1991 | OriginalPaper | Chapter
Gegen den Strom nationaler Politik: Zum Verhältnis zwischen Metropolen und Zentralstaat — das Beispiel London und New York
Author : Adrienne Windhoff-Héritier
Published in: Staat und Stadt
Publisher: VS Verlag für Sozialwissenschaften
Included in: Professional Book Archive
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Metropolen löcken gerne wider den Stachel zentralstaatlicher Politik und erzielen dabei einen Aufmerksamkeitseffekt, der aus ihrer ökonomischen, soziokulturellen und politischen Bedeutung fließt. Ihr Verhältnis zum Zentralstaat wird dadurch jedoch ein gespanntes. Aber warum sollten Metropolen einen Konfliktkurs zur Zentralregierung steuern? Sind sie als solche eher in der Lage und willens, eine Oppositionsstrategie des „lokalen Staates“ gegen den Zentralstaat zu fahren? Einige Faktoren unterschiedlicher Art sprechen dafür: Manche Städte — zumal in Westeuropa — erheben einen historisch begründeten konkurrierenden Führungsanspruch gegenüber dem Nationalstaat. Bei allen Metropolen leitet sich ein solcher aus der Zentralität ihrer ökonomisch-finanziellen Funktionen sowie aus ihrer sozio-kulturellen Führungsrolle ab, die maßgeblich an der Konstruktion kritischer Gegenentwürfe zur bestehenden Gesellschaft beteiligt ist. Spannungen wurzeln schließlich in dem Umstand, daß im Zuge der Industrialisierung die armen Massen in die Städte strömten, eine Kluft zwischen Arm und Reich und ein politisches Unruhepotential entstand, über das der Zentralstaat immer besorgt seine Kontrolle zu etablieren suchte. Da die großen Städte in massierter Form mit den schwierigen Lebensbedingungen der Armen unmittelbar konfrontiert sind, drängen sie mit ihrem sozialdemokratisch oder sozialistisch orientierten Wählerpotential auf wohlfahrtsstaatliche Interventionen und treten zu dieser in Opposition, sofern deren Politik konservativ-bürgerlich orientiert ist. Frühe Beispiele dafür bieten die „Poplar’s Bewegung” im London der 20er Jahre, in deren Rahmen ein von Labour kontrolliertes Council und eine Armenbehörde gegen den Willen der Zentralregierung mehr Unterstützungsleistungen bezahlte und dafür ins Gefängnis wanderte (Gyford 1985: 10), oder die Initiativrolle des New Yorker „Tammany“ Politikers Al Smith bei der Entwicklung sozialpolitischer Leistungen in den 20er Jahren, die dann als Vorbild für den New Deal dienten (Caro 1975).