2008 | OriginalPaper | Chapter
Mobilität im Verborgenen. Plurilokale Mobilitätspraxen illegal beschäftigter polnischer Haushaltsarbeiterinnen in Berlin
Author : Dr. Norbert Cyrus
Published in: Migrations- und Integrationsforschung in der Diskussion
Publisher: VS Verlag für Sozialwissenschaften
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Bahnhof Berlin-Lichtenberg. Sonntagabend. Die ankommenden Züge aus Polen sind gut ausgelastet. Ich fahre mit meinem Reisebegleiter, einem polnischen Arbeitsmigranten, in Berlin ein. Um sein Alltagsleben kennen zu lernen, hatte ich ihn über das Wochenende begleitet. Am Freitagnachmittag waren wir zu seiner Familie gefahren und am Sonntagnachmittag zurück. Eine typische Pendlerexistenz: In Deutschland arbeiten, in Polen leben. Die nationalstaatliche Grenze bildet dank der visumfreien Einreise für meinen Begleiter keine Mobilitätsbarriere: „Für mich“, so erklärt er, „ist Berlin näher als Warschau“. (
Cyrus 1997
) Das gilt offensichtlich auch für viele unserer Mitreisenden, die zumeist nur eine Reisetasche bei sich haben. Für die Zeit bis Freitag, wenn sie Berlin wieder in die Gegenrichtung verlassen werden, braucht man nicht viel Gepäck. Mein Begleiter kommentiert lakonisch: „Die Männer, die arbeiten hier in Berlin schwarz — so wie ich. Und die Frauen — die Frauen putzen.“ Der Zug fährt ein und die Reisenden steigen aus. Zielstrebig und ohne zu zögern gehen die Männer und Frauen ihrer Wege, verteilen sich auf die umliegenden Bahnsteige und Bushaltestellen. Allein, zu zweit oder in kleinen Gruppen lassen sie sich auf dem schnellsten Weg von S-Bahn oder Bus zu ihren Unterkünften bringen. Es fällt der großen Stadt nicht schwer, die Zugereisten zu absorbieren. Über das ganze Stadtgebiet verteilt, versickert der Zustrom an Arbeitskraft ganz unmerklich in den Kapillaren der sozialen Fabrik. Flexibel, billig und fleißig tragen die mobilen Arbeitsmigranten aus Mittel- und Osteuropa dazu bei, die Stadt am Laufen zu halten.