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2020 | Book

Filme über Vernichtung und Befreiung

Die Rhetorik der Filmdokumente aus Majdanek 1944-1945

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About this book

Dieses Buch leistet einen wichtigen Beitrag zur Filmgeschichtsschreibung der frühen alliierten KZ-Befreiungsfilme. „Majdanek“ wurde von sowjetischen und polnischen Kameraleuten der Roten Armee aufgenommen, in Moskau geschnitten und in einer polnischen und in einer russischen Version produziert. Die polnische Version wurde im November 1944 anlässlich des ersten Volksgericht gegen SS-Leute und Lagerpersonal in Lublin uraufgeführt. Das Buch schildert die politische Situation in Lublin und Warschau im Sommer 1944, bezieht unbekannte Quellen (zur sowjetischen Zensur, Schnittlisten der polnischen und sowjetischen Kameraleute) ein und beantwortet die Frage, warum keine der beiden Filmversionen den Holocaust zu ihrem Thema machen konnte.

Table of Contents

Frontmatter
Kapitel 1. KL Lublin und Vernichtungslager Majdanek 1944–45: Namen der Orte – Personen – Filme
Zusammenfassung
Die ersten Dokumentarfilmaufnahmen der Alliierten, die ein KZ von innen zeigten, waren nicht die in der westlichen Welt weithin bekannten Befreiungsfilme von auf deutschem Territorium befindlichen Lagern aus dem Frühjahr 1945, sondern entstanden neun Monate früher, im deutschen Konzentrationslager (KL) Lublin, das in der letzten Juliwoche 1944 von seinen Befreiern die Bezeichnung Majdanek erhielt.
Natascha Drubek-Meyer
Kapitel 2. Farnichtung – die osteuropäische Rezeption und Darstellung des Genozids an den Juden
Zusammenfassung
Der Begriff „Holocaust“ geht auf das griechische holókaustos („gänzlich verbranntes Opfer“) zurück, der in der Bibel bzw. in der klassischen Antike im Kontext der Brandopferung von Tieren verwendet wurde. In einem antijüdischen Zusammenhang taucht es zum ersten Mal im Mittelalter in einem christlichen Chroniktext auf, der ein Pogrom gegen die Londoner Juden beschreibt. Der sich ursprünglich auf Opfertiere beziehende Begriff wird erst im 20. Jahrhundert hauptsächlich auf Menschen übertragen, d. h. „Holocaust“ bezeichnet nun ein mit Hilfe von Feuer gebrachtes Menschenopfer.
Natascha Drubek-Meyer
Kapitel 3. Schädel, Objets trouvés und fiktiver Rauch: Wie und wozu Orte der Vernichtung filmen?
Zusammenfassung
Aufgrund der spezifischen Ansprüche, die die Propagandamacher der UdSSR – damals noch im Krieg mit Hitlerdeutschland – an dieses Bildmaterial hatten, war die dokumentarische Wahrhaftigkeit der Gesamtheit der in den KZs gemachten Aufnahmen nur insofern relevant, als diese Aufnahmen als Propaganda im Krieg dienen konnten oder einen künftigen juristischen Wert hatten, etwa als Beweismittel. V. a. die finalen Montagen sind daher eher an Agitation und dem Sammeln von Beweisen mit der Kamera orientiert und nicht mit unseren Vorstellungen von visueller Geschichtsschreibung oder einer neutralen Dokumentation zu vereinbaren. Das Filmen der Spuren von (Kriegs)verbrechen für ein späteres Gerichtsverfahren folgt anderen Prinzipien als das objektive Dokumentieren. Im gleichen rhetorischen Kontext stehen auch andere mediale Formen, die heute allzu wörtlich genommen und daher missverstanden werden.
Natascha Drubek-Meyer
Kapitel 4. Schlachtfeld und Schauplatz Polen: 1944 bis heute
Zusammenfassung
Am 22. Juni 1944 drang die Rote Armee mit der Operation Bagration nach Ostpolen vor und erreichte in der Lublin-Brest-Offensive erst die Weichsel und am 21. Juli den Fluss Bug. In der letzten Juliwoche konnte die Armee unvorhergesehen rasch gen Westen in das sogenannte „Generalgouvernement“ vordringen und das Gebiet der „Aktion-Reinhardt“-Mordstätten Belzec (Bełżec), Sobibor (Sobibór) und Treblinka II einnehmen, die von der SS weitgehend als solche unkenntlich gemacht worden waren. Während der deutschen Besatzung lag Belzec an der Kreuzung der Distrikte Lublin, Galizien und Krakau, Sobibór 100 km östlich und Treblinka 200 km nördlich von Lublin bzw. 120 km von Warschau entfernt. Sobibór und Bełżec waren nicht weit von sowjetischem Gebiet.
Natascha Drubek-Meyer
Kapitel 5. Produktion der Filme
Zusammenfassung
Allein in Treblinka wurden mindestens zehnmal mehr Menschen ermordet als im KL Lublin/Majdanek. Warum führten im Sommer 1944 die Überlebenden die Kameraleute nicht in die anderen ebenfalls im Juli 1944 entdeckten Lager Treblinka, Sobibor und Belzec – schließlich wissen wir aus Grossmans Bericht von 1944, dass es genug Zeugen gab? Shneer (2010) begründet dies durch die Tatsache, dass dort keine Anlagen mehr zu finden waren, während Majdanek genug Filmbares aufwies: Gebäude, Gegenstände, Apparaturen und sterbliche Überreste in verschiedener Gestalt und aus allen Etappen der Geschichte des Lagers ab 1941.
Natascha Drubek-Meyer
Kapitel 6. Zwei Fassungen, Zensur, Politik der Premieren und mediale Fronten
Zusammenfassung
In dieser Gegenüberstellung beziehe ich mich auf die polnischsprachige Fassung (23:35 Min. aus der Filmoteka Narodowa) und die im IWM aufbewahrte russischsprachige Fassung (15:02 Min.), die in etwa die gleiche Laufzeit hat wie die deutsche Fassung im Bundesarchiv mit 15:04 Min, da dies diejenigen Versionen sind, auf die in der (vornehmlich westlichen) Forschung Bezug genommen wurde und die am ehesten verbreitet bzw. zugänglich sind.
Natascha Drubek-Meyer
Kapitel 7. Die Filmteams
Zusammenfassung
Identität, Herkunft wie auch Vorkriegskarriere des Ehepaars Ford sind für das Verständnis der Majdanek-Filme höchst relevant. Aleksander Ford (Abb. 7.1) selbst gibt in Dokumenten Łódź als Geburtsort und seine Nationalität als polnisch an, und als Bildungsweg: Studium der Kunstgeschichte in Warschau. Dies ist laut den Recherchen des Ford-Biografen M. Danielewicz jedoch nicht durch Dokumente belegbar, wie auch sein Geburtsjahr, das entweder als 24.11.1907 oder 1908 angegeben wird (Danielewicz 2019, S. 18).
Natascha Drubek-Meyer
Kapitel 8. Film-Vorschriften und Zensur: das unterdrückte Zeugnis und „organisierte“ Zeugen
Zusammenfassung
Auch wenn in Memoiren, Oral-History-Quellen oder Interviews (etwa dem Zeugnis von A. Voroncov in dem britischen Film von André Singer Night Will Fall, GB 2014) anders dargestellt, hatten sowjetische Kameraleute spätestens ab Herbst 1943 klare Anweisungen, was sie in einer Situation wie sie die Entdeckung eines KZs darstellte, zu filmen hatten.
Natascha Drubek-Meyer
Kapitel 9. Die ersten Filme über die farnichtung: Chancen und Hindernisse
Zusammenfassung
Auch wenn die sowjetischen Berichterstatter, allen voran Simonov, der seine Reportage angeblich vorzeitig abgeschickt hatte, eine internationale journalistische Sensation geahnt haben mögen, erfüllten sich diese Hoffnungen in den ersten Wochen nach der Entdeckung des Lagers nicht. Dies beginnt bereits mit der Wahrnehmung des Ereignisses durch die Medienvertreter der westlichen Alliierten, die dem aus Moskau zur Verfügung gestellten Bild- und Textmaterial zu diesem Ereignis nicht vorbehaltslos Glauben schenkten bzw. ihm nicht die gebührende Bedeutung zumaßen.
Natascha Drubek-Meyer
Erratum zu: Filme über Vernichtung und Befreiung
Natascha Drubek-Meyer
Metadata
Title
Filme über Vernichtung und Befreiung
Author
Natascha Drubek-Meyer
Copyright Year
2020
Electronic ISBN
978-3-658-30531-4
Print ISBN
978-3-658-30530-7
DOI
https://doi.org/10.1007/978-3-658-30531-4