Diese Arbeit befasst sich mit langem Gedächtnis, speziell mit langem Gedächtnis in Finanzzeitreihen. Langes Gedächtnis bedeutet: Die empirischen Autokorrelationen einer Zeitreihe fallen nicht exponentiell, sondern hyperbolisch mit dem zeitlichen Abstand ab. Eine genaue Definition gibt Kapitel 2. Dieses Verhalten kann mehrere Ursachen haben:
(1)
langsam abklingende theoretische Autokorrelationen von stationären stochastischen Prozessen,
(2)
Strukturbrüche oder Trends in der deterministischen Komponente eines stochastischen Prozesses,
(3)
chaotisches Verhalten im deterministischen Teil einer stochastischen Zufallsfolge. Die ersten beiden
Stellvertretend für Finanzmarktdaten betrachtet dieses Kapitel vor allem Aktienrenditen. Der Darstellung von Campbell et al. (1997, Kap. 7) folgend, sei dazu Pt der Wert einer Anlage am Ende der Periode t. nach (eventueller) Zahlung einer Dividende. Die zeitstetige Rendite rt ist dann definiert durch:
Langes Gedächtnis kommt nicht nur häufig in Finanzzeitreihen vor, sondern auch in zahlreichen Zeitreihen, die den Datenaustausch in kabelgebundenen Netzwerken beschreiben, vgl. Leland et al.(1994). Eine solche Zeitreihe ist etwa die Dauer bis zum nächsten Eintreffen von Daten am Prozessor eines Rechners. Im Gegensatz zur Ökonometrie erklären in der Informatik jedoch oft deterministische Prozesse mit intermittierendem Chaos das lange Gedächtnis, vgl. etwa Erramilli et al.(1995) und Mondrag´on (1999).
Dieses Kapitel simuliert verschiedene deterministische Prozesse mit intermittierendem Chaos. Im Mittelpunkt steht dabei die Frage, ob deren empirische Autokorrelationen ähnlich wie die in den Abschnitten 3.4 und 3.5 beschriebenen theoretischen Autokorrelationen abfallen. Dies ist insbesondere für deterministische Prozesse mit einer logarithmischen erzeugenden Funktion von Interesse, da für sie bisher noch kein direkter Zusammenhang zwischen ihrem Gedächtnisparameter und dem Parameter ihrer erzeugenden Funktion existiert.
Diese Arbeit reiht deterministische Prozesse mit intermittierendem Chaos neben den in der Ökonometrie etablierten potentiellen Verursachern von langem Gedächtnis (stochastische Prozesse mit hyperbolisch abfallenden theoretischen Autokorrelationen, Trends oder Strukturbrüche im deterministischen Teil von stochastischen Prozessen) ein. Deterministische Prozesse mit intermittierendem Chaos entstehen durch die Iteration von nichtlinearen Funktionen, die entweder einen eindeutigen stabilen/instabilen neutralen Fixpunkt oder einen eindeutigen schwach instabilen neutralen Fixpunkt besitzen. Der so erzeugte deterministische Prozess weist sowohl Phasen mit stabilem als auch mit chaotischem Verhalten auf. Dabei wechseln sich diese Phasen in unregelmäßigen Zeitabständen gegenseitig ab.
Karsten Webel
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Intermittierendes deterministisches Chaos als mögliche Erklärung für ein langes Gedächtnis in Finanzmarktdaten