Natur und die Wissenschaft von der Gesellschaft: Einleitung zum Handbuch Umweltsoziologie

Auszug

Als soziologische Subdisziplin kann die Umweltsoziologie mittlerweile auf eine gut 50-jährige Geschichte zurückblicken. Die Ursprünge einer „umweltlichen Soziologie“ finden sich jedoch bereits in der Tradition der Humanökologie („human ecology“) der Chicagoer Schule der 1920er-Jahre sowie ihrer diversen Vorläufer. Für aktuelle Stränge der Umweltsoziologie, die Frederick Buttel noch 1987 die „new human ecology“ nannte (Buttel 1987), gelten, neben Buttel selbst, die beiden Soziologen William R. Catton und Riley E. Dunlap als Gründerväter. Beide begannen in gemeinsamen Publikationen in den 1970er-Jahren den Anthropozentrismus und Fortschrittsglauben der Soziologie als Kind der Aufklärung zu kritisieren. Sie forderten, dass das ihres Erachtens in der Soziologie vorherrschende „human exceptionalism paradigm“ durch ein „new environmental paradigm“ ergänzt werden müsse (Catton und Dunlap 1978). Sie meinten damit, dass die Soziologie die Ökosphäre als relevante abhängige sowie unabhängige Variable in ihre Analysen integrieren müsse (Groß 2023). Den Grund für die Naturvergessenheit der Soziologie fanden sie in Emile Durkheims Bestrebung, die Soziologie als eine Wissenschaft zu skizzieren, die sich mit sozialen Tatbeständen auseinandersetzen und Soziales nur mit Sozialem erklären solle (Durkheim 1984 [1895]). …