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2017 | Book

Lesen und Schreiben lernen

Wie erobern Kinder die Schriftsprache?

Author: Wolfgang Schneider

Publisher: Springer Berlin Heidelberg

Book Series : Kritisch hinterfragt

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About this book

Dieses Buch beschäftigt sich mit der Frage, welche Voraussetzungen erfüllt sein müssen, damit Kinder erfolgreich lesen und schreiben lernen. Es richtet sich an alle, die sich für die Hintergründe des Schrifts­pracherwerbs interessieren, d.h. Eltern, Lehrkräfte, Pädagogen unterschiedlicher Fachrichtungen und Psychologen.

Lernen Sie, welche Erklärungen für den Erwerb des Lesens und Rechtschreibens eher auf Mythen beruhen und welche wirklich wissenschaftliche fundiert sind.

Wesentliche Inhalte des Buchs betreffen die besondere Rolle von sogenannten „Vorläuferfertigkeiten“ des Schriftspracherwerbs, also die frühen Kompetenzen von Vorschulkindern, die Eltern und pädagogische Fachkräfte durchaus bedeutsam beeinflussen können. Die Rolle von Lese- und Rechtschreib­methoden im Anfangsunterricht wird ebenso kritisch beleuchtet wie der Einfluss von Medien auf den Erwerb der Schriftsprachkompetenz. Angesichts der weitreichenden negativen Folgen kommt der Betrachtung von Lese- Rechtschreibschwierigkeiten und Möglichkeiten ihrer Überwindung ein besonderer Stellenwert zu.

Der Autor

Wolfgang Schneider ist Professor für Pädagogische Psychologie. Er lehrt am Institut für Psychologie der Universität Würzburg und hat Forschungsschwerpunkte im Schriftsprach­erwerb, der Entwicklung des Gedächtnisses bei Kindern und Jugendlichen sowie der Entwicklung von Intelligenz, Hochbegabung und Expertise.

Table of Contents

Frontmatter
1. Wie fing alles an? – Von den Anfängen der Schriftsprache bis zu den ersten Ansätzen des formalen Lese- und Schreibunterrichts
Zusammenfassung
Es wird ein kurzer Überblick über die Geschichte der Schriftsprachentwicklung gegeben. Während die Alphabetisierung der Menschheit mehrere Jahrtausende in Anspruch nahm, hat sich die Entwicklung der deutschen Schriftsprache in wenigen Jahrhunderten vollzogen. Lange Zeit dominierte der kirchliche Einfluss; erst im Mittelalter nahmen Kommunen und deutsche Länder systematischen Einfluss auf den Erwerb der Schriftsprache und sorgten für die Einführung der Schulpflicht, positiv beeinflusst durch die Auswirkungen der Reformation. Ähnlich wie schon in der Antike war es um die Ausbildung und Bezahlung der Lehrkräfte zunächst sehr schlecht bestellt, und um ihre gesellschaftliche Reputation stand es ebenfalls nicht gut. Erst seit etwas mehr als 200 Jahren haben sich Ausbildungsbedingungen, finanzielle Vergütung und Ansehen des Lehrerstandes deutlich verbessert, auch wenn sich im Hinblick auf diese Aspekte bis in die heutige Zeit hinein Unterschiede in Abhängigkeit von der Schulform erkennen lassen.
Im Hinblick auf die Gestaltung des Lese- und Grammatikunterrichts finden wir seit dem 16. Jahrhundert einen fortwährenden Streit um die angemessenste Leselernmethode. Es gibt wohl keinen Lernbereich, in dem über 500 Jahre hinweg in beeindruckender Regelmäßigkeit derart viele unterschiedliche Lösungs- und Verbesserungsvorschläge unterbreitet und (meist heftig) diskutiert wurden. Unabhängig von der verwendeten Lernmethode hat die systematische Unterrichtung in den letzten Jahrhunderten jedoch dazu geführt, dass sich der Anteil der Analphabeten in unserer Gesellschaft mittlerweile stark reduziert hat, und die Mehrzahl der deutschen Schülerinnen
Wolfgang Schneider
2. Wie muss man sich den Erwerb der Schriftsprache vorstellen?
Zusammenfassung
Es werden zentrale theoretische Ansätze zur Beschreibung und Erklärung des Schriftspracherwerbs bei Kindern vorgestellt und es wird dokumentiert, dass die einschlägige Forschung in den letzten Jahrzehnten wichtige Fortschritte erzielt hat. Es kann als gesichert gelten, dass erste Weichen auf dem Weg zum Erwerb des Lesens und Rechtschreibens schon im Vorschulalter gestellt werden. Obwohl sich die unterschiedlichen Modelle des Schriftspracherwerbs in Teilaspekten unterscheiden, stimmen sie darin überein, dass erste relevante Entwicklungsstufen schon im Alter von etwa vier bis fünf Jahren beobachtet werden können. Einschlägige Forschungsarbeiten haben weiterhin verdeutlicht, dass Lese- und Rechtschreibprozesse nicht so ähnlich sind wie vielfach angenommen. Für den Erwerb des Lesens und Rechtschreibens werden demnach unterschiedliche Kompetenzen benötigt, und Schwierigkeiten beim Erwerb der Schriftsprache hängen bedeutsam von der Regularität der jeweiligen Orthografie ab. Für das Deutsche ließ sich etwa zeigen, dass den Schulkindern das Lesenlernen insgesamt gesehen insofern leichter fällt als der Erwerb des Rechtschreibens, als die deutsche Orthografie im Hinblick auf das Lesen eher regulär, im Hinblick auf das Rechtschreiben hingegen eher irregulär ist.
Wolfgang Schneider
3. Lassen sich die kindlichen Voraussetzungen für das Lesen und Rechtschreiben schon im Kindergarten bedeutsam verbessern?
Zusammenfassung
Es werden verschiedene Beispiele dafür gegeben, dass schon im Vorschulalter Unterschiede in spezifischen sprachlichen Kompetenzen bestimmt werden können, die den Erwerb des Lesens und Rechtschreibens in der Schule vorhersagen. Der phonologischen Bewusstheit, dem sprachlichen Arbeitsgedächtnis und der sprachgebundenen Informationsverarbeitung kommt dabei besondere Bedeutung zu, doch sind auch der Wortschatz und das frühe Sprachverständnis für die Prognose der Schriftsprachkompetenz durchaus relevant, wie zahlreiche nationale und internationale Längsschnittstudien belegt haben. Will man früh erkennbare Defizite junger Kinder in der Sprachverarbeitung beheben, so sind Erfolge insbesondere im Bereich der phonologischen Bewusstheit nachgewiesen worden. Demgegenüber scheinen die Fördermöglichkeiten im Bereich des Arbeitsgedächtnisses und der sprachlichen Informationsverarbeitungsgeschwindigkeit eher begrenzt. Die Problematik der frühen Sprachförderung im Kindergarten wird genauer diskutiert. Während die Trainingsprogramme zur phonologischen Bewusstheit in der einschlägigen erziehungswissenschaftlichen Literatur vielfach deshalb kritisiert werden, weil sie als additive Maßnahmen zu verstehen sind und sich nicht immer leicht in den Kindergartenalltag integrieren lassen, muss andererseits aber auch konstatiert werden, dass eher ganzheitlich und integrierte Sprachfördermaßnahmen ihre Tauglichkeit noch nicht unter Beweis gestellt haben. Es wird auf mögliche Gründe eingegangen, die etwa im Fehlen von geeigneten Fortbildungsmaßnahmen für das pädagogische Fachpersonal und organisatorischen Problemen gesehen werden. Neuere und umfassendere Ansätze in diesem Bereich scheinen dazu geeignet zu sein, diese Probleme zu beheben.
Wolfgang Schneider
4. Wie entwickeln sich Lese- und Rechtschreibleistungen in der Schule, und welche Merkmale beeinflussen den Schriftspracherwerb?
Zusammenfassung
Insbesondere in den ersten Jahren der Grundschulzeit sind sowohl im Hinblick auf das Lesen als auch hinsichtlich des Rechtschreibens generell starke Leistungszuwächse zu beobachten, wobei in beiden Kompetenzbereichen die Leistungsbandbreite von Beginn an beträchtlich ausfällt. In diesem Kapitel wird der Frage nachgegangen, wie stabil frühe Kompetenzunterschiede im Lesen und Rechtschreiben über die Zeit hinweg sind, und welche Bedeutung etwa die Schulformzugehörigkeit auf die spätere Kompetenzentwicklung hat. Ein inhaltlicher Schwerpunkt des Kapitels liegt weiterhin in der Frage, wie sich Schriftsprachkompetenzen angemessen erfassen lassen. Es wird belegt, dass mittlerweile ökonomische, verlässliche und inhaltsgültige Testverfahren zur Verfügung stehen, die auch von Lehrkräften problemlos eingesetzt werden können. Es wird weiterhin erörtert, welche Rolle unterschiedliche kognitive Fähigkeiten für den Schriftspracherwerb spielen, wie also etwa die Bedeutung der Intelligenz im Vergleich zur phonologischen Bewusstheit und dem Arbeitsgedächtnis einzuordnen ist. Weiterhin wird die Relevanz von Merkmalen wie Geschlecht und Sozialschicht, der Einfluss von Unterschieden in der Motivation und unterschiedlichen Klassenkontexten auf die Leistungsentwicklung diskutiert.
Wolfgang Schneider
5. Gibt es bessere und schlechtere Unterrichtsmethoden für den Schriftspracherwerb? – Der Methodenstreit im Licht neuerer Erkenntnisse
Zusammenfassung
Schon im ersten Kapitel wurde darauf hingewiesen, dass es seit mehreren Jahrhunderten intensive Auseinandersetzungen um die richtige Methode des Lesen- und Schreibenlernens gegeben hatte. Im vorliegenden Kapitel geht es zunächst um die Frage, wie Frühleser charakterisiert werden können, die das Lesen also schon vor Schulbeginn und ohne systematische formale Unterweisung gelernt haben. In der Folge werden dann aktuelle methodisch-didaktischen Ansätze des Grundschulunterrichts vergleichend vorgestellt, wobei die wesentlichen Unterschiede in den verfügbaren Ansätzen genauer herausgearbeitet werden. Es interessiert dann in der Folge die Frage, inwieweit diese Ansätze im Unterricht tatsächlich in Reinform eingesetzt werden, und was sich aus den Befunden empirischer Untersuchungen über die Effektivität unterschiedlicher Leselernmethoden aussagen lässt. In diesem Zusammenhang kommt der Frage, ob Fibel-Lehrgänge sich im Vergleich zu eher „offenen“ Unterrichtsmethoden (etwa dem Spracherfahrungsansatz) besser bewähren, und ob eventuell Kombinationen beider Ansätze Erfolg versprechender sind. Die Bewährung der unterschiedlichen Ansätze wird dabei auch im Hinblick auf die Fortschritte von Subgruppen lernschwächerer Schüler wie auch für Schüler mit Migrationshintergrund geprüft.
Wolfgang Schneider
6. Welchen Einfluss haben Familie, Fernsehen und neue Medien auf den Schriftspracherwerb?
Zusammenfassung
Seit mehreren Jahrzehnten sind Einflüsse der sozialen Schichtzugehörigkeit auf die schulische Leistung in dem Sinne demonstriert worden, dass Kinder aus bildungsnahen Schichten von Beginn an Vorteile aufweisen, die sich im Verlauf der Beschulung weiter verstärken. Diese Thematik wird in diesem Kapitel differenziert behandelt, wobei der Frage nachgegangen wird, ob der in neuerer Zeit erkennbare sozialer Wandel und veränderte Berufs- und Bildungssysteme das klassische Befundmuster verändert haben. Es werden zunächst Ergebnisse neuerer internationaler Schulvergleichsstudien herangezogen, um die Frage zu klären, ob soziale Schichtmerkmale den Bildungserfolg deutscher Kinder und Jugendlicher im Allgemeinen und die Lese- und Rechtschreibentwicklung im Besonderen nach wie vor maßgeblich bestimmen. Zusätzlich werden neuere Forschungsarbeiten zur Bedeutung der familiären Lernumwelt für die sprachliche und schriftsprachliche Entwicklung herangezogen, die Mechanismen aufdecken, über die sich die Leistungsunterschiede der Kinder später manifestieren. Sie zeigen andererseits aber auch Wege dafür auf, wie sich die Ausgangsbedingungen für den Schriftspracherwerb auch in eher bildungsfernen Familien verbessern lassen. Die sich anschließende Übersicht zu Forschungsarbeiten zum Zusammenhang zwischen Fernsehkonsum und der Entwicklung von Lesekompetenz belegt, dass es hier gesellschaftliche Vorurteile gibt, die nur für eine Minderheit von Kindern zutreffen. Nachdem Fernsehen kein neues Medium mehr darstellt, wird abschließend erörtert, in welcher Weise Computer, Internet und Smartphone auf den Schriftspracherwerb einwirken.
Wolfgang Schneider
7. Das Phänomen der Lese-/Rechtschreibstörung: Welche Einflussfaktoren sind wirklich relevant?
Zusammenfassung
Auch wenn sich schwache Leser und/oder Rechtschreiber im Unterrichtskontext wie auch im Alltag relativ leicht identifizieren lassen, kann die im Zusammenhang mit dem Phänomen der „Lese-Rechtschreibstörung“ (LRS) erzeugte Begriffsvielfalt auch Experten immer noch verwirren. Es wird von daher in diesem Kapitel der Versuch gemacht, die wichtigsten Unterschiedsmerkmale genauer herauszuarbeiten. Es wird der Frage nachgegangen, welchen Einfluss Genetik, Geschlecht, Sozialschicht, kognitive Fähigkeiten und motivationale Merkmale auf den gestörten Schriftspracherwerb haben. Die Suche nach relevanten Ursachenfaktoren gestaltet sich angesichts der Vielfalt von Störungsmustern alles andere als einfach. Besonderes Augenmerk wird der Frage gewidmet, ob man bei der Definition von LRS das IQDiskrepanzkriterium berücksichtigen sollte, ob also lese-rechtschreibschwache Kinder mit unterschiedlichen Intelligenzniveaus unterschiedlich zu behandeln sind. Weiterhin wird diskutiert, ab wann sich Probleme von Kindern beim Lese- und Rechtschreiberwerb zuverlässig erkennen lassen, damit Förderansätze auch optimal greifen können. Es werden Lese- und Rechtschreibtests vorgestellt, die sich zur frühen Diagnose von Schriftsprachproblemen eignen. Abschließend werden Ergebnisse von Langzeitstudien zum Verlauf von LRS betrachtet, um die Nachhaltigkeit der Probleme im Bereich des Schriftspracherwerbs besser beurteilen zu können.
Wolfgang Schneider
8. Welche Fördermöglichkeiten des Lesens und Rechtschreibens gibt es, und welche sind wirklich effektiv?
Zusammenfassung
Nachdem bis vor wenigen Jahren eher skeptische Beurteilungen der Trainingsverfahren im Bereich des Lesens und Rechtschreibens überwogen, stellt sich die Situation mittlerweile positiver dar. Wenn auch insgesamt die Zahl evaluierter Fördermaßnahmen noch ausbaufähig scheint, sind sowohl im Bereich des basalen Lesens (der Leseflüssigkeit), des Leseverständnisses und des Rechtschreibens inzwischen Verfahren verfügbar, die unterschiedliche Altersgruppen sinnvoll bedienen und sich bei unterschiedlichen Schweregraden der Lese- und/oder Rechtschreibstörung einsetzen lassen. Leider fällt es Laien (etwa Eltern von betroffenen Schülern) nach wie vor schwer, die bewährten Förderkonzepte von „alternativen“ Verfahren abzugrenzen, die nicht im Hinblick auf ihre Wirksamkeit überprüft wurden und wohl nicht viel taugen. Das Ziel dieses Kapitels besteht darin, vielversprechende Förderansätze genauer zu beschreiben. Wenn auch die hier vorgestellte Sammlung von empirisch bewährten Trainingsprogrammen nicht vollständig ist, so sollte sie den interessierten Leserinnen und Lesern doch Anhaltspunkte für die systematische Auswahl geeigneter Verfahren geben. Als wesentliches Ergebnis unterschiedlicher Überblicksarbeiten zu den Effekten von Lese-Rechtschreibtrainings lässt sich festhalten, dass symptomspezifische Förderprogramme, also solche, die an den Problemschwerpunkten im Lesen und Rechtschreiben ansetzen, effektiver sind als spezielle Funktions- oder Wahrnehmungstrainings. Weiterhin schneiden Interventionsverfahren, die motivationsfördernde Aspekte beinhalten, allgemein besser ab als Verfahren ohne solche Komponenten.
Wolfgang Schneider
9. Wege des Schriftspracherwerbs im Deutschen – Ein Fazit
Zusammenfassung
Das abschließende Kapitel greift noch einmal alle wesentlichen Fragen auf, die im Buch behandelt wurden. Zunächst wird die Evidenz zum jahrhundertealten Methodenstreit zusammengefasst, also die Frage kritisch geprüft, welchen Stellenwert unterschiedliche Leseund Schreibmethoden des Grundschulunterrichts für den Schriftspracherwerb der Kinder haben, und ob sich für „Risikokinder“ im Hinblick auf das Lesen und Rechtschreiben unterschiedliche Verfahren anbieten. Es werden danach Konsequenzen der Entwicklungsmodelle untersucht, insbesondere im Hinblick auf die Frage, ab wann die Weichen gestellt werden, und ob sich für Lese- und Rechtschreibprozesse unterschiedliche Verläufe erkennen lassen. Anhand der verfügbaren diagnostischen Verfahren können dabei typische Entwicklungsmuster in beiden Kompetenzbereichen identifiziert werden. Weiterhin wird der Erkenntnisstand zu relevanten Prognosemerkmalen zusammengefasst und die Frage erörtert, an welchen Merkmalen sich schwache Leser und Rechtschreiber frühzeitig erkennen lassen. Schließlich wird die Evidenz zu verfügbaren Förderprogrammen und Interventionsmaßnahmen skizziert und eine Bewertung der Frage versucht, ob sich Lese- wie auch Rechtschreibkompetenzen deutscher Schülerinnen und Schüler im Verlauf der letzten Jahrzehnte verbessert haben.
Wolfgang Schneider
Backmatter
Metadata
Title
Lesen und Schreiben lernen
Author
Wolfgang Schneider
Copyright Year
2017
Publisher
Springer Berlin Heidelberg
Electronic ISBN
978-3-662-50319-5
Print ISBN
978-3-662-50318-8
DOI
https://doi.org/10.1007/978-3-662-50319-5

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