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1999 | Book | 3. edition

Industriebetriebslehre

Author: Prof. Dr. Helmut Kurt Weber

Publisher: Springer Berlin Heidelberg

Book Series : Springer-Lehrbuch

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About this book

Dieses Lehrbuch der Industriebetriebslehre behandelt in einer genetischen Vorgehensweise alle im Zusammenhang mit der Gründung, Führung und Beendigung eines Industriebetriebs auftretenden Fragen. Einführend werden Begriff und Arten des Industriebetriebs vorgestellt. Das Buch schildert die Ziele des Industriebetriebs und die bei der Zielverfolgung zu beachtenden Nebenbedingungen wettbewerbsrechtlicher, umweltrechtlicher, arbeits- und sozialrechtlicher Art. Das Wirtschaften im Industriebetrieb wird funktionsorientiert betrachtet. Nach Analyse des Kernbereichs des Industriebetriebs, der Produktion, werden die Beschaffung, der Absatz, die Finanzierung, die Organisation und das Personalwesen im Industriebetrieb behandelt.

Table of Contents

Frontmatter
1. Betriebswirtschaftslehre der Industrie als Spezielle Betriebswirtschaftslehre
Zusammenfassung
1)
Hier soll das betriebswirtschaftliche Lehr-und Forschungsgebiet, welches sich auf den Industriebetrieb bezieht, behandelt werden.1
 
2)
Eingangs bedarf der Klärung, wie dieses Gebiet am besten bezeichnet wird. In Betracht kommen folgende Begriffe:
 
a)
Industriebetriebslehre
 
b)
Betriebslehre der Industrie
 
c)
Wirtschaftslehre der Industriebetriebe
 
d)
Industriebetriebswirtschaftslehre
 
e)
Betriebswirtschaftslehre der Industrie
 
f)
Industrielle Betriebswirtschaftslehre
 
3)
Die Bezeichnung a) ist eingeführt und gängig. In ihr kommt jedoch nicht zum Ausdruck, daß es sich um eine Wirtschaftslehre handelt, ebenso wenig wie in der Bezeichnung b). Alle anderen Bezeichnungen haben einen höheren Aussagewert. Die Bezeichnungen c) und d) sind jedoch zu umständlich. Die Bezeichnung f) wäre treffend und knapp; aber für andere Spezielle Betriebswirtschaftslehren, wie für diejenige des Handels und für diejenige der Banken, lassen sich keine entsprechenden Bezeichnungen bilden. Daher verbleibt die Bezeichnung e) als die am besten geeignete.
 
4)
Hier wird uneinheitlich verfahren. Als Titel wurde der übliche Begriff der Industriebetriebslehre gewählt. Im Text soll jedoch von der Betriebswirtschaftslehre der Industrie gesprochen werden. Vielleicht setzt sich dieser Begriff im Laufe der Zeit durch.
 
5)
Nach Klärung der Bezeichnung des zu behandelnden Lehr-und Forschungsgebiets ist dessen Inhalt zu umreißen. Dies kann jedoch nicht in einem Zuge, sondern muß schrittweise geschehen. In den folgenden beiden Abschnitten wird auf die Betriebswirtschaftslehre der Industrie als Wissenschaft eingegangen.
 
Helmut Kurt Weber
2. Industriebetrieb als Gegenstand der Betriebswirtschaftslehre der Industrie
Zusammenfassung
1)
Nachdem wir im vorhergehenden Teil auf die Betriebswirtschaftslehre der Industrie als Wissenschaft eingegangen sind, wollen wir uns nun dem Industriebetrieb als Gegenstand dieser Wissenschaft zuwenden. Zunächst bedarf der Begriff des Industriebetriebs einer Klärung.
 
2)
Auf jeden Fall ist zutreffend, daß Industriebetriebe Güter produzieren, anders als Haushalte, die Güter konsumieren.
Offenkundig ist zudem, daß Industriebetriebe Güter materieller Art produzieren.
Allerdings werden materielle Güter nicht nur von Industriebetrieben hergestellt. Daher bedarf der Industriebetrieb der Abgrenzung von anderen sog. Sachleistungsbetrieben.
Zudem ist zu fragen, ob nur materielle Güter und nicht auch immaterielle Güter von Industriebetrieben hervorgebracht werden. Daher bedarf der Industriebetrieb der Abgrenzung von den sog. Dienstleistungsbetrieben.
 
3)
Vorher soll jedoch noch auf die historischen Vorläufer des Industriebetriebs eingegangen werden, damit das Wesentliche dessen, was den heutigen Industriebetrieb ausmacht, besser erkennbar wird.
 
Helmut Kurt Weber
3. Wirtschaften des Industriebetriebs
Zusammenfassung
1)
Das Wirtschaften des Industriebetriebs ist komplexer Art. Es besteht aus vielen einzelnen Entscheidungen, Handlungen und Vorgängen, die auf mannigfache Weise ineinandergreifen.
 
2)
Um das Wirtschaften des Industriebetriebs wissenschaftlich zu analysieren, können etwa folgende Wege beschritten werden:
 
a)
Man fragt nach den Zielen, die der einzelne Betrieb verfolgt, wie diese Ziele gesetzt und verwirklicht werden (= zielorientierte Vorgehensweise).
 
b)
Man fragt nach den Entscheidungen, die der einzelne Betrieb zu treffen hat, wie diese Entscheidungen zustande kommen und ausgeführt werden (= entscheidungsorientierte Vorgehensweise).
 
c)
Man fragt nach den Aufgaben oder Funktionen, die der einzelne Betrieb zu erfüllen hat, und wie diese Funktionen wahrgenommen werden (= funktionsorientierte Vorgehensweise).
 
d)
Man stellt auf die Personen des einzelnen Betriebs, auf die Wirtschaftssubjekte, ab. Dabei ist von den Eigentümern oder den Eigenkapitalgebern auszugehen und die Betrachtung auszudehnen auf: die Fremdkapitalgeber, die Arbeitskräfte, die Lieferanten, die Kunden, die staatlichen Stellen (= wirtschaftssubjektbezogene Betrachtungsweise).
 
e)
Man stellt auf die Gegenstände des Wirtschaftens, auf die Wirtschaftsobjekte, ab. Dies sind die zu beschaffenden, die zu produzierenden und die abzusetzenden Güter sowie das Geld (= wirtschaftsobjektbezogene Betrachtungsweise).
 
f)
Man sieht den einzelnen Betrieb im Zeitablauf und untersucht seine Lebensphasen, wie Gründung, Expansion, Kontraktion, Liquidation, Insolvenz (= genetische Betrachtungsweise).
 
3)
Würde man alle diese Wege beschreiten, erhielte man ein vollständiges Bild. Aber dies ist im Rahmen einer einzigen Untersuchung unmöglich.
 
4)
Wir wollen von den Zielen des Industriebetriebs ausgehen. Allerdings sollen auch die Beschränkungen aufgezeigt werden, denen ein Betrieb bei der Verfolgung seiner Ziele im Rahmen der in der Bundesrepublik Deutschland geltenden Wirtschaftsordnung unterliegt. Vgl. Abschnitt 4.
 
5)
Naheliegenderweise wird dann die Gründung des Industriebetriebs behandelt. Vgl. Abschnitt 5.
 
Helmut Kurt Weber
4. Zielsystem des Industriebetriebs
Zusammenfassung
Unter dem Zielsystem des Wirtschaftsbetriebs sollen hier nicht nur die Ziele verstanden werden, die der Betrieb verfolgt, sondern auch die Nebenbedingungen, die Restriktionen, die er bei Verfolgung seiner Ziele zu beachten hat. Denn Ziele und Nebenbedingungen gehören unmittelbar zusammen.1
Helmut Kurt Weber
5. Gründung des Industriebetriebs
Zusammenfassung
Die heute bestehenden Industriebetriebe sind nur zum Teil als solche gegründet worden. Zum Teil sind sie aus anderen Wirtschaftsbetrieben entstanden, vor allem aus Handwerksbetrieben, die in eine andere Dimension hineinwuchsen, sowie aus Handelsbetrieben, die vom Fremdbezug von Waren zur Eigenerstellung übergingen.
Helmut Kurt Weber
6. Produktionswirtschaft des Industriebetriebs
Zusammenfassung
1)
Unter der Produktion1 generell ist die Herstellung von Gütern zu verstehen, unter der industriellen Produktion speziell die Herstellung von materiellen Gütern.
 
2)
Die von Industriebetrieben hergestellten materiellen Güter wollen wir im Abschnitt 6.2. über Produkte behandeln, die Herstellung im Abschnitt 6.4. über Produktionsprozesse.
 
3)
Hier sei zunächst ein Überblick über die Phasen der Herstellung materieller Güter gegeben. Bei idealtypischer Betrachtung lassen sich etwa folgende Schritte unterscheiden:
a)
nach Klärung der Frage im Rahmen der Absatzwirtschaft, lair welche Produkte Absatzchancen bestehen: Entwicklung eines Produkts;
 
b)
Klärung der Frage, zu welchen Kosten das entwickelte Produkt herstellbar ist, sowie gegebenenfalls Entscheidung zur Herstellung;
 
c)
Festlegung der Produkteigenschaften und der Produktbestandteile; im Zusammenhang damit Erstellung einer Stückliste oder einer Rezeptur sowie Ausstellung von Materialentnahmescheinen;
 
d)
Festlegung der Produktionsmethoden und -verfahren, der einzusetzenden Maschinen und Arbeitskräfte sowie der benötigten Betriebsstoffe; im Zusammenhang damit Aufstellung von Arbeitsplänen, Erstellung von Maschinenbelegungsplänen, Ausstellung von Maschinenkarten und Lohnscheinen;
 
e)
Festlegung der Produktionsmengen und der Produktionstermine; im Zusammenhang damit Erstellung von Terminkarten;
 
f)
Bereitstellung der für die Herstellung des Produkts erforderlichen Produktionsfaktoren, d.h. der Maschinen, der Arbeitskräfte, der Roh-, Hilfs-und stoffe; wobei die Produktionsabteilung auf die Mitwirkung der Beschaffungsabteilung und der Personalabteilung angewiesen ist;
 
g)
Vorbereitung der Produktion, d.h. Einweisung der Arbeitskräfte, Einstellung der Maschinen;
 
h)
Vollzug der Produktion, d.h. Inbetriebnahme der Maschinen und Einsatz der Betriebsstoffe, Inanspruchnahme der Arbeitsleistungen, Einsatz der Roh-und Hilfsstoffe sowie deren Veränderung durch die gewählte Produktionstechnologie;
 
i)
Kontrolle der Qualität des entstandenen Produkts, sofern diese nicht produktionsbegleitend erfolgt;
 
k)
Transport des entstandenen Produkts vom Ort der Entstehung zum Lager;
 
l)
Lagerung des Produkts, wofür entweder noch die Produktionsabteilung oder schon die Absatzabteilung zuständig ist; dagegen obliegt die sich anschließende Auslieferung auf jeden Fall der Absatzabteilung;
 
m)
Erfassung der produzierten Mengen, der Produktionszeiten, der Maschinen-und Beschäftigtenstunden, des Roh-, Hilfs-und Betriebsstoffverbrauchs sowie der Istkosten.
  • Wie dieser Katalog zeigt, greifen die betrieblichen Funktionen der Produktion, der Beschaffung und des Absatzes auf mannigfache Weise ineinander.
 
 
4)
In diesem Zusammenhang sei auf die in der angloamerikanischen Literatur entwickelte Vision der factory of the future hingewiesen, die auch in die deutsche Literatur übernommen wurde.1
 
5)
Nach dieser Vorstellung soll der Herstellungsprozeß wie folgt ablaufen:
a)
computergestützter Produktentwurf (CAE = computer aided engineering);
 
b)
computergestützte Produktkonstruktion (CAD = computer aided design);
 
c)
computergestützte Arbeitsplanung (CAP = computer aided programming);
 
d)
computergestützte Fertigung (CAM = computer aided manufacturing);
 
e)
computergestützte Qualitätssicherung (CAQ = computer aided quality ensurance).
 
 
6)
Dieser Herstellungsprozeß soll mit Hilfe eines Produktionsplanungs-und Produktionssteuerungssystems (PPS) wie folgt gelenkt werden:
a)
Auftragssteuerung;
 
b)
Kalkulation;
 
c)
Planung des Primärbedarfs;
 
d)
Materialwirtschaft;
 
e)
Kapazitätsterminierung;
 
f)
Kapazitätsabgleich;
 
g)
Auftragsfreigabe;
 
h)
Fertigungssteuerung;
 
i)
Betriebsdatenerfassung
 
k)
Kontrolle der Mengen, Zeiten und Kosten;
 
l)
Versandsteuerung.
 
 
7)
Beide Teilsysteme warden in einem sog. Y-Modell zusammengefaßt (vgl. Abbildung 6.1). Dabei wird deutlich, daß zwischen den beiden Ästen starke Überschneidungen bestehen.
 
8)
Wir wollen hier nicht nach den einzelnen Phasen der Herstellung materieller Güter vorgehen, sondern nach den schon im Abschnitt über die Gründung des Betriebs aufgeworfenen Fragen:
a)
nach der Art Produkts bzw. Der Art der Produkte;
 
b)
nach der Zahl der Produkte, dem Umfang des Produktionsprogramms;
 
c)
nach der Zusammensetzung des Kreises der Produkte, der Zusammensetzung des Produktionsprogramms;
 
d)
nach der Produktionsmenge;
 
e)
nach der Art des Produktionsprozesses, den Produktionsmethoden und Produktionsverfahren;
 
f)
nach den Produktionsfaktoren;
 
g)
nach der Produktionsdauer und dem Produktionsrhythmus;
 
h)
nach dem Ort der Produktion;
 
i)
nach den Kosten der Produktion.
Die genannten Fragen hängen so eng miteinander zusammen, daß sie gemeinsam beantwortet warden müßten. Aber abgesehen davon, daß dies schon grundsätzlich kaum möglich ist: hier bleibt nichts anderes übrig, als nacheinander auf einzugehen. Allerdings soll die Frage nach der Produktionsmenge gleich mit derjenigen nach den Produktionskosten verknüpft warden.
  • Im übrigen können hier nicht alle der genannten Fragen mit der gleichen Intensität behandelt warden. So sollen die Fragen nach der Produktionszeit und dem Produktionsort unter diejenigen nach dem Produktionsprozeß subsumiert warden.
 
 
Helmut Kurt Weber
7. Beschaffungswirtschaft des Industriebetriebs
Zusammenfassung
Eingangs bedarf der Begriff der Beschaffungswirtschaft1 einer inhaltlichen Bestimmung. Eine solche ist in zweifacher Hinsicht vorzunehmen:
a)
nach Objekten und
 
b)
nach Tätigkeiten.
 
Helmut Kurt Weber
8. Absatzwirtschaft des Industriebetriebs
Zusammenfassung
Der Begriff der Absatzwirtschaft1 bedarf einer inhaltlichen Bestimmung. Eine solche ist ebenso wie bei demjenigen der Beschaffungswirtschaft in zweifacher Hinsicht vorzunehmen:
a)
nach Objekten und
 
b)
nach Tätigkeiten.
 
Helmut Kurt Weber
9. Finanzwirtschaft des Industriebetriebs
Zusammenfassung
1)
Zur Abgrenzung des Begriffs der Finanzwirtschaft1 kann ebenfalls nach Objekten und nach Tätigkeiten vorgegangen werden, entsprechend dem Vorgehen bei Abgrenzung des Begriffs der Beschaffungswirtschaft und des Begriffs der Absatzwirtschaft.
 
2)
Als Objekt der Finanzwirtschaft ließen sich die Finanzmittel bezeichnen. Aber eine solche Erklärung wäre nur als vorläufig anzusehen. Denn der Begriff der Finanzmittel ist unbestimmt und bedarf seinerseits der Erklärung. Eine solche soll im nächsten Abschnitt versucht werden.
 
3)
Unter den Tätigkeiten der Finanzwirtschaft ließen sich alle diejenigen zusammenfassen, die sich auf Finanzmittel beziehen. Sie können endgültig jedoch erst nach Klärung des Begriffs der Finanzmittel präzisiert werden. Dies sei daher im übernächsten Abschnitt versucht.
 
Helmut Kurt Weber
10. Organisation des Industriebetriebs
Zusammenfassung
1)
Nachdem wir in den vorhergehenden Teilen die güterbezogenen Funktionen der Beschaffung, der Produktion und des Absatzes sowie die geldbezogene Funktion der Finanzierung behandelt haben, wollen wir uns der Frage zuwenden, wer diese Funktionen im Industriebetrieb auszuführen hat. Dies soll unter dem Stichwort der Organisation1 geschehen.
 
2)
Eingangs bedarf der für den vorliegenden Teil gewählte Begriff der Organisation einer Klärung. Dieser ist von demjenigen des Organs abgeleitet; daher soll von jenem ausgegangen werden.
 
3)
Mit Organen sind in der Biologie und in der Medizin Teile eines Lebewesens gemeint, denen bestimmte Lebensäußerungen eigen sind und die bestimmte Funktionen erfüllen. In der Staatslehre werden unter Organen Institutionen des Staates für bestimmte Aufgaben, wie Gesetzgebung, Gesetzesausführung und Rechtsprechung, verstanden. In den Rechtswissenschaften sind mit Organen vor allem die Einrichtungen gemeint, durch welche juristische Personen handeln, wie bei einer AG die Hauptversammlung, der Aufsichtsrat und der Vorstand.
  • Weithin werden also unter Organen die Träger von Funktionen oder Aufgaben verstanden. Dementsprechend können auch in den Wirtschaftswissenschaften die Organe als Träger von wirtschaftlichen Funktionen aufgefaßt werden. In diesem Sinne stellen die Wirtschaftsbetriebe schlechthin Organe dar, aber auch die Teile eines Wirtschaftsbetriebs, was hier relevant ist.
 
4)
An diesen Begriff des Organs anknüpfend, kann man unter Organisation bezogen auf den einzelnen Wirtschaftsbetrieb verstehen:
a)
die Bildung von kleineren Einheiten innerhalb des Betriebs zur Übernahme von bestimmten Teilaufgaben innerhalb der Gesamtaufgabe;
 
b)
das Gefüge der kleineren Einheiten, der Teile des Betriebs.
Im Fall a) ist mit Organisation die Tätigkeit des Organisierens gemeint, im Fall b) ist mit Organisation das Ergebnis dieser Tätigkeit, der erreichte Zustand, gemeint. Wir wollen hier die Organisation im ersten Sinne als Tätigkeit auffassen.
 
 
5)
Die Organe zur Wahrnehmung von Aufgaben im Wirtschaftsbetrieb sind letztlich die Menschen, die natürlichen Personen: die Eigentümer und die Arbeitskräfte. Dennoch wendet man sich in der Organisationslehre und Organisationspraxis nicht direkt den Personen zu. Man versucht, einen produktiven Umweg einzuschlagen und abstrakte Aufgabenträger abzugrenzen. Damit will man sich von der Individualität einer Person sowie vom Personenwechsel unabhängig machen.
  • Solche abstrakten Aufgabenträger sind in einem Wirtschaftsbetrieb vor allem die sog. Stellen und die sog. Abteilungen.
 
6)
Die Stelle gilt als die kleinste organisatorische Einheit im Wirtschaftsbetrieb.1 Normalerweise ist eine Stelle so konzipiert, daß sie mit einer einzigen Person besetzt werden kann, daß ihre Aufgaben von einer Person allein wahrgenommen werden können. Dies gilt z.B. fir die Stelle des Vorstandsvorsitzenden einer AG, für diejenige des Leiters einer Abteilung.
  • Ausnahmsweise mag eine Stelle jedoch auch so angelegt sein, daß ihre Aufgaben von mehreren Personen gemeinsam wahrgenommen werden müssen. Dies gilt z.B. für den Vorstand einer AG, der aus mehreren Mitgliedern besteht. Denn dem Vorstand sind eine Reihe von Angelegenheiten übertragen, über die die Mitglieder gemeinsam zu beraten und zu beschließen haben.
    • Dementspresonend ist zu unterscheiden zwischen:
      a)
      Einpersonenstellen, Individualorganen oder Singularinstanzen und
       
      b)
      Mehrpersonenstellen, Kollegialorganen oder Pluralinstanzen.
       
 
7)
Die Abteilung gilt als eine größere organisatorische Einheit im Wirtschaftsbetrieb.2 Sie setzt sich aus mehreren Stellen, genauer aus mehreren Einpersonenstellen, zusammen.
  • Häufig wird eine Abstufung nach Hauptabteilungen, Abteilungen und Unterabteilungen vorgenommen Kommt man mit diesen Bezeichnungen, wegen der Vielzahl der zu bildenden Organisationseinheiten, nicht mehr aus, fahrt man zusätzliche Bezeichnungen wie Bereiche, Sparten ein.
 
8)
Nach Klärung der grundlegenden Begriffe können wir uns nunmehr der Sache selbst zuwenden.
 
Helmut Kurt Weber
11. Personalwirtschaft des Industriebetriebs
Zusammenfassung
1)
Nachdem wir im vorhergehenden Teil die Frage behandelt haben, welche Organe bzw. Stellen zur Wahrnehmung der Aufgaben des Betriebs geschaffen werden sollen, wollen wir uns der Frage zuwenden, mit welchen Personen diese Organe bzw. Stellen zu besetzen sind. Dies soll unter dem Stichwort der Personalwirtschaft1 geschehen.
 
2)
Statt des Begriffs der Personalwirtschaft könnte auch derjenige der Arbeitswirtschaft gewählt werden.
  • Dagegen wäre der Begriff der Arbeitswissenschaft zu umfassend. Denn mit Arbeitswissenschaft ist eine interdisziplinäre Wissenschaft gemeint, eine Zusammenfassung von Teilgebieten aus verschiedenen Wissenschaften, und zwar von solchen Teilgebieten, die sich im Rahmen ihrer Wissenschaft jeweils mit der menschlichen Arbeit beschäftigen.
    • Dabei handelt es sich etwa um folgende Disziplinen:
      a)
      a) die Personal-oder Arbeitswirtschaft (die die menschliche Arbeit unter ökonomischen Aspekten betrachtet);
       
      b)
      b) das Arbeitsrecht (das die menschliche Arbeit unter juristischen Aspekten betrachtet);
       
      c)
      c) die Arbeitstechnologie (die die menschliche Arbeit in technischer Hinsicht, d.h. im Hinblick auf die Handhabung von Rohstoffen, Werkzeugen, Maschinen etc., sieht);
       
      d)
      d) die Arbeitsphysiologie (die sich mit dem Verhalten des menschlichen Organismus bei der Arbeit befaßt);
       
      e)
      e) die Arbeitsmedizin (die die menschliche Arbeit unter gesundheitlichem Aspekt betrachtet);
       
      f)
      f) die Arbeitspsychologie (die die Arbeitskräfte als Individuen sieht);
       
      g)
      g) die Arbeitssozialpsychologie (die die einzelne Arbeitskraft in ihren Beziehungen zu anderen Arbeitskräften sieht);
       
      h)
      h) die Arbeitssoziologie (die die Arbeitskräfte als Teil der menschlichen Gesellschaft sieht).
       
 
3)
3) Die Personal-oder Arbeitswirtschaft ist also im Zusammenhang mit anderen Teilgebieten der Betriebswirtschaftslehre ebenso wie im Zusammenhang mit Teilgebieten anderer Wissenschaften zu sehen. Diesen vielfältigen Beziehungen vermögen wir hier jedoch nicht nachzugehen. Wir müssen uns auf die ökonomischen Fragen konzentrieren. Aber selbst diese können nicht alle behandelt werden. Wir wollen uns beschränken auf die Fragen nach der Zahl und der Art der Arbeitskräfte, der Wahl der Arbeitskräfte, dem Eingehen und der Beendigung von Arbeitsverhältnissen, der Entlohnung der Arbeitskräfte sowie der Mitbestimmung der Arbeitskräfte.
 
Helmut Kurt Weber
12. Beendigung des Industriebetriebs
Zusammenfassung
1)
1) Ein treffender Gegenbegriff zu demjenigen der Gründung fehlt.
  • Der naheliegende Begriff der Auflösung ist durch das AktG in einem recht engen Sinne festgelegt (vgl. § 262). Bei seiner Verwendung in einem anderen Sinne kann es leicht zu Mißverständnissen kommen.
  • Im Zusammenhang mit dem Begriff der Auflösung steht im AktG derjenige der Abwicklung. Aber auch dieser ist dort in einem recht engen Sinne festgelegt (vgl. § 264). Zudem hat er wenig Aussagekraft.
  • Daher wollen wir hier allgemein von der Beendigung des Wirtschaftsbetriebs sprechen.
 
2)
2) Unter die Beendigung sind auf jeden Fall so unterschiedliche Vorgänge zu subsumieren, wie derjenige der Liquidation und derjenige der Stillegung bei Insolvenz.
  • Mit der Beendigung könnte aber auch gemeint sein der Verkauf des Betriebs durch seine bisherigen Eigentümer an andere Eigentümer. Der Eigentümerwechsel soll hier jedoch nicht betrachtet werden.
  • Mit der Beendigung könnte ferner bezogen auf einen Industriebetrieb gemeint sein, daß die bisherige industrielle Tätigkeit aufgegeben und statt dessen z.B. eine Handelstätigkeit übernommen wird. Aber auch dieser Wandel der ökonomischen Tätigkeit soll hier nicht betrachtet werden.
  • Dagegen wollen wir in die Betrachtung einbeziehen die Aufgabe der wirtschaftlichen Selbständigkeit des Betriebs sowie die Aufgabe der rechtlichen Selbständigkeit des Betriebs.
 
3)
3) Insgesamt sollen daher hier folgende einzelne Vorgänge unter den Begriff der Beendigung subsumiert und behandelt werden:
 
a)
a) die Aufgabe der wirtschaftlichen Selbständigkeit des Betriebs unter Beibehaltung der rechtlichen Selbständigkeit bei Fortführung der wirtschaftlichen Aktivitäten, kurz: die Einbeziehung des Betriebs in einen Konzern;
 
b)
b) die Aufgabe der wirtschaftlichen und der rechtlichen Selbständigkeit des Betriebs bei Fortführung der wirtschaftlichen Aktivitäten, kurz: die Fusion des Betriebs mit einem anderen Betrieb;
 
c)
c) die freiwillige Einstellung der wirtschaftlichen Aktivitäten verbunden mit dem Untergang des Betriebs als Rechts-und Wirtschaftssubjekt, kurz: die Liquidation;
 
d)
d) die erzwungene Einstellung der wirtschaftlichen Aktivitäten verbunden mit dem Untergang des Betriebs als Rechts-und Wirtschaftssubjekt im Fall der Ablehnung einer Betriebsfortführung bei Insolvenz.
 
Helmut Kurt Weber
Backmatter
Metadata
Title
Industriebetriebslehre
Author
Prof. Dr. Helmut Kurt Weber
Copyright Year
1999
Publisher
Springer Berlin Heidelberg
Electronic ISBN
978-3-642-58421-3
Print ISBN
978-3-540-65507-7
DOI
https://doi.org/10.1007/978-3-642-58421-3