2002 | OriginalPaper | Chapter
Lenin
Authors : Jürgen Hartmann, Bernd Meyer, Birgit Oldopp
Published in: Geschichte der politischen Ideen
Publisher: VS Verlag für Sozialwissenschaften
Included in: Professional Book Archive
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Die russische Sozialdemokratie war bis gegen Ende des Ersten Weltkriegs die kleinste und unbedeutendste sozialistische Partei Europas. Sie agierte in einem Land, das nur einige, sehr kleine Inseln anfangender Industrialisierung aufwies, so in Moskau und St. Petersburg. Sie bestand im Wesentlichen aus Intellektuellen. Die spärliche russische Fabrikarbeiterschaft war noch unorganisiert. Politische Betätigung in Parteien und Organisationen war in Russland generell verboten. Bis 1905 war Russland das einzige europäische Reich, in dem es nicht einmal eine Verfassung gab. Die Sozialdemokraten entzogen sich dem Zugriff der politischen Polizei durch Flucht ins ausländische Exil, um von dort ihre Tätigkeit gegen das Zarenregime fortzusetzen. Viele von ihnen hatten zuvor aus der sibirischen Verbannung flüchten können. Die Marxsche Theorie brachte die Führer der Sozialdemokratie in ein Dilemma. Sie agierten als politische Kraft in einem Staat, der nach allen objektiven Kriterien und nach ihrer eigenen Auffassung ganz der feudalistischen Gesellschaftsformation verhaftet war. Ein kapitalistisches Bürgertum, das diese Bezeichnung einigermaβen verdient hätte, gab es noch nicht. Russland war in den Augen der europäischen Demokraten so reaktionär, dass sich mit dem Blick auf Russland nach einiger Zeit sogar die SPD für die Landesverteidigung aussprach. Ein Sieg Russlands hätte aus ihrer Sichtweise einen historischen Rückschritt bedeutet — selbst für das wilhelminische Deutschland.