2008 | OriginalPaper | Chapter
Governance als verwaltungsrechtswissenschaftliches Analysekonzept
Authors : Hans-Heinrich Trute, Doris Kühlers, Arne Pilniok
Published in: Governance in einer sich wandelnden Welt
Publisher: VS Verlag für Sozialwissenschaften
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Die Attraktivität der Governance-Perspektive liegt aus rechtswissenschaftlicher Sicht auf den ersten Blick nur begrenzt nahe. Das liegt zunächst an der unklaren Verwendung des Governance-Begriffs (Benz et al. 2007: 14 f.; Voßkuhle 2006: Rn. 68; produktiv gewendet bei Schuppert 2007). Dazu kommt, dass rechtliche Formen der Handlungskoordinierung in vielen sozialwissenschaftlichen Beiträgen zu Governance vor allem mit dem Governance-Modus Hierarchie identifiziert werden und insoweit normativ transformierbare Aussagen aufgrund der damit verbundenen Grobkörnigkeit eher schwer erreichbar scheinen. Die übrigen Governance-Modi wie etwa Wettbewerb, Verhandlungen und Netzwerke stellen auf den ersten Blick nichtrechtliche Mechanismen der Handlungskoordinierung dar, die dann für eine normative Perspektive nicht unmittelbar bedeutsam erscheinen. Aussichtsreicher wirkt dann zunächst ein Steuerungsansatz, der eher an herkömmliche Perspektiven der Rechtswissenschaft anknüpft (Voßkuhle 2006: Rn. 21). So soll der Steuerungsbegriff als normativer Zurechnungs- und Rechtsfolgezusammenhang verstanden werden (Bumke 2004; Hoffmann-Riem 2006; Voßkuhle 2006), wobei freilich nicht immer deutlich wird, was damit jenseits klassischer rechtswissenschaftlicher Fragestellungen für die Analyse gewonnen wird. über den Steuerungsansatz soll allerdings auch eine Ausdifferenzierung und Erweiterung des Untersuchungsgegenstandes erfolgen. Dadurch sollen die Einbeziehung von Personal, Organisation und Verfahren ebenso wie von anderen Formen staatlichen Handelns wie Warnungen, Empfehlungen oder monetäre Ansätze ermöglicht und darüber hinaus die Wirkungszusammenhänge und Wechselbeziehungen zwischen unterschiedlichen Instrumenten berücksichtigt werden (Voßkuhle 2006: Rn. 24). Daher liegt eine gewisse Nähe zu Fragen, die auch im Rahmen des Governance-Ansatzes thematisiert werden, auf der Hand. übergreifende Wirkungszusammenhänge und unterschiedliche „Steuerungsmedien“ stehen im Zentrum einer Governance-Analyse. Ebenso ist nicht zu übersehen, dass der Governance-Ansatz eine Perspektivänderung auf veränderte Formen von Staatlichkeit beinhaltet (Schuppert 2006) und insoweit an rechtswissenschaftliche Entwicklungen und Diskussionen durchaus anschließen kann. Dazu braucht man nur auf die Stichworte Europäisierung, Internationalisierung und Privatisierung zu verweisen. Diese Entwicklungen stellen aber zugleich das in Frage, was den Steuerungsansatz ausmacht: wer steuert wen, mit welchen Instrumenten und mit welchem Erfolg? Die Governance- Perspektive zieht insoweit gerade die Konsequenz aus der Einsicht, dass politische Steuerung in Reaktion auf die gesellschaftliche Pluralität, Dynamik und Komplexität der zu bewältigenden Aufgaben durch unterschiedliche staatliche und nichtstaatliche Akteure auf unterschiedlichen Ebenen und mit je nach Feldern unterschiedlichen Formen und Instrumenten stattfindet und damit nicht oder nicht notwendig mehr einem zentralen Steuerungssubjekt zugeschrieben werden kann (Mayntz 2005: 13 f.).