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30-01-2020 | Kapitalertragsteuer | Interview | Article

"Die Besteuerung von Kapitalvermögen ist komplex"

Author: Angelika Breinich-Schilly

4:30 min reading time

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Interviewee:
Ulrich Stache

war Regierungsdirektor im Hessischen Ministerium der Finanzen. Er ist Mitherausgeber und Mitautor verschiedener steuerrechtlicher Kommentare sowie Fachbuch-Autor.

Kapitalvermögen und Spekulationsgeschäfte sind ein umfangreiches Steuergebiet. Springer-Autor Ulrich Stache erläutert im Interview rechtliche Grundlagen, die gerichtliche Praxis, Auswirkungen der DSGVO sowie neuer Technologien. 

Wo finden Interessierte die zentralen Regelungen für die Besteuerung der Einkünfte aus Kapitalvermögen und Spekulationsgeschäften?

Es handelt sich hierbei um eine komplexe Materie. Die zentralen Regelungen für die Besteuerung der Einkünfte aus Kapitalvermögen sind im § 20 Einkommensteuergesetz (EStG) und aus privaten Veräußerungsgeschäften in § 23 EStG enthalten, soweit es sich bei den Empfängern um natürliche Personen handelt. Geht es um Einnahmen von Körperschaften, sind die Regelungen des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) zu beachten. Wichtig sind hier insbesondere die Regelungen der Paragrafen 7, 8 und 8a. 

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2019 | Book

Kapitaleinkünfte und Spekulationsgeschäfte

Rechtsgrundlagen und Besteuerung

Das Steuerrecht kennt eine Fülle von Fragen, die im Rahmen der Besteuerung der Einkünfte aus Kapitalvermögen und aus Spekulationsgeschäften beachtet werden müssen. Ziel dieses Buches ist es, die komplexe Thematik zum leichteren Verständnis und zur besseren Übersicht aufzuarbeiten.

Gibt es noch andere wichtige Vorgaben?

Ja, daneben gibt es weitere Rechtsvorschriften, die sich mit der Bewertung von Vorgängen befassen. Für die Durchführung der Besteuerung gibt es zahlreiche Regelungen im EStG, KStG, Gewerbesteuergesetz (GewStG), Umsatzsteuergesetz (UStG), ferner im Geldwäschegesetz (GwG) und im Investmentsteuergesetz. Zu den gesetzlichen Vorschriften und ihren Auslegungen sind jeweils diverse Richtlinien und Anwendungsschreiben des Bundesministeriums der Finanzen sowie Urteile der Finanzgerichte (FG) und des Bundesfinanzhofes (BFH) ergangen.

Das klingt sehr komplex. Können Sie uns kurz die gesetzlichen Grundprinzipien in diesem Rechtsgebiet darstellen?

Im Einzelnen sind zum Beispiel bei natürlichen Personen die Einnahmen aus Kapitalvermögen anzusetzen nach § 20 EStG. Das umfasst Gewinnanteile, also Dividenden, sowie Ausbeuten und sonstige Bezüge aus Aktien. Das sind Genussrechte, mit denen das Recht am Gewinn und Liquidationserlös einer Kapitalgesellschaft verbunden ist, aus Anteilen an Gesellschaften mit beschränkter Haftung, an Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften sowie an bergbautreibenden Vereinigungen, welche die Rechte einer juristischen Person haben. Zu den sonstigen Bezügen gehören ausdrücklich auch verdeckte Gewinnausschüttungen.

Können Sie diese Einnahmen genauer beschreiben?

Es handelt sich um Bezüge, die nach Auflösung einer Körperschaft oder Personenvereinigung im vorstehenden Sinne anfallen und die nicht in der Rückzahlung von Nennkapital bestehen. Gleiches gilt für Bezüge, die aufgrund einer Kapitalherabsetzung oder nach der Auflösung einer unbeschränkt steuerpflichtigen Körperschaft oder Personenvereinigung anfallen und die als Gewinnausschüttung gelten. Zu den steuerpflichtigen Einnahmen gehören auch 

  • Investmenterträge nach § 16 des Investmentsteuergesetzes,
  • Spezial-Investmenterträge nach § 34 des Investmetsteuergesetzes,
  • Einnahmen aus der Beteiligung an einem Handelsgewerbe als stiller Gesellschafter und aus partiarischen Darlehen, es sei denn, dass der Empfänger als Mitunternehmer anzusehen ist,
  • Zinsen aus Hypotheken und Grundschulden 
  • sowie Renten aus Rentenschulden.

Wie sieht es denn bei Versicherungen aus?

Bei Versicherungen zählt als Einnahme der Unterschiedsbetrag zwischen der Versicherungsleistung und der Summe der auf sie entrichteten Beiträge, die sogenannten Erträge, im Erlebensfall oder bei Rückkauf des Vertrags bei Rentenversicherungen mit Kapitalwahlrecht. Dies gilt, soweit nicht die lebenslange Rentenzahlung gewählt und erbracht wird, und bei Kapitalversicherungen mit Sparanteil, wenn der Vertrag nach dem 31. Dezember 2004 abgeschlossen worden ist. Aber auch Stillhalterprämien, die für die Einräumung von Optionen vereinnahmt werden gehören dazu. Schließt der Stillhalter ein Glattstellungsgeschäft ab, mindern sich die Einnahmen aus den Stillhalterprämien um die im Glattstellungsgeschäft gezahlten Prämien.

In welche Richtung tendieren derzeit die deutschen Gerichte? 

Zu den diversen beispielhaft dargestellten Gründen, die zu steuerpflichtigen Einnahmen aus Kapitalvermögen führen, liegt eine Vielzahl an FG- und BFH-Urteilen und -Entscheidungen sowie Verwaltungsanweisungen vor, die zu beachten sind. Dabei geht es häufig um Auslegungsfragen. 

Was sagt zum Beispiel der BFH? 

Der BFH geht grundsätzlich vom Gesetzestext aus. Das Gericht setzt sich mit dem zu entscheidenden Sachverhalt auseinander und prüft, ob und gegebenenfalls wie das Gesetz auf diesen Sachverhalt anzuwenden ist. Das Ergebnis dieser Prüfung wird in der Schlussverhandlung verkündet und den Parteien des Verfahrens schriftlich mit Begründung mitgeteilt. Wichtig ist, dass sich die BFH-Richter in der Urteilsbegründung ausführlich mit dem Rechtsfall auseinandersetzen. Dabei kann es durchaus vorkommen, dass das Gericht von seiner bisherigen Rechtsauslegung abweicht. Dies muss dann genau begründet werden. Würde er diese Begründung unterlassen oder die Änderung gegenüber der bisherigen Rechtsauslegung und dem Gesetzeswortlaut nicht nachvollziehbar der Rechtslage entsprechen, besteht für den betroffenen Steuerpflichtigen die Möglichkeit, das Bundesverfassungsgericht anzurufen. Ein gutes Beispiel für einen mustergültigen Aufbau liefert ein Urteil aus dem Jahr 2001 mit dem Aktenzeichen VIII R 35/00.

Wie müssen neue Technologien im Finanzsektor aus steuerrechtlicher Sicht beurteilt werden? Haben Sie für uns ein Beispiel aus der Praxis?

Seit dem 25. Mai 2018 ist die Verordnung zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46 EG, die sogenannte Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO), unmittelbar geltendes Recht in allen Mitgliedstaaten der EU. Ziel dieser Verordnung ist ein gleichwertiges Schutzniveau für die Rechte und Freiheiten von natürlichen Personen bei der Verarbeitung von Daten in allen Mitgliedstaaten. Das Bundesdatenschutzgesetz wurde an diese Verordnung angepasst. 

Was bedeutet das im Detail?

Die DSGVO ist gesetzestechnisch als Verbot mit Erlaubnisvorbehalt konzipiert worden. Deswegen benötigen rechtmäßige Datenverarbeitungen immer eine Erlaubnis, andernfalls sind sie datenschutzwidrig und damit rechtswidrig. Im öffentlichen Bereich, also auch in Verwaltungsverfahren in Steuersachen, ist die Verarbeitung personenbezogener Daten nur rechtmäßig, wenn die Verarbeitung zur Erfüllung einer rechtlichen Verpflichtung erforderlich ist und für die Wahrnehmung einer Aufgabe erforderlich ist, die im öffentlichen Interesse liegt. Personenbezogene Daten dürfen also nicht einfach für andere Zwecke weiterverwendet werden. Diese Grundsätze müssen stets beachtet werden. Sollen neue Technologien oder neue Arbeitsverfahren eingesetzt werden, müssen diese die vorstehenden rechtlichen Anforderungen erfüllen.

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