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13-01-2015 | Marktforschung | Schwerpunkt | Article

Das unheimliche Geschäft mit Kundendaten

Author: Andrea Amerland

3:30 min reading time

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"Uber weiß, was du letzte Nacht getan hast", so eine der Schlagzeilen über den umstrittenen Taxi-Ersatzdienst, der das Verhalten seiner Fahrgäste gründlich analysiert. Doch wie weit können Unternehmen im Umgang mit Kundendaten gehen?

Was Uber-Deutschland-Chef Fabien Nestmann im "Panorama-Interview" als "analytisches Spiel" bezeichnet, geht vielen schlichtweg zu weit. Denn das Fahrverhalten von Nutzern der Fahrdienst-App wurde Medienberichten zufolge detailliert statistisch erfasst. Wer freitags oder samstags zwischen 22 Uhr abends und vier Uhr morgens einen Uber-Wagen buchte und in einem Zeitfernster von vier bis sechs Stunden wieder eine Fahrt anforderte, hat das Interesse der Marktforschung offenbar geweckt. Insbesondere dann, wenn diese Bestellung innerhalb eines Radius von 160 Metern von dem Ort erfolgte, an dem ein Fahrgast zuvor abgesetzt wurde. So filterte Uber die Zahl der One-Night-Stands seiner Kunden heraus. Uber hat nach eigenen Angaben durch die Analyse von Kundendaten inzwischen eine 74-prozentige Treffsicherheit erlangt und kann somit auch das endgültige Ziel seiner Kunden ermitteln.

Big Data sorgt für Goldgräberstimmung

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Dieser "Kommerziellen digitalen Überwachung im Alltag", so der Titel einer Studie im Auftrag der österreichischen Bundesarbeitskammer, sind sich Nutzer am ehesten bei Facebook und Google bewusst. Aber auch viele Handelsunternehmen, Versicherungen, die Marketingbranche oder Finanzinstitute nutzen Big Data, um ihre Geschäftsfelder zu optimieren. Es herrscht "Goldgräberstimmung" schreibt Studienautor Wolfie Christl in der Zusammenfassung. Unternehmen "sind "hochgradig intransparent, deren Services, Apps, Plattformen und Algorithmen sind zentralisiert und kaum durchschaubar." Es ist ein Leichtes, aus Facebook-Likes, Telefonie-Verhalten oder vergangenen GPS-Ortungen, Konsumentenprofile zu erstellen, die nicht nur die Gewohnheiten dokumentieren, sondern auch Verhaltensprognosen erlauben. Christl zeigt an konkreten Praxis-Beispielen die Möglichkeiten von Big Data auf:

Praktischer Big-Data-Einsatz im Marketing

  • Bonitätsbewertung mit Online-Daten: Das Startup Zest Finance kombiniert 70.000 Merkmale aus unterschiedlichsten Quellen, um daraus die Kreditwürdigkeit von Einzelpersonen einzuschätzen.

  • Personalentscheidungen mit Big Data: Vom benutzten Browser bei der Online-Bewerbung über die Analyse der Social-Media-Accounts. Spezialisierte Firmen unterstützen schon jetzt mit Big Data Unternehmen bei der Personalauswahl.
  • Preisdiskriminierung: Online-Shops zeigen Konsumenten auf Grund ihres Surfverhaltens unterschiedlich teure Produkte an.
  • Krankheitsprognosen aus Konsumverhalten: Der US-Versicherung Aviva erstellt Risiko-Prognosen für Krankheiten wie Diabetes oder Depression aus Konsumverhalten, Lebensstil oder Einkommen.
  • Emotionale Manipulation: Werbeunternehmen sprechen Online-Spieler in unterschiedlichen emotionalen Momenten wie Siegesfreude oder Verliererfrust mit individuell abgestimmter Werbung an.

Spione in der Hosentasche: Smartphones und Apps

Gerade Smartphones und Apps entpuppen sich schnell als Spione in der Hosentasche. Wearables, Self-Tracker und die dazugehörigen Gesundheits-Apps boomen, mit deren Hilfe der Mensch sich selbst vermisst und viel über sich Preis gibt. Die besondere Struktur, in die Apps eingebettet seien, erlauben die Sammlung und Kombination stark fragmentierter Daten, die tiefe Einblicke in das Verhalten des Konsumenten zulassen. So beschreibt ein Autoren-Team im Beitrag "Mobile Cosnumer Apps: Big Data Brother is Watching You" (Marketing Review St. Gallen, 01/2014) die scheinbar unbegrenzten Möglichkeiten von Big Data.

Zwar nehmen Nutzer wahr, dass ihre Daten nicht sicher sind, dennoch hindert sie das nicht daran, diese weiter zu teilen. Stattdessen suchen sie nach Vertrauenssignalen, um das wahrgenommene Datenrisiko zu minimieren bzw. sich zu beruhigen. Zwar sprechen sich in Umfragen Nutzer immer wieder für mehr Datensicherheit aus, doch ihr Handeln sagt das Gegenteil aus.

Wenn Verbraucher der Überwachungsgesellschaft Adieu sagen

Müssen sich digitale Unternehmen daher keine Sorgen um ihre Big-Data-Geschäftsmodelle machen? Matthias Horx, Trendforscher und Leiter des Zukunftsinstituts in Frankfurt am Main, glaubt nicht an die ungebremste Begeisterung für alle Facetten der Digitalisierung. "Führt das Internet wirklich zu mehr Wissen, besserer Information, guter Kommunikation und höherer Produktivität? Sind Beurteilungen von Hotels und Produkten im Netz glaubwürdig?", fragt er kritisch und prognostiziert eine Gegenbewegung.

In wenigen Jahren werde die Sucht nach digitalen Medien so sanktioniert werden wie heute das Rauchen, meint Horx. Und das ewige Online-Sein und am Smartphone-Hängen fehle es schließlich an gesellschaftlicher Akzeptanz. Gut möglich, dass Verbraucher dann auch der Überwachungsgesellschaft und damit Big Data Adieu sagen.

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