Skip to main content
Top

2011 | Book

Krisen und Schulden

Historische Analysen und gegenwärtige Herausforderungen

Author: Exzellenzcluster ‚Gesellschaftliche Abhängigkeiten und soziale Netzwerke’

Publisher: VS Verlag für Sozialwissenschaften

insite
SEARCH

Table of Contents

Frontmatter

Grußworte

Grußworte
Zusammenfassung
willkommen zum diesjährigen Kolloquium des Teilbereichs „Gläubiger und Schuldner, Kreditbeziehungen im Zeichen monetärer Abhängigkeiten“ (Exzellenzcluster der Universitäten Mainz und Trier) und dem Mainzer Arbeitskreis „Armut und Schulden“.
Ulrich Förstermann

Krisenbewältigung in der Praxis

Frontmatter
Wege aus der Krise in Europa, Deutschland und Rheinland-Pfalz
Zusammenfassung
zunächst vielen Dank für die freundliche Einladung zu diesem hochinteressanten Symposium „Krisen und Schulden“. Ich darf Ihnen auch herzliche Grüße von Herrn Minister Hendrik Hering übermitteln, der leider nicht persönlich teilnehmen kann.
Dirk Seifert
Inkassounternehmen. Mittler zwischen Gläubiger und Schuldner
Zusammenfassung
Es gibt wohl kaum jemanden, der mit dem Begriff „Inkasso“ nicht einschlägige Vorstellungen und ein gewisses Unbehagen verbindet, was nicht zuletzt auch auf manche Berichte in den Medien zurückzuführen ist, in denen die Tätigkeit von Inkassounternehmen mit Schuldner-Besuchen von sog. „Außendienst-Mitarbeitern“ in Verbindung gebracht wird, die in Lederjacken vor der Türe des Schuldners stehen und die ihrem Verlangen nach Bezahlung der Schuld zudem auch noch durch das Vorzeigen eines Baseball-Schlägers Nachdruck verleihen.
Wolfgang Spitz

Krisen im Blickpunkt der Wissenschaft

Frontmatter
Junge Menschen und frühe Schulden – Finanzielle Handlungskompetenz im Fokus wirtschaftspädagogischer Forschung
Zusammenfassung
Frühe Schulden bereiten nicht selten den Weg in lang andauernde Schuldenkarrieren, so lautet der öffentliche Konsens. Einer steigenden Quote an verschuldeten jungen Menschen unter 25 Jahren muss daher auf breiter Ebene begegnet werden, so lautet der politische Konsens (BMAS, 2008, S. 178-179). Denn Kreditausfälle befördern nicht nur individuelle Krisen, sondern wirken sich in ihrer Gesamtheit gleichermaßen negativ auf die Volkswirtschaft aus. Ein Blick in die empirische Befundlage vermittelt zunächst ein stagnierendes Ausmaß der Jugendverschuldung im Zeitraum von 2004 bis einschließlich 2007 (Schufa Schuldenkompass, 2007, S. 48). Dennoch gibt allein der Anteil verschuldeter Jugendlicher mit ca. 13% auch bei stagnierender Ausprägung Anlass zur Auseinandersetzung mit dem beschriebenen Phänomen. Denn gerade für junge Menschen besteht die bereits eingangs beschriebene Gefahr des Eintritts in lange Überschuldungskarrieren, was eine besondere Betrachtung insbesondere dieser Altersgruppe notwendig und sinnvoll macht (Schufa Schuldenkompass, 2008, S. 67). Ein zusätzliches Argument für die Bedeutsamkeit dieser speziellen Gruppe ergibt sich aus den langfristigen Folgen früher Schulden. Einerseits ist es schwer, Forderungen zu decken, die bereits unter den Bedingungen eingeschränkter finanzieller Ressourcen entstanden sind. Zum anderen zeigt sich in jugendlichem Schuldenverhalten in den meisten Fällen ein rein konsumorientiertes Muster (Streuli, Steiner, Mattes & Shenton, 2008, S. 36-39). Im Zuge einer Begleitung junger Menschen zur Herausbildung autonomer und handlungsfähiger Persönlichkeiten, wie es die (Wirtschafts-)Pädagogik zum Ziel hat, ist daher der Blick auf den angemessenen Umgang mit Geld zu richten (Bender, 2009, S. 67). Dies impliziert nicht zuletzt die Fähigkeit zum Konsumverzicht. Ein drittes Argument, Jugendliche und junge Erwachsene unter 25 Jahren zu fokussieren, besteht in deren Lebenssituation, die sich als Übergangsphase von der finanziellen Abhängigkeit der Eltern hin zur finanziellen Autonomie beschreiben lässt. Jugendliche in diesem Alter sind nicht selten zum ersten Mal mit eigenem Gehalt und der selbständigen Erfüllung eigener Konsumwünsche konfrontiert. Die monetären Entscheidungen erreichen ab der Volljährigkeit und mit dem ersten eigenen Einkommen eine veränderte Tragweite, sowohl unter finanzieller als auch rechtlicher Perspektive. Zur Bewältigung (Resilienz) dieser bislang durch die Eltern gestützten oder begleiteten Aufgaben und Entscheidungen bedarf es der Genese einer hinreichenden Finanzkompetenz und eines planvollen und nachhaltigen Umgangs mit Geld. Eine Verschuldung, die nicht aus einer ökonomisch begründbaren Planung z.B. in Form einer Investition in Vermögenswerte entsteht, kann bei fehlender Steuerung sukzessive den Weg in die Überschuldung bereiten. Lange (2004, S. 81) stellt in Bezug auf das Konsumverhalten Jugendlicher fest, dass Schüler und Studierende rund 80% und Auszubildende noch 77% ihres Einkommens zeitnah wieder ausgeben. Gleichzeitig geben mehr als 40% der Befragten an, überhaupt nicht zu sparen. Dieser Mangel an Rücklagenbildung und finanzieller Weitsicht bildet ein weiteres Argument für die Untersuchung des Phänomens „Jugendverschuldung“.
Nina Bender, Klaus Breuer
Kriminalität in Krisen. Einige Anmerkungen zu späten Einstiegen in die Straffälligkeit
Zusammenfassung
Dass Kriminalität mit Krisen1 zusammenhängen kann, ist eigentlich eine Binsenweisheit. Not kennt kein Gebot, sagt der Volksmund und erinnert damit an große politische Krisen, Kriege oder Naturkatastrophen, in denen oder anlässlich derer gestohlen, geplündert, gebrandschatzt, vergewaltigt und gemordet worden ist, die aber in diesem Referat nicht gemeint sind, denn hier soll es um biographische Krisen und ihre Bedeutung für Kriminalität gehen – mit einem besonderen Augenmerk auf Krisen in höheren Lebensaltern.
Michael Bock
Krisen und Schulden: Sozialpädagogische Perspektiven
Zusammenfassung
Nicht nur im Alltag und in öffentlichen Diskursen gehört die Verwendung des Krisenbegriffs mittlerweile zur Normalität (vgl. Wengeler 2010). Auch in der Wissenschaft wird der Begriff gegenwärtig in vielen Disziplinen verwandt. Dabei gibt es „weder die Krise, auf die sich Krisenkonzepte beziehen, noch eine allgemeingültige Krisentheorie“ (Mennemann 2000, S. 210). Während die Krisenrhetorik jedoch in wissenschaftlichen Disziplinen wie z.B. der Soziologie und Psychologie zur Entwicklung verschiedener Krisenbegriffe führte, musste hingegen auf einen sozialpädagogischen Krisenbegriff bisher verzichtet werden (vgl. Honig 2005, S. 556). Stattdessen kann in Bezug auf die Soziale Arbeit festgestellt werden, dass die Entwicklung eines sozialpädagogischen Krisenbegriffs durch eine professionsbezogene Krisensemantik ersetzt wurde. D.h. Krisen fungieren als Ressource, um Bedeutung und Anspruch der Sozialen Arbeit zu legitimieren, indem Krisen nach Intervention verlangen und ggf. durch eine Krisenintervention der Sozialen Arbeit erfolgreich bewältigt werden können (vgl. Honig 2005, S. 557).
Désirée Bender, Tina Hollstein, Lena Huber, Cornelia Schweppe
Krisenbewältigung durch juristische Begriffsbildung – Verbraucherschutz als Schuldnerschutz
Zusammenfassung
Die Zahlungsunfähigkeit weiter Kreise der deutschen und der europäischen Bevölkerung ist ein gesellschaftspolitisches Problem ersten Ranges. Betroffen von seiner individuellen Finanzkrise ist nicht nur der jeweilige Schuldner, vielmehr werden von der damit verbundenen Schattenwirtschaft auch die staatlichen und überstaatlichen Finanzsysteme kollektiv tangiert. Zwischen den einzelnen Rechtsordnungen besteht keineswegs Einigkeit, wie mit der einmal eingetretenen Überschuldung von Privatpersonen umgegangen werden soll. Die Spanne reicht von der unbeschränkten Vermögenshaftung bis hin zu sehr großzügigen Entschuldungskonzeptionen. Keine Restschuldbefreiung in diesem Sinne kennen u.a. Bosnien, Bulgarien, Kroatien, Italien, Kroatien, Lettland, Litauen, Portugal, Rumänien, die Türkei und Ungarn. Die Schuldner bleiben auf Dauer den Forderungen ausgesetzt. Wieder andere Länder wie die Schweiz und Spanien kennen zwar keine Restschuldbefreiung, ermöglichen dem zahlungsunfähigen Schuldner aber ein Sanierungsverfahren sowie ein Privatinsolvenzverfahren. Der Schuldner kann zwar keine Entschuldung erwirken, die nach Abschluss des Konkursverfahrens verbleibenden Forderungen werden aber beispielsweise gestundet. Die dritte Gruppe von Staaten weist Parallelen zur deutschen Verbraucherinsolvenz auf. Befreiung von den Verbindlichkeiten kann man u.a. in den Benelux-Staaten Belgien, Luxemburg und den Niederlanden, ferner auf der britischen Insel in England, Irland, Nordirland, Schottland und Wales, in Frankreich, Österreich, Slowenien, Tschechien sowie den skandinavischen Staaten Dänemark, Finnland, Norwegen und Schweden erlangen. Seit 31.3.2009 kann man sich auch in Polen seiner Schulden entledigen, in Griechenland gibt es entsprechende Überlegungen des Gesetzgebers. Freilich zeichnen sich die einzelnen Insolvenzrechte durch deutliche Unterschiede im Verfahren aus, insbesondere auch was die Länge der Wohlverhaltensperiode anbelangt. So kann die zahlungsunfähige Person in England in einem Jahr schuldenfrei werden, in Österreich braucht sie dazu sieben Jahre, nimmt man die Nachhaftung für gestundete Verfahrenskosten hinzu, sind es in Deutschland gar zehn Jahre. Angesichts dieser europäischen Vielfalt nimmt es nicht wunder, dass sich auch das deutsche Recht konzeptionell schwer tut; die Verbraucherinsolvenz ist ein ewiger Reformprozess geworden. Hinzuzufügen ist, dass das Institut der Restschuldbefreiung auch außerhalb Europas bekannt ist, so insbesondere geradezu traditionell in den USA, aber zB auch in Südafrika.
Curt Wolfgang Hergenröder
Krise und Schulden – Eine (rechtliche) Begriffsklärung
Zusammenfassung
Mit Artikel 20 Absatz 3 Satz 1 des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland hat sich die juristische Methodik des Rechtspositivismus im deutschen Recht niedergeschlagen. Die Vorschrift lautet: „Die Gesetzgebung ist an die verfassungsmäßige Ordnung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an Recht und Gesetz gebunden.“ Nach dem Rechtspositivismus hat sich die juristische Tätigkeit allein auf die Anwendung von aus dem Gesetzestext direkt entnommenen Fallregulierungen zu fokussieren; mit der schriftlichen Fixierung in Gesetzen soll das gesprochene Recht antizipatorisch und eindeutig festgelegt werden. Die Anwendung dieser positiven Rechtsregeln erfolgt durch die sog. Subsumtion, also die Unterordnung eines einzelnen zu entscheidenden Falles unter den im Gesetzestext formulierten Tatbestand. Die tatsächliche Tätigkeit der Gesetzesanwendung ist indes komplexer als der Blick auf die vorgenannte Definition erkennen lässt. Auch die Lehre des Rechtspositivismus kommt nicht umhin, dass Rechtsanwendung eine Interpretation des Gesetzestextes vonnöten macht, also sprachliches Verstehen und sprachliche Auslegung bedingt. Damit unterwirft sich das Recht der Sprache. „Gesetze sind Sätze: Sprachereignisse.“ Die Sprache stellt den Träger von Gesetzesvorschriften dar, ohne sie würden Gesetze nicht bestehen. Folglich ist das Recht aber auch den Schwächen der Sprache unterworfen: Mehrdeutigkeit, Vagheit und Abstraktheit, sprich: Ungenauigkeiten der Sprachen gehen zu seinen Lasten. Das ideale Gesetz setzt die ideale Sprache voraus! Eine Voraussetzung die kaum erfüllbar erscheint. Daher spielt in der rechtlichen Fallbearbeitung die Auslegung eine große Rolle. Einer solchen bedürfen beispielsweise Gesetze, einzelne Willenserklärungen oder auch ganze Verträge. Dabei werden auch die Grenzen deutlich, die das Recht selbst der Sprache setzt: So hat der wirkliche Wille bei der Auslegung einer Willenserklärung gemäß § 133 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) Vorrang vor dem buchstäblichen Sinn des Ausdrucks. Verträge sind nach § 157 BGB nach Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte auszulegen. Während § 133 BGB auf den empirischen Willen abstellt (sog. natürliche Auslegung), verweist § 157 BGB auf die objektive Erklärungsbedeutung (sog. objektiv-normative Auslegung). Darauf aufbauend hat sich in der Rechtsprechung mit Blick auf die Gesetzesauslegung schnell die Auffassung durchgesetzt, dass nicht der Wortlaut allein, sondern auch der Zweck der Norm zur Auslegung heranzuziehen ist. Somit stellt die Sprache den Ansatzpunkt des Rechts dar, aber nicht notwendigerweise seine Begrenzung. In diesem Sinne haben sich vier klassische Auslegungsmethoden herausgebildet, die hier nur kurz angerissen werden sollen. Ausgangspunkt aller Auslegungen ist die Wortbedeutung (sog. sprachlichgrammatikalische Auslegung). Gibt es keine gesetzliche Festlegung (sog. Legaldefinition), so gilt zunächst der Sprachgebrauch der Juristen, im Übrigen der allgemeine Sprachgebrauch. Ein eindeutiger Wortsinn ist grundsätzlich Grenze jeder Auslegung, es sei denn, der aus der Historie der Vorschrift zu ermittelnde Gesetzeszweck befiehlt eine abweichende Auslegung. Damit sind auch schon zwei weitere Auslegungsmethoden genannt, die sogleich beschrieben werden sollen, denen aber noch die systematische Auslegungsmethode vorangestellt werden soll. Hiernach gilt, dass der einzelne Rechtssatz im Gesamtzusammenhang der Rechtsordnung steht und so auch zu verstehen ist. Auch die systematische Auslegung begrenzt die Auslegung einer Vorschrift, es sei denn, die ratio legis erfordert wiederum anderes. Die historische Auslegung anhand der Gesetzgebungsgeschichte bezieht ihre Bedeutung vor allem in der Ermittlung des Gesetzeszwecks. Dabei kommt es nach hM auf den anhand des Wortlauts objektivierten Willen des Gesetzgebers an, der subjektive hat keine Bedeutung. Folglich sind ausdrückliche Stellungnahmen des Gesetzgebers nicht bindend; beziehen sie sich hingegen auf den Gesetzeszweck, besteht in der Regel eine solche Bindung. Die teleologische Auslegung nimmt die ratio legis in den Blick, orientiert sich also am Gesetzeszweck und ist regelmäßig für das Ergebnis der Auslegung entscheidend. Ansatzpunkt ist der mit der konkreten Norm verfolgte Zweck. Ergänzt wird die Auslegung dadurch, dass die Norm in den Zusammenhang einer gerechten und zweckmäßigen Ordnung gestellt wird.21 Bestehen mehrere Auslegungsalternativen, so muss ein Ergebnis durch Abwägung gewonnen werden. Nach diesem Überblick soll nun mit der eigentlichen Begriffsbestimmung begonnen werden. Eine Klärung der Begriffe Krise und Schulden macht infolge der vorstehenden Erläuterung eine Untersuchung aus Sicht der Alltagssprache und der juristischen Terminologie notwendig.
Carsten Homann
Krisen im Recht
Zusammenfassung
Die Welt ist voller Krisen. Wir verfolgen – eingebettet in eine Medienkrise – die globale Krise mit der aktuellen Welt- bzw. nationalen Wirtschaftskrise und die Finanzkrise, die Unternehmens- und Immobilienkrisen nach sich zieht. Einer Vertrauenskrise folgt die politische Krise, gar nicht zu sprechen von der ökologischen Krise und der psychosozialen bzw. psychischen Krise, in der wir uns selbst befinden dürfen. Es wird von Krisenphasen gesprochen und die Krisenvorsorge, das Krisenmanagement und die Krisenintervention versprechen eine Krisenbewältigung. Wir nutzen die Weite des Erscheinungsbildes Krise in vielerlei Kontexten und die Häufigkeit ihrer Verwendung lässt darauf schließen, dass ein Phänomen beschrieben wird, welches ein Geschehnis von enormer gesellschaftlicher und persönlicher Relevanz greifbar werden lässt.
Sonja Justine Kokott
Krankheit als Auslöser einer Überschuldungssituation von Privatpersonen – Ursachen-Wirkungsbeziehung von Krankheit und Schuldenkrise
Zusammenfassung
Überschuldung von Privatpersonen kann durch verschiedene Gründe ausgelöst werden. Die Auswertungen des Statistischen Bundesamtes zeigen auf, dass die drei häufigsten Hauptgründe der Überschuldung die Arbeitslosigkeit (29%), gefolgt von Trennung, Scheidung, Tod des Partners (13%), sowie Erkrankung, Sucht oder Unfall (10%), sind. Während in der Altersgruppe der unter 25-Jährigen der krankheitsbezogene Hauptgrund bei 6,4% der Überschuldeten ursächlich für die Schuldenkrise verantwortlich gemacht wird, sind es bei den 55 bis unter 65-Jährigen 14,2% der Überschuldeten, die aufgrund von Erkrankung, Sucht oder Unfall in die finanzielle Ausgabenarmut geraten (s. Abb 1).
Eva Münster, Stephan Letzel
Finanzkrise historisch – Kreditnetzwerke in der SaarLorLux-Region während der Krisenszenarien des 19. Jahrhunderts
Zusammenfassung
Eine entscheidende Wende – so wie Thukydides das Wort verwandte – bedeutet der griechische Begriff Krise. Allgemein meinte er in der Historiographie eine negativ konnotierte Zeiterfahrung, die gleichzeitig einen Wendepunkt oder Umbruch darstellt. Im 17. Jahrhundert fand das Wort Eingang in die Sprache von Militärs und Medizinern. Folgt man der Typologie von Jacob Burckhardt, dann haben Krisen immer bestimmte Ähnlichkeiten. Für ihn gab es große Krisen, beständige Krisen, gescheiterte Krisen und selbstgemachte Scheinkrisen. Die echten Krisen charakterisiere eine tiefgreifende Erschütterung der politischen und sozialen Grundlagen eines Landes. Dabei verliefen die Veränderungsprozesse besonders dynamisch: „Entwicklungen, die sonst Jahrhunderte brauchen, scheinen in Monaten und Wochen wie flüchtige Phänomene vorüberzugehen und damit erledigt zu sein.“ Die Krise schlechthin sei der Krieg („Völkerkrisis“), aber Burckhardt kennt auch religiöse und politische Krisen. Viele Krisen seien seiner Meinung nach in Wahrheit keine Krisen, da sie keine tiefgreifenden Veränderungen nach sich zögen (Scheinkrisen). In (historischen) Typologien fehlen aber häufig die Naturkatastrophen als Krisenauslöser.
Daniel Reupke
Augustus’ Krisenmanagement in den Provinzen: Schuldenbekämpfung durch Verwaltungsmaßnahmen?
Zusammenfassung
Krisen und Schulden moderner Staaten stellen eine Thematik dar, die dem zeitgenössischen Leser nur allzu bekannt sein dürfte. Dass das Phänomen von der Verschuldung ganzer Bevölkerungsteile jedoch kein neuzeitliches ist, sondern vielmehr bereits so alt wie die Geschichte der Geldwirtschaft selbst, mag wohl manchen überraschen. So lässt sich bereits in antiken Staatsgebilden wie dem Imperium Romanum eine regelrechte Schuldenkultur finden, welche Hand in Hand mit der fast sprichwörtlich gewordenen „Krise der römischen Republik“ einher ging und schließlich ganze Städte und Regionen in den Ruin treiben sollte. Diese Krise, welche sich nicht nur auf finanzielle Faktoren, sondern auf ein ganzes Ursachenbündel zurückführen ließ, sollte schließlich zum Untergang der Republik und der Einführung einer neuen Herrschaftsform, des augusteischen Prinzipats führen. Das neue Oberhaupt des römischen Reiches, Augustus, versuchte in der Folgezeit, einigen dieser Krisenfaktoren entgegenzuwirken, indem er vielfältige Neuerungen, vor allem im Bereich der Verwaltung, einführte.
Susanne Schake
Schulden und Krise in spätmittelalterlichen Städten
Zusammenfassung
Die im Zuge der gegenwärtigen Finanzkrise von staatlicher Seite gewährten Kredite und „Rettungsschirme“ haben das Thema der Verschuldung der öffentlichen Haushalte erneut in den Fokus gerückt. Zur Stützung von Banken und der Realwirtschaft wurden enorme Summen bereit gestellt, welche die Staatshaushalte noch auf Jahrzehnte belasten werden. Laut dem aktuellen Bericht des IWF liegt denn auch darin eine große Gefahr für die Wiederkehr einer Bankenkrise, da viele Geldinstitute Staatsanleihen besitzen, die im Falle einer Abwertung wiederum die Banken in Mitleidenschaft ziehen könnten.
Thomas Wirtz
Backmatter
Metadata
Title
Krisen und Schulden
Author
Exzellenzcluster ‚Gesellschaftliche Abhängigkeiten und soziale Netzwerke’
Copyright Year
2011
Publisher
VS Verlag für Sozialwissenschaften
Electronic ISBN
978-3-531-93085-5
Print ISBN
978-3-531-17993-3
DOI
https://doi.org/10.1007/978-3-531-93085-5