Um physisch (Belastungen durch Aktionskräfte und repetitive Vorgänge) und kognitiv (Belastungen durch Verdichtung, enge Taktgebundenheit und Zeitdruck) hoch belastende manuelle Tätigkeiten leichter auszuführen zu können, stehen im Fabrikalltag inzwischen zahlreiche Handhabungsgeräte beginnend bei einfachen Werkzeugen über körpergetragene Hebehilfen oder Orthesen bis hin zu Exoskeletten zur Verfügung. Allerdings, so die Springer-Autoren Hölzel, Schmidtler, Knott und Bengler in "Technische Unterstützungssysteme", bleiben diese Assistenzsysteme häufig ungenutzt, "da sie zusätzlich Zeit zum Greifen, Positionieren und Wiederablegen benötigen" (Seite 148).
Der Großteil der Systeme weise derzeit vor allem im Bereich des flexiblen Einsatzes in der Praxis sowie der Akzeptanz durch den Anwender enormes Verbesserungspotenzial auf, lautet die Zwischenbilanz der Springer-Autoren. Orthesen sind überdies meist sehr starr und können zu Druckstellen führen. Das Start-up-Unternehmen "A+ Composites" hat jetzt ein kostengünstiges, materialsparendes Verfahren vorgestellt, mit dem nach Angaben des Gründers Markus Brzeski Orthesen, aber auch Prothesen passgenau nach Kundenwünschen hergestellt werden können.
Spezieller Faser-Matrix-Verbund
Im Rahmen seiner Promotion an der Technischen Universität Kaiserslautern hat Brzeski das Verfahren für seine Geschäftsidee entwickeln können: "Wir nutzen einen thermoplastischen Kunststoff, der in seiner Konsistenz zähflüssigem Honig ähnelt", so der Ingenieur. Dieser wird mit Kohlenstofffasern kombiniert. Dabei kommt es auf den spezifischen Faser-Matrix-Verbund an: "Es ist im Prinzip so, als ob man mit Honig jedes Haar auf der Kopfhaut ummantelt. Auf diese Weise ist jede einzelne Faser vom Kunststoff umgeben", sagt der Ingenieur, dessen Start-up vom Bundeswirtschaftsministerium (BMWi) im Rahmen des EXIST-Programms gefördert wird.
Zwei neue Innovationscluster
Neben solchen mechanischen Verbesserungen soll künftig die Digitalisierung die interaktiven Möglichkeiten von Prothesen und Implantaten erweitern. Das Bundesforschungsministerium (BMBF) gab Ende letzten Jahres bekannt, dass es zwei neue, auf fünf Jahre angelegte Innovationscluster zur interaktiven Medizintechnik mit rund 19 Millionen Euro fördern will. Beide Cluster sind Teil des Forschungsprogramms "Technik zum Menschen bringen", das von 2016 bis 2020 mit rund 350 Millionen Euro ausgestattet ist, um interaktive Technologien für ein besseres Zusammenspiel zwischen Mensch und Technik zu fördern. Das Innovationscluster INOPRO forscht an intelligenten Prothesen und Orthesen, die sich aktiv auf die Bedürfnisse des Menschen einstellen können und eine intuitive Kommunikation ermöglichen. Ein Fokus der Arbeiten wird dabei auf fühlenden Prothesen liegen, die Berührungen erfassen und entsprechende Tastsignale an die Patienten weitergeben können.
Interaktive Mikroimplantate
Die Forscherteams des Innovationsclusters INTAKT arbeiten an neuen interaktiven Mikroimplantaten. Sie sollen etwa einen Tinnitus durch eine gezielte neuromuskuläre Stimulation unterdrücken, die Therapie von Funktionsstörungen des Verdauungstrakts unterstützen oder Greiffunktionen der Hand wieder herstellen. Eine zentrale Anforderung an die neuen Produkte ist der lebenslange Verbleib der Implantate im Körper. Optimale Biokompatibilität, hohe Betriebssicherheit und stabile Energieversorgung sind hier die technischen Herausforderungen.
84 Prozent der Bundesbürger halten die Forschung zu digitalen Medizinprodukten für wichtig oder sehr wichtig. 90 Prozent könnten sich sogar vorstellen, sich bei einer schwerwiegenden Erkrankung ein digitales Implantat einsetzen zu lassen. Das geht aus einer aktuellen Umfrage hervor, die das Meinungsforschungsinstitut Forsa im Auftrag des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) durchgeführt hat.