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2019 | Book

Kontrolle von Mindestlöhnen

Authors: Prof. Dr. Gerhard Bosch, Frederic Hüttenhoff, Dr. Claudia Weinkopf

Publisher: Springer Fachmedien Wiesbaden

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About this book

Im Buch werden die Ergebnisse der ersten umfassenden empirischen Untersuchung zur Kontrolle von Mindestlöhnen in Deutschland präsentiert. Es bietet am Beispiel von drei Branchen (Bauhauptgewerbe, Fleischwirtschaft, Gastgewerbe) einen Überblick zu Herausforderungen und Problemen bei der Durchsetzung (Enforcement) und Einhaltung (Compliance) von Mindestlöhnen. Auf der Basis zahlreicher Interviews mit Expertinnen und Experten aus der Praxis (z. B. Gewerkschaften, Arbeitgeberverbände, Zoll) und einer umfassenden Auswertung der breiten internationalen Forschungsliteratur werden Ansatzpunkte und Strategien aufgezeigt, um die Einhaltung und Durchsetzung von Mindestlöhnen nachhaltig zu verbessern.

Table of Contents

Frontmatter
Kapitel 1. Einleitung
Zusammenfassung
Deutschland galt lange Zeit als ein Land mit vergleichsweise geringer sozialer Ungleichheit und hoher Beschäftigungssicherheit. Die Produktivitätszuwächse wurden prozentual gleichmäßig verteilt, sodass die Einkommensverteilung stabil blieb und alle Bevölkerungsschichten vom wirtschaftlichen Wachstum profitierten. Die Entgelte wurden von starken Sozialpartnern autonom auf Branchenebene ausgehandelt.
Gerhard Bosch, Frederic Hüttenhoff, Claudia Weinkopf
Kapitel 2. Wirkungen des gesetzlichen Mindestlohns – Bisherige Erkenntnisse
Zusammenfassung
In diesem Kapitel wird ein Überblick zum Stand der bisherigen Umsetzung des gesetzlichen Mindestlohns in Deutschland sowie zu vorliegenden Erkenntnisse aus ersten ökonomischen Studien zu den Auswirkungen auf Löhne und Beschäftigung gegeben. Diese haben gezeigt, dass die Stundenlöhne am unteren Rand des Lohnspektrums im Zuge der Mindestlohneinführung um fast 5 % gestiegen sind und damit deutlich stärker als in den Jahren zuvor gestiegen sind, ohne dass es zu den im Vorfeld befürchteten Beschäftigungsverlusten gekommen ist. Überdurchschnittliche Lohnsteigerungen verzeichneten Frauen, Beschäftigte in kleineren Betrieben, ausländische Arbeitskräfte, geringfügig Beschäftigte und Personen ohne Berufsausbildung. Gleichzeitig gibt es auch deutliche Hinweise darauf, dass der gesetzliche Mindestlohn in Deutschland noch nicht flächendeckend eingehalten wird.
Gerhard Bosch, Frederic Hüttenhoff, Claudia Weinkopf
Kapitel 3. Wechselwirkungen zwischen Mindest- und Tariflöhnen
Zusammenfassung
Hier stehen die Wechselwirkungen von Mindestlöhnen und dem Tarifsystem im Mittelpunkt. Ländervergleichende Studien haben gezeigt, dass eine hohe Tarifbindung den Anteil der Geringverdienenden stärker reduziert als ein gesetzlicher Mindestlohn. Bei hoher Tarifbindung sind Mindestlöhne meist nur eine untere Auffanglinie, da die Tarifpartner für die meisten Beschäftigten höhere Löhne aushandeln. Es wurde eine Typologie unterschiedlicher Wechselwirkungen zwischen Mindestlöhnen und Tarifverträgen entwickelt. Im Unterschied zu vielen anderen EU-Ländern sind die Branchenunterschiede in Deutschland besonders ausgeprägt. Sie reichen von Branchen, in denen die Sozialpartner autonom Löhne deutlich über dem Mindestlohn aushandeln, bis hin zu Branchen mit geringer Tarifbindung („isolierter Mindestlohn“) und hohen Anteilen von Niedriglohnbeschäftigten wie etwa im Gastgewerbe, in der Landwirtschaft und im Handel.
Gerhard Bosch, Frederic Hüttenhoff, Claudia Weinkopf
Kapitel 4. Durchsetzung von Arbeitsstandards – die internationale Literatur
Zusammenfassung
Die Einhaltung von Arbeitsstandards wurde in Deutschland lange nicht als Problem angesehen. Man vertraute auf die Sozialpartner, die nicht nur Löhne, Arbeitszeiten und viele andere Arbeitsbedingungen autonom aushandelten, sondern auch für die Einhaltung und Kontrolle ihrer Vereinbarungen verantwortlich waren. Vor allem über die Mitbestimmung der Betriebsräte stärkte der Staat dabei die Ressourcen der schwächeren Seite, also der Vertreter_innen der Beschäftigten (Bosch und Lehndorff 2017). Die Kontrollfunktionen der Betriebsräte wurden ausdrücklich im Betriebsverfassungsgesetz festgeschrieben. Danach haben die Betriebsräte „darüber zu wachen, dass die zugunsten der Arbeitnehmer geltenden Gesetze, Verordnungen, Unfallverhütungsvorschriften, Tarifverträge und Betriebsvereinbarungen durchgeführt werden“ (§ 80 1,1 Betriebsverfassungsgesetz). Zur Ausübung dieser Rechte muss der Arbeitgeber alle notwendigen Informationen zur Verfügung stellen.
Gerhard Bosch, Frederic Hüttenhoff, Claudia Weinkopf
Kapitel 5. Kontrolle von Mindestlöhnen in Deutschland
Zusammenfassung
Dieses Kapitel analysiert die staatlichen Kontrollen von Mindestlöhnen in Deutschland. Bis Mitte der 1990er Jahre waren ausschließlich die Sozialpartner für die Kontrolle und Einhaltung von (Tarif-)Löhnen verantwortlich. Mit der schrittweisen Einführung von Branchenmindestlöhnen seit 1997 und der Einführung des gesetzlichen Mindestlohns im Jahr 2015 obliegt die Kontrolle der Einhaltung von Mindestlöhnen der Finanzkontrolle Schwarzarbeit (FKS). Wir haben erhebliche Kontrolldefizite festgestellt. Trotz eines erweiterten Kontrollauftrags im Zuge der Einführung des gesetzlichen Mindestlohns ist die Zahl der Kontrollen deutlich gesunken. Die Ursachen sind in einer verfehlten Organisationsreform und einer Abwanderung von qualifiziertem Personal zu sehen. Zudem müssen Beschäftigte, die von Mindestlohnverstößen betroffen sind – anders als in einigen Nachbarländern – ohne staatliche Unterstützung ihre vorenthaltenen Ansprüche vor Gericht selbst einfordern.
Gerhard Bosch, Frederic Hüttenhoff, Claudia Weinkopf
Kapitel 6. Das Bauhauptgewerbe
Zusammenfassung
Im Bauhauptgewerbe wurde bereits im Jahr 1997 der erste branchenbezogene Mindestlohn in Deutschland auf Basis des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes eingeführt. Damals ging es vor allem darum, Mindestvergütungen auch für ausländische Werkvertragskräfte, die mit ihren Löhnen nach dem Herkunftsprinzip die heimischen Tarifverträge unterlaufen konnten, festzulegen und damit gleiche Wettbewerbsbedingungen für alle Unternehmen sicher zu stellen. Die Baubranche verfügt über deutlich längere Erfahrungen mit Mindestlöhnen als andere Branchen und mit den Sozialkassen, der Generalunternehmerhaftung sowie einem höheren Mindestlohn für qualifizierte Beschäftigte in Westdeutschland und Berlin über Regelungen, die für die Durchsetzung und Kontrolle der Mindestlöhne hilfreich sind. Außerdem sind sich die Sozialpartner der Branche einig, dass wirksame Kontrollen der Einhaltung der Mindestlöhne erforderlich sind. Auch in einer Reihe anderer Länder gelten im Baugewerbe besondere Regelungen, die darauf abzielen, Missstände zu unterbinden und sozialpartnerschaftliche Kontrollansätze zu stärken.
Gerhard Bosch, Frederic Hüttenhoff, Claudia Weinkopf
Kapitel 7. Fleischwirtschaft
Zusammenfassung
In diesem Kapitel steht mit der Fleischwirtschaft eine Branche im Mittelpunkt, in der die in Deutschland tätigen Unternehmen lange Zeit mit einem hohen Anteil von entsandten Arbeitskräften aus Mittel- und Osteuropa ihre Marktanteile ausgeweitet und ihre Umsätze deutlich gesteigert haben. Die schlechten Arbeitsbedingungen und extrem niedrigen Stundenlöhne dieser Beschäftigten wurden vielfach massiv kritisiert. Erst im Jahr 2013 ist es gelungen, den politischen Druck auf die Branche so zu erhöhen, dass sich die großen Unternehmen letztlich bereit erklärten, einen branchenbezogenen Mindestlohn zu vereinbaren, der im August 2014 in Kraft getreten ist. In den folgenden Jahren haben die großen Player mit freiwilligen Selbstverpflichtungen versucht, Begrenzungen des Einsatzes von Werkvertragsunternehmen zu verhindern, womit sie auch bis heute erfolgreich waren. Im Juni 2015 wurde überraschend vom Deutschen Bundestag das „Gesetz zur Sicherung von Arbeitnehmerrechten in der Fleischwirtschaft“ (GSA Fleisch) verabschiedet, das darauf abzielte, die Kontrollen durch eine Nachunternehmerhaftung nach dem Vorbild des Bauhauptgewerbes zu erleichtern.
Gerhard Bosch, Frederic Hüttenhoff, Claudia Weinkopf
Kapitel 8. Hotel- und Gaststättengewerbe
Zusammenfassung
Im Mittelpunkt steht hier das Hotel- und Gaststättengewerbe, das aufgrund der zuvor meist geringen Löhne von der Einführung des gesetzlichen Mindestlohns besonders stark betroffen war. Dies liegt auch daran, dass fast der Hälfte aller Beschäftigten im Gastgewerbe in Minijobs tätig sind, die als besonders anfällig für Mindestlohnunterschreitungen und weitere arbeitsrechtliche Verstöße bekannt sind. Die im Durchschnitt vergleichsweise kurzen Arbeitszeiten der Beschäftigten führen in Kombination mit den oftmals geringen Stundenlöhnen auch dazu, dass viele Beschäftigte im Gastgewerbe Anspruch auf ergänzende Hilfen zum Lebensunterhalt nach dem SGB II haben. Die Kosten hierfür lagen im Jahr 2017 bei gut 1,7 Mrd. €, was fast einem Fünftel der gesamten Aufwendungen für erwerbstätige Hilfebedürftige in Deutschland entsprach. Die Branche wird demnach in nicht unerheblichem Umfang subventioniert. Trotz deutlicher Lohnerhöhungen im Zuge der Mindestlohneinführung sind die vom Arbeitgeberverband DEHOGA im Vorfeld befürchteten massiven Arbeitsplatzverluste nicht eingetreten. Die Zahl der Beschäftigten und die Umsätze haben sich in den letzten Jahren weiter positiv entwickelt.
Gerhard Bosch, Frederic Hüttenhoff, Claudia Weinkopf
Kapitel 9. Zusammenfassung und Schlussfolgerungen
Zusammenfassung
Hier fassen wir die zentralen Erkenntnisse aus den einzelnen Teilen unserer Studie zusammen und gehen ausführlich auf Stärken und Schwächen des Kontrollsystems sowie auf den Stand der bisherigen Durchsetzung und Einhaltung von Mindestlöhnen in Deutschland ein. Aus der Gesamtschau der Ergebnisse unserer Untersuchung sowie Erkenntnissen aus der umfangreichen internationalen Literatur zu Compliance und Enforcement haben wir Vorschläge zur Verbesserung der Kontrolle und Einhaltung von Mindestlöhnen in Deutschland entwickelt. Ansatzpunkte bestehen u. E. insbesondere in einer Stärkung der Selbstkontrollen durch die Sozialpartner, mehr Verantwortung an der Spitze der Wertschöpfungsketten sowie in einer Stärkung des Self-Enforcement durch transparente und einfache Regelungen. Notwendig sind auch eine Organisationsreform der Finanzkontrolle Schwarzarbeit (FKS), eine Zusammenlegung oder Kooperation der beiden Fahndungsdienste des Zolls sowie eine gezieltere Unterstützung von Beschäftigten bei der Durchsetzung vorenthaltener Mindestlohnansprüche.
Gerhard Bosch, Frederic Hüttenhoff, Claudia Weinkopf
Metadata
Title
Kontrolle von Mindestlöhnen
Authors
Prof. Dr. Gerhard Bosch
Frederic Hüttenhoff
Dr. Claudia Weinkopf
Copyright Year
2019
Electronic ISBN
978-3-658-26806-0
Print ISBN
978-3-658-26805-3
DOI
https://doi.org/10.1007/978-3-658-26806-0

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