, dass sie selbst durch Salins einordnende und zusammenfassende Kraft fruchtbar geworden oder gar zustande gekommen sind.“
Anfang Januar 1927 hielt Salin als Gast des Staatswissenschaftlichen Seminars der Universität Basel einen öffentlichen Vortrag über List. Aufgrund dieses Vortrages ergeht sein Ruf nach Basel. Vom 1. Oktober 1927 an lebte er in Basel und kämpfte von dort aus, wie er dies in einem Brief an den List-Enkel Friedrich Pacher v. Theinburg vom 11.01.1928 nach Wien schreibt, für die Überzeugung, „dass durch die vielen neuen Schriften, die wir publizieren werden, das Bild Friedrich Lists in wenigen Jahren in Deutschland in seiner vollen Größe erfasst werden wird.“
Dem glücklichen Umstand, dass sich Edgar Salin noch vor der Machtübernahme der Nationalsozialisten in der Schweiz niederlassen konnte, ist es letztlich zu verdanken, dass die Gesamtausgabe nicht wieder ein unvollendeter Torso geblieben ist, sondern 1935 gerade noch rechtzeitig zum Abschluss gebracht werden konnte. Für die Herausgabe der Bände IX und X durfte Edgar Salin schon nicht mehr namentlich in Erscheinung treten, weil er als Jude persona non grata war.

4 Die Ziele und Zusammensetzung des Vorstandes der FLG

In der bei der Vereinsgründung beschlossenen Satzung wurden hinsichtlich des Vereinszwecks zunächst zwei Ziele festgelegt: „1. Die Veranstaltung, Förderung und Auswertung einer kritischen Gesamtausgabe der Schriften, Reden, Briefe Friedrich Lists, einschließlich der Herausgabe des unveröffentlichten Nachlasses und der in Amerika und Frankreich veröffentlichten, in Deutschland unbekannten Schriften und 2. Die Herausgabe einer Studienreihe zur Geschichte der Staatswissenschaften.“ Diese Ziele wurden auch auf der Tagung der FLG am 28. und 29.10.1927 in Berlin nochmals durch den neuen Vorsitzenden, Geheimrat Prof. Dr. Bernhard Harms, bekräftigt: „Zunächst und bis auf weiteres sind wir eine Editions-Gesellschaft. Als solche wollen wir das Gesamtwerk Friedrich Lists zugänglich machen.“ (FLG 1928)
Allerdings wurde nun die Zielsetzung erweitert und der Fokus auch auf die Analyse und wissenschaftliche Auseinandersetzung mit aktuellen Themen der Politischen Ökonomie gerichtet. Dazu bemerkte Harms: „Die zweite Aufgabe führt die FLG von den Studierstuben und Archiven heraus und stellt sie in das lebendige Leben der Gegenwart. In Verbindung mit den Führern in Regierung, Verwaltung, Politik und Wirtschaft will unsere Gesellschaft zur Gewinnung jener Erkenntnisse beitragen, die für die planmäßige Gestaltung und organische Fortentwicklung des wirtschaftlichen und sozialen Lebens Vorbedingung ist.“
In Vertretung von Arthur Spiethoff hatte der Schatzmeister, Direktor Karl Goeser, die Teilnehmer begrüßt. Da Spiethoff, aus welchen Gründen auch immer, als Vorsitzender nicht mehr zur Verfügung stand, wurde in der erforderlichen Neuwahl ein neues Präsidium mit folgendem Vorstand gewählt:
Präsidium
  • Vorsitzender: Geheimrat Prof. Dr. Bernhard Harms, Kiel
  • Schriftführer: Prof. Dr. Edgar Salin, Basel
  • Schatzmeister: Direktor Dr. Karl Goeser, Stuttgart
Weitere Mitglieder des Vorstandes
  • Prof. Dr. Erwin von Beckerath, Köln
  • Geheimrat Prof. Dr. Carl Duisberg, Leverkusen
  • Prof. Dr. Friedrich Lenz, Gießen
  • Reichskanzler a. D. Dr. Hans Luther, Charlottenburg
  • Legationsrat a. D. Dr. Nasse, Berlin
  • Geheimrat Prof. Dr. Hermann Oncken, München
  • Staatsminister a. D. Dr. h. c. Friedrich Ernst Moritz Saemisch, Präsident des Rechnungshofs, Potsdam
  • Geheimrat Prof. Dr. Werner Sombart, Berlin
  • Prof. Dr. Arthur Spiethoff, Bonn
Die Tatsache, dass die soeben genannte Gruppe von Vorstandsmitgliedern zuerst erwähnt wird, lässt eigentlich nur den Schluss zu, dass diese besonders rührig an der FLG mitgearbeitet hat. Dann folgt die zweite Gruppe:
  • Landwirtschaftsrat Dr. Ernst Brandes, Berlin
  • Robert S. Brookings, Institute of Economics, Washington
  • Reichskanzler a. D., Generaldirektor Dr. Wilhelm Cuno, Hamburg
  • Dr. h.c. Carl Heinrich Diederichsen, Kiel
  • Geheimrat Prof. Dr. Christian Laurenz Eckert, Köln
  • Gesandter Dr. Frank, Berlin
  • Gesandter Hans Freytag, Berlin
  • Geheimrat Prof. Dr. Carl Johannes Fuchs, Tübingen
  • Sektionschef der Donau-Dampfschifffahrt AG. Dr. Gaertner, Wien
  • Prof. Dr. Friedrich v. Gottl-Ottilienfeld, Berlin
  • Reichsminister a. D. Eduard Hamm, Berlin
  • Ministerialdirektor und Generalkonsul Heilbron, Zürich
  • Oberbürgermeister Dr. Emil Hepp, Reutlingen
  • Geheimrat Prof. Dr. H. Herkner, Berlin
  • Staatssekretär a. D. Admiral v. Hintze, Berlin
  • Secretary of State Dr. h. c. Herbert Clark Hoover, Washington
  • Eberhard Graf v. Kalckreuth, Berlin
  • Geheimrat Dr. Ludwig Kastl, Berlin
  • Generalkonsul Dr. Paul Kempner, Berlin
  • Ministerialrat a. D. und Reichseisenbahndirektor Dr. Walter Kittel, Berlin
  • Kultusminister Kuno Graf v. Klebelsberg, Budapest
  • Reichsminister a. D. Joseph Koeth, Berlin
  • Generaldirektor Prof. Dr. Hugo Andres Krüss, Berlin
  • Oberbürgermeister Dr. Ludwig Landmannn, Frankfurt a. M.
  • Prof. Dr. Julius Landmann, Kiel
  • Prof. Dr.-Ing. h. c. Conrad Matschoss, Berlin
  • Prof. Dr. William Notz, Washington
  • Staatssekretär Prof. Dr. Johannes Popitz, Berlin
  • Paul Reusch, Unternehmer und Feind des Nationalsozialismus, Oberhausen
  • Oberbürgermeister Dr. Karl Rothe, Leipzig
  • Päpstlicher Hausprälat Prof. D. Dr. Georg Schreiber, Münster
  • Geheimer Ministerialrat Dr. Friedrich Victor Schwoerer, Karlsruhe
  • Prof. Dr. Edwin Robert Anderson Seligman, New York
  • Gemeinrat Prof. Dr. Max Sering, Berlin
  • Geheimrat Prof. Dr. Karl Siegismund, Berlin
  • Prof. Dr. Sieveking, Hamburg
  • Reichsminister a. D. Dr. Walter Simons, Berlin
  • Prof. Dr. Ottmar Spann, Wien
  • Dr. v. Strauss, Berlin
  • Geheimrat Prof. Dr. Walter v. Strieda, Leipzig
  • Generaldirektor Carl Joachim Stimming, Bremen
  • Prof. Dr. Frank William Taussig, Cambridge (Mass.)
  • Textilmaschinenfabrikant Ferdinand Thun, Reading PA.
  • Staatssekretär Dr. Ernst Trendelenburg, Berlin
  • Staatssekretär Erich Zweigert, Berlin
Diese Liste von illustren Persönlichkeiten zeigt, wie es dem Vorstand und dabei vor allem Edgar Salin gelungen ist, renommierte Politiker, Diplomaten, Wirtschaftswissenschaftler, Funktionäre und Unternehmer für die Ziele der FLG zu gewinnen. Zur selben Zeit verzeichnete die Gesellschaft 373 Mitglieder.

5 Edgar Salin – der Editionsleiter und Motor der Gesamtausgabe

Die wissenschaftlichen und politischen Rahmenbedingungen waren äußerst verworren und angespannt. Die sich abzeichnende Weltwirtschaftskrise überschattete die Finanzierung des ganzen Vorhabens. Um ein möglichst getreues Bild von der schwierigen Ausgangslage zu vermitteln, soll wieder Hermann Brügelmann zu Wort kommen: „Vielfältig geblendet vom trügerischen Hohlspiegel ihrer Wunschbilder durchmessen Nationalökonomen und Politiker in ihren Lehren und Handlungen alle Stufen zwischen Schwarz und Weiß, zwischen dem, was sie Optimismus und Pessimismus nennen. Durch einen Wust von schiefen Erkenntnissen und falschen Schlüssen schimmert nur an wenigen verantwortungsvollen Stellen die Fähigkeit zu klarer Einsicht, der Mut zu unbequemer Tat auf weite Sicht und die Bereitschaft zum Opfer am rechten Ort. Fällt es den Vielen schon in geordneten Zeiten schwer, im öffentlichen Tun und Treiben Wesentliches vom Unwesentlichen zu scheiden, so sind ihre Entschlüsse vollends dem Zufall preisgegeben, wenn sie sich anschicken, ganz neue Tatbestände den herkömmlichen Maßstäben anzupassen.“ (Abb. 4)
„Woher kann auch der Industrielle, der Reeder, der Bankier, der Kaufmann insgesamt neue Maßstäbe gewinnen, der, wenn er vital ist, mit der gewollten Einseitigkeit bullenhafter Kraft in seinem Betrieb aufgeht und für außerhalb liegende Dinge ‚keine Zeit‘ hat, der, wenn er Nachkomme ist, zum Verwaltungsmechaniker erstarrt und sich bestenfalls durch ein mit sportlichen Interessen, mit gekaufter Schönheit, mit geliehenem Geist gesättigtes Privatleben, das er vom ‚Beruf‘ streng trennt, über seine gebrochenen Instinkte und über den Mangel an echter Tradition hinwegtäuschen lässt. In solchem Dunstkreis stößt jeder außerhalb des üblichen Beharrens oder Hastens zugemutete Schritt auf die Gleichgültigkeit der Überbeanspruchten, auf die Zweifel der Bedenklichen, auf den Widerstand derer, die sich stets bedroht glauben. So kann es nicht wundernehmen, dass die Führer der FLG einer Zeitmeinung begegnen, die viele teilen und die ein Wirtschaftsführer – dieser Begriff gewinnt in jener Zeit oszillierenden Glanz – mit zynischer Ahnungslosigkeit ausspricht, als er derartige Dinge (gemeint ist die geplante List-Ausgabe) für ‚überflüssig und unzeitgemäß‘ erklärt.“
Auch diese Worte von Heinrich Brügelmann sind ahnungsvoll und lassen erkennen, wie sorgenvoll er den Zeitgeist damals eingeschätzt hat. Ich füge hinzu, dass mir solche Vorbehalte und ablehnende Äußerungen in den vergangenen 5 Jahrzehnten bei meinen Bemühungen um die List-Forschung ebenfalls häufig begegnet sind und mit Ausnahme des Reutlinger Unternehmers Karl-Heinz Danzer kein „Wirtschaftsführer“ bereit war, mich mit Fördermitteln, genauer gesagt, mit Druckkostenzuschüssen zu unterstützen.
Für die List-Edition konnte Edgar Salin folgende Herausgeber gewinnen:
  • Band I: Der Kampf um die politische und ökonomische Reform 1815–1825
    • Teil 1: Staatspolitische Schriften der Frühzeit
      Herausgeber: Karl Goeser und Wilhelm v. Sonntag, Berlin 1932
    • Teil 2: Handelspolitische Schriften der Frühzeit und Dokumente zum Prozess
      Herausgeber: Karl Goeser und Wilhelm v. Sonntag, Berlin 1932
  • Band II: Grundlinien einer politischen Ökonomie und anderer Beiträge der amerikanischen Zeit, 1825–1832
    Herausgeber: William Notz, Berlin 1931
  • Band III: Schriften zum Verkehrswesen
    • Teil 1: Einleitung und Text
      Herausgeber: Erwin v. Beckerath und Otto Stühler, Berlin 1929
    • Teil 2: Textnachlese und Kommentar
      Herausgeber: Alfred von der Leyen, Alfred Genest und Berta Meyer, Berlin 1931
  • Band IV: Das natürliche System der Politischen Ökonomie. Nach der französischen Urschrift erstmals herausgegeben und übersetzt
    Herausgeber: Edgar Salin und Artur Sommer, Berlin 1927
  • Band V: Aufsätze und Abhandlungen aus den Jahren 1831–1844.
    Herausgeber: Edgar Salin, Artur Sommer und Otto Stühler, Berlin 1928
  • Band VI: Das nationale System der Politischen Ökonomie, Ausgabe letzter Hand, vermehrt um einen Anhang
    Herausgeber: Artur Sommer, Berlin 1930
  • Band VII: Die politisch-ökonomische Nationaleinheit der Deutschen. Aufsätze aus dem Zollvereinsblatt und andere Schriften der Spätzeit
    Herausgeber: Friedrich Lenz und Erwin Wiskemann, Berlin 1931
  • Band VIII: Tagebücher und Briefe. Nachlese 1812–1846
    Herausgeber: Edgar Salin, Berlin 1932
  • Band IX: Lists Leben in Tag- und Jahresdaten
    Herausgeber: Artur Sommer und Wilhelm v. Sonntag, Berlin 1935
  • Band X: Verzeichnisse der Gesamtausgabe
    Herausgeber: Wilhelm v. Sonntag, Berlin 1935
Diese Auflistung zeigt, welch überragender Anteil Edgar Salin an der Edition der Gesamtausgabe neben seiner Funktion als Schriftleiter zukommt. Über die Zusammenarbeit mit den anderen Herausgebern berichtet er in einem Nachwort zum Neudruck der Gesamtausgabe vom Juli 1972: Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten wurde die Zusammenarbeit und Kommunikation unter den Herausgebern so erschwert, dass sie fast vollständig zum Erliegen kam. „Die Bände I bis VII waren schon erschienen und es hat sich nur noch darum gehandelt, wie die Bände VIII, IX und X herausgebracht werden konnten, ohne von den Machthabern unterdrückt zu werden. Band VIII, der Briefband, ist im Jahre 1933 noch völlig unbeeinflusst erschienen. Anders der Band IX, der schon gedruckt war, auch die Titelei war bereits fertig mit einer Titelseite, auf welcher der Herausgeber, (gemeint ist Edgar Salin) genannt war als derjenige, der in Gemeinschaft mit Artur Sommer und Wilhelm v. Sonntag den Band fertiggestellt und die Einleitung geschrieben hatte. Aber der Herausgeber hatte Bedenken, ob nicht die Nennung seines Namens im Jahre 1935 nicht nur diesen Band, sondern rückwirkend die ganze Ausgabe gefährden könnte. Er hat sich daher nach Rücksprache mit Harms, Saemisch und Popitz entschlossen, seine Einleitung ‚Zur Nachlese‘ und seinen Namen herausnehmen zulassen, sodass als Herausgeber von Band IX nur noch Sommer und Sonntag als verantwortlich gezeichnet haben. Niemand habe bemerkt, dass infolge dieser Änderung die ganzen Verzeichnisse und vor allem das Namensverzeichnis am Schluss des Bandes gar nicht stimmten; denn im Namensregister sind auch alle Namen enthalten, die in der Vorrede vorkamen. Außerdem finden sich dort in römischen Zahlen auch Namen und Seiten, die in diesem Band gar nicht mehr existierten.“ (Salin 1972).
„Dass die ursprüngliche Titelei überhaupt erhalten wurde, ist Direktor Dr. Eduard Rosenbaum zu verdanken, dem damaligen Leiter der Commerzbibliothek in Hamburg, der diese Seiten nach London mitnahm, wo er eine wichtige Stelle in der Bibliothek des British Museum übernahm und der nach dem Sturz des Nazi-Regimes und dem Neuaufbau der List-Gesellschaft eine Photokopie der Titelei der neuen List Gesellschaft überließ, die sie erstmals dann in ihren ‚Mitteilungen‘ (1962) abgedruckt hat. Diese ganzen, in der ersten Auflage unterdrückten Seiten finden sich nun photokopiert in dieser zweiten Ausgabe (von 1970) und machen hierdurch, wie durch manche Verbesserungen in allen Bänden, den Neudruck zu derjenigen vollständigen Ausgabe, wie sie einstmals dem Herausgeber und seinen Mitarbeitern vorgeschwebt hat.“

6 Bernhard Harms (1876–1939) – Gründer des Instituts für Weltwirtschaft in Kiel und Präsident der FLG

Der Nationalökonom und Gründer des Weltwirtschaftlichen Archivs in Kiel, Bernhard Harms, wurde am 30.03.1876 in Detern/Ostfriesland geboren. Nach der Schulzeit erlernte er in Celle das Buchbinderhandwerk, das er später zum Gegenstand seiner Dissertation machte. Anschließend studierte und lehrte er von 1900 bis 1906 Volkswirtschaftslehre an der Universität Tübingen. Dann unternahm er mehrere ausgedehnte Auslandsreisen, die sich über zwei Jahre erstreckten und sein Interesse für internationale Wirtschaftsbeziehungen weckten (Abb. 5).
Dann erhielt Harms im Jahre 1908 einen Ruf als Ordinarius für Nationalökonomie an der Universität Kiel. Er fand dort das übliche kleine staatswissenschaftliche Seminar mit einer bescheidenen Handbibliothek vor und begann mit der Sammlung und Archivierung weltwirtschaftlicher Literatur im Rahmen dieses Seminars, aus dem sich 1912 eine besondere Abteilung für Seeverkehr und Weltwirtschaft entwickelte. Im selben Jahr legte der junge Professor sein großes Werk über „Volkswirtschaft und Weltwirtschaft“ vor, in dem er die „Weltwirtschaftslehre“ als theoretische Grundlage seiner praktischen Ideen begründete. Das ganze Jahr 1913 verbrachte er auf einer Weltreise, die seine weltwirtschaftliche Erfahrung erweiterte und vertiefte. Diese ersten Jahre größter Aktivität gipfelten 1914 in der feierlichen Eröffnung seines selbstständigen Instituts, das damals noch den Namen „Institut für Seeverkehr und Weltwirtschaft“ trug. (Predöhl 1964a, b)
Das Institut war in dieser Art die erste wissenschaftliche Einrichtung für internationale Wirtschaftsbeziehungen. Zu seiner Blüte gelangte es nicht zuletzt dadurch, dass sich Harms darum bemühte, begabte junge Forscher nach Kiel zu holen. „In dreifacher Hinsicht hat Harms als Pionier gewirkt: als Initiator weltwirtschaftlicher Forschung, als Institutsgründer und als Schöpfer einer privaten Förderergesellschaft. In allen drei Richtungen hat er sich mit Tatkraft und Zähigkeit gegen erhebliche Widerstände durchgesetzt.“
Dieser nachhaltige Erfolg missfiel den Nationalsozialisten. Bereits am 25. April 1933 teilte ihm das Kultusministerium mit, dass es sich eine Verfügung über ihn vorbehalte. Es war den Machthabern ein Dorn im Auge, dass der als „republikfreundlich“ geltende Harms in der Vergangenheit wichtige Lehrstühle besetzen konnte. Was ihn aber davon abhielt, in die Politik zu gehen, war seine hohe Wertschätzung von Freiheit, Unabhängigkeit und Selbstständigkeit als Hochschullehrer, die er nicht aufgeben wollte, um nicht in die Abhängigkeit von Gruppeninteressen zu geraten.
Er blieb zwar zunächst noch im Amt. In den folgenden Wochen gab es jedoch gewalttätige Übergriffe auf Mitarbeiter des Instituts durch SA-Männer. Deshalb sah sich Harms gezwungen, seinen Lehrstuhl freiwillig zu räumen; er unternahm wieder eine Forschungsreise, wurde aber nach seiner Rückkehr Ende 1934 genötigt, seinen Wohnsitz nach Berlin zu verlegen, wo er 1939 gestorben ist.
Ernst Schuster, einer seiner Schüler, berichtet über die anregenden Vorlesungen und Übungen von Harms. „In diesen wurde systematisch ein klassisches Werk der Nationalökonomie, z. B. von Ricardo, Menger, Marx, List usw. durchgearbeitet. Das gab ihm innerhalb der Historischen Schule, zu der er gehörte, auch wenn er von sich sagte, dass er darüber hinausgekommen sei, eine besondere Note. Auf die Historische Schule ist nach Schuster, die Hinwendung von Harms zur Weltwirtschaftslehre zurückzuführen und dabei dürften Lists Ausführungen zur kosmopolitischen Ökonomie von Adam Smith sowie dessen eigene Lehrmeinungen eine nicht unerhebliche Rolle gespielt haben.“ (Schuster 1964)
Über seine Zusammenarbeit mit Harms berichtet Salin: „Es liegt nicht so, dass der Herausgeber jemals ganz allein gestanden hätte. Unter den Gelehrten seines Alters fand er von Anfang an für seine Gedanken und für sein Unternehmen lebhafte Unterstützung bei seinen Freunden Karl Goeser, Friedrich Lenz und Erwin v. Beckerath. Lenz hat sich mit dem ihm eigenen Temperament für den ihm verwandten List verantwortlich gefühlt. Erwin von Beckerath hat vermutlich stärker die wissenschaftliche Aufgabe und die persönliche Verbindung zur Mitarbeit gereizt. Bernhard Harms war damals der Einzige, der durch seine weltwirtschaftlichen Studien bereits auf die übernationale Bedeutung von List aufmerksam geworden war und der bei einer seiner Amerika-Reisen bereits erkannt hatte, dass List in den Vereinigten Staaten nach seiner Verbannung aus der Heimat eine politische Rolle gespielt hat, die ihm bis ans Ende seines Lebens in der Heimat versagt geblieben ist. Harms war infolgedessen sofort bereit, ohne wissenschaftliche Mitarbeit seinen Namen und seine Verbindungen zur Verfügung zu stellen. Aber er hat von Anfang an erklärt, dass die Finanzen nicht durch ihn aufgebracht werden könnten, da seine Bemühungen um die Finanzierung seines Instituts und der von ihm und dem Institut betreuten Zeitschrift hierunter leiden könnten.“ (Salin 1972). Dennoch hat er hat Salin bei dem damaligen Leiter der „Notgemeinschaft für die deutsche Wissenschaft“ eingeführt und damit der FLG die wichtigste Finanzierungsquelle erschlossen.
In seinem Vorwort zu Band I/1 der Gesamtausgabe vom Mai 1932 würdigt Bernhard Harms die Verdienste von Edgar Salin mit folgenden Worten: „Den Gepflogenheiten der FLG widerspricht es, der Verdienste ihrer Mitglieder an der Erreichung aufgestellter Ziele im Einzelnen zu gedenken. Der Unterzeichnete folgt aber dem Wunsche aller Mitarbeiter an der Gesamtausgabe und auch denjenigen des Vorstandes der FLG, wenn er zum Ausdruck bringt, dass das Hauptverdienst um die erfolgreiche und schnelle Vollendung des Werkes Edgar Salin gebührt. Dem Wesen dieses Mannes gemäß, ist davon an keiner Stelle der zehn Bände Zeugnis abgelegt; dennoch war Salin äußerlich in Reih und Glied, überall der unermüdliche Führer, Berater, Mitarbeiter und Drängler, der in all den Jahren ein fast übergroßes Maß von Arbeit auf sich genommen hat und dem es letztlich zu verdanken ist, dass der große, anfangs so skeptisch beurteilte Wurf gelungen ist.“ (Harms 1932)

7 Karl Goeser (1890–1933) – Stadtrat der DDP in Stuttgart, Direktor der Württembergischen Milchverwertung und Schatzmeister der FLG

Bevor ich mit meinen Recherchen über die Herausgeber der Gesamtausgabe begonnen habe, waren mir über den rührigen und verdienstvollen Schatzmeister der FLG so gut wie keine biographischen Einzelheiten bekannt. Aus einer kurzen Nachricht in den Mitteilungen der FLG vom 10.07.1933 konnte ich nur entnehmen, dass Goeser am „6. Mai 1933 plötzlich aus dem Leben geschieden ist.“ (o.V. 1933). Der Grund für seinen Selbstmord wurde nicht genannt.
Karl Goeser hat in Heidelberg Philosophie und Geschichte studiert und wurde dort mit einer Dissertation über das Thema „Der junge Friedrich List – Ein schwäbischer Politiker“ promoviert. In dem knappen Nachruf der FLG heißt es lediglich, dass diese Doktorarbeit „für alle späteren Studien, welche die Jugendzeit Friedrich Lists zu beleuchten suchen“, die Grundlage bildet und bilden werde. Als Herausgeber von Band I der List-Ausgabe habe sich Goeser bleibende Verdienste erworben und als Vorstandsmitglied der Geschäftsführung, die Gesellschaft durch sachlich und geldlich schwierige Zeiten hindurchgesteuert. Sein Andenken bleibe mit der Geschichte der Gesellschaft untrennbar verknüpft.
In einem kurzen Vorwort zu seiner Dissertation führt Goeser aus, dass er keine Biographie verfassen wollte, sondern ihm die Aufgabe vorschwebte, von List „das Bild des modernen Realisten und eines Zukunftspropheten unserer politisch-wirtschaftlichen Entwicklung zu zeichnen und eine solche Erscheinung in den Zusammenhang der Geistesentwicklung seiner Zeit hineinzustellen; dann aber auch das Werden des Politikers zu verfolgen, der aus der Enge einer eigenartigen politischen Gemeinschaft herauswächst und doch Träger ihrer besonderen Tradition bleibt.“ (Goeser 1914). Dabei verweist er in Dankbarkeit auf seine akademischen Lehrer an der Universität Heidelberg Geheimrat Eberhard Gothein und Prof. Dr. Hermann Onken.
Gothein (1863–1923) hat als Nationalökonom im Jahre 1905 einen Lehrstuhl an der Universität Heidelberg übernommen, nachdem er zuvor in Bonn tätig war. Er wird als brillanter Lehrer und unermüdlicher Forscher gelobt, der bis zu seinem Tod in Wort und Schrift eine außergewöhnliche Wirkung erzielt habe. Seine ausgedehnte humanistische Bildung und seine gewandte Rede hätten seinem Wirken Glanz gegeben. Schon in Bonn hatte er sich für die Gründung einer Handelshochschule in Köln und in Heidelberg für die Gründung der Wirtschaftshochschule Mannheim eingesetzt. 1919 trat er in die Badische Verfassunggebende Versammlung ein. Sein Liberalismus war getragen von der aus dem Goethe’schen Zeitalter stammenden Bildungswelt, in der er noch aufgewachsen war.
Onken (1869–1945), Historiker und politischer Publizist, erhielt 1907 einen Ruf and die Universität Heidelberg. Außerdem vertrat er die Universität in der „Ersten Badischen Kammer“. Nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten geriet er in den Gegensatz zu den politischen Machthabern. Obwohl er eine direkte Kritik am System vermied, wurde er Ende 1934 zum Opfer einer von einem Schüler und ehemaligen Doktoranden initiierten Hetzkampagne, die mit einer Schmähkritik im „Völkischen Beobachter“ ihren Höhepunkt erreichte und zu Onkens Entlassung führte.
Aus der Tatsache, dass sich Goeser ausdrücklich auf diese beiden integren Gelehrten berief, kann man bis zu einem gewissen Grad auch auf seine politische Einstellung und ethische Haltung schließen, die sich auch in der Auseinandersetzung mit Lists Ideen und deren Würdigung und Kommentierung niedergeschlagen hat. Umso schockierender und bedrückender sind die Informationen, die ich vom Stadtarchiv der Stadt Stuttgart über den Suizid von Dr. Goeser erhalten habe und erklären, weshalb sich der Vorstand der FLG äußerste Zurückhaltung auferlegte oder besser gesagt auflegen musste.
Unter der Überschrift „Ein demokratischer Stadtrat wird zum Selbstmord getrieben: Der Fall Dr. Karl Goeser“ berichtet W. Nachtmann über dessen Schicksal: „Betrug, Unterschlagung, Untreue; solche Begriffe beherrschten in den ersten Monaten des Dritten Reiches die Zeitungen. Ziel der Beschuldigungen waren die gewählten Volksvertreter der Weimarer Republik; sie sollten in der Bevölkerung verächtlich gemacht werden. Diese Propagandakampagne der Nationalsozialisten hatte bereits vor ihrer Machtübernahme eingesetzt. Nun setze man alles daran, die ehemaligen Vorwürfe zu bestätigen, auch wenn sie nicht stimmten.“
„Nachdem bereits 1932 der NS-Kurier und der nationalsozialistische Gemeinderat Paul Sauer mehrmals den Vertreter der Deutschen Demokratischen Partei (DDP) im Gemeinderat von Stuttgart, Dr. Karl Goeser, Direktor der Württembergischen Milchverwertungs-AG, wegen Veruntreuung angegriffen hatten, gingen sie im April 1933 in die Offensive. Das noch von Murr geleitete Wirtschaftsministerium ordnete eine Prüfung der Geschäftsführung an.“ Wilhelm Murr (1888–1945) war ein nationalsozialistischer Politiker und SS-Obergruppenführer. Von Februar 1928 bis zu seinem Tod war er Gauleiter der NSDAP in Württemberg-Hohenzollern, von März bis Mai 1933 außerdem Staatspräsident und dann bis 1945 Reichsstadthalter in Württemberg. „Dabei sollen angeblich strafrechtliche Tatbestände aufgedeckt worden sein, worauf das Amtsgericht Stuttgart Haftbefehl gegen Goeser erließ. Nun begann die NS-Presse mit einer Hetzkampagne, in der sie die angeblichen Verfehlungen Goesers auflistete. Ihm wurde vorgeworfen, Gelder der Milchverwertung für eigene Zwecke verwendet und damit eine Geliebte und die Gemeinderatsfraktion der DDP bewirtet zu haben. Der NS-Kurier zeigte das Ziel dieses Diffamierungsfeldzuges, wenn er am 6. Mai schreibt:
‚So manche Novembergröße ist jetzt zu einem kümmerlichen Jammerhaufen zusammengesunken. Man ist heute schon darüber erstaunt, wenn in irgend einem Betrieb, in dem Novemberlinge herrschten, alles in Ordnung ist.‘ Weiter unten heißt es dann: ‚Wir wollen uns hier nicht mit dem besiegten politischen Gegner, mit der Wendigkeit des Herrn Dr. Goeser zu sehr befassen. Wir prangern nur den Repräsentanten eines Systems an, das Deutschland in Not und Elend gebracht hat.‘ – Offener kann man seine Absichten nicht darlegen. Karl Goeser war für die Nationalsozialisten nur noch der Vertreter des ‚verfaulten‘ demokratischen Systems.“ (Nachtmann 1983). Als „Novemberlinge“ bezeichnete das NS-Regime abschätzig die Anführer der Novemberrevolution von 1918/19, um diesen die nationale Revolution der NSDAP entgegenzusetzen.
Aus einer kurzen Notiz im NS-Kurier geht hervor: „Dr. Göser flüchtig. Die vom Leiter des Wirtschaftsministeriums angeordnete Prüfung der Geschäftsführung der Württembergischen Milchverwertungs-AG. und der Milchversorgung Stuttgart GmbH. ergab, dass der Direktor Dr. Göser sich strafrechtliche Verfehlungen zuschulden kommen ließ. Gegen Dr. Göser ist noch vom Amtsgericht Stuttgart I Haftbefehl erlassen. Dr. Göser ist zurzeit nicht auffindbar.“
Karl Goeser floh Anfang Mai 1933 zu einem Bekannten nach Luxemburg, wo er am 6. Mai Selbstmord beging. Unmittelbar danach ist im NS-Kurier folgender Schmähartikel erschienen: „Dr. Göser aus dem Leben geschieden – Neue Veruntreuungen aufgedeckt – Wo bleiben die Aufsichtsbehörden? Wie uns von unterrichteter Seite mitgeteilt wurde, ist der frühere Leiter des Stuttgarter Milchhofes, Dr. Göser, freiwillig aus dem Leben geschieden. – Für den Schaden, der dem Milchhof entstanden ist, hat der Vertreter der Familie Göser Ersatzleistung angeboten. Mit dieser Handlung hat sich Dr. Göser wohl der irdischen Gerechtigkeit entzogen. Von den schweren Vorwürfen, die gegen ihn erhoben wurden, hat er sich aber nicht befreit. Er hat vielmehr damit seine Schuld eingestanden. Die gerichtliche Untersuchung ist – im Gegensatz zu einer anderslautenden Zweckmeldung – keineswegs eingestellt worden.“
„Über den Sachverhalt erfahren wir noch folgendes: Dr. Göser hat sich in den letzten Tagen auf das Landgut eines Bekannten nach Luxemburg begeben und dort am Samstag Selbstmord verübt. Die Anschuldigungen gegen Dr. Göser nehmen einen immer größeren Umfang an. U. a. wurde festgestellt, dass der Verstorbene zwei Freiabonnements der Straßenbahn erhielt; als Stadtrat hat er nur einen Anspruch auf eines. Diese beiden Abonnements hat Dr. Göser verkauft und sich vom Milchhof noch ein besonderes bezahlen lassen. Dass Dr. Göser Benzin und Öl aus den Beständen des Milchhofs entnahm, haben wir bereits mitgeteilt. Besonders stark war der ‚Spesenverbrauch‘ des Herrn Direktor(s). So hat er im letzten Jahr etwa 24.000 RM verrechnet und das alles neben einem Gehalt von jährlich 30.000 RM.“
„Dr. Göser war nebenbei Kassier der FLG. Dieses ‚Ehrenamt‘ brachte ihm jährlich 4000 RM ein. Die Arbeit ließ er durch seine Angestellten besorgen. Das Geld behielt er aber für sich. Um dieses ‚bittere‘ Dasein besser ertragen zu können, bestellte Dr. Göser bei der Stuttgarter Schokoladenfabrik eine Kiste feinster Speiseschokolade. Diese wurde unter der Bezeichnung ‚Kakao‘ geliefert. Dr. Göser behielt erst einmal 80 Tafeln für sich. Der Rest soll als ‚Wahlbeihilfe‘ für eine Bürgermeisterwahl in der Nähe Stuttgarts verwendet worden sein. Die teuren Zigarren auf Kosten des Milchhofs haben wir auch schon einmal erwähnt. Diese wurden aber nicht den Milchlieferanten angeboten, sondern den lieben Freunden im Wochenendhaus auf dem Kniebis. Überhaupt der Kniebis. Man war da ein wenig unter sich; besonders, wenn die demokratische Stadtratfraktion am Wochenende zu Besuch kam. Dort wurden vermutlich auch die Sektflachen geleert, die der Milchhof für die landwirtschaftliche Ausstellung kaufte. Dr. Göser war damals der Ansicht, dass die Bauern den Sekt (es war französischer!) nicht ertragen konnten und behielt die Flaschen für sich und seine Freunde. Derartige menschenfreundliche Beweggründe leiteten ihn wohl auch, als er für die eine ‚bekannte Dame‘ im Gebäude des Milchhofs eine feudale Zweizimmerwohnung einrichten ließ: Mietpreis 10 RM monatlich. Die Arbeiter des Milchhofes konnten im einfachen Mannschaftsraum dafür um 7,50 RM kampieren.“
„Ein guter Freund, man spricht von einem Chemiker, der bei der Stadtgemeinde angestellt ist, hatte Geburtstag. Dr. Göser wollte nicht zurückstehen und verehrte dem Geburtstagskind 3000 RM, selbstverständlich auf Kosten des Milchhofs. Bargeld war immer schon begehrenswert. Dr. Göser wusste da immer Rat. Er verkaufte deshalb einen dem Milchhof gehörenden Goldpfandbrief im Wert von 19.000 RM. Nach langen Monaten und nach mehrmaligem Mahnen bezahlte der Herr Direktor die Summe dann zurück. Sollen wir noch von dem Gästebuch, das im Kniebiser Wochenendhaus auflag, erzählen? Eine in der Eile ausgerissene Seite sollte verschwinden. Man hatte aber das Blatt doch noch gefunden. Peinlich für manche Herren!“
„Wir wollen unsere Leser nicht mit Kommentaren aufhalten, die freilich sehr am Platze wären. Wir wollen für heute nur die Frage stellen: Wo blieben bei allen diesen Dingen die Aufsichtsbehörden? Konnten diese Riesenunterschlagungen und Veruntreuungen unbemerkt geschehen? Wiederholt hat der NS-Kurier auf Dr. Göser aufmerksam gemacht; öfters hat der Stadtrat Pg. (Parteigenosse) Sauer in dieser Angelegenheit nachgeforscht und doch wurde der Schleier über diesen Sumpf nicht gelüftet. Die Öffentlichkeit hat heute ein Anrecht darauf zu erfahren, wer diese Mitschuldigen sind.“ (Die kursiv gesetzten Wörter sind im Originaltext gesperrt gedruckt).
Noch heute macht ein solch vernichtendes Pamphlet betroffen und mitfühlend, wenn man sich vorstellt, welche seelischen Qualen Karl Goeser damals erleiden musste, sodass er angesichts dieser menschenverachtenden Hetze zum Selbstmord getrieben wurde. Der Mitbegründer der FLG, Friedrich Lenz, hat seine Schrift über „Friedrich List und die deutsche Einheit“ von 1946 „Dem Mitbegründer und Schatzmeister der FLG Dr. Karl Goeser, Stadtrat in Stuttgart, gestorben 1933“ gewidmet. Dies war wohl die einzige letzte Ehre, die ihm seine Mitstreiter im Vorstand der FLG erweisen konnten.

8 Die Finanzierung der Gesamtausgabe

Hermann Brügelmann lässt keinen Zweifel daran, „wäre der Etat des Aufwandes an Mühen, Zeit und Kosten 1925 annähernd zu übersehen gewesen, – niemand hätte mit der kritischen Gesamtausgabe der Schriften/Reden/Briefe Friedrich Lists zu beginnen gewagt.“ Was die Mühen angeht, so hat Edgar Salin bei weitem die Hauptlast getragen. Er war nicht nur die organisatorische Schaltzentrale des ganzen Projekts, knüpfte die wichtigen Kontakte zur Politik, Wissenschaft und Wirtschaft, sorgte für die Finanzierung und hielt die Fäden zu den Nachkommen von Friedrich List, insbesondere zum Enkel Friedrich Pacher v. Theinburg in der Hand, um die handschriftliche Korrespondenz und Tagebücher zur Einsicht und wissenschaftlichen Auswertung zur erhalten, sondern leistete auch bei der oft sehr schwer lesbaren Transkription der Handschriften eine unermessliche Kernerarbeit.
In einem Beitrag zu den „Mitteilungen der FLG“ von 1956 weist Brügelmann auf die finanzielle Unterstützung durch das Auswärtige Amt hin, das durch die Unterstützung des damaligen Reichsaußenministers Dr. Gustav Stresemann, insgesamt 35.000 RM zur Finanzierung der Gesamtausgabe beigesteuert hat. „Dr. Stresemann ließ sich zum ersten Mal am 18.10.1926 von Salin, der die mündlichen und schriftlichen Verhandlungen mit ihm zunächst allein, später abwechselnd mit Saemisch führte, persönlich und eingehend über den Plan der Ausgabe und der veranschlagten Kosten unterrichten“ (Brügelmann 1956). Von da an, bis zu seinem Tode war Stresemann ein verlässlicher Förderer der FLG (Abb. 6).
Wie Salin zu diesem Forschungsprojekt stand, wird in einem Schreiben vom 01.07.1927 an den württembergischen Staatspräsidenten und Kultusminister Wilhelm Bazille deutlich. „Diese Aufgabe ist 75 Jahre lang als Ehrenschuld des deutschen Volkes bezeichnet worden – eingelöst hat sie bis heute noch niemand, und die Dinge sind soweit gediehen, dass in der französischen Akademie öffentlich gesagt werden konnte: in Deutschland spreche man davon, dass Lists Werk ein Torso geblieben sei; nun von diesem Torso ruhe ein wesentliches Stück unveröffentlicht in den Pariser Archiven und bisher habe sich noch niemand darum gekümmert.“ Diesen Mangel, so meinte Salin, gelte es zu beseitigen und List ein wirklich würdiges Denkmal zu setzen.
Eine analoge Erfahrung machte ich, als ich im Jahre 1983 im Archiv des Institut de France Lists zweite Pariser Preisschrift entdeckte, wobei es im Gegensatz zum Manuskript der ersten Preisschrift, von Seiten der Akademie zuvor keinen Hinweis auf deren Existenz gegeben hat.
Die Kosten für die Edition der Gesamtausgabe beliefen sich auf 195.000 Reichsmark. Diese für die damaligen Verhältnisse gewaltige Summe hat etwa zur Hälfte Edgar Salin über die Werbung von Mitgliedern und Spenden für die FLG aufgebracht. Seinem Wirken in der Schweiz war es zu verdanken, dass die Eidgenossenschaft bei der Zahl der ausländischen Mitglieder an der Spitze stand. Immerhin 7 % aller Mitglieder waren Schweizer, die sich fast ausnahmslos aus der deutschsprachigen Schweiz rekrutierten. Das Mitgliederverzeichnis von 1931, zur Zeit der Hochblüte der FLG, weist unter den 1100 Mitgliedern 80 Schweizer, 60 Österreicher, 14 US-Amerikaner und 10 andere Ausländer, meist Ungarn aus. Einzelne, darunter der schweizerische Bauernführer Prof. Laur-Brugg, bekundeten darüber hinaus, in Gesprächen und im Briefwechsel mit Salin Aufgeschlossenheit und Interesse für die wirtschaftspolitischen Zielsetzungen der FLG.
Die andere Hälfte der Gesamtkosten steuerte die „Notgemeinschaft für die deutsche Wissenschaft“ bei, die von 1920 bis zur Machtübernahme der Nationalsozialisten von dem Wirklichen Geheimen Oberregierungsrat Friedrich Schmidt-Ott geleitet wurde. Dann durfte der Präsident noch ein Jahr lang das Amt kommissarisch weiterführen, ehe er es endgültig aufgeben musste (Abb. 7).
Über seine Begegnungen mit Schmidt-Ott berichtet Salin: „Wer damals die Leitung der Notgemeinschaft in ihrem großartigen Sitz, dem königlichen Schloss gegenüber der Oper in Berlin aufsuchen durfte oder musste, wird nie den außerordentlichen Eindruck vergessen, den er in diesen Räumen von der Stärke der deutschen und insbesondere der wissenschaftlichen Tradition empfing. Schmidt-Ott, der Präsident, entsprach in keiner Weise dem bürokratischen Geheimratstyp, dem man in allen Ministerien begegnete, sondern er war ein kultivierter Mensch mit scharfen Augen und einer vollendeten Sprache, wie man ihn eher in der Umgebung Goethes als in Berlin erwartet hätte. Ich wüsste noch heute nicht zu sagen, ob ihm von Anfang an die Aufgabe als solche förderungswert erschien oder ob ein unmittelbar inneres Verhältnis zwischen ihm und dem Bittsteller ihn geneigt machte, nicht nur eine erste, sondern eine dauernde Unterstützung zuzusagen, ohne die dieses Werk nie hätte vollendet werden können. Die Zusage von RM 100.000 für den Beginn und die Zusage der Besoldung eines hochqualifizierten Dozenten (in der Person von Hermann Brügelmann) als Mitarbeiter war und blieb die finanzielle Basis, durch die sich zehn Jahre lang die Gewinnung weiterer Mittel und vor allem die Anstellung hervorragender wissenschaftlicher Kräfte bewerkstelligen ließ.“ (Salin 1972).
„Artur Sommer, der wichtigste Mitarbeiter und Herausgeber, der in Paris die Handschrift des ‚Natürlichen Systems‘ entdeckte und sie mit einem vortrefflichen Kommentar edierte, hat die Aufmerksamkeit einer breiten internationalen Öffentlichkeit auf die Ausgabe gelenkt, und es ist William Notz in Amerika und Artur Sommer in Europa gewiss am meisten zu danken, wenn von Anfang an die internationale Bedeutung des nun begonnenen Werkes erkannt wurde. In Deutschland war der Widerhall geringer als im Ausland, da die deutsche Wissenschaft in diesen Jahren vornehmlich mit der Einbeziehung der anglo-amerikanischen Wissenschaft der Jahrhundertwende beschäftigt war und sich weniger für den wissenschaftlichen (An)führer in der vor-nationalen Zeit interessierte. Aber mit besonderer Dankbarkeit erinnere ich mich der sorgsamen Rezension von Luigi Einaudi, der die List-Ausgabe in Deutschland der durch Sraffa betreuten Ricardo-Ausgabe in England zur Seite stellte und der durch seine Rezension eine nahe freundschaftliche Beziehung zum Herausgeber knüpfte, die über alle Fährnisse der Zeit hinweg bis an sein Lebensende erhalten blieb.“
Neben Schmidt-Ott ist vor allem die Mithilfe von Saemisch, dem Präsidenten des Rechnungshofs und von Popitz, dem Staatssekretär und späteren preußischen Finanzminister, zu gedenken, ebenso wie vieler anderer, die als Mitglieder des engeren und des erweiterten Vorstandes der FLG ihre Hilfe bei der Beschaffung der notwendigen Mittel und vor allem auch bei der Durchführung der parallellaufenden Konferenzen zur Verfügung gestellt haben. In den Jahren bis 1931 war es eine Freude, mit welchem Eifer die Zusammenarbeit von Wissenschaftlern, Behördenmitgliedern und Praktikern sich vollzogen hat und es war besonders wohltuend, wenn sich hierdurch nahe, auch menschliche Verbindungen zu den politischen Führern in Rest-Deutschland, vor allem zu Gustav Stresemann und später zu Hans Luther ergaben.
Es will etwas heißen, wenn Edgar Salin in der Hochzeit der Weltwirtschaftskrise von der „Blütezeit der FLG“ spricht, wo man eigentlich den Niedergang, um nicht zu sagen, den Zusammenbruch der FLG erwartet hätte und dann ausführt, dass die Situation für die FLG von 1931 an immer schwieriger wurde, „weil manche bisherigen Förderer in ihrer politischen Haltung unsicher“ geworden sind. Nach 1933 kam der menschliche Kontakt fast völlig zum Erliegen, da auch bedeutende Mitglieder des Vorstandes, zumindest in gutem Glauben und im irrigen Verständnis dessen, was von den regierenden Verbrechern geplant und durchgeführt wurde, sich der pseudo-nationalen Bewegung angeschlossen haben.“
In seinem Vorwort zur Gesamtausgabe dankte Bernhard Harms den „Hunderten von ungenannten korporativen und persönlichen Mitgliedern der FLG, die sich immer wieder bereitfanden, die Kosten mitzutragen, damit die Verwirklichung der nach strengsten Editionsgrundsätzen folgenden Gesamtausgabe nicht an materiellen Erfordernissen gescheitert ist. (Salin 1972)
Über die menschlichen Probleme bei der Zusammenarbeit der Herausgeber schreibt Brügelmann: „Eines der schwierigsten Probleme der Edition lag im Zeitmoment: Sollte das Werk diesmal wirklich vollendet werden, so musste die Zeit seiner Fertigstellung übersehbar befristet sein. Der aus Erfahrung und Einsicht gegebene Zwang zur Eile schloss es aus, dass eine oder wenige Persönlichkeiten das Werk auf ihre Schultern nahmen. Eine, wenn auch beschränkte Vielzahl von Herausgebern konnte gleichzeitig an mehreren Ecken des Hauses bauen, lief allerdings zugleich Gefahr, ungleichartig zu arbeiten, zu schweigen von den Realitäten des Ehrgeizes, des Eigenwillens, und der Empfindlichkeit, die bei der Zusammenarbeit von Gelehrten mit steigender Zahl leicht potenziert statt nivelliert werden. Auch die örtliche Trennung, die zeitlichen Spannen der Arbeitsaufnahme, die ungleiche Richtung und Schulung der Herausgeber und Bearbeiter verlangten von vornherein Maßnahmen, um dem Werk ein Mindestmaß von Einheitlichkeit zu sichern.“
„Gemessen an der Fülle der in zehn Jahren entstandenen großen und kleinen Zweifel und Fragen, gemessen vor allem an der Vielheit eigenwüchsiger Persönlichkeiten, die an ihrer Lösung beteiligt waren, ist das Urteil erlaubt, dass es in erstaunlichem Maße gelang, Reibungen, Bedenklichkeiten und Widerstände ohne Schaden für die Sache und ohne bleibende Verstimmungen zwischen den Menschen zu überwinden.“ (Brügelmann 1956).

9 William Notz (1879–1935) – der Nestor der List-Forschung in den USA

Über den Nachkommen schwäbischer Auswanderer ist wenig bekannt. Er wurde am 10.08.1879 in Watertown im Bundesstaat Wisconsin geboren und ist am 04.06.1935 in Chevy Chase in Maryland gestorben. Sein Werdegang, insbesondere seine akademische Ausbildung bis zur Professur an der Georgetown University in Washington liegt im Dunkeln. Ich kann meine Ausführungen nur auf die Dankesworte von Bernhard Harms stützen, die er anlässlich der Teilnahme von William Notz an der Tagung der FLG vom 28. und 29. Mai 1926 in Berlin gesprochen hat. Dort hat der Gast zum Thema „Friedrich List in Amerika“ einen Vortrag gehalten, der mit lebhaftem Beifall aufgenommen wurde.
In seiner Dankesrede skizzierte Harms auch den Lebenslauf von Prof. Dr. William Notz, dessen Vortrag eine starke Wirkung verzeichnet habe, der von dem Redner in meisterhaftem Deutsch verfasst und gesprochen, allgemein verständlich und eindrucksvoll gewesen sei. „Das von Herrn Notz neu aufgefundene und in einer klaren Darstellung verarbeitete Material zeigt die amerikanische Tätigkeit Friedrich Lists in ihrem vollen Umfang und ließ zum ersten Mal erkennen, welch große politische Bedeutung der aus der Heimat vertriebene in kurzer Zeit in den Vereinigten Staaten gewonnen hat. Einzelne Ausführungen Lists über handelspolitische Fragen wirken wie ein Programm und eine Lösung für die Schwierigkeiten unserer eigenen Gegenwart. Professor Notz ist uns Deutschen kein Fremder. Wir kennen ihn in seiner Eigenschaft als führendes Mitglied der Federal Trade Commission, deren tiefschürfenden Arbeiten der deutschen Wissenschaft viele Anregungen gegeben haben und deren mustergültiges Enquètewesen gerade heute von Bedeutung ist. Nicht minder kennt man Dr. Notz als Gelehrten und Professor der Georgetown University, dessen zahlreiche wissenschaftliche Schriften methodisch vorbildlich sind und sachlich wertvolle Erkenntnisse vermitteln. Endlich ist der verehrte Gast als Dekan der School of Foreign Service bekannt, einer besonderen Fakultät der Georgetown University, deren Aufgabe es ist, die Beamten des amerikanischen Außendienstes, insbesondere die Konsulatsanwärter, auszubilden.“
„Nicht zuletzt ist uns Herr Professor Notz nahe gerückt und vertraut geworden als Friedrich List-Forscher. Seit Jahren ist er bemüht, den Aufenthalt Lists in den Vereinigten Staaten, über den in der Literatur außerordentlich wenig bekannt ist, aufzuhellen. Er hat sich auch bereit erklärt, zu unserer großen Friedrich List-Ausgabe den zweiten Band beizusteuern, der das Leben und Wirken Friedrich Lists in Amerika schildern soll.“
„Meine Herren! Es ist eine alte Frage, was bestimmt den Gelehrten in der Wahl des Gegenstandes seiner Forschung? Gewiss nicht rein verstandesmäßige Motive oder zufällige Ursachen! Viele Imponderabilien sind da wirksam, nicht zuletzt die Abstammung, Milieu und ein Inneres, das man nicht definieren kann, das aber die Mitmenschen herausfühlen. Was hat Sie, sehr geehrter Herr Professor Notz, zu Friedrich List geführt? Die Tatsache, dass die Wiege Ihrer Vorfahren in Schwaben stand? Unter amerikanischem Gesichtswinkel lenkt dies die Gedanken in eine bestimmte Richtung. Die Vereinigten Staaten haben im Laufe des 19. Jahrhunderts vor der größten Aufgabe gestanden, vor die ein Staat überhaupt gestellt werden kann: aus einer Menschenmasse eine Nation zu machen. Ungezählte Völker und Rassen sind in den amerikanischen Schmelztiegel gelangt und konnten auf den Charakter der werdenden Nation einwirken. So haben auch die mehr als fünf Millionen Menschen, die während des 19. Jahrhunderts aus Deutschland nach den Vereinigten Staaten ausgewandert sind, maßgeblichen Einfluss ausgeübt. An dem Aufbau des Gewerbes und der Landwirtschaft haben sie ebenso ihren Anteil wie an der Förderung des geistigen Lebens in der Union. Als junger Predigtamtskandidat ist dereinst Ihr Vater über den großen Ozean gezogen und hat sein späteres Leben vornehmlich der Wissenschaft gewidmet. Es war schwäbische Erbweisheit, die er in der neuen Heimat zur Auswirkung brachte und auch auf seinen Sohn übertrug. So darf man wohl eine abseits vom Zufälligen liegende Schicksalsfügung darin sehen, dass es der Nachkomme eines Schwabens ist, der das amerikanische Erleben des großen Landsmannes seiner Voreltern der Welt erschließt. Meine Herren! Wir ehren unseren Gast, indem wir einstimmen in den Ruf: die Vereinigten Staaten von Amerika und die Beziehungen zwischen ihnen und unserem Vaterlande: Hoch! Hoch! Hoch!“ (Harms 1926).

10 Artur Sommer (1889–1965) – der Entdecker von Lists erster Pariser Preisschrift

Die bekannten biographischen Details über Artur Sommer waren äußerst dürftig. Auch im Internet taucht sein Name praktisch nicht auf. Lediglich einem Vortrag von Beate Kosmala über „Artur Sommer – Nationalökonom, George Anhänger und ‚Retter in Uniform‘“, den sie am 21.06.2018 im Eberthaus in Heidelberg gehalten hat, verdanke ich die ersten biographischen Informationen. Da der Vortrag nicht veröffentlicht ist, möchte ich mich bei der Autorin sehr herzlich dafür bedanken, dass ich ihr Manuskript für die vorliegende Abhandlung einsehen und verwenden durfte. Weitere wichtige Details konnte ich dann den Personalakten entnehmen, die mir das Universitätsarchiv in Heidelberg zur Verfügung stellte.
Artur Sommer wurde 1889 in Krotoschin bei Posen geboren. Er ist in ärmlichen Verhältnissen aufgewachsen. Sein Vater war Postschaffner und betrieb eine kleine Landwirtschaft. Nach dem Abitur begann der Sohn 1908 das Studium der Germanistik, Anglistik, Philosophie und Kunstgeschichte an der Kaiser-Wilhelm-Universität in Berlin. Aus Geldmangel musste er jedoch nach zwei Jahren das Studium abbrechen. Dann ging er im Alter von 21 Jahren zum Militär und brachte es dort bis zum Reserveunteroffizier.
Nach der Militärzeit zog es Sommer nach Halle, wo ihn Verwandte eines Schulfreundes aufnahmen und finanziell unterstützten. Dort begann er eine Doktorarbeit, die er aber bis zum Ausbruch des I. Weltkrieges nicht abschließen konnte. Im I. Weltkrieg wurde er an der Westfront eingesetzt, nahm an der Schlacht in der Champagne teil und geriet schließlich in französische Gefangenschaft. Nach seiner Entlassung waren die ersten Stationen Freiburg i. Br. und Heidelberg. In Heidelberg lernte Artur Sommer 1922 Edgar Salin kennen, der für seine weitere wissenschaftliche Orientierung und Zusammenarbeit prägend war. An beiden Universitäten zählten Martin Heidegger, Karl Jaspers, Alfred Weber und Edgar Salin zu seinen akademischen Lehrern. In Heidelberg gehörte Sommer dem sozialistischen Studentenbund an; außerdem hatte er schon damals Beziehungen zu späteren Widerstandskämpfern geknüpft.
Bei Alfred Weber und Edgar Salin promovierte Sommer 1924 über Friedrich List zum Dr. phil. In dieser Zeit machte ihn Salin mit der Person und Dichtung von Heinrich George bekannt, die beide von dessen Persönlichkeit stark beeinflusst waren. Außerdem lernte Sommer in Heidelberg, die spätere Studienrätin am Hölderlin-Gymnasium, Erika Illig, kennen, mit der er seit 1925 eine lose Beziehung pflegte. Im Jahre 1941 wurde geheiratet, aber 1949 erfolgte die Scheidung.
Zwischen 1926 und 1933 weilte Sommer mit der Unterstützung von Edgar Salin zu Forschungszwecken in Paris, Basel und Kiel. Anschließend war er Fellow der Rockefeller Foundation in Oxford und London. In Paris entdeckte er im Institut de France die bis dahin verschollene sog. erste Pariser Preisschrift von Friedrich List. Den französischen Originaltext übersetzte und publizierte er unter dem Titel „Le système naturel d’économie politique – Das natürliche System der politischen Ökonomie“, der als Band IV der Gesamtausgabe – jedoch 1928 als erster Band dieser Reihe – erschienen ist. Mit diesem Fund hat sich Sommer nicht nur an der Universität Gießen habilitiert, er legte auch den Grundstein für sein weiteres wissenschaftliches Werk zu Friedrich List. Seine wichtigsten Beiträge seien hier erwähnt: „Mitteilungenüber ein bisher unbekanntes Werk Friedrich Lists“ in: Schmollers Jahrbuch, 1926. Der Aufsatz ist auch als Sonderdruck erschienen. Ein Widmungsexemplar befindet sich in meinem Besitz und enthält folgende Widmung: „Der lieben Erika zum Andenken an ihre Universitätsjahre und mit herzlichem Dank für viele Hilfe. – Artur Sommer“
Ferner: „Über das Wachstum der tragenden Gedanken des Nationalen Systems“ in: Mitteilungen der FLG, Nr. 12 v. 15.09.1930, S. 347–371; „Friedrich Lists Pariser Preisschrift von 1837“ in: Mitteilungen der FLG, Nr. 3 vom 30.11.1926, S. 44–93. Besonders umfangreich ist die Monographie von Artur Sommer: „Friedrich Lists System der politischen Ökonomie“, Jena 1927, 242 Seiten. In Gießen wurde ihm dafür die venia legendi erteilt.
In England verfasste Sommer eine wissenschaftliche Abhandlung über „die Politische Ökonomie und Wirtschaftsgeschichte Englands in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts.“ Als er im Frühsommer 1933 in das inzwischen nationalsozialistisch gewordene Deutschland zurückkehrte und seinen Wohnsitz nach Berlin verlegte, trug er das druckfertige Manuskript im Koffer bei sich. Bei der Einreise wurde jedoch sein Koffer mit samt dem Manuskript beschlagnahmt und nie mehr zurückgegeben.
In einem kurzen Kartengruß an Erika Illig äußerte sich Sommer anfänglich positiv über die Machtübernahme: „Die Politik gefällt mir – bis auf den Rassenpunkt, den ich natürlich nicht schätze.“ Zur selben Zeit beklagte er jedoch in einem Brief: „Proleten befehlen Professoren, Rechtsanwälte usw.“ Sehr rasch änderte sich seine Einstellung zum Dritten Reich. Die martialischen Auftritte der SA fand er abstoßend (Abb. 8).
Als seine ablehnende Haltung der Gestapo bekannt wurde, überwachte man seine Post. Wegen Beleidigung der SA wurde er bereits im Oktober 1933 festgenommen und in das KZ Osthofen verbracht. Durch die Fürsprache eines ehemaligen Studenten und von Kollegen kam er nach einem knappen halben Jahr unter der Auflage frei, über seine Haft Stillschweigen zu bewahren. Aber er verlor seinen Lehrauftrag in Gießen, sodass er sich sechs Jahre lang als arbeitsloser Privatgelehrter über Wasser halten musste. Um endlich eine Anstellung zu bekommen, meldete er sich 1938 erneut zum Militärdienst, wo er es im Laufe des II. Weltkrieges bis zum Oberstleutnant brachte.
Im Urteil zu seiner Entnazifizierung von 1947 heißt es: „Es ist ein Witz, dass Sommer trotz seiner antifaschistischen Einstellung während seines KZ-Aufenthaltes 1933 die zuvor aus akademischen Gründen beantragte Mitgliedschaft in der NSDAP erhielt. Nach seiner Entlassung konnte er es nicht wagen, diese aufzugeben und behielt sie deshalb bis zu seiner Ernennung zum Offizier 1938.“
Trotz seiner Kritik an der NS-Propaganda war Sommer von 1935 bis 1937 im Auftrag des Preußischen Staatsarchivs an der Aufarbeitung der Reparationsakten im Auswärtigen Amt und Finanzministerium beschäftigt, ehe er durch die Vermittlung des preußischen Staatsministers v. Popitz 1938 Stabsoffizier im OKW wurde und im Auswärtigen Amt für die Handelspolitik mit den „neutralen Staaten“, d. h. für die Schweiz, Spanien, Portugal, Schweden, Italien, später auch für die Balkanländer, die Türkei und Japan zuständig war. Diese Tätigkeit war nicht nur mit längeren Auslandsaufenthalten, sondern auch mit diplomatischer Immunität verbunden. Deshalb war es Sommer möglich, Dokumente, Devisen und andere Wertsachen von verfolgten Juden ins Ausland mitzunehmen. Bei seiner Entnazifizierung wurde ihm auch zugutegehalten, dass er ausländische antifaschistische Zeitungen, insbesondere von der Schweiz, illegal nach Deutschland eingeführt und verbreitet hat; außerdem habe er nach glaubwürdigen Zeugenaussagen unter eigener persönlicher Gefährdung, Pakete nach Theresienstadt versandt.
Der preußische Staatsminister Johannes v. Popitz war trotz seiner hohen Stellung ein erbitterter Gegner des nationalsozialistischen Regimes: Er gehörte zu den Verschwörern um Claus Schenk Graf v. Stauffenberg. Nachdem das Attentat gescheitert war, wurde Popitz einen Tag später verhaftet und am 03.10.1944 vom Volksgerichtshof unter Roland Freisler zum Tode verurteilt und am 02.02.1945 in Plötzensee gehenkt.
Über den George-Kreis lernte Artur Sommer in Berlin auch bedrängte Juden kennen; darunter die jüdische Dichterin Gertrud Kantorowicz. Um diese Juden vor der Verhaftung und Deportation zu schützen, hat er „eine größere Anzahl in seiner Wohnung versteckt und ihnen zur Flucht ins Ausland verholfen.“ 1942 wollte er in Absprache mit Edgar Salin vier jüdischen Frauen zur Flucht in die Schweiz verhelfen. Trotz intensiver Vorbereitung und strenger Geheimhaltung flog die Flucht an der Grenze in Vorarlberg auf. Es gelang Artur Sommer Schlafwagenplätze für die vier Flüchtlinge zu besorgen und diese kamen ungefährdet in Vorarlberg an. Als sie sich dort bei der angegebenen Adresse meldeten, wurde ihnen gesagt, sie hätten zu warten und sollten einstweilen in einem Gasthof Quartier beziehen. Als die Flüchtlinge am nächsten Abend zur Grenze gebracht wurden, konnten diese zwar die österreichische Grenzbefestigung überwinden, als sie aber im „Niemandsland“ waren, wurden sie von einem Wachtrupp der SS entdeckt. Nur einer der Frauen gelang es, in die Schweiz zu flüchten; die drei anderen wurden gefangen genommen, zwei davon in ein KZ gebracht, wo sie umgebracht wurden und eine Frau hat sich in der Gestapo-Haft das Leben genommen. Die Flucht war deswegen missglückt, weil die Grenze wegen der kurz zuvor bekannt gewordenen Flucht des französischen Generals Giraud unerwartet streng bewacht wurde.
Henri Giraud geriet während des II. Weltkrieges in deutsche Gefangenschaft und wurde auf der Festung Königstein bei Dresden inhaftiert. Über zwei Jahre lang plante er seine Flucht. Aus zahlreichen Lebensmittelpaketen, die ihm seine Frau geschickt hatte, sammelte er die Bindfäden, verknüpfte sie zu einem Seil und verstärkte es mit einem 50 m langen Kupferdraht, den ihm seine Frau in einem Paket geschmuggelt hatte. Damit seilte er sich von den Klippen der Festung ab. Auf abenteuerliche Weise gelangte er schließlich zur Schweizer Grenze und floh von dort aus über die Eidgenossenschaft in das befreite Frankreich.
Im Jahre 1944 wurde Artur Sommer wegen politischer Denunziation aus dem OKW entfernt. Bei einem Bombenangriff verlor er in Berlin seine ganze Habe, kam dann bei Kriegsende in ein Lazarett und fiel dort in russische Hände. Völlig mittellos kam er schließlich nach Heidelberg. Die Universität erteilte ihm zwar einen Lehrauftrag und 1950 wurde er auch zum außerplanmäßigen Professor ernannt, seine Einkünfte waren aber so bescheiden, dass er die Universität mehrfach um finanzielle Unterstützung bitten musste. Einmal schreibt er, er müsse sich für seine Vorlesungen unbedingt zwei Anzüge, einen Mantel, Wäsche und Schuhe anschaffen und eine Rechnung in der Zahnklinik begleichen, was ihm finanziell nicht möglich sei. Sein Kollege Alexander Rüstow setzte sich dann bei der Zahnklinik dafür ein, dass ihm die Behandlungskosten erlassen wurden.
Trotz der Entnazifizierung blieb ihm die Ernennung zum ordentlichen Professor verwehrt, weil ihm wohl seine diplomatische Funktion während des Krieges zur Last gelegt wurde; 1957 wurde ihm lediglich „eine Rechtsstellung eingeräumt, wie wenn er zum ordentlichen Professor ernannt worden wäre“, damit er wenigstens auf dem Gnadenweg eine Pension erhalten konnte. Im Alter von 76 Jahren ist Artur Sommer 1965 in Heidelberg gestorben.

11 Das freundschaftliche Verhältnis zwischen Edgar Salin und Artur Sommer

In den Mitteilungen der LG von 1967 hat Edgar Salin seinem Schüler und Mitstreiter Artur Sommer ein berührendes Denkmal gesetzt. Einige Passagen dieses Aufsatzes werden hier im originalen Wortlaut zitiert, weil sie den unverfälschten und unmittelbaren Eindruck der gegenseitigen Achtung und Wertschätzung vermitteln. (Salin 1967)
„Durch die Editionstätigkeit der FLG war Artur Sommer etwa sieben Jahre in Anspruch genommen; aus technischen Gründen zog er es vor, in Basel in meiner Nähe zu arbeiten. Da er so lange nur wirtschafts- und ideengeschichtlich gearbeitet hatte und mit sicherem Gefühl den Mangel an Kenntnis der Gegenwart verspürte, brach er im Jahre 1931 seine Zelte in Basel ab und begab sich zu Studien nach London. In London erreichte ihn über die dortige deutsche Botschaft im Jahre 1932 die Aufforderung, der NSDAP oder der SA beizutreten. Weltfremd und politikfremd, wie er noch war, vollzog er seinen Beitritt zur SA. Als er dann 1933 nach Deutschland zurückkehrte, wurde er in Gießen sofort zu einem Kameradschaftsabend der SA aufgeboten. Seine Eindrücke waren so abstoßend, dass er sofort seinen Austritt erwog und in einem langen Brief mir darüber berichtete. Dieser Brief hat mich nie erreicht; er wurde von der Zensur abgefangen.“
Vom Präsidenten des Rechnungshofes, Friedrich Ernst Saemisch, wurde Artur Sommer gewarnt, dass ihm durch die Gestapo eine erneute Verhaftung drohe. Deshalb ließ sich Sommer bei der Reichswehr reaktivieren. Als Offizier war man in den Jahren 1939 verhältnismäßig sicher vor der Partei und ihren Trabanten.
Als Mitglied einer Handelsdelegation kam Sommer zum ersten Mal 1940 in die Schweiz und nahm sofort zu Salin wieder Kontakt auf. Da beide auch in der Schweiz observiert wurden, kamen sie wegen der drohenden Gefahr überein, nicht über militärische und politische Vorgänge zu sprechen. Immer, wenn Sommer in der Folgezeit in die Schweiz kam, setzte er sich telefonisch, durch Besuche oder Kuriere mit Salin in Verbindung. „Im September oder Oktober 1941 lag ein großes Kuvert im Briefkasten von Salin, darin ein Zettel: ‚Bitte das beiliegende adressierte Kuvert sofort an den päpstlichen Nuntius in Bern weiterbefördern. Vorherige Einsichtnahme ist gestattet.‘ Salin nahm Einsicht und fand in dem Kuvert drei Bündel von Fotografien. Im ersten Bündel waren russische Kriegsgefangene fotografiert, die bis auf die Knochen abgemagert und offenbar angetreten waren, um in ihren Geschirren eine wässrige Suppe zu empfangen. Im zweiten Bündel waren Karren fotografiert, auf welche Angehörige der SS in ihrer schwarzen Uniform hungernde und verhungerte Russen brutal warfen. Im dritten Bündel lagen Fotografien von einem Lagerplatz, auf dem die Toten und die Lebenden verscharrt waren. Aus der dünnen Erdschicht ragte hier ein Arm, dort ein Bein heraus – man spürte noch die Qualen der Opfer in den Bildern nach. Der Brief mit den Fotos ist nach Bern weitergegangen. Auf das Eingreifen aus Rom, auf das die Absender der Fotos gehofft hatten, wurde gewartet und gewartet – es ist nie erfolgt.“
Im nächsten Jahr lag wieder in Salins Briefkasten ein Zettel ohne Kuvert. Darauf stand: „Im Osten werden Lager vorbereitet, in denen sämtliche Juden Europas und ein großer Teil der russischen Kriegsgefangenen vergast werden sollen. Bitte unmittelbar Nachricht an Churchill und an Roosevelt persönlich gelangen lassen. Wenn BBC täglich davor warnt, die Gasöfen zu zünden, so dürfte die Verwendung verhindert werden; denn die Verbrecher tun alles, damit das deutsche Volk nicht erfährt, was sie planen und mit Sicherheit auch ausführen werden.“ Zu Churchill hatte Salin keinen direkten Zugang. Dagegen bat er den vortrefflichen Präsidenten der BIZ, den Amerikaner McKittrick, nach Möglichkeit, Roosevelt diese Nachricht zukommen zu lassen. Salin fuhr sofort nach Bern und kam mit der Nachricht zurück, dass der dortige amerikanische Gesandte einen unmittelbaren Draht zu Roosevelt habe und die Nachricht schon in der Zwischenzeit nach Amerika gekabelt wurde. Erfolgt ist nichts, nichts von Amerika, nichts von England aus!“
„Als die Alliierten beim Vormarsch 1945 auch Angehörige ihrer Armeen in den Lagern fanden, wurde so getan, als ob man nichts von den ganzen Gräueln geahnt habe. Niemand vermag mit Sicherheit zu sagen, ob die Stimme des englischen Radios es vermocht hätte, die Erwartungen des deutschen Offiziers, dessen Gewissen und Verantwortungsgefühl ihn zu dieser Nachricht veranlasst hat, in vollem Umfang zu erfüllen. Aber persönlich hielt es Salin für möglich. Jedenfalls sei zu sagen, dass die einzige Gegenmaßnahme gegen die Vergasung der Millionen, jene war, die rechtzeitig angeraten wurde und vielleicht einen Erfolg hätte bringen können, unterblieben ist.“
Salin hat insbesondere auf die menschliche Seite hingewiesen, wie sich Artur Sommer nach dem Krieg in Heidelberg verhalten hat. Er habe dort einen kleinen Kreis von jungen Menschen um sich versammelt, mit denen er Gedichte las von Goethe und Hölderlin bis zu Hofmannsthal und George. Nach allen Erzählungen habe er dort eine starke Wirkung ausgeübt – er galt in Vorlesungen und Seminaren als einer der anregendsten und besten Lehrer und hatte mit seiner ausgezeichneten philosophischen Schulung und als Vertreter einer echten politischen Ökonomie keinen Konkurrenten zu fürchten. Alfred Weber habe ihn wegen seiner fachlichen Qualität hochgeschätzt und es sei dessen persönlichem Einsatz zu verdanken, dass Sommer diese akademische Reputation erhielt und weit über das Emeritierungsalter hinaus wirken konnte.
Dass er nach dem Krieg zu allen alten Weggefährten wieder Verbindung aufnahm, war für ihn selbstverständlich. Mit wachem Interesse verfolgte er die Arbeiten der wenigen jungen List-Forscher, wie das große Werk von Paul Gehring über Lists Jugendjahre. Salin schließt seinen Aufsatz mit den Worten: „Darüber hinaus wird hoffentlich durch die Skizze seines Lebens das Bild dieses integren Menschen erhalten bleiben und daran erinnern, wie auch in trüber Zeit ein echter Charakter sich behaupten und Freunden und Fremden helfen konnte.“
In einem anderen Nachruf würdigte der Basler Kollege von Edgar Salin, Heinz Zimmermann, Artur Sommer als Mensch und Freund: „Artur – ich war ihm an die vierzig Jahre verbunden – war nie ein Mann äußerer Erfolge. Geradheit und Bescheidenheit – vielleicht auch Scheu und Scham – verboten ihm, sich mit den Ränken auseinanderzusetzen, die ihm im Bestreben nach materieller Sicherung seines Daseins zeitlebens begegnet sind. Feigheit, Unaufrichtigkeit, Wortbruch und Verleumdung gegenüber war er ohne Waffen. Geriet er bisweilen in einen Kreis von erfolgreichen Wunderkindern des neuen Deutschlands, aber auch bedeutender Männer aus Wirtschaft und Politik, so blieb er still, fast scheu und wurde selten in seiner Bedeutung erkannt.“
„Sein wirkliches und sein wirksames Leben war ein geistiges Leben. Als Denker, als Wahrheitssuchender war er von unerbittlicher Strenge gegen sich selbst und gegen andere. Hier standen ihm alle Waffen der frühen philosophischen Schulung und seiner umfassenden Belesenheit zur Verfügung. Hier setzte er sich mit Hegel, mit Marx, mit Max Weber und mit seinen lebenden Freunden auseinander, und in diesem Streit errang er, zumeist in gewichtigem und leidenschaftlichem Briefwechsel, die Erfolge, die ihm etwas gaben. Artur Sommers Kampf – ein Kampf für das Wahre und Schöne – ist ausgekämpft. Er war ein treuer Freund im Leben. Bleiben wir ihm nach seinem Tode treu.“ (Zimmermann 1964/1965)

12 Friedrich Lenz (1885–1968) – Weltgeist zwischen West und Ost

Friedrich Lenz war der Sohn des renommierten Historikers Max Lenz (1850–1932) (Hagemann 1999). Zu seiner Verwandtschaft zählt Max Planck, der ein Onkel von ihm war. Nach dem Studium in Lausanne, Bonn, München und Berlin promovierte Lenz 1909 in Berlin zum Dr. jur.; danach publizierte er vor allem juristische Arbeiten mit historischem Bezug. 1912 promovierte er ebenfalls in Berlin zum Dr. phil. Anschließend habilitierte er sich bei Gustav v. Schmoller und erhielt dann einen Ruf an die TH Braunschweig. Dort hat er das „Institut für Nationalökonomie“ aus der Taufe gehoben und aufgebaut, was ihm nach Einschätzung des Rektorats sehr gut gelang. In der Braunschweiger Zeit führte er seine historischen Studien fort. Außerdem beschäftigte er sich mit Fragen der Kriegswirtschaft.
1915 meldete sich Lenz als Freiwilliger zum Kriegsdienst. Nachdem er 1917 verwundet wurde, kam er zur Auslandsabteilung der Obersten Heeresleitung. Bis zum November 1918 leitete er die Sektion für kriegswirtschaftliche Auslandspropaganda. Nach dem Ende des I. Weltkrieges wurde Friedrich Lenz vom Innenministerium zur Vorbereitung der Versailler Konferenz herangezogen. „Auch wenn dies wirkungslos blieb, so resultierte doch für Lenz aus diesen Arbeiten eine thematisch-politische Orientierung, die ihn – unterstützt durch die prinzipielle Kritik am wirtschaftlichen Liberalismus – in den folgenden Jahren bei der Diskussion um die Reparationsfrage bis hin zum Youngplan auf die Seite der konservativen Gegner der Weimarer Republik führte.“ Lenz vertrat die Ansicht, dass das Deutsche Reich keine Schuld am Ausbruch des I. Weltkrieges treffe, sondern von einer feindlichen Wirtschaftsoffensive bedroht war.
1919 wurde er auf den zweiten nationalökonomischen Lehrstuhl an die hessische Landesuniversität von Gießen berufen, den er bis zur Machtübernahme der Nationalsozialisten innehatte. Aufgrund zweier ehrenvoller Rufe auf den Lehrstuhl von Joseph Schumpeter in Graz und an die Technische Hochschule in Prag erhielt er zunächst eine außerplanmäßige und ab 1922 eine planmäßige Professur. Zuvor hatte er bereits einen Ruf nach Konstantinopel und an die Columbia University New York erhalten und abgelehnt. In Gießen fand Lenz die ideale Wirkungsstätte, an der er eine eigene Schule die sog. „Gießener Schule“ gründen konnte. Nach dem Krieg verzeichnete das Studium der Volkswirtschaftslehre, das vor dem Kriege ein Orchideenfach war, einen regelrechten Boom, was besonders für das Gießener Institut zutrifft.
Dazu schreibt Hans Gundel: „An diesen Erfolgen hatte Friedrich Lenz, von 1919 bis 1933 Professor für Wirtschaftliche Staatswissenschaften in Gießen, einen nicht geringen Anteil. Sein Lehrerfolg war außerordentlich groß. Als Betreuer zahlreicher Dissertationen und Herausgeber der ‚Hessischen Beiträge zur Staats- und Wirtschaftskunde‘, die von 1929 bis 1936 in 16 Bänden erschienen sind, trug er ebenso wie durch seine eigenen Publikationen dazu bei, dass die von ihm begründete ‚Gießener Schule‘ weithin bekannt wurde. Ihre harte Kritik an den vorherrschenden Richtungen der Volkswirtschaftslehre, der offiziellen Wirtschaftspolitik der Berliner Regierung und den ökonomischen Programmen aller ‚Weimarer Parteien‘ beruht auf einer grundsätzlichen Ablehnung des wirtschaftlichen, aber auch des politischen Liberalismus. Ihm setzte Lenz seine Politische Ökonomie entgegen, die sich an Friedrich List und Karl Marx orientierte. Sie stand sowohl politisch als auch wissenschaftlich im Widerspruch zu den Haupttendenzen der Zeit. Die marxistische Komponente sowie das Eintreten für die sozialistische Planwirtschaft nach sowjetrussischem Vorbild führten zwangsläufig zum Konflikt mit dem Nationalsozialismus.“ (Gundel 1982) (Abb. 9).
Der Erfolg von Lenz beruhte auf seiner eigenen Sicht der Dinge, die nicht den anderen Studieninhalten etwa in Tübingen, Marburg oder Jena entsprach, sondern eigene Wege beschritten hat. Wie bereits erwähnt, lehnte Lenz die herrschende Lehre des ökonomischen Liberalismus ab und plädierte stattdessen für eine starke Wirtschaftspolitik des Staates. Dabei stützte er seine eigene Lehrmeinung vor allem auf Karl Marx und Friedrich List. Wie List verneinte auch Lenz die Existenz von ewig gültigen ökonomischen Gesetzen, betonte die Notwendigkeit zur Unterstützung der nationalen Einheit und plädierte für eine staatswirtschaftlich orientierte Volkswirtschaftslehre im Sinne der heutigen Wirtschaftspolitik.
In dieser Zeit übte er auf die bündische Jugendbewegung einen nicht unerheblichen Einfluss aus. Außerdem führte seine intensive Auseinandersetzung mit Karl Marx und seine Kritik an dem zunehmenden Monopolkapitalismus zu einer Sympathie für die sozialistische Planwirtschaft und infolgedessen zu einer Fühlungnahme und kommunikativen Verbindung mit der Sowjetunion.
Obwohl sich Lenz intensiv mit Karl Marx und dem Marxismus auseinandergesetzt, ja sogar versucht hat, List und Marx unter einen Hut zu bringen, war seine Wirtschaftsauffassung jedoch im Kern nicht marxistisch, sondern beruhte im Schwerpunkt eindeutig auf Friedrich List. Diese Auffassung legte er in zwei Schriften dar: 1923 in einem Buch über „Staat und Marxismus – Grundlegung und Kritik der marxistischen Gesellschaftslehre“, 2. Aufl. 1923 sowie in „List und Marx – Friedrich List, die Vulgärökonomie“ und Karl Marx, 1930. Sicher ist auch, dass Lenz das kapitalistische System kritisierte und in Frage stellte. „Im Schoße unserer demokratisch freiwirtschaftlichen Privatrechtsverhältnisse erwachsen neue Gebilde, die den Markt vom freien Wettbewerb zu gebundenen Formen überleiten. Kartelle und Syndikate, Konzerne und Staatsbetriebe, Vertrustung und Rationalisierung, das Finanzkapital und vielfache Privatmonopole bilden einzelne Momente dieser Neugestaltung. Indem diese Neugestaltung die internationalen Produktionsverhältnisse mit ergreift, formt sie den modernen Imperialismus um.“ Zusammen mit Erwin Wiskemann hat Friedrich Lenz 1931 den Band VII der Gesamtausgabe herausgegeben und mit einem ausführlichen Kommentar versehen.
Diese und viele ähnliche Formulierungen sind für Lenz typisch, aus denen, wie es der Heidelberger Philosophieprofessor Christoph v. Wolzogen formuliert hat, „im Grunde genommen nichts oder alles folgt“. Lenz habe vor allem aus deutsch-patriotischen Gründen mit der Sowjetunion sympathisiert, weil er der Ansicht war, dass nur ein Bündnis mit der Sowjetunion das besiegte Deutschland von den Folgen des Versailler Vertrages befreien und die Wiederherstellung seiner früheren Machtposition bewirken könne. Für Lenz war die sowjetische Planwirtschaft ein diskutables, wenn auch nicht in allen Einzelheiten übertragbares Modell für die nach dem I. Weltkrieg zwischen Kapitalismus und Kommunismus hin und her schwankende deutsche Wirtschaft. Nach dem II. Weltkrieg im Jahre 1958 im Alter von 73 Jahren sprach sich Lenz jedoch in eindeutig negativem Sinne für die Gleichsetzung von Sozialismus/Kommunismus und Faschismus aus, indem er sich von beiden Systemen eindeutig distanzierte.
Allerdings blieb es nicht bei der ideologischen Auseinandersetzung mit dem sowjetischen System. 1929 gründete Lenz mit einigen Gleichgesinnten „Die Arbeitsgemeinschaft zum Studium der sowjetrussischen Planwirtschaft“ (ARPLAN), an der auch der in der Nachkriegszeit berühmt gewordene Russland-Experte Klaus Mehnert sowie der Lenz Schüler Arvid Harnack mitwirkten, der später der Widerstandsgruppe „Rote Kapelle“ angehörte und nach deren Enttarnung Ende 1942 hingerichtet wurde. Die ARPLAN unterhielt Verbindung mit der russischen Handelsvertretung in Berlin und wurde finanziell durch die Sowjetunion unterstützt. Außerdem erhielt sie eine offizielle Einladung zu einer aus 50 Teilnehmern bestehenden Delegationsreise in den europäischen Teil der UdSSR, die im August 1932 durchgeführt wurde. Ob und in welcher Form damit Spionagedienste verbunden waren und Friedrich Lenz daran beteiligt war, lässt sich nicht beweisen.
Wegen dieser Kontakte ist es nicht verwunderlich, dass Lenz im Sommer 1933 wegen „politischer Unzuverlässigkeit“ und „seiner Zugehörigkeit zum national-bolschewistischen Lager“ als Ordinarius der hessischen Landesuniversität zum 1. August 1933 abgesetzt und zum 01.11.1933 in den Ruhestand versetzt wurde. Die Gießener SS stufte ihn als einen eng mit Moskau verbundenen Kommunisten und umfassenden Agitator marxistischer Ideen ein.
Obwohl sich Lenz als Nationalist und Staatssozialist fühlte, erscheint diese Etikettierung in dieser Zuspitzung überzogen und fragwürdig., weil er sich weder ausdrücklich zum Kommunismus bekannte, noch sich nach dem II. Weltkrieg in der DDR niedergelassen hat. Andererseits ist sein biographischer Werdegang während des Dritten Reiches in der Zeit von 1933 bis 1937 rätselhaft und danach bis zum Kriegsende mysteriös. Christoph von Wolzogen hat den Versuch unternommen, Licht in dieses Dunkel zu bringen, allerdings mit wenig Erfolg.
Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten kam es zu Störungen der Lehrveranstaltungen von Friedrich Lenz und zu Hausdurchsuchungen. Die NS-Studentenführer hetzten gegen die „Rote Fachschaft“ der Staatswissenschaft an der Universität Gießen. Deshalb übersiedelte er nach Berlin und begab sich in die „verschleierte“ Emigration. Dort arbeitete er an einer 440 Druckseiten umfassenden Monographie über „Friedrich List – Der Mann und das Werk“, die 1936 im Verlag von R. Oldenbourg in München erschienen ist. Diese lässt eine intensive geistige Auseinandersetzung und ein umfassendes Quellenstudium im Kontext mit vielen Zeitgenossen von List erkennen. Das Buch schließt mit den Worten: „Lists einmalige Erscheinung ist ein notwendiger Bestandteil unserer, ihm in vielem entgegengesetzten Gegenwart.“ Dabei vermeidet Lenz im ganzen Buch den Hinweis auf Adolf Hitler und den Nationalsozialismus.
Hans Gundel würdigt dieses Werk mit den Worten: „Den bedeutendsten Beitrag zur List-Forschung leistete Lenz durch seine Biographie ‚Friedrich List – Der Mann und das Werk‘. Dieses Standardwerk, das zuerst 1936 erschienen ist, wurde 1970 mit einem Vorwort von Gottfried Eisermann neu aufgelegt. Dieser bescheinigt dem Werk: „Es überragt wegen seiner wissenschaftlichen Gründlichkeit, interpretatorischen Ausgewogenheit und Materialfülle bei weitem die Bücher, die Friedrich Lenz später über List veröffentlichte.“ (Gundel 1982). Eisermann hebt noch lobend hervor, dass dieses Buch „neben großartiger Linienführung, doch nicht der bis ins Einzelne gehenden Kleinarbeit entbehrt.“ Auch charakterlich zeichnet er von Lenz ein positives Bild, wenn er bemerkt, dass dessen menschliche Anständigkeit, sein trockener und unverwechselbarer Humor und seine Schlagfertigkeit einen Umgang mit ihm zum Vergnügen machten. (Eisermann 1970)
Während des Krieges veröffentlichte Lenz eine kleine, aus 50 Seiten bestehende Schrift mit dem Titel „Friedrich List und Großdeutschland“, die 1940 als Feldpostausgabe erschienen ist. Auch darin fehlen namentliche Hinweise auf den Führer und den Nationalsozialismus. Der Verfasser unternimmt dabei den zweifelhaften Versucht, Lists Formel „Ét la patrie, et l’humanité“ einen großdeutschen Anstrich zu geben. Möglicherweise war diese Schrift ein ideologisches Feigenblatt, um sich ein Entré ins Auswärtige Amt zu verschaffen und als politisch zuverlässig zu gelten.
Wegen des zunehmenden politischen Drucks ging Lenz von 1937 bis 1939 ins Ausland zu Studienaufenthalten nach Holland, England an die London School of Economics und in die Vereinigten Staaten. In den USA immatrikulierte er sich an der American University in Washington und erwarb dort ein M. A. Diplom. In erster Ehe war Lenz mit Hildegard Freiin v. Wolzogen verheiratet, die bereits 1925 im Kindbett gestorben war. In den USA heiratete er eine frühere Schülerin, Margarete Oevel, die als erste Frau an der Universität Gießen zum Dr. rer. pol promoviert worden war. Deren Ehemann war Jude und hat sich 1933 das Leben genommen; sie selbst war Halbjüdin 1. Grades.
Trotz seiner eigenen bitteren Erfahrungen und der nach der Kristallnacht in Deutschland für die Juden immer prekärer werdenden Lage kehrte das Ehepaar Lenz nach Deutschland zurück – vermutlich um der befürchteten Repatriierung zu entgehen. Unter der Vermittlung des späteren Widerstandskämpfers, dem Legationsrat Dr. Adam von Trott zu Solz, erhielt Lenz eine Anstellung als freier Mitarbeiter im Auswärtigen Amt, was natürlich absolut ungewöhnlich ist und zu Spekulationen Anlass gibt. Deshalb drängte sich bei Christoph v. Wolzogen die Frage auf, ob Lenz, „so etwas wie ein Doppelagent war?“ – kann diese aber nicht beantworten. Ich möchte mich deshalb auch nicht an einer solchen Spekulation beteiligen.
Friedrich Adam v. Trott zu Solz (1909–1944) war von Beginn an, ein vehementer Gegner des nationalsozialistischen Systems und setzte sich spätestens seit 1939 nachweisbar für dessen Sturz ein. Er entwickelte darüber hinaus weitreichende Pläne für ein freies und geeintes Europa. Trott gehörte zum Kern der Widerstandsgruppe „Kreisauer Kreis“ um Helmuth James Graf v. Moltke und Peter Yorck Graf v. Wartenburg. In enger Zusammenarbeit mit Claus Schenk Graf v. Stauffenberg war er an der Verschwörung vom 20. Juli 1944 beteiligt und wurde nach dem Attentat am 26.08.1944 in Berlin-Plötzensee hingerichtet. Dass Friedrich Lenz dabei unbehelligt blieb, erscheint wie ein Wunder.
Unmittelbar nach Kriegsende wurde Lenz im Sommer 1945 als Ordinarius an die neugegründete Wirtschaftswissenschaftliche Fakultät der Universität Berlin berufen. In dieser Zeit hat er seine Schrift „Friedrich List und Großdeutschland“ umgeschrieben, etwas erweitert und in der Schriftenreihe: „Der Deutschenspiegel – Schriften zur Erkenntnis und Erneuerung“ unter dem Titel: „Friedrich List und die deutsche Einheit“ neu herausgegeben. Im Vorwort führt er aus: „Unter dem Faschismus waren Karl Marx und Friedrich Engels mitsamt dem wissenschaftlichen Sozialismus verfemt. Ein Jahrhundert nach seinem Tode scheint Friedrich List der Abwertung verfallen – als Nationalist in den Augen der von ihm bekämpften Schule des ökonomischen Liberalismus wie als bürgerlicher Ökonom im Sinne des dialektischen Materialismus.“ Auch dies ist wieder eine von den zahlreichen sibyllinischen Formulierungen, die den Leser im Unklaren lassen, welche Position der Autor eigentlich einnimmt.
1947 wurde Lenz im sowjetischen Sektor Direktor des Instituts für Volkswirtschaftslehre und Statistik. Kurze Zeit später wechselte er nicht, wie viele von der SED enttäuschte Hochschullehrer an die Freie Universität, sondern an die neu gegründete Hochschule für Arbeit, Politik und Wirtschaft nach Wilhelmshaven, die in den 1960er-Jahren in die Universität Göttingen integriert wurde. Dadurch wurde er Mitglied der dort neu gegründeten Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät. Er befasste sich nun vor allem mit der Meinungsforschung, ohne dass ihm auf diesem Gebiet noch ein nennenswerter Erfolg gelungen ist. Die Zeit der „deutschen Nationalökonomie“ war vorbei. Ab Mitte der 60er-Jahre dominierte die anglo-amerikanische Wissenschaftsdoktrin, in der die sog. Historische Schule keinen Platz mehr hatte.
Seine ausführliche Darlegung und Würdigung der Lebensleistung von Friedrich Lenz beschließt Hans Gundel mit den Worten: „Gießen war die wohl wichtigste Etappe seines akademischen und politischen Lebens. Überblickt man sein gesamtes wissenschaftliches Oeuvre von insgesamt 238 Titeln, das in einem Zeitraum von sechs Jahrzehnten erschien, dann tritt schlaglichtartig die große wissenschaftliche Bedeutung dieses Mannes hervor. Ihm galt Überzeugungstreue mehr als Kompromissbereitschaft.“ (Gundel 1982)

13 Erwin v. Beckerath (1889–1964) – Ordo-Liberaler und Unterstützer der Sozialen Marktwirtschaft

Der am 31. Juli 1889 in Krefeld geborene Erwin v. Beckerath entstammte einer alten Adelsfamilie. Nach dem Abitur studierte er an den Universitäten in Freiburg, Göttingen und Berlin Nationalökonomie, Geschichte und Philosophie. An der Friedrich-Wilhelms-Universität zu Berlin promovierte er 1912 zum Dr. phil. Anschließend war er als wissenschaftlicher Assistent an der Universität Leipzig tätig. In den Jahren 1915/16 wurde er zum Kriegsdient eingezogen und arbeitete danach in der Handelskammer in Bremen.
Bei Kriegsende habilitierte sich Erwin v. Beckerath an der Universität Leipzig und lehrte dort noch zwei Jahre lang als Privatdozent für Nationalökonomie. Im Alter von 31 Jahren nahm er einen Ruf als außerordentlicher Professor für Nationalökonomie an die Universität Rostock an. Zu dieser Zeit war er der jüngste Professor seines Fachgebiets in Deutschland. Wiederum zwei Jahre später wechselte er auf einen Lehrstuhl in der Rechts- und Staatswissenschaftlichen Fakultät der Christian-Albrechts-Universität in Kiel. Dort bekleidete er auch das Amt des Dekans.
Nach weiteren zwei Jahren folgte Erwin v. Beckerath einem Ruf an die Universität Köln. Dort übernahm er von 1931 bis 1939 auch die Leitung des deutsch-italienischen Kulturinstituts. Noch vor Kriegsausbruch kehrte er als Ordinarius an die Universität Bonn zurück, an der er den Krieg über seinen Lehrstuhl behielt und 1957 emeritiert wurde. Anschließend war Beckerath noch bis 1964, aufgrund seiner engen kollegialen und freundschaftlichen Verbundenheit mit Edgar Salin, Lehrbeauftragter für Nationalökonomie an der Universität Basel (Abb. 10).
Während des Dritten Reiches war Beckerath weder in der NSDAP noch in einer ihrer Unterorganisationen Mitglied. „Wie vor 1933 und wieder nach 1945 lag es ihm völlig fern, eine aktive parteipolitische Rolle zu spielen. Ein praktizierender Nazi war der rheinische Aristokrat also keinesfalls. Das heißt jedoch nicht, dass er das nationalsozialistische Regime von Anfang an entschieden abgelehnt hätte, wie manche seiner Lobredner immer wieder behauptet haben.“ (Schieder 1995). Erwin v. Beckerath sympathisierte vor allem mit dem Faschismus unter Mussolini und betrachtete diesen als Bollwerk gegen den Bolschewismus. „Die Annahme, dass regelmäßige staatliche Eingriffe in wirtschaftliche Prozesse notwendig seien, gehörte zum Grundbestand seiner wissenschaftlichen Lehrmeinung.“ (Schieder 1995). Er kritisierte den Wirtschaftsliberalismus im Sinne von Adam Smith und liebäugelte mit der korporativen Wirtschaftstheorie, die Beckerath anfänglich im italienischen Faschismus verwirklicht sah.
Neben Walter Eucken, Franz Böhm, Wilhelm Röpke, Walter v. Böhm-Bawerk und Hans Großmann-Doerth zählt Beckerath zu den Vertretern des Ordo-Liberalismus. Außerdem war er Mitglied der Klasse IV der Akademie für deutsches Recht und leitete innerhalb dieser Einrichtung die Arbeitsgemeinschaft Volkswirtschaftslehre, die im März 1943 als „nicht kriegswichtig“ aufgelöst wurde. Die Arbeitsgemeinschaft wurde unter der Bezeichnung „Arbeitsgemeinschaft Erwin v. Beckerath“ inoffiziell weitergeführt und auch „Dritter Freiburger Kreis“ genannt. Seine Mitglieder sympathisierten mehr oder weniger stark mit der Bekennenden Kirche von Dietrich Bonhoeffer.
Nach dem Krieg sprach sich Beckerath für eine „marktwirtschaftliche Wirtschaftsordnung“ aus, die „aus einer auf Wettbewerb beruhenden Marktwirtschaft und einer mittelbar lenkenden Wirtschaftspolitik des Staates“ bestehen sollte. Dieses theoretische Konstrukt entspricht im Grunde genommen der Wirtschaftstheorie von Friedrich List. Von 1948 bis zu seinem Tod in Jahre 1964 hatte Beckerath den Vorsitz des Wissenschaftlichen Beirats beim Bundeswirtschaftsministerium inne. In dieser Funktion unterstützte er die Wirtschaftspolitik von Ludwig Erhard beim Aufbau der Sozialen Marktwirtschaft.
Zusammen mit Otto Stühler hat Beckerath 1929 den Band III/1 der Gesamtausgabe herausgegeben. In seiner Person sehe ich ein wichtiges Bindeglied für mein Schienenmodell zur Sozialen Marktwirtschaft, das darauf basiert, dass sowohl der Wirtschaftsliberalismus englischer Prägung als auch Friedrich Lists Ideen auf dem Weg über den Ordo-Liberalismus für das Grundkonzept der Sozialen Marktwirtschaft richtungsweisend waren. (Wendler 2014)
Anlässlich seines 75. Geburtstages wurde Erwin v. Beckerath von seinen wissenschaftlichen Kollegen, Freunden und Schülern mit einer umfangreichen Festschrift geehrt. Zu den 10 klangvollen Namen von Freunden und Gelehrten, die den Jubilar mit Dankesworten bedachten, gehört auch Edgar Salin. Im Rahmen ihrer engen langjährigen freundschaftlichen Verbundenheit spielte die Zusammenarbeit bei der Herausgabe der Gesamtausgabe eine zentrale Rolle.
Dazu bemerkt Salin: „Wenn meine Notizen zutreffen, haben wir uns zuerst Anfang Juli 1925 in Bonn bei Spiethoff getroffen. Spiethoff hielt es mit Recht für unerlässlich, Sie als Verkehrspolitiker zu der geplanten großen List-Edition hinzuzuziehen.“ Dabei sei bei der großen List-Ausgabe eines noch hervorzuheben, weil es den jungen Generationen kaum in voller Bedeutung bewusst ist: „Wir haben manchmal – Sie noch mehr als ich – gestöhnt, wenn das Material sich ins uferlose zu weiten schien. Aber wir haben doch erreicht, dass zunächst im Ausland, dann auch im Inland allmählich erkannt wurde, dass List bei aller Fortschrittsgläubigkeit und vielleicht durch sie mehr als alle seine Zeitgenossen, die Probleme der wirtschaftlichen Entwicklung gesehen und verstanden hat, Karl Marx ausgenommen. Und wir haben, zumindest in Italien, durch Luigi Einaudi die Anerkennung gefunden, die wie die Edition von Ricardo durch Sraffa, so die Edition Lists durch uns ein Beispiel philosophischer Exaktheit und gelehrt-erschöpfender Interpretation darstellt. Das Beispiel hat leider keine Schule gemacht; es hat noch niemand begriffen, dass einige Schriften der deutschen Kameralisten, herausgegeben mit philologischer Akribie und interpretiert mit theoretischem Verständnis, für eine vernünftige Praxis gegenüber den sog. Entwicklungsländern bessere Werkzeuge enthalten als die meisten Modell-Kästen der Gegenwart.“ (Salin 1964)

14 Alfred von der Leyen (1844–1934) – Geheimer Regierungsrat im preußischen Handelsministerium und Eisenbahnexperte

Alfred v. d. Leyen entstammte ebenfalls einem alten Adelsgeschlecht. Nach dem Studium der Rechts- und Staatswissenschaften in Tübingen, Heidelberg und Berlin, das er mit der Promotion zum Dr. jur. abgeschlossen hat, war er ab 1870 als Gerichtsassessor beim preußischen Justizministerium und im Reichkanzleramt tätig. Von 1872 bis 1876 leitete er als Syndikus die Bremer Handelskammer. Anschließend arbeitete er von 1876 bis 1880 als geheimer Regierungsrat und Vortragender Rat im Reichseisenbahnamt, wo er sich als Eisenbahnfachmann großer Wertschätzung erfreute. Deshalb wurde er 1880 als Vortragender Rat an das preußische Ministerium für Handel, Gewerbe und öffentliche Arbeiten versetzt. Dort wirkte er als Experte für internationales Frachtrecht. In dieser Funktion erhielt Alfred v. d. Leyen den Ehrentitel „Wirklicher geheimer Oberregierungsrat“, der mit dem Prädikat „Exzellenz“ verbunden war.
Nach der Pensionierung übernahm der hoch gelobte Eisenbahnexperte 1912 als Honorarprofessor einen Lehrstuhl an der Friedrich-Wilhelm-Universität in Berlin. 1926 zeichnete ihn die Philosophische Fakultät mit der Ehrendoktorwürde aus. Noch im hohen Alter von über 80 Jahren stellte er sich der FLG zur Verfügung. Zusammen mit Alfred Genest und Berta Meyer gab Alfred v. d. Leyen 1932 den Band III/2 der Gesamtausgabe heraus; bald darauf ist er im Alter von 90 Jahren am 02.05.1934 in Berlin gestorben.
Die Herausgeber von Band III/1 betonen, dass es ihnen gelungen ist, „den Nestor der deutschen Verkehrswissenschaft, S. Exzellenz Geheimrat Prof. Dr. Alfred von der Leyen als die berufenste Persönlichkeit“ für den zweiten Teil zu gewinnen. Dieser hatte schon vorher einige Veröffentlichungen aufzuweisen, die in den Kommentar eingeflossen sind. Es sind diese: „Die nordamerikanischen Eisenbahnen in ihrer wirtschaftspolitischen Bedeutung“, Leipzig 1885; „Aus der Jugendzeit der deutschen Eisenbahnen“ in: Deutsche Rundschau H. 7, 1911, S. 103 ff. sowie eine umfangreiche Abhandlung über „Friedrich List als Vorkämpfer des deutschen Eisenbahnwesens“ im: Archiv für Eisenbahnwesen, 1931, S. 1067–1104.
Aus den Schlussfolgerungen des Autors in seinem Artikel über Lists Tätigkeit als Vorkämpfer des deutschen Eisenbahnwesens greife ich folgende Resultate heraus. Diese hätten den Eisenbahnpionier „als einen Fachmann ersten Ranges“ unter Beweis gestellt, dessen ausgesprochene Begabung, dessen wissenschaftliche und wirtschaftspolitische Studien, dessen reiche Erfahrungen ihn zu solchen Leistungen befähigt hätten. „List ist auf allen Gebieten des Eisenbahnwesens zu Hause. Er hat einen richtigen Blick für die Lage einer neu zu bauenden Eisenbahn, für die Richtung und das auszuwählende Gelände. Er stellte beachtenswerte Betrachtungen an über den Wettbewerb der Eisenbahnen untereinander, mit der Schifffahrt, den Landstraßen, der Post, mit dem Verkehr von Dampfwagen auf der Straße. Seine Gedanken über die Enteignung auf den deutschen und französischen Eisenbahnen fanden allgemeine Beachtung und sind vielfach verwertet worden. Seine Vorschläge über die Beziehungen zwischen den Eisenbahnen und der Regierung wurden von allen Seiten berücksichtigt. Sehr sorgfältig sind seine Untersuchungen über die richtige Wahl des Oberbaus“, usw. usw.
Alfred v. d. Leyen verwahrte sich gegen die Gereiztheit der Anhänger von Friedrich Harkort, die sich ihm gegenüber zu unbegründeten persönlichen Angriffen verirrt hätten, weil seine gründlichen Forschungen das Verhalten von Lists Widersacher in einem sehr ungünstigen Licht erscheinen lassen. Nachdem List zu seinen Lebzeiten „weniger als die Hälfte von dem, was ihm gebührt hätte, zuteil geworden sei, sollte ihm die Nachwelt nun mit umso volleren Händen danken. Weil dem so sei, bestehe kein rechtschaffener sachlicher Grund, Lists agitatorisch-patriotisches Wirken, das er in Leipzig mit einem epochalen Erfolg begonnen hat und das dann auf andere Teile Deutschlands übergegangen ist, durch abschätzige Urteile über seine Persönlichkeit zu untergraben.“ (v.d. Leyen 1931)
Die Kritik von Harkorts Anhängern ist wahrscheinlich auf einen Aufsatz zurückzuführen, den v. d. Leyen (1974) in der Deutschen Rundschau mit dem Titel: „Aus der Jugendzeit der deutschen Eisenbahnen“ veröffentlichte und in dem er über Lists Behandlung in Sachsen folgendes Urteil äußerte: „Auf den schnöden Undank, mit dem die Leipziger Biedermänner das Verdienst Lists um die Begründung dieses für ihre Vaterstadt hoch bedeutsamen Unternehmens lohnten, will ich hier nicht eingehen.“ Es sei nur eine der vielen Stationen auf dem Leidensweg des unglücklichen Mannes, dessen Erfolg durch das Intrigenspiel von Harkort vereitelt wurde.
Leider war es mir nicht möglich, über Alfred Genest und Berta Meyer ebenso detaillierte biographische Informationen zu finden. In ihrem Nachwort zum Band III/2 geben die drei Herausgeber in aller Bescheidenheit lediglich folgende Hinweise von sich preis: „Die Arbeit, die unter der Oberleitung des ordentlichen Honorarprofessors der Staatswissenschaften, des Wirkl. Geheimen Rats Dr. jur., Dr. phil. h. c. Alfred v. der Leyen erfolgte, ist unter den Bearbeitern in der Weise aufgeteilt worden, dass die Schrift 1 von Fräulein Dr. Meyer, die Schriften 2 und 3 vom leitenden Herausgeber und die Schriften 4 bis 19 von Reichsbahnrat Dr. Genest erläutert sind. Letzterer hat auch die Durchforschung der zahlreichen Archive, Museen und Bibliotheken übernommen.“ (v. d. Leyen et al. o.J.)
Von Berta Meyer kann nur gesagt werden, dass sie mit einer Arbeit über „Lists Ideen zum deutschen Eisenbahnwesen“ von der Philosophischen Fakultät der Universität Bonn zum Dr. phil. promoviert wurde. Diese ist in Form eines dreiteiligen Aufsatzes 1918/19 im „Archiv für Eisenbahnwesen“ (Meyer 1918) abgedruckt.

15 Erwin Wiskemann (1896–1941) – Vertreter einer nationalsozialistischen Volkswirtschaftslehre

Erwin Fritz August Wiskemann wurde am 20.04.1896 in Mühlhausen im Elsass geboren. Dort besuchte der Sohn eines Arztes das humanistische Gymnasium. Bei Kriegsbeginn meldete er sich als Freiwilliger bei der Feldartillerie. Im Sommer 1916 wechselte er als Unteroffizier zur Luftwaffe und wurde Pilot an der Westfront. Bei einem Absturz wurde er schwer verwundet.
Nach dem Krieg studierte Wiskemann in Breslau und Hamburg Rechts- und Staatswissenschaften und promovierte 1921 an der Universität Marburg zum Dr. rer.pol. Anschließend war er als Assistent und Leiter der Presseabteilung in der Handelskammer Hamburg tätig. Dort gehörte er zu den Mitbegründern des „Aufklärungsausschusses“, dessen Leitung er übernahm. Diese Institution hatte die Aufgabe, deutsche Geschäftsleute, die ins Ausland reisten, mit Propagandamaterial gegen die im Versailler Vertrag von den Siegermächten geforderten deutschen Reparationszahlungen zu versorgen. Drei Jahre später kehrte Wiskemann an die Universität Marburg zurück, um sich 1927 im Fachgebiet Volkswirtschaftslehre und Finanzwissenschaft zu habilitieren.
Danach arbeitete er an der Edition der Gesamtausgabe mit, indem er zusammen mit Friedrich Lenz den Band VII bearbeitet und den Kommentar mitverfasst hat. Nach dessen Fertigstellung erhielt Erwin Wiskemann an der Universität Marburg einen Lehrauftrag für „Fragen der Arbeitsbeschaffung, des Arbeitsdienstes und der Siedlung“. Er wurde ehrenamtlicher Aufsichtsrat im Spar- und Bauverein der Stadt Marburg sowie Geschäftsführer des „Hessischen Vereins für Siedlung und Arbeitsdienst“ in Marburg. Außerdem leitete er die Pressestelle der Universität (Abb. 11).
Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten erhielt er einen Ruf als ordentlicher Professor für Volkswirtschaftslehre an der Universität Königsberg, wo er kurzzeitig auch das „Institut für ostdeutsche Wirtschaft“ leitete. Ein Jahr später erreichte ihn ein Ruf an die Handelshochschule Berlin, weshalb er in die Reichshauptstadt übersiedelte. Im Jahre 1936 sollte Wiskemann den Vorsitz des Vereins für Socialpolitik übernehmen, was er mit der Begründung seiner Kriegsverletzung ablehnte. In Berlin ist er im Alter von 45 Jahren am 19.04.1941 gestorben. Es erscheint etwas merkwürdig, dass er so früh gestorben ist und sein Geburtstag mit dem Todestag nahezu identisch ist. Über die Todesursache ist nichts bekannt.
Erwin Wiskemann war seit 1933 Mitglied der NSDAP. Er gilt als wichtiger Vertreter einer nationalsozialistisch geprägten Volkswirtschaftslehre. Dabei ging er von einem deutschen Sonderweg aus, der in eine nationalsozialistische Wirtschaftsideologie mündete. In diesem Zusammenhang bediente er sich der Ansichten von Friedrich List, die er jedoch eher behutsam interpretierte und nicht mit ideologischen Scheuklappen auslegte.
Sein Buch „Der Weg der deutschen Volkswirtschaftslehre“ von 1937 enthält ein Kapitel über List. Daraus sei folgende bemerkenswerte Passage zitiert: „Imperialistische Germanisierung aber lehnt List ab. In Russland sieht er eine dauernde Bedrohung der europäischen Kultur, denn diese gewaltige Landmasse mit ihrer zum Teil stumpfen und wilden Bevölkerung ist nur mit einer despotischen Gewaltherrschaft zu beherrschen, die auch Europa militärisch dauernd bedrohen muss. Ursprünglich hatte List ein kontinentales Zusammenwirken Frankreichs und Deutschlands erwogen, denn beide Länder hatten das gemeinsame Interesse, ihre produktiven Kräfte im Wettbewerb mit dem übermächtigen England zu stärken. Mehr und mehr erkennt List aber die Angst Frankreichs vor den deutschen Rassekräften und damit verbunden, die militärische Haltung des westlichen Nachbarn, die zum friedlichen Rentnerideal dieses fleißigen, hochkultivierten und im Grunde nicht kapitalistischen Volkes so seltsam im Gegensatz steht“ (Wiskemann und Lütke 1937). Vom Erbfeind also keine Rede!

16 Die Geburtswehen der Gesamtausgabe

Es spricht für die große menschliche und wissenschaftliche Autorität des Editionsleiters, dass das Projekt allen Widerständen zum Trotz realisiert und zum Abschluss gebracht werden konnte. Salin war nicht nur die treibende Kraft des gesamten Projekts. Die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen seines Basler Lehrstuhls waren ihm dabei eine unentbehrliche Hilfe. Neben diesem Stab ständiger, halbständiger und vorübergehender Mitarbeiter nennt Salin fast 50 Personen, die in verschiedenen Funktionen an dem Projekt mitgearbeitet haben. Mindestens noch mehr als 50 weitere Namen, so bekennt er, hätte er noch hinzufügen müssen, die zum Gelingen der Edition beigetragen haben. Zu diesem Stab zählten auch Otto Stühler und Wilhelm v. Sonntag, die sonst kaum in das Licht der Öffentlichkeit getreten sind. Von Sonntag ist lediglich bekannt, dass er in Stuttgart wohnhaft war.
Den zweifellos aufwendigsten und schwierigsten Teil der Gesamtausgabe stellt Band VIII dar, zu dem Salin einen Großteil der von List erhaltenen Korrespondenz zusammengetragen, transkribiert und kommentiert hat. Dieser Band ist ein wissenschaftliches Bravourstück. Über die Hindernisse, die dabei zu überwinden waren, schreibt er selbst: „Die Arbeit an allen übrigen Bänden war ein Kinderspiel verglichen mit der Schwierigkeit des Briefbandes.“
Ein großer Teil der Korrespondenz stammte aus dem Besitz des List-Enkels Friedrich Pacher v. Theinburg. Deshalb wollte Salin den druckfrischen Band dem in Wien lebenden List-Enkel persönlich überreichen, was angesichts der politischen Verhältnisse nicht mehr möglich war. In einem Brief an Pacher v. Theinburg vom 24.05.1933 beklagte Salin diese Situation und fügte hinzu: „Es war nicht immer leicht durchzuhalten; es gab für uns alle, Augenblicke der Ermüdung und es hat dann stets der Gedanke an Sie dazu geholfen, nach kurzer Rast die Arbeit beschleunigt zu Ende zu führen.“
Bereits im Juni 1932 hatte Salin in düsterer Vorahnung der politischen Wende an Arthur Spiethoff geschrieben. „Ich bin im Ganzen der Meinung, dass es angesichts der gegenwärtigen wirtschaftlichen und politischen Lage nicht sehr viel Sinn hat, sich eingehend mit dem zu beschäftigen, was in einem halben Jahr sein wird. (!) Sie wissen vielleicht nicht, dass ich darum seit 1928 mit solchem Nachdruck bei allen Mitarbeitern auf Beschleunigung und Abschluss der Bände gedrängt habe, weil ich eine Art Wettlauf zwischen der List-Aufgabe und der Krise sah. Es hätte zum Schicksal Lists und der bisherigen Ausgaben durchaus gepasst, wenn auch unsere Ausgabe nicht zum Abschluss gekommen wäre. Ich bin heute immer noch von diesem sorgenvollen Gefühl bedrängt, dass ich mich nicht entschließen kann, die Vollendung der Ausgabe bereits als Tatsache hinzunehmen.“
In der Schlussphase hat sich Salin häufig mit folgenden Fragen gequält: „War es notwendig, dieses Lebenswerk zu veröffentlichen? War der Zeitpunkt gut gewählt? Ist die Aufgabe so gelöst worden, wie es unter der Voraussetzung der erwähnten Grundtatsachen möglich war?“ Es habe, so fügte Brügelmann hinzu, nicht an Stimmen gefehlt, die schon die ersten beiden Fragen verneint hätten.
Ich füge hinzu, dass mich über viele Jahre hinweg, dieselben Fragen umgetrieben und viele schlaflose Nächte bereitet haben. Andererseits fiel mir jedes Mal, wenn ein Manuskript abgeschlossen war, bereits ein neues Thema ein, das ich als wichtig und interessant empfunden habe und glaubte, es bearbeiten zu müssen. Dabei leitete mich wie Salin die analoge Motivation, wenn ich diese Forschungsarbeit nicht leisten würde, käme kaum ein anderer Forscher auf die Idee, eine ähnliche Arbeit in Angriff zu nehmen, weil nicht nur das erforderliche Knowhow ein Jahrzehnte langes Studium erfordert, sondern auch niemand bereit wäre, so viel Zeit, Kraft und finanzielle Mittel für eine derartiges Projekt aufzuwenden.
Was den Editionszeitraum betrifft, gibt Brügelmann zu bedenken: „Die Geschichte der zehn Jahre hat Zeugnis von den nie abbrechenden Sorgen abgelegt, die den Vorstand bewegt haben, ob es diesmal gelingen werde, das Werk zu Ende zu führen. Nie vorher war es geglückt. Jetzt hätte eine Vertagung auf einen späteren Zeitpunkt, wahrscheinlich den Verzicht für immer bedeutet.“
Dem kann aus heutiger Sicht nur voll und ganz beigepflichtet werden. Das, was in den Zeiten der größten Weltwirtschaftskrise, der größten Arbeitslosigkeit, der größten politischen Radikalisierung in Deutschland noch gelingen konnte, wäre in der heutigen Zeit undenkbar. Heute sind für ein solches Projekt weder die erforderlichen finanziellen Mittel zu bekommen, noch ein so engagiertes und qualifiziertes Team von Wissenschaftlern zu finden, wie dies in den 20er und 30er-Jahren des vergangenen Jahrhunderts offenbar noch möglich war.
„Saemisch als peinlich exakter, keine kleine und große Mühe scheuender Liquidator, Harms immer wieder als Berater herangezogen, Popitz, als Ferment des Ausgleichs, solange Ausgleich möglich ist, Salin, bis zum Ausdrucken des letzten Bogens der Edition treu, Sommer und v. Sonntag von der Edition und anderen Aufgaben gleichfalls bis zum Ende weit über Ansatz und Verpflichtung in Anspruch genommen – sie alle tragen ihr gerütteltes Maß und mehr an Mühe und Enttäuschung. Als menschliche Schwierigkeiten sich zu Verbitterungen verdichten, lässt das Bewusstsein der Verantwortung gegenüber dem Werk nicht nach und verhütet, dass es noch kurz vor der Vollendung ein Torso bleibt.“ (Wendler 2005).
Trotz der vielen renommierten Persönlichkeiten, die dem erweiterten Vorstand der FLG angehörten und der stattlichen Zahl von Vereinsmitgliedern hat die Gesamtausgabe weder im Dritten Reich noch danach, größere publizistische Beachtung erfahren. „Auch die Hoffnung auf eine durch die Edition geweckte List-Renaissance blieb im Ansatz einiger List-Seminare und Dissertationen stecken, während Vorlesungen über List an deutschen Hochschulen schon damals (1936) ebenso selten waren wie früher“. Wir fügen hinzu: Daran hat sich nach dem II. Weltkrieg bis heute nichts geändert. Insofern hat Brügelmanns pessimistische Einschätzung, wonach „das endgültige Urteil über das Schicksal von Lists geistigem Erbe nicht gesprochen ist“, die Zeiten überdauert und nichts von seiner Gültigkeit eingebüßt. Sollte sich dies eines Tages ändern, so gibt Brügelmann der Hoffnung Ausdruck, „werden auch die persönlichen Opfer der Nächstbeteiligten ihre nachträgliche Anerkennung finden.“

17 Die Einstellung des Vorstandes der FLG zum Nationalsozialismus

Während des Dritten Reiches hat es nicht an einzelnen Versuchen gefehlt, Friedrich List aus der nationalsozialistischen Optik zu deuten oder besser gesagt, zu missbrauchen. Dies gilt insbesondere für eine Anzahl von Doktorarbeiten, die in dieser Zeit entstanden sind. Das Groteske daran ist, dass List ein Leben lang gegen den Unrechtsstaat und für die bürgerliche Freiheit und den konstitutionellen Rechtsstaat, für die internationale Integration und den friedlichen wirtschaftlichen Wettbewerb der Nationen gekämpft und Kriege total abgelehnt hat. Aus den Biographien der Herausgeber der Gesamtausgabe ist bereits deutlich geworden, wie die meisten von ihnen mehr oder weniger stark gegen den Nationalsozialismus eingestellt waren. Die Aufzeichnungen (Wendler 2005) von Hermann Brügelmann mit der dezidierten Meinung von Salin bestätigen diesen Eindruck (Wendler 1996):
„Die Reichstagswahl vom 14.09.1930 bringt den berühmten parteipolitischen ‚Bergrutsch‘. In die atomisierten bürgerlichen Parteien, wohl auch schon in die geschwächte Sozialdemokratie bricht die NSDAP Adolf Hitlers ein, die mit 107 Abgeordneten ihre Vertretung im Reichstag verneunfacht (bisher 12 Mandate aus der Wahl vom 20.05.1928) . Der nationalsozialistische Wahlsieg beschäftigt das ganze Volk. Noch gibt es viele, die den Erfolg für zufällig und einmalig halten, weil sie ihn ausschließlich auf das Konto der Wirtschaftskrise, insbesondere der immer weiter um sich greifenden Arbeitslosigkeit schieben, deren Schlepperdienste sie überschätzen.“
Als der Präsident der Reichsbank, Hans Luther, den Vorsitzenden der FLG bittet, das Wirtschaftsprogramm der Nationalsozialisten zum Gegenstand einer Tagung zu machen, wird eine vorbereitende Kommission gebildet, der die Professoren Bernhard Harms, Erwin v. Beckerath, Julius Landmann, Friedrich Lenz und Edgar Salin angehören sollen. Bereits nach der ersten Sitzung kamen Salin auf der Rückfahrt nach Basel erhebliche Bedenken, die er am 17.11.1930 Harms mitteilte: „Wollte man über das Wirtschaftsprogramm der N.S. diskutieren, so wäre es notwendig, sie hinzu zu bitten. Will man dagegen die ideologische und soziologische Bedeutung der ganzen Bewegung klären, so scheint mir dies letztlich nur in ihrer Abwesenheit möglich. Hier kann kontradiktorisch gar nichts herauskommen, im Gegenteil, die N.S. selbst müssen, wenn sie irgendeinen Instinkt haben, es ablehnen, sich bei lebendigem Leib sezieren zu lassen. Die nochmalige Überlegung der Frage einer Zulassung der N.S. scheint mir vor allem aus folgenden Gründen erforderlich: ich unterstelle, dass alle Konferenzteilnehmer keine andere Absicht haben, als die der Erkenntnisgewinnung (eine Unterstellung, die natürlich bei mindestens der Hälfte der Teilnehmer nicht zutrifft). Aber selbst in diesem Fall bleibt die Anberaumung einer solchen Konferenz in diesem Augenblick eine politische Handlung. Der Leiter der Konferenz muss daher nicht nur wissenschaftliche, sondern auch staatsmännische Erwägungen anstellen. Über ein wirtschaftliches oder politisches Programm lässt sich diskutieren. Über den Geist oder Ungeist einer Bewegung kann man nicht diskutieren, sondern hiermit kann nur der abrechnen, der aus tiefer Verwurzelung im deutschen Geist zu sprechen befugt ist. Die ‚Wissenschaft‘ wäre vermessen, wenn sie als solche sich an diese geistige Aufgabe wagte, die sie nicht bewältigen kann.“
„Das Ergebnis der Konferenz kann, wenn es auf eindeutige Negierung sämtlicher nationalsozialistischer Tendenzen hinausläuft, gewiss für den gegenwärtigen Staat von politischem Nutzen sein. Ich verkenne diese Möglichkeit nicht, würde es aber meinerseits ablehnen, darin mitzuwirken. Sehr viel wahrscheinlicher erscheint mir, dass die Konferenz nicht auf eine eindeutige Negation hinausläuft, sondern dass das Ergebnis ebenso zwiespältig sein wird, wie die Bewegung selbst es ist. In diesem Fall ist zwar Erkenntnis gewonnen, aber die Wirkung wird vom Standpunkt des heutigen Staates aus destruktiv sein, und die Beamtenschaft, die Herr Luther durch die Konferenz zu stützen hofft, wird durch die Ergebnisse der Konferenz nur noch unsicherer und haltloser werden.“
Diese dezidierte Stellungnahme hat letztlich dazu geführt, dass sich auch bei den anderen Kommissionsmitgliedern die Überzeugung durchgesetzt hat, bei einer solchen Konferenz könne nicht mehr als ein ‚Klugschnacken‘ herauskommen.
Von 1931 an wurde die Situation für die FLG immer prekärer. Schließlich sieht sich die Gesellschaft zur Auflösung gezwungen, der am 11.08.1934 durch die Eintragung ins Stuttgarter Vereinsregister formal Rechnung getragen wurde. Gerade noch vor Torschluss konnte die Gesamtausgabe abgeschlossen werden.
Nach dem Krieg hat Edgar Salin seinem Idol folgendes Zeugnis ausgestellt: „Lists Bild der politischen Zukunft ist frei von allen jenen Übersteigerungen, welche den nihilistischen Nationalsozialismus des 20. Jahrhunderts kennzeichnet, das dem liberalen Schwaben, der selbst genügsam unter der Despotie gelitten hatte, dem die harmonische Ausbildung und Bewahrung der Rechtsordnung als kulturelle Voraussetzung, als ethische Norm und als politisches Ziel für das Leben des Einzelnen wie der Völker erschien. Der Vorkämpfer des Deutschen Zollvereins, der Herold der ‚politisch-ökonomischen Nationaleinheit der Deutschen‘, besaß auch und gerade in außenpolitischen Fragen genügend Augenmaß, um die Grenzen des Möglichen deutschen Aufstiegs wahrzunehmen und festzulegen.“
„Weitsichtiger als alle Politiker seiner Zeit sah List in seinem ‚Vermächtnis‘ die unentrinnbare Teilung der Welt in einige große Imperien voraus. Er schrieb sein ‚Nationale System der Politischen Ökonomie‘, aber das nationale System war nicht nationalistisch und es war durchaus nicht auf Deutschland begrenzt.“ Salin fährt fort: „Im Ganzen ist die verständnislose Aufnahme des List’schen Systems ein sprechender Beleg für die großen Schwierigkeiten, mit denen in Deutschland die meisten wissenschaftlichen und besonders die eigensten deutschen Leistungen der politischen Ökonomie zu kämpfen hatten. Während in England und Frankreich eine breite Schicht die Werke der Klassik trug, aufnahm und weitergab, fehlt es in dem politisch immer zersplitterten Land der Mitte an überragenden Staatsmännern, welche die politische Bedeutung dieser für die deutsche Nation als aufstrebendem Staat zweiten Grades, Ziel und Maß geben, den die Lehre hätte auswerten können. Den gelehrten Kreisen der Zeit fehlte jene philosophische und methodische Schulung, die allein den Ausbau des List’schen Kräftebildes zu einer strengen Leistungslehre gestattet hätte.“

18 Schlussbemerkung

Die von Salin verfasste und 1935 „unterdrückte Einführung“ zu Band IX des Neudrucks der Gesamtausgabe endet mit einem Zitat des französischen Nationalökonomen Henri Richelot (1811–1864). Dieser war mit List persönlich bekannt und beide haben sich sehr geschätzt. „Das Schicksal Lists würde ein ganz anderes gewesen sein, wenn er in England zur Welt gekommen wäre und seinem Vaterland in gleicher Weise gedient hätte. England würde ihn mit Ehren überschütten und zu den ersten Würden des Staates befördert haben. Sollte aber einmal das politisch wiedergeborene deutsche Volk einen Ruhmestempel, ein Walhalla, dem Andenken derjenigen errichten, die an seiner Wiedergeburt gearbeitet haben, dann wird es an der Schwelle desselben eine Ehrensäule für Friedrich List hinstellen müssen“ (Salin 1971) – und so möchte man hinzufügen, auf der Rückseite hätten dann auch die Namen der Herausgeber der Gesamtausgabe noch den ihnen gebührenden Platz.
Wiederum durch Salins treibende Kraft wurde dann am 30.06.1955 in Reutlingen die neue List-Gesellschaft (LG) gegründet. Zu diesem Anlass wurde eine Kupfermedaille geprägt (Abb. 12).
1959 schaltete sich Edgar Salin mit zwei Reden zur europäischen Politik in die damalige Diskussion zur Gründung der EWG ein. Beide Beiträge stellte er unter das Thema „Friedrich List – Kerneuropa und die Freihandelszone“. Hierbei brachte er Lists Bedeutung auf folgenden Nenner: „er hat der deutschen Industrie Selbstbewusstsein und Stimme gegeben, er hat in großen Zügen dem französischen wie dem deutschen Eisenbahnwesen das landumspannende Netz vorgezeichnet, er hat den Amerikanern, den Franzosen und zuletzt den Deutschen ihr nationales System der politischen Ökonomie entworfen. Er hat ohne Titel und ohne Amt mit den Regenten der deutschen wie der amerikanischen Staaten sowie von Belgien, Frankreich, England auf gleichem Fuß verkehrt und ihnen seine Pläne der Neugestaltung der Welt vorgetragen. Die Welt hat ihr Angesicht gründlich verändert seit jenen Tagen, da List seine Bittschrift der deutschen Kaufleute und Fabrikanten schrieb. Der alte Gedanke einer Herrschaft Europas über die Welt erscheint als kaum mehr verständlicher Aberwitz und das Eintreten für eine Kontinentalallianz hat nur noch Sinn in der Defensive durch Zusammenschluss den Rest von Europa zu retten, der, aufgespalten, über kurz oder lang einem der Machtgiganten erliegen müsste. Und selbst eine Kontinentalallianz bliebe von innen her gefährdet, wenn nicht Frankreich seine europäische Aufgabe als Leitziel festhält und wenn nicht in Deutschland für immer jene nationalistische Neurose überwunden ist, in der Nietzsche den Bazillus der tödlichen Bedrohung des deutschen Geistes und der europäischen Einheit erkannte. In diesem Sinn ist der europäische Zollverein auf die Dauer gewiss am besten: ein großeuropäischer Zollverein, der einzige, der letzte noch offene Weg. Und darum dürfen wir Lists Motto für unsere Zeit wohl mit leiser Sehnsucht und zager Hoffnung ändern in:
Ét la patrie et l’Europe et l’humanité!“
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Literature
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Metadata
Title
Erinnerung an die ehemalige „Friedrich List-Gesellschaft (FLG)“ – Würdigung ihres Initiators Edgar Salin sowie der anderen Herausgeber der Gesamtausgabe von Lists „Schriften/Reden/Briefen“
Author
Eugen Wendler
Publication date
20-04-2021
Publisher
Springer Berlin Heidelberg
Published in
List Forum für Wirtschafts- und Finanzpolitik / Issue 2-4/2021
Print ISSN: 0937-0862
Electronic ISSN: 2364-3943
DOI
https://doi.org/10.1007/s41025-021-00221-8

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