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06-03-2019 | Gewässerschutz | Interview | Article

"Neues Frühwarnsystem zur Belastung von Badestellen"

Author: Nico Andritschke

4:30 min reading time

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Interviewee:
Dr. Pascale Rouault

Dr. Pascale Rouault ist Prokuristin und Bereichsleiterin „Urbane Systeme“ am Kompetenzzentrum Wasser Berlin. Sie ist Projektleiterin des BMBF-Verbundvorhabens Flusshygiene.

 

Städtische Flussbäder sollen eine Renaissance erleben, wechselnde hygienische Qualität der Fließgewässer steht dem meist entgegen. Was zu tun ist, zeigen Forschungsergebnisse und Dr. Pascale Rouault. Ein Interview mit der Expertin für Flusshygiene.

Springer Professional: Die Qualität der heimischen Gewässer entspricht häufig nicht den Anforderungen aus der EU-Wasserrahmenrichtlinie (WRRL). Dennoch in Bochum, München, Berlin und anderswo lebt seit Jahren die Idee eines Flussbads in der Großstadt. Ist es die Chance unseren Flüssen wieder die nötige Aufmerksamkeit zu widmen?

Pascale Rouault: Flussbäder in der Großstadt sind in Deutschland etwas Besonderes. Sie erweitern die Erholungsmöglichkeit für alle, die nicht motorisiert sind und die Stadt jederzeit verlassen können. Die Badegewässerqualität und die EU-WRRL haben zwar nur bedingt miteinander zu tun, aber das Thema „Baden in städtischen Flüssen“ kann sicherlich als Einstieg dienen, um die Themen Wasserqualität in Fließgewässern und Gewässerschutz der Öffentlichkeit näher zu bringen.

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Mensch und Fließgewässer

Dieses Kapitel zeigt, in welcher Weise der Mensch mit den Gewässern verbunden ist. Es beginnt mit der Darstellung der frühen Nutzungen, wie zum Beispiel Flößerei, Teichwirtschaft und Wassermühlen. Heute sind es bei den größeren Gewässern …


Drei Jahre wurde im Verbundprojekt Flusshygiene intensiv geforscht. Was sind wesentliche Erkenntnisse des Projekts und wo liegen die besonderen Herausforderungen bei den Fließgewässern, die sie untersucht haben?

Im Projekt Flusshygiene haben Fachleute aus der Forschung, Verwaltung und auch aus Entwässerungsbetrieben intensiv zusammengearbeitet. Dabei ist eine Fülle von Ergebnissen entstanden. Es konnte beispielsweise gezeigt werden, dass bestimmte einzellige Protozoen für die sogenannte Selbstreinigungskraft der Gewässer verantwortlich sind und einen erheblichen Teil von Krankheitskeimen eliminieren können. Auch Viren können von diesen Organismen als Nahrung verwertet werden. Zudem wurde ein Frühwarnsystem zur Vorhersage von hygienischen Belastungen an Badestellen entwickelt und in der letzten Badesaison in Berlin getestet. Darüber hinaus wurde das von Behörden und Entwässerungsbetrieben eingesetzte Gewässergütemodell "QSim" weiterentwickelt, sodass Bewirtschaftungsmaßnahmen der Stadtentwässerung und Abwasserreinigung zur Verbesserung der hygienischen Wasserqualität nun immissionsseitig bewertet werden können.

Alle Fließgewässer die wir untersucht haben, kennzeichnen bestimmte Charakteristika: Sie werden sehr intensiv und vielfältig genutzt – Schifffahrt, Einleitung von gereinigtem Abwasser, Regenwasser, Mischwasser und so weiter. Dadurch haben sie oft eine stark schwankende Wasserqualität.  All dies macht die Planung, Überwachung und Bewirtschaftung von Badegewässern nicht einfach. Die in "Flusshygiene" erarbeiteten Werkzeuge ermöglichen es nun jedoch, die Herkunft fäkaler Belastungen zu verorten, die Wirksamkeit von Maßnahmenkombinationen vorherzusagen, die Bevölkerung zeitnah vor Belastungen zu warnen und neue mögliche neue Standorte von Badestellen vor dem Hintergrund unterschiedlicher Nutzungen zu bewerten. Alle diese Ergebnisse und Methoden werden in Kürze veröffentlicht.

Wie ist der Spagat von guter ökologischer, chemischer und hygienischer Qualität der Fließgewässer zu schaffen?

Der Spagat ist unter Umständen nicht allzu groß. Häufig bedeutet eine gute ökologische und chemische Qualität der Fließgewässer eine Verringerung oder eine bessere Behandlung der Einträge aus der Stadtentwässerung. Diese Maßnahmen führen meist auch zu einer Verbesserung der hygienischen Qualität. Andersherum kann man das aber leider nicht sagen. Maßnahmen, die auf eine gute hygienische Qualität an einem bestimmten Badegewässer abzielen, führen nicht immer zwangsläufig zu einer Verbesserung der chemischen oder ökologischen Qualität. Wenn beispielsweise zum Schutz einer Badestelle eine Mischwassereinleitungsstelle nur umgeleitet wird, ist das zwar gut für die betroffene Badestelle. Dem chemischen oder ökologischen Zustand des gesamten Gewässers ist damit jedoch wenig gedient. 

Im Projekt wurden die Relevanz unterschiedlicher Eintragspfade ermittelt und Veränderungen des Flusses, zum Beispiel nach Starkregenereignissen, untersucht. Wo liegen die Schwerpunkte bei den Einträgen und welche Veränderungen wurden festgestellt?

Die Schwerpunkte liegen im urbanen Bereich bei der Stadtentwässerung, das heißt im Regenwetter vor allem bei Einleitungen aus der Mischwasserkanalisation. Aber auch Regenwasser­-Einleitungen sind nicht unbedenklich. Ausgewaschener Tierkot von Straßen, vor allem aber Falsch- und Fehlanschüsse in der Siedlungsentwässerung führen hier zu Einträgen von Fäkalkeimen und humanpathogenen Viren. Das gefährdet die Einhaltung der Badegewässergrenzwerte und führt zu einem Gesundheitsrisiko für Badende.

In Berlin haben die Berliner Wasserbetriebe beispielsweise ein umfangreiches Investitionsprogramm in Stauraumkanäle und Mischwasserspeicher realisiert bzw. errichten weitere Reinigungsstufen. Worauf sollten Bewirtschaftungsmaßnahmen für die Gewässer künftig ausgerichtet werden und wie können diese durch Prognoseinstrumente und Frühwarnsysteme unterstützt werden?

Das Frühwarnsystem, das eingerichtet wurde, kann Badende frühzeitig vor Verschmutzungen warnen und schützt sie davor, sich hygienischen Belastungen auszusetzen. Dies ist ein großer Fortschritt gegenüber dem früheren Status, bei dem mehrere Tage auf mikrobiologische Analysen gewartet werden musste, bevor eine Verschmutzung gemeldet werden konnte.

Zukünftige Maßnahmen werden höchstwahrscheinlich eine Mischung aus zentralen und dezentralen Maßnahmen werden, wenn man die Entwicklung in der Stadt beobachtet. Der Koalitionsvertrag in Berlin verspricht die Umsetzung und Weiterentwicklung der KURAS-Methode und eine Abkopplung von 1 Prozent der Gebäude- und Grundstücksflächen pro Jahr von der Mischwasserkanalisation. Das Projekt KURAS hatte gezeigt, dass nur die Kombination von vielen verschiedenen Maßnahmen zum Schutz von Gewässern führen kann. Die in Flusshygiene entwickelten Prognoseinstrumente und Modelle können auf jedem Fall für die Planung von weiteren Bewirtschaftungsmaßnahmen genutzt werden.

Ab wann wird öffentliches Baden in der Spree möglich sein?

Um diese Frage zu beantworten müsste ich Politikerin sein! Ich bin nur Wissenschaftlerin und würde die Frage gerne ergänzen mit der Frage „und wo“?

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