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2024 | Book

Handbuch Umweltsoziologie

Editors: Marco Sonnberger, Alena Bleicher, Matthias Groß

Publisher: Springer Fachmedien Wiesbaden

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About this book

Das Handbuch Umweltsoziologie bietet eine umfassende und aktuelle Übersicht über das breite und dynamische Forschungsfeld der Natur-Gesellschaft-Beziehungen. Es führt in aktuelle theoretische und methodische Ansätze im nationalen und internationalen Kontext ein und stellt den Stand der Forschung in klassischen und neuen Forschungs- und Praxisfeldern der Umweltsoziologie dar. Das Handbuch zeigt darüber hinaus die Herausforderungen und Chancen umweltsoziologischer Forschung in Kooperation mit anderen Disziplinen auf.

Table of Contents

Frontmatter
Natur und die Wissenschaft von der Gesellschaft: Einleitung zum Handbuch Umweltsoziologie
Marco Sonnberger, Alena Bleicher, Matthias Groß

Theoretische Zugänge

Frontmatter
Gesellschaftliche Naturverhältnisse – Grundbegriff und Denkraum für die Gestaltung von sozial-ökologischen Transformationen

Der Beitrag erörtert das Verständnis von gesellschaftlichen Naturverhältnissen in einer doppelten Bestimmung: als relationaler Grundbegriff zum besseren Verständnis der Beziehungsmuster zwischen Gesellschaft und Natur sowie als transdisziplinärer Denkraum für die Gestaltung sozial-ökologischer Transformationen. Letztere lassen sich als Veränderungen der Regulationsweisen und der Beziehungsmuster gesellschaftlicher Naturverhältnisse konzipieren. Für die empirische Forschung werden zwei komplementäre Forschungszugänge illustriert: sozial-ökologische Systeme und sozial-ökologische Praktiken.

Diana Hummel, Thomas Jahn, Johanna Kramm, Immanuel Stieß
Zur sozialmetabolischen Transformation von Gesellschaft und Soziologie

Gesellschaft wird als Kopplung eines kulturalen Systems mit biophysischen Elementen verstanden und greift durch ihren Stoffwechsel und Arbeitsprozesse in die Natur ein. Veränderungen dieses Stoffwechsels, insbesondere seiner energetischen Basis, wirken als Veränderungen auf Gesellschaft zurück. Das wachstumsorientierte industrielle Regime basiert auf der Verwendung von fossilen Energieträgern, welche einen enormen Anstieg des materiellen Wohlstandes in Teilen der Welt erlaubten. Zugleich verändert das jedoch die natürliche Umwelt massiv und gefährdet langfristig den Weiterbestand der Menschheit. Es bedarf also einer tiefgreifenden sozialmetabolischen Transformation. Die Soziologie muss dafür ihren fachlichen Horizont erweitern und sich in den derzeit vorwiegend von Naturwissenschaftler*innen und Ökonom*innen geführten Diskurs über die Umgestaltung von Gesellschaft einbringen.

Marina Fischer-Kowalski, Andreas Mayer, Anke Schaffartzik
Praxistheorie

Theorien sozialer Praktiken erfreuen sich zunehmender Beliebtheit in der Erforschung sozial-ökologischer Transformationsbestrebungen. Ihr Kernanliegen besteht in der Vermittlung zwischen Struktur und Handlung, zwischen Individuum und Gesellschaft. Der Beitrag führt anhand von Beispielen aus dem Mobilitätsbereich in die Ursprünge, Genese und aktuellen Debatten praxistheoretischen Denkens ein. Zugleich werden weiterführende Perspektiven und Desiderata für umweltsoziologische Forschung beleuchtet.

Matthias Leger
Perspektiven der Theorie sozialer Systeme für die Umweltsoziologie

In diesem Kapitel stellen wir drei Thesen vor, die mithilfe der Theorie sozialer Systeme bearbeitet werden und die als Horizonte für empirische Forschung und Theoriebildung in der Umweltsoziologie herhalten können. Erstens, mit den theoretischen Begriffen der Systemtheorie lassen sich Analysen anleiten, die auf die Korrelation zwischen sozialem Strukturaufbau und entropischer Degradation fokussieren. Soziale Mechanismen sowie operative Prinzipien verweisen auf Ermöglichung und Beschleunigung von Kommunikation. Zweitens produziert die Gesellschaft Selbstbeschreibungen darüber, wie sie sich selbst und ihre Beziehung zur Natur versteht. Die Theorie sozialer Systeme zeigt die Kontingenz dieser Selbstbeschreibungen auf und verweist auf Möglichkeiten der strukturellen Transformationen. Drittens liefert die Theorie sozialer Systeme durch ihre Evolutionstheorie eine Botschaft der Vorsicht, die Beziehung zwischen Natur und Gesellschaft zu kontrollieren oder zu steuern. Planungs- und Umwelt-Governance-Strategien sind nur begrenzt in der Lage, soziale und natürliche Komplexität zu bewältigen.

Christian Büscher, Aldo Mascareño
Umweltdiskurse

Der Begriff der Umweltdiskurse bezeichnet die Art und Weise, wie ‚Umweltprobleme‘ konstruiert werden und konkurrierende Problemdefinitionen gesellschaftliche Wirkung entfalten. Umweltdiskursforschung stellt einen vielfältigen, lebendigen und etablierten Teilbereich der heutigen Umweltsoziologie dar. Der Beitrag erläutert zunächst Ausgangspunkte und Hintergründe der Entwicklung dieses Forschungszweiges. Anschließend stellt er Grundannahmen sowie führende aktuelle Ansätze (Foucault, Argumentative Diskursanalyse, Critical Discourse Analysis, Frame-Analyse, Hegemonietheoretische Diskursanalyse, Soziologie der Kontroversen, Wissenssoziologische Diskursanalyse) dar. Abschließend werden wichtige Erträge zusammengefasst und Desiderata der weiteren Forschung benannt.

Reiner Keller, Angelika Poferl
Umweltsoziologie und Rational-Choice-Theorie

Die Rational-Choice-Theorie ist eine der grundlegenden Theorieperspektiven der Soziologie, die auch zur Erklärung von Umwelthandeln/-problemen herangezogen wird. Dabei werden Umweltprobleme als emergente Effekte konzipiert, die oftmals unbeabsichtigte Nebenfolgen individuellen Handelns sind. Der Beitrag bietet einen Überblick zu den Grundlagen von Rational-Choice-Erklärungen und diskutiert konkrete Anwendungsbeispiele im Spannungsfeld individuellen Umwelthandelns (etwa Verkehrsmittelwahl) und kollektiver Umwelteffekte (etwa Überfischung der Weltmeere). Dabei werden der Variantenreichtum der Theorie, ihr unmittelbarer Handlungsbezug und ihr potenzieller Beitrag zur Bewältigung von Umweltproblemen deutlich.

Ulf Liebe, Peter Preisendörfer
Zweite Moderne und Risikogesellschaft

Die Begriffe reflexive bzw. zweite Moderne und Risikogesellschaft gehen auf Ulrich Beck zurück, der Mitte der 1980er-Jahre einen radikalen Wandel im gesellschaftlichen Verständnis und Umgang mit Natur und Technik diagnostizierte. Die Erfolge der Moderne und insbesondere ihre technologischen Errungenschaften wären von systematischen Nebenfolgen begleitet, die ihre eigenen Grundlagen in Frage stellen und transformieren würden. Dabei wäre Natur nicht mehr länger extern, sondern als Naturzerstörung Bestandteil gesellschaftlicher Entwicklung, die durch zunehmende gesellschaftliche Konflikte über die Produktion und Verteilung von Risiken charakterisiert wäre.

Jens O. Zinn
Ökologien des Materiellen
Neomaterialistische und posthumanistische Zugänge

Ausgehend von einer zunehmend beobachtbaren Präsenz neomaterialistischer bzw. posthumanistischer Ansätze, diskutiert der Beitrag deren Relevanz für umweltsoziologische Forschungen in ihren Potenzialen und Herausforderungen. Hierzu führt er zunächst in grundlegende Annahmen neomaterialistischer bzw. posthumanistischer Theorien ein. Zudem werden drei prominente Positionen vorgestellt, die in ihrer Konzeption von Materie und Natur umweltsoziologische Denktraditionen in produktiver Weise bereichern aber auch zu irritieren vermögen.

Christiane Schürkmann
Grenzen, Krisen und Alternativen des Wachstums
Gesellschaftstheoretische Perspektiven

Moderne Gesellschaften entwickeln Steigerungsdynamiken, die ihre Zukunfts- und Transformationsfähigkeit gefährden. In ökologischer Hinsicht sind wissenschaftlich-technische Dynamiken zentral und werden durch solche kapitalistischer Ökonomie, konsumistischer Kultur und expansiver Politik forciert. Diskutiert werden als gesellschaftstheoretisch relevante, alternative Entwicklungsoptionen: die ‚Einbettung‘ von Ökonomie und Wissenschaft, Commons, das Gabe-Paradigma, die Resonanz-Theorie, ‚Techniken der Lebensführung‘ und die prozedurale Gestaltung gesellschaftlicher Lernprozesse.

Stephan Lorenz
Transformationstheorien und Ökologie

Der Beitrag diskutiert Theorien, die für die Untersuchung sozial-ökologischer Transformationsprozesse von Relevanz sind. Dabei lassen sich Ansätze unterscheiden, die sich mit der Gestaltung einer Transformation unter dem Leitbild der Nachhaltigkeit beschäftigen, und solchen, die analytisch die Austauschprozesse zwischen der Gesellschaft und ihrer natürlichen Umwelt in den Blick nehmen. Zu den letzteren zählen auch sogenannte Kollapstheorien. Schließlich wird auf jüngere Arbeiten aus dem Bereich der Gesellschaftstheorie eingegangen, die das umweltsoziologische Nachdenken über sozial-ökologische Transformationen befruchten können.

Bernd Sommer
Soziale Innovation und sozial-ökologische Transformation

Obwohl – vor allem in der Nachhaltigkeitsforschung – zunehmend thematisiert, bleibt der Zusammenhang von sozialer Innovation und transformativem sozialen Wandel bislang weitgehend unklar. Vor dem Hintergrund der Herausbildung von sozialer Innovation als eigenständiges Forschungsfeld plädiert dieser Beitrag für die Entwicklung eines praxistheoretisch fundierten analytischen Konzepts sozialer Innovation. Dies wird als eine entscheidende Voraussetzung für ein besseres Verständnis der Bedeutung sozialer Innovation in komplexen Prozessen des sozialen Wandels und der Transformation herausgearbeitet.

Jürgen Howaldt, Michael Schwarz
Die ANT und der Anteil der (natürlichen) Dinge an der Gesellschaft

Untersucht wird, wie sich (natürliche) Dinge ausgehend von der ANT in Sozialität und Soziologie einbeziehen lassen, etwa als Stützen oder Akteure beim Handeln oder als normative Impulsgeber. Dabei dienen einige soziologische Grundbegriffe als Leitlinien: soziales Handeln, Normativität, Assoziation, politische Repräsentation und Öffentlichkeit.

Gustav Roßler

Felder sozialökologischer Transformation

Frontmatter
Alltägliche Lebensführung und Nachhaltigkeit im Konsum

Umweltsoziologische Konsumforschung hat einen erheblichen Bedeutungszuwachs erfahren und stellt heute eine vielfältige Forschungslandschaft dar. Die frühe Dominanz sozial- und verhaltenspsychologischer Ansätze zu Einstellungen, Handlungsabsichten und tatsächlichem Handeln im Hinblick auf (nicht)nachhaltigen Konsum wurde ab den 2000ern besonders durch praxistheoretische Alternativen herausgefordert bzw. zumindest teilweise abgelöst. Letztere haben den Blick auf gesellschaftlich geteilte und oftmals stark routinisierte Alltagspraktiken und deren soziale und materielle Gründe und Folgen gelenkt und damit einen wesentlichen Beitrag zur Weiterentwicklung der Forschung geleistet. Ergänzend dazu hat die konsumbiografische Forschung den Blick für konsumbezogene (Dis)kontinuitäten im Lebensverlauf und damit auch die Notwendigkeit längsschnittorientierter und retrospektiver Methoden der empirischen Konsumforschung geschärft, allen voran die besonders in Europa angesiedelte Mobilitätsbiografienforschung. Ansätze zur politischen Steuerung und Governance nicht nachhaltigen Konsums umfassen effizienz- und suffizienzorientierte Beiträge sowie das Konzept der Konsumkorridore. Interkulturelle Unterschiede in der alltäglichen Lebensführung und deren Auswirkungen auf den Ressourcenverbrauch von Individuen, Haushalten, Regionen und Nationen bleiben dagegen bisher wenig erforscht.

Henrike Rau
Digitalisierung und Nachhaltigkeit

Der Beitrag nimmt die zunehmend diskutierte und teilweise ambivalente Verknüpfung zwischen Digitalisierung und Nachhaltigkeit als Ausgangspunkt, um diesen Gegenstand der soziologischen Forschung zugänglich zu machen. Der Beitrag zeigt Verschränkungen und Spannungen anhand der materialen und der sozialen Dimensionen auf. Daran anschließend wird gezeigt, dass soziologische Theorie dazu geeignet ist, reflektierte Perspektiven auf das Verhältnis von Nachhaltigkeit und Digitalisierung zu entwickeln. Der Beitrag schließt mit einem Plädoyer für eine kritische und öffentliche Reflexion von Digitalisierung und Nachhaltigkeit vor dem Hintergrund soziologisch theoretischer und empirischer Forschungen.

Sarah Lenz, Anna Henkel
Natur zu Hause

Die soziologische Betrachtung von Zimmerpflanzen eröffnet einen Blick auf eine sich ständig verändernde Wohnkultur und Beziehung zur Natur im europäisch geprägten globalen Norden. Nicht-heimische Pflanzen als Teil der Innenausstattung geben Hinweise auf Geschlechter- und sozial-ökonomische Ungleichheitsverhältnisse. In einer von Krisen geprägten Gesellschaft in welcher der Wohnraum als Ort der Arbeit und der Freizeit eine immer wichtigere Rolle spielt, sind sie heute ein Instrument der Entschleunigung, ersehnter Naturverbundenheit und konstanter Identitätsbestätigung.

Maria Pfeiffer
Biologische Vielfalt in soziologischer Perspektive

Damit sich Gesellschaften in ihren ökologischen Einbettungen so ausrichten können, dass sie nicht zum Treiber eines massenhaften Artensterbens werden, braucht es vor allem Wissen über die relevanten sozialökologischen Systeme und Mechanismen und über die realen Möglichkeiten gerichteter Transformationen. Mit dem Stand der Forschung und deren Probleme bekannt zu machen, ist Anliegen dieses Artikels.

Jens Jetzkowitz
Tiere und Gesellschaft
Umweltsoziologische Zugänge zum Mensch-Tier-Verhältnis

Tiere spielen eine wichtige Rolle in der Gesellschaft, aber die Soziologie im Allgemeinen wie die Umweltsoziologie im Besonderen haben sich dem Mensch-Tier-Verhältnis lange Zeit nur sporadisch gewidmet. In letztere Zeit steigt die Zahl der Forschungsbeiträge zu den gesellschaftlichen Beziehungen zu Tieren jedoch deutlich. Im Beitrag werden drei Typen möglicher umweltsoziologischer Zugänge zum Mensch-Tier-Verhältnis differenziert: Erstens: Tiere als Gegenstand zwischenmenschlicher Aushandlung. Zweitens: Mensch-Tier-Verhältnisse als Auslöser sozial-ökologischer Krisen. Drittens: Tiere als Interaktionspartner. Jeder Typ wird bezüglich der jeweils vorherrschenden Forschungslogik sowie der bisherigen Forschungsarbeiten diskutiert. Mit Blick auf den Stand der Forschung kann gesagt werden, dass die Arbeiten zum ersten Typ quantitativ deutlich überwiegen und hier vor allem die tierbezogenen sozialen Praxen, Wertvorstellungen und Institutionen sowie die Ursachen, Dynamiken und Folgen des gesellschaftlichen Wandels im Mensch-Tier-Verhältnis in den Blick genommen werden. Hinsichtlich des zweiten Typs ist die bisher geringe Aufmerksamkeit der Umweltsoziologie für diesen Forschungszugang angesichts der hohen Relevanz landwirtschaftlicher Tierhaltung für die Entfaltung unterschiedlicher sozial-ökologischer Krisen wie den Klimawandel und das Artensterben bemerkenswert. Der dritte Typ möglicher umweltsoziologischer Forschung zum Mensch-Tier-Verhältnis legt den Fokus auf das interaktive Handeln zwischen Menschen und Tieren und unterzieht theoretischen Grundbegriffen wie „Natur“, „Akteur“ oder „Subjekt“ einer kritischen Prüfung.

Marcel Sebastian
Nachhaltige Mobilität

Zu den Problemen, aus denen die Notwendigkeit einer Transformation der Mobilität erwächst, gehören neben den stagnierenden bzw. weiterhin steigenden Emissionen auch der enorme Platzbedarf des fahrenden und ruhenden Autoverkehrs, der nicht nur in Städten in Konkurrenz zu anderen Nutzungsinteressen steht, die Lärmbelastung für die Anwohner*innen, die weiterhin hohe Zahl von Toten, Verletzten durch Verkehrsunfälle in Deutschland. Im folgenden Beitrag werden zunächst die Begriffe Mobilität und Verkehr voneinander abgegrenzt. Vor dieser Hintergrundfolie werden dann drei Ausprägungen einer an Nachhaltigkeit und Klimaschutz ausgerichteten Transformation von Verkehr und Mobilität unterschieden mit den Labeln Antriebs-, Verkehrs- und Mobilitätswende. Diese gehen von unterschiedlichen Verständnissen von Nachhaltigkeit aus und beinhalten unterschiedlich tiefgreifende Transformationen.

Katharina Manderscheid
Ernährung

Die Paradoxie der Ernährung in der modernen Gesellschaft, dass der Überfluss und das Überangebot an Nahrung das menschliche Überleben vor enorme Herausforderungen stellen, unterstreicht die soziale Bedeutung der Ernährung. Gleichzeitig sind hiermit tiefgreifende Folgewirkungen für Gesundheit und Umwelt verbunden. Die negativen Auswirkungen von Ernährung schränken damit Möglichkeiten von Gesellschaft ein, was die Notwendigkeit einer nachhaltigeren Ernährung begründet und Fragen für die Soziologie nach dem Wandel von Ernährungspraktiken aufwirft.

Jana Rückert-John
Atommüll – Zur Long-term Governance eines sozio-technischen Problems

Radioaktive oder nukleare Abfälle, Atommüll – nicht nur an unterschiedlich verwendeten Begrifflichkeiten ist unschwer zu erkennen, dass die Endlagerung ein gesellschaftliches Problem ist, bei dem es nicht nur um die technische Lösung eines Industrieproblems geht. Vielmehr stehen grundlegende Fragen im Raum, wie „Wie sicher ist sicher genug“? Oder auch, wie die Belange zukünftiger Generationen in der heutigen Entscheidungsfindung mitberücksichtigt werden können. Dieser Beitrag spannt die Bandbreite der Entsorgungsproblematik anhand aktueller soziologischer Forschungsthemen unter Bezugnahme auf angrenzende sozialwissenschaftliche Forschungsfelder auf.

Sophie Kuppler
StadtNaturen: Urbane Assemblagen und ihre Transformation

Die vielschichtigen und wechselseitigen Zusammenhänge zwischen Stadt und Natur wurden lange ausgeblendet. Assemblagen-Theorien rücken diese Verflechtungen demgegenüber seit den 1990er-Jahren als temporäre Ergebnisse der (Um-) Bildung urbaner StadtNaturen in den Fokus. Während akteur-netzwerk-theoretische Perspektiven den Auf- und Abbau heterogener Assemblagen aus menschlichen und nicht-menschlichen Subjekten, Objekten, Räumen, Technologien und Materialitäten in den Mittelpunkt rücken, kritisiert die urban political ecology die mit diesen Transformationsprozessen verbundenen Ein- und Ausschlüsse in kapitalistischen Gesellschaften. Der Beitrag führt in beide Ansätze ein und richtet mit ihrer Hilfe den Blick auf urbane Stoffwechselprozesse, urbane Transformationen und Konflikte um Stadtnaturschutz und grüne Infrastrukturen.

Cordula Kropp
Climate Engineering
Sozialwissenschaftliche Perspektiven auf eine Emerging Technology

Climate Engineering beschreibt die Idee, der globalen Erderwärmung durch gezielte technologische Eingriffe in das Klimasystem entgegenzuwirken. Dieser Beitrag zeigt, wie Climate Engineering zu einer klimapolitischen Option werden konnte, wie diese Option aktuell verhandelt wird und was das für die zukünftige Auseinandersetzung mit diesen umstrittenen Maßnahmen bedeutet. Im Zentrum steht dabei die Frage, wie sich im Fall von Climate Engineering wissenschaftliche mit gesellschaftspolitischen Interessen verknüpfen. Der Beitrag illustriert diese Verknüpfung in historischer, struktureller und epistemischer Hinsicht.

Julia Schubert
Klimawandel und globale Umweltveränderungen

Ausgehend von den Konzepten Anthropozän und planetare Grenzen werden in diesem Beitrag einige besonders kritische globale Umweltveränderungen zusammen mit ihren Antriebskräften vorgestellt. Am Beispiel des Klimawandels wird etwas genauer sowohl auf den erdsystemischen Mechanismus, als auch auf die gesellschaftlichen Ursachen eingegangen. Einfache Erklärungsmodelle werden zugunsten komplexerer verworfen. Globale Umweltveränderungen und der anthropogene Klimawandel stellen nicht nur ein Themenfeld, sondern mittlerweile auch eine konzeptionelle und praktische Herausforderung der Soziologie insgesamt dar, nicht nur dem Bindestrich-Fach Umweltsoziologie. Es zeichnen sich Rekonfigurationen der soziologischen Grundbegrifflichkeit ab, die die herkömmliche Natur-Gesellschaftsdifferenz erodieren lassen. Zugleich weisen weltweite Umweltdegradationen mit der nicht mehr unrealistischen Perspektive eines Untergangs der Menschheit darauf hin, dass es sich beim Anthropozän erst um eine halbierte Moderne handelt. Sie baut auf einem technischen „Können“ und „Bewirken“ auf, dem die Reflexivität und die soziale Empathie weitgehend fehlen. Sie zu entwickeln ist die Kernaufgabe einer sozial-ökologischen Transformation, an der sich die Soziologie insgesamt auch praktisch beteiligen muss.

Fritz Reusswig
Epidemien im Licht der Umweltsoziologie

In diesem Beitrag werden Epidemien, wie sie seit Menschengedenken auftreten, im Licht der Umweltsoziologie untersucht. Es wird argumentiert, dass Epidemien als soziale Prozesse, ähnlich wie andere Umweltkonflikte, durch wissenschaftliche Ungewissheit, konfligierende Einstellungen gegenüber Natur und Technik sowie durch widersprüchliche politische Entscheidungskalküle gekennzeichnet sind.

Bernhard Gill, Theresa Kehler, Michael Schneider
Ambivalenzen des Mülls – Soziologie der Abfallerzeugung und Abfallvermeidung

Im Beitrag reflektieren wir aktuelle umweltsoziologische Auseinandersetzungen mit Abfallerzeugung und Abfallvermeidung vor dem Hintergrund unterschiedlicher Forschungsdiskurse der interdisziplinären Waste Studies. Dabei identifizieren wir zwei zentrale Herausforderungen: Erstens erfordert eine Fokussierung auf ökologische Wirkungen und Transformationsstrategien eine machtkritische Reflextion dominanter Diskurse wie Kreislaufwirtschaft oder Zero Waste. Zweitens darf die Untersuchung transformativer Vermeidungspraktiken nicht die soziale Differenzierung bei Alltagsherausforderungen, sowohl für (westliche) „Normalverbraucher*innen“ als auch für Menschen im Globalen Süden, aus dem Blick verlieren.

Elisabeth Süßbauer, Cassiopea Staudacher, Lukas Sattlegger
Rohstoffe im 21. Jahrhundert

Rohstoffe und ihre Extraktion prägen seit Jahrhunderten Mensch-Umwelt-Beziehungen und sind seit langem ein Thema wissenschaftlicher Analysen. Im Anthropozän stellen mineralische und fossile Ressourcen bzw. der Rohstoffsektor sowohl Problem als auch Lösung für Nachhaltigkeitstransformationen dar. In diesem Beitrag rezipieren wir aktuelle Trends in der multidisziplinären sozialwissenschaftlichen Rohstoffforschung entlang von drei Perspektiven: (1) Akteure, (2) Programme und Politiken und (3) Materialität.

Diana Ayeh, Alena Bleicher
Chemikalien und Gesellschaft

Wechselbeziehungen zwischen Chemikalien und Gesellschaft umfassen die industrielle Entwicklung, Nutzung und Entsorgung chemischer Stoffe sowie den Umgang mit toxischen Überresten und Effekten. Dabei sind die Vor- und Nachteile moderner Chemie gesellschaftlich und geographisch höchst ungleich verteilt. Sozialwissenschaftliche Forschung setzt an all diesen Punkten an, untersucht Chemikalien als Gegenstand von Wissenschaft, industrieller Produktion und Regulierung. Zentrale konzeptionelle Bezüge bilden Wissenschafts- und Technikstudien sowie die Umweltgerechtigkeitsforschung.

Nona Schulte-Römer, Friederike Gesing
Grüne Gentrifizierung
Impulse für eine kritische Perspektive auf Stadtgrün und nachhaltige Stadtentwicklung

Der Ansatz der grünen Gentrifizierung hat sich seit den 2000er-Jahren zu einem Forschungsstrang an der Schnittstelle von kritischer Wohnungsmarkt- und Stadtgrünforschung entwickelt. Im Kern geht es dabei die Analyse und Erklärung von direkter und indirekter Verdrängung als Folge grüner Aufwertung im Quartier oder grüner Wohnungsbauprojekte, was zu mehr Segregation und Ungleichheit und Ungerechtigkeit auf dem Wohnungsmarkt führt. Es geht um Kontexte, in denen Begrünung als Bestandteil immobilienmarktgetriebener Aufwertungs- und Immobilienmarktstrategien fungiert. Damit verknüpft der Ansatz die Perspektive der klassischen Gentrifizierungsforschung mit Prozessen der grünen und/oder blauen Aufwertung von Städten, etwa durch die Sanierung von Grünflächen oder Gewässern im Wohnumfeld oder durch grüne bzw. grün-blaue Wohnbauprojekte. Der Beitrag gibt einen Überblick zu Gegenstand und Debatte zur grünen Gentrifizierung und ihren wichtigsten Themen und Befunden. Darauf aufbauend wird diskutiert, welche Perspektiverweiterungen die Debatte zur grünen Gentrifizierung für die Umweltsoziologie bietet.

Annegret Haase, Anika Schmidt, Dieter Rink
Rebound-Effekte aus umweltsoziologischer Perspektive
Unbeabsichtigte Nebenfolgen von Energieeffizienzsteigerungen

Energieeffizienz gilt seit langem als ein wichtiges Instrument zur Senkung des Energieverbrauchs und damit zur Verringerung der klimaschädlichen Emissionen. Doch wenn die Energieeffizienz erhöht wird, sinkt der Energieverbrauch oft nicht in dem Maße, wie es die technischen Schätzungen vorhersagen. In solchen Fällen spricht man von einem „Rebound-Effekt“. Rebound-Effekte wurden zunächst von Wirtschaftswissenschaftler:innen untersucht, die darauf hinwiesen, dass durch die Steigerung der Energieeffizienz, „Energiedienstleistungen“ billiger wurden. „Energiedienstleistungen“ sind die Güter und Dienste, die die Menschen durch den Verbrauch von Energie erhalten, z. B. zurückgelegte Entfernungen, beheizte Räume oder hergestellte Waren. Wenn diese billiger werden, kaufen bzw. verbrauchen die Leute mehr. Spätere Forschungen identifizierten weitere Ursachen für Rebound-Effekte, darunter psychologische Einstellungen, soziale Praktiken, sozialstrukturelle Einflüsse, Durchsetzungsvermögen von Interessengruppen und große systemisch angelegte thermodynamische Prozesse, die tief in die Funktionsweise der Industriegesellschaft eingebettet sind. Das Ausmaß der Rebound-Effekte ist von besonderem Interesse, aber auch die jeweiligen sozioökonomischen Situationen, in denen Rebound-Effekte stattfinden. Für Menschen, die von Energiearmut betroffen sind, kann eine höhere Energieeffizienz mit einem hohen prozentualen Rebound-Effekt dazu führen, dass sie sich größere Mengen an dringend benötigten Energiedienstleistungen leisten können. Andererseits können geringe prozentuale Rebound-Effekte in einem Land mit hohem Einkommen die Klimaziele vereiteln. Es besteht auch die ernste Sorge, dass die Rebound-Effekte in der gesamten Wirtschaft so groß sein könnten, dass die Steigerung der Energieeffizienz tatsächlich zu einem höheren Energieverbrauch und zu höheren CO2-Emissionen führt. Eine vielversprechende Entwicklung in der jüngsten Rebound-Forschung ist daher der Versuch, sie in Nachhaltigkeitsstudien einzubetten.

Ray Galvin
Infrastrukturen – Hebel der sozial-ökologischen Transformation

Klimagerechte, nachhaltige Formen des Wirtschaftens und Zusammenlebens sind mit den bestehenden fossilen Infrastruktursystemen großtechnisch-industrieller Prägung nicht zu haben. Allerdings könnte ihr tiefgreifender Wandel, wie er mit Energie-, Verkehrs- oder Bauwende angekündigt wird, ein zentraler Hebel für eine sozial-ökologische Transformation der gesellschaftlichen Naturverhältnisse und organisierten Alltagspraktiken sein, wenn er mit einem entsprechenden Wandel der politischen Governance verbunden würde. Angesichts dieses immensen Potenzials – und der dem entgegenstehenden Eigendynamiken – zeichnet der Beitrag die umweltsoziologisch bedeutsamen Strukturmerkmale von Infrastruktursystemen nach, diskutiert ihre Beharrungskräfte, die politischen Bedingungen ihrer sozial-ökologischen Transformation sowie Überlegungen zu neuen Infrastrukturparadigmen.

Cordula Kropp
Kultur und Nachhaltigkeit – Aufbruch der Museen in die Transformation

Im Hinblick auf die Transformation zu einem nachhaltigen Betrieb waren Museen lange Zeit vergleichsweise zurückhaltend. Erst in den letzten Jahren haben sie die Herausforderungen der Transformation für sich entdeckt und angenommen. Warum hat dies so lange gedauert und wie findet ökologische Nachhaltigkeit nun Eingang in den Museumssektor? Wir zeigen in diesem Beitrag Interessenkonflikte auf, um treibende und hemmende Kräfte für einen Wandel hin zu mehr Nachhaltigkeit zu identifizieren, schlagen dann eine Phaseneinteilung der historischen Entwicklung vor und illustrieren diese mit ausgewählten Initiativen. Anschließend vergleichen wir die Nachhaltigkeitsdynamiken mit dem Finanz- und Wirtschaftssektor und stellen abschließend ein aktuelles Pilotprojekt von Hamburger Museen vor.

Stefanie Hiß, Alexander Stockinger
Religion und Ökologie

In den Debatten um sozio-ökologische Gesellschaftstransformationen erfährt Religion zunehmend Aufmerksamkeit. Dies hängt mit den Potentialen zusammen, die Religion zugeschrieben werden (z. B. Einfluss auf Moralvorstellungen und Weltbilder). Dieser Beitrag beschreibt anhand aktueller Studien, inwieweit diese Potentiale genutzt werden. Dabei unterscheidet der Beitrag zwischen organisierter Religion (Religionsgemeinschaften) und nichtorganisierter Religion (moderne Spiritualitätsformen).

Jens Köhrsen

Methoden

Frontmatter
Experimentalforschung in der Umweltsoziologie

Experimente sind eine der besten Methoden, um Kausaleffekte aufzudecken. Sie werden in der sozialwissenschaftlichen Umweltforschung unter anderem angewandt, um die Wirkung von sozialen Normen für Umwelthandeln abzuschätzen sowie zentrale Faktoren zur Erklärung von Umwelteinstellungen und Präferenzen für umweltpolitische Maßnahmen zu ermitteln. Der Beitrag bietet einen Überblick über verschiedene Typen von Experimenten (Laborexperimente, Feldexperimente, multifaktorielle Umfrageexperimente und natürliche Experimente), verweist auf Anwendungsbeispiele im Umweltbereich und benennt einige kritische Problembereiche in der Experimentalforschung (mit etwaigen Lösungsansätzen). Insgesamt soll deutlich werden, dass experimentelle Ansätze einen wichtigen Bestandteil des Methodenkanons in der Umweltsoziologie bilden, der nicht nur hilft Forschungshypothesen zu testen, sondern auch die Effekte von Interventionen im Alltagsleben mit Ziel eines verbesserten Umwelt- und Klimaschutzes auszuloten.

Ulf Liebe
Reallabor

Reallabore stehen für ein breites Bündel heterogener sozialer Praktiken. Der Begriff ist wissenspolitisch aufgeladen. Eine erhebliche Unübersichtlichkeit ist die Folge. Deshalb widmet sich der Beitrag konzeptionell-theoretischen Klärungs- und Einordnungsversuchen. Die These ist, dass Reallabore ihr Potenzial als Medium einer nachhaltigkeitsorientierten Transformation spätmoderner Wissensgesellschaften nur entfalten können, wenn sie aus dem Korsett unreflektierter Instrumentalisierung befreit und als wissensgenerative Orte der Transformation von Wissenschaft und Demokratie begriffen werden.

Stefan Böschen, Stefan John, Julia Backhaus
Computational Social Sciences in der Umweltsoziologie

Die zunehmende Verfügbarkeit digitaler Daten und die wachsende Rechenleistung für deren Analyse eröffnen Möglichkeiten für die Analyse der sozialen Dimensionen von Umweltthemen. In diesem Kapitel geben wir einen Überblick über etablierte und neu entstehende computergestützte Methoden und Datentypen, die die umwelt-soziologische Forschung unterstützen können. Wir gehen auf Fallstudienbeispiele ein, stellen Forschungsfragen vor, die untersucht werden könnten, und diskutieren offene Herausforderungen. So wird beispielsweise erörtert, wie Webressourcen, Sensordaten und konventionelle Datentypen analysiert werden können, um neue Erkenntnisse zu gewinnen. Zu diesem Zweck werden u. a. Anwendungen wie die computergestützte Textanalyse, die Netzwerkanalyse und komplexe Systemmodellierung vorgestellt. Wir zeigen auch auf, wie neue computergestützte Methoden dazu beitragen können, Muster in den Daten zu erkennen, die mit herkömmlichen Analysemethoden möglicherweise nicht zu erkennen sind. Insgesamt bieten computergestützte sozialwissenschaftliche Methoden aufregende neue Möglichkeiten für die Forschung auf dem Gebiet der Umweltsoziologie. Durch die Bereitstellung neuer Datenanalyse- und Modellierungswerkzeuge können diese Methoden die Forschung zu einem breiten Spektrum von Umweltthemen unterstützen, vom Klimawandel und dem Management natürlicher Ressourcen bis hin zu Umweltgerechtigkeit und Nachhaltigkeitsforschung.

Mariana Madruga de Brito, Jan Sodoge
Neue qualitative Methoden im Kontext der Umweltsoziologie

Dieser Beitrag gibt einen Überblick über Methoden der qualitativen Sozialforschung sowie deren Anwendung und Weiterentwicklung im Rahmen von umweltsoziologischer Forschung. Dabei liegt der Schwerpunkt des Beitrags auf ethnografischen Forschungsansätzen sowie auf der Situationsanalyse. Diese beiden Forschungsstile werden jeweils in ihren Kernpunkten beschrieben, bevor Anwendungsbeispiele aus umweltsoziologischen Forschungsprojekten und aktuelle Weiterentwicklungen vorgestellt werden.

Angela Pohlmann
Geo-referenzierte Daten, digitale Datenquellen und Methoden der Kausalanalyse in der Umweltsoziologie

Neue Technologien der Informationsverarbeitung, Sensoren, Satellitenbeobachtung und die großen Mengen von Text- und Bildmaterial im Internet bieten der Umweltsoziologie eine Vielzahl neuer Datenquellen. Die Erschließung dieser Ressourcen eröffnet zahlreiche Möglichkeiten für innovative deskriptive und explorative Studien ebenso wie zur Prüfung von Hypothesen. Der Beitrag behandelt ausgewählte Aspekte von Methoden zur Datengewinnung und Datenanalyse. Dazu zählen die Nutzung geo-referenzierter Daten, das Webscraping von Textdaten im Internet und Methoden zur Analyse kausaler Zusammenhänge.

Andreas Diekmann, Felix Ries
Methodensammlungen für die transdisziplinäre Forschung

Die komplexen, sich schnell verändernden globalen Herausforderungen verlangen nach einer Forschung, die den Menschen dabei hilft, die Herausforderungen in ihrer Komplexität zu verstehen und diese gemeinsam anzugehen. Transdisziplinäre Forschung ist ein vielversprechender Ansatz, um die verschiedenen Anspruchsgruppen einzubeziehen und umsetzbare Lösungsansätze zu generieren. Um die Koproduktion von Wissen zwischen unterschiedlichen Disziplinen und gesellschaftlichen Anspruchsgruppen zu unterstützen, adaptieren transdisziplinär Forschende bestehende Methoden und Werkzeuge und entwickeln neuartige. Sammlungen solcher Methoden bezwecken, potentiell nützliche Methoden und Werkzeuge für die räumlich (und thematisch) zerstreuten Gemeinschaften der transdisziplinär Forschenden verfügbar zu machen. Sie bieten Überblick und sind Quellen für die Anwendung, Entwicklung und Kombination von Methoden.In diesem Beitrag erörtern wir die Rolle von Methodensammlungen für die Gemeinschaften der transdisziplinär Forschenden, Prozessbegleitenden, Lehrenden sowie der Praktiker:innen, die an transdisziplinärer Forschung beteiligt sind. Dafür stellen wir zunächst die wichtigsten methodologischen Herausforderungen der transdisziplinären Forschung vor – Situiertheit, sich entwickelnde Methodik, Sensibilität für unerwartete Veränderungen und Nachvollziehbarkeit –, die mit Hilfe von Methodensammlungen adressiert werden können. Wir beschreiben dann kurz die Entstehung und Entwicklung von Methodensammlungen, die transdisziplinäre Forschung unterstützen. Basierend auf diesen Entstehungsgeschichten und dem Fallbeispiel der td-net Toolbox diskutieren wir, in wieweit Methodensammlungen dazu beitragen, die methodischen Anforderungen der transdisziplinären Forschung zu erfüllen, und benennen deren Grenzen beziehungsweise Entwicklungsbedarf.

Sibylle Studer, Christian Pohl

Konzepte

Frontmatter
Strukturen ökologischen Experimentierens

Ökologisches Experimentieren unterscheidet sich von Laborexperimenten. Es findet in der ‚offenen‘ Wirklichkeit ökologischer Systeme statt. Der Beitrag präzisiert die Unterschiede. Er entwirft dann eine Typologie ökologischer Experimente, deren Vor- und Nachteile abgewogen werden. Es wird anschließend diskutiert, welcher Art Erkenntniserwerb und theoretischer Ertrag aus den unterschiedlichen Formen ökologischer Experimente zu erwarten sind.

Wolfgang Krohn
Feministische und dekoloniale Perspektiven in der und für die Umweltsoziologie

Welche Relevanz haben feministische Ansätze derzeit in der Umweltsoziologie? Welche Rolle spielen Perspektiven aus dem Globalen Süden, die von dekolonialen Autor*innen in aktuelle Debatten um Klimapolitik und Nachhaltigkeit eingebracht werden? Wie können feministische und dekoloniale Ansätze konkret in umweltsoziologische Forschung und Lehre integriert werden? Diese Fragen bilden die Leitlinien dieses Buchbeitrags. Darin bieten wir einen Überblick über den Forschungsstand zu Geschlechterverhältnissen in der Umweltsoziologie und zeichnen die historische Entwicklung im Globalen Norden anhand wesentlicher politischer Bewegungen und Diskussionsstränge nach. Mit dem Schwerpunkt auf Konzepten wie cuerpo-territorio (Cabnal 2010) und territorialen Feminismen (Ulloa 2016) eröffnen wir zudem Einblicke in die Theoriediskussionen im Globalen Süden, die u. a. vom engen Austausch zwischen Wissenschaft und sozialen Bewegungen geprägt sind. Anhand des Fallbeispiels Kohle-Extraktivismus in Kolumbien zeigen wir die Relevanz feministischer Konzepte für die Analyse kolonialer Landaneignung und sozial-ökologischer Konflikte auf und verbinden diese mit den Debatten um Postwachstum im Globalen Norden. Der Beitrag schließt mit einem Toolkit, das Forschenden und Lehrenden als Anregung dient, um anhand geeigneter Reflexionsfragen selbst feministische und dekoloniale Perspektiven in die eigene Arbeit zu integrieren.

Anna Saave, Birgit Hoinle
Umweltgerechtigkeit

Umweltgerechtigkeit ist ein breites Konzept mit vielen Strömungen und Diskussionen. Dieser Beitrag möchte einen Einstieg in das Themenfeld liefern und zur soziologischen Anschlusskommunikation einladen. Hierzu werden verschiedene Definitionen von Umweltgerechtigkeit diskutiert. Außerdem wird ein Schwerpunkt auf die Zusammenhänge von Umweltgerechtigkeit und sozialer Ungleichheit gelegt, um einerseits an reiche Theorietraditionen in der soziologischen Ungleichheitsforschung anzuknüpfen und gleichzeitig auf bestehende Leerstellen in der Untersuchung von Umweltgerechtigkeit hinzuweisen. Der Beitrag schließt mit einigen Aufgaben für die zukünftige soziologische Erforschung von Umweltgerechtigkeit.

Danny Otto
Paradoxie und Ökologie

Wie keine Gesellschaft vor ihr ist die moderne Gesellschaft abhängig von Technologien, insbesondere von Techniken der Energieversorgung. Dieser Beitrag liefert eine Auseinandersetzung mit der Frage, ob die technische Kompetenz einer funktional differenzierten Gesellschaft ausreicht, um sich auf ökologische Gefährdungen einstellen zu können. Er soll zeigen, dass das eigentliche ökologische Risiko in der internen Verarbeitungsregel liegt, die durch die Form der Differenzierung der Gesellschaft gegeben ist. Technische Eingriffe verändern die Natur und daraus resultieren Folgeprobleme für die Gesellschaft. Das Gesellschaftssystem verfügt gegenwärtig über kein Sensorium, komplexe Wechselwirkungen zwischen Technik, Gesellschaft und dem biologischen System zu beobachten.

Magdalena Göbl
Geplante Obsoleszenz – eine umweltsoziologische Dekonstruktion

Geplante Obsoleszenz wird im medialen wie im wissenschaftlichen Kontext oft als Fakt behandelt, als ein bewusst herbeigeführter oder in Kauf genommener Fehler im Design eines Gegenstands, der zu einer kürzeren Lebensdauer führt. Der Beitrag hinterfragt diese rationalistisch-verkürzte Annahme und die damit einhergehende vermeintlich eindeutige Täter-Opfer-Konstruktion und durchleuchtet das Phänomen ‚geplante Obsoleszenz‘ aus (umwelt)soziologischer Perspektive.

Melanie Jaeger-Erben
Anthropozän

Das Anthropozän bezeichnet ein geologisches Zeitalter, in dem die Menschheit zur dominanten geologischen Kraft geworden ist. Auch in der Umweltsoziologie ist das Anthropozän ein wichtiger Bezugspunkt geworden, weil es umweltsoziologischen Intuitionen über den intrinsischen Zusammenhang von Natur und Gesellschaft entgegenkommt und neue (inter)disziplinäre Anknüpfungspunkte eröffnet. Der Beitrag rekonstruiert zunächst die Diskussionen zur angemessenen Datierung und Benennung des kontemporären Erdzeitalters. So wird sichtbar, dass das Anthropozän nicht nur eine geologische Epochenbeschreibung darstellt, sondern sich mit sozialwissenschaftlichen Periodisierungen (Beginn des Kapitalismus, des Kolonialismus, der Moderne, der Industrialisierung etc.) überschneidet. Anschließend beleuchtet der Beitrag die epistemische Situierung und politische Performativität des Anthropozänbegriffs. Es wird gezeigt, wie die Erdsystemwissenschaft das Konzept gezielt lanciert hat und sich selbst als entscheidende reflexive Kraft innerhalb des Anthropozäns verortet. Der Beitrag identifiziert drei zentrale umweltsoziologische Herausforderungen des Anthropozäns. Erstens lassen sich die großen Erzählungen über die moderne Gesellschaft auf die Anthropozändebatte beziehen. Umgekehrt kann die Anthropozändebatte dabei helfen die „planetarische“ bzw. ökologische Dimension dieser großen Erzählungen besser in den Blick zu bekommen. Zweitens lässt sich das Anthropozän aus einer Beobachterperspektive zweiter Ordnung als spezifisches wissenschaftliches und politisches Skript analysieren, das aktuelle gesellschaftliche Initiativen mobilisieren, um ökologische Probleme zu rahmen und zu bearbeiten. Drittens regt die Anthropozändebatte dazu an unterschiedliche Themen- und Problemfelder der Umweltsoziologie stärker aufeinander zu beziehen, um so den soziologischen Blick auf den „globalen Wandel“ sozialer Naturverhältnisse zu schärfen.

Andreas Folkers
Nichtwissen – ein ungewöhnlicher Schlüsselbegriff der Umweltsoziologie

In kaum einem Kontext treten die Grenzen und blinden Flecken des Wissens, auch und gerade des wissenschaftlichen Wissens, so scharf hervor wie bei den ökologischen Gefährdungen der Gegenwart. Nicht zufällig haben sich die Umweltsoziologie und das Feld der Ignorance Studies seit den 1980er-Jahren fast zeitgleich herausgebildet. In dem Beitrag werden wichtige umweltsoziologisch relevante Erkenntnisse aus diesem Feld vorgestellt sowie beispielhaft erläutert, inwiefern Nichtwissen anstelle von „Risiko“ zu einem Schlüsselbegriff kritischer Umweltsoziologie geworden ist.

Peter Wehling
Sensorische Umweltsoziologie

Die Umweltsoziologie hat in den vergangenen Jahrzehnten eine beeindruckende Vielfalt an theoretischen Perspektiven, methodischen Innovationen, empirischen Erkenntnissen und konzeptionellen Entwürfen hervorgebracht. Vor dem Hintergrund dieser dynamischen Entwicklungsgeschichte wird im hier vorliegenden Beitrag diskutiert, inwieweit die multisensorische Realität menschlichen Daseins – visuell, auditiv, taktil, olfaktorisch, kinästhetisch, gustatorisch usw. – umwelt- und nachhaltigkeitssoziologisch relevant ist und systematisch berücksichtigt wird. Es werden theoretische und methodische Überlegungen für eine sensorisch-ästhetische Umweltsoziologie vorgestellt, die Ansätze der Soziologie der Sinne, der interdisziplinären „sensory studies“, der Philosophie des Leiblich-Sinnlichen sowie methodische Zugänge der sensorischen Ethnographie und kunstbasierten Forschung für die sozialwissenschaftliche Nachhaltigkeitsforschung aufbereiten.

Harald Heinrichs
Umweltbewusstsein

In diesem Beitrag diskutiere ich zunächst, was in der Soziologie unter „Umweltbewusstsein“ verstanden wird. Im zweiten Abschnitt bespreche ich die Messung des Umweltbewusstseins und fasse einige Ergebnisse zur Messqualität verschiedener Instrumente zusammen. Abschnitt drei beschäftigt sich schliesslich mit dem gesellschaftlichen Trend des Umweltbewusstseins und einigen Faktoren, die das Umweltbewusstsein beeinflussen.

Axel Franzen
Resilienz und Risiko

Resilienz wird zunehmend als ein relevantes gesellschaftliches Leitmotiv etabliert. Vor dem Hintergrund zunehmender Dynamiken, Krisen und Bedrohungen gelte es, die Gesellschaft solchermaßen zu ertüchtigen, dass die Folgen zukünftiger Gefahren gelindert und besser bewältigt werden können. Dieser Beitrag gibt einen Überblick zu wesentlichen Resilienzverständnissen und unternimmt den Versuch einer Einordnung. Die Frage warum das Konzept der Resilienz in den letzten Jahren solchermaßen an Prominenz gewinnen konnte wird ebenso adressiert wie kritische Stimmen angeführt werden.

Christian Kuhlicke
Sozial-ökologische Utopien

Ausgehend von der Beobachtung, dass die Bedeutung von Utopien für sozial-ökologische Transformationsprozesse in der Umweltsoziologie bislang kaum berücksichtigt wird, stellen wir zentrale Paradigmen der Utopieforschung vor, um von diesen ausgehend einen kurzen Überblick über die Historie sozial-ökologischer Utopien zu geben, wesentliche Befunde des Forschungsfeldes zu resümieren und relevante Leerstellen herauszuarbeiten, an denen zukünftige Forschung ansetzen kann.

Benjamin Görgen, Björn Wendt

Governance, Politik, Wirtschaft

Frontmatter
Ökosystemdienstleistungen als Governanceinstrument

Im Begriff der Ökosystemdienstleistungen kulminieren Bemühungen von Ökolog*innen und Ökonom*innen, den Wert intakter Ökosysteme anschaulich in zeitgenössischen modernen Gesellschaften zu vermitteln. Kontroversen darüber, wie „Ökosystemdienstleistungen“ zu definieren sind und wie deren Wert zu welchem Zweck bemessen werden kann, haben ein eingängiges Governance-Instrument hervorgebracht. Dass Investitionen in die Erhaltung und Sicherung intakter Ökosysteme für Gesellschaften existenziell sind, ist als Topos aus der Öffentlichkeit nicht mehr wegzudenken. Dieser Beitrag führt in den Diskurs ein und verdeutlicht, wie der Begriff gesellschaftliche Wirkungen entfaltet.

Jens Jetzkowitz
Umwelt-Governance und Partizipation

Moderne Umwelt- und Nachhaltigkeitsprobleme gelten als komplex und von Unsicherheit und gesellschaftlichen Werte- und Verteilungskonflikten geprägt. Eine hierarchische Steuerung durch den Staat reicht für den effektiven und legitimen Umgang mit solchen Problemen nicht aus. Umwelt-Governance berücksichtigt daher sämtliche Formen der Regelung gesellschaftlicher Mensch-Umwelt-Interaktionen durch kollektives Handeln. Der Beitrag führt in den Governance-Diskurs ein, stellt zentrale Ansätze der Umwelt-Governance vor und diskutiert Partizipation als ein Grundprinzip neuer Umweltgovernance-Modi.

Michael Rose, Jens Newig
Wirtschaft und Wachstum
Die Dynamik des modernen Kapitalismus

In diesem Beitrag werden die soziologischen Voraussetzungen und Folgen der historisch beispiellosen Wachstumsdynamik des modernen Kapitalismus skizziert. Im Einzelnen werden strukturelle, politisch-institutionelle, kulturelle, praktische und sozialstrukturelle Einflussfaktoren identifiziert und aufeinander bezogen, um die sozialen Grundlagen der ökologischen Krise der Gegenwart besser verstehen und erklären zu können. Argumentiert wird, dass die Wachstumsdynamik soziologisch unverstanden bleibt, sobald sie auf ökonomische „Gesetzmäßigkeiten“, psychische Dispositionen, „materialistische“ Wertorientierungen, individuelles Konsumverhalten oder den persönlichen Ressourcenverbrauch kausal zurückgeführt wird. Gegenüber normativ orientierten Wachstums- (Degrowth) und Konsumkritiken (Suffizienz) wird ein soziologisch vertieftes Verständnis des Zusammenhangs von Wirtschaft, Wachstum und Gesellschaft vorgeschlagen, um die mannigfaltigen Zielkonflikte zwischen wirtschaftlicher Prosperität, sozialer Wohlfahrtsproduktion und einer nachhaltigen, ökologisch verträglichen Entwicklung in den Blick nehmen zu können. Damit wird dafür plädiert, den weithin ungebremsten Ressourcen und Wachstumstrend der modernen Ökonomie als umfassendes soziales Kollektivphänomen zu analysieren. Abschließend wird die Ambivalenz und Paradoxie dieser säkularen Wachstumsdynamik erörtert, die zivilisatorisch beispiellose produktive (Innovationen) und destruktive (wirtschaftliche und soziale Krisen, ökologische Degradation) Potenziale hervorgebracht hat und fortlaufend freisetzt.

Klaus Kraemer
Umwelt- und Nachhaltigkeitskonflikte in europäischer Landwirtschaft und Agrarpolitik. Plädoyer für eine systemische Perspektive

Landwirtschaft und Agrarpolitik in Deutschland und Europa haben wesentlich zur Steigerung von Erträgen und zur Nahrungsmittelsicherheit beigetragen. Zugleich brachte diese Entwicklung aber auch unerwünschte ökologische und sozialen Folgen mit sich. Der Beitrag analysiert diese als Nachhaltigkeitskonflikte zwischen verschiedenen Zielen und Akteursinteressen und argumentiert, dass zu deren Bewältigung eine umfassende Perspektive auf das gesamte Ernährungssystem, in das Landwirtschaft und Agrarpolitik eingebettet sind, notwendig ist.

Sabine Weiland
Finanzmarkt und Nachhaltigkeit – zur Rolle der nicht-finanziellen Berichterstattung für eine Corporate Accountability

Das Thema der Nachhaltigkeit ist mittlerweile auch auf dem Finanzmarkt angekommen. Maßgebliche Voraussetzung für eine Ausweitung nachhaltig motivierter Geldanlagen sind Informationen über die unternehmerischen Aktivitäten. Wir betrachten im vorliegenden Beitrag deswegen die Rolle und Entwicklung der nicht-finanziellen Berichterstattung von Unternehmen. Mit dem theoretischen Konzept der Corporate Accountability ordnen wir diese ein.

Daniela Woschnack, Stefanie Hiß
Citizen Science

Citizen Science beschreibt Forschungsprozesse, in denen nicht institutionell in der Wissenschaft verankerte Bürger:innen über eine Rolle als Befragte oder Beforschte hinaus an der Wissensproduktion teilnehmen. In der Soziologie ist das Verhältnis zu Citizen Science trotz langer Tradition beteiligender Sozialforschung ambivalent. Für die Forschung zu Gesellschaft-Umwelt-Technikverhältnissen im Kontext sich verschärfender Umweltkrisen erscheint eine intensivere Auseinandersetzung mit und Anwendung von dialogischen Verfahren unerlässlich. Citizen Science ist hierbei ein vielversprechender Weg.

Melanie Jaeger-Erben, Nora Rigamonti
Transitionsforschung und Energiewende

Das Feld der sozio-technischen Transitionsforschung befasst sich mit langfristigen, komplexen Transformationsprozessen in sozio-technischen Systemen wie Energieversorgung, Ernährung oder Mobilität. Der Beitrag stellt in einem ersten Schritt Grundbegriffe und Kernkonzepte der Transitionsforschung vor und diskutiert die im Feld bedeutsamsten theoretischen Bezugsrahmen. In einem zweiten Schritt werden diese Konzepte auf den historischen Fall der deutschen Energiewende angewandt und auf diesem Wege veranschaulicht. Abschließend werden die Grenzen der Übertragbarkeit der Erkenntnisse der Energiewende auf nachhaltige Transformationen im Mobilitäts- und Nahrungsmittelbereich diskutiert und die Potentiale und Schwachstellen der Transitionsforschung herausgearbeitet.

Gregor Kungl
Unternehmen als Wirtschaftsakteure

Unternehmen haben als zentrale Akteure des Wirtschaftsgeschehens einen wesentlichen Einfluss darauf, wie umweltschädlich und ressourcenintensiv die Produktion von Gütern und Dienstleistungen erfolgt. Sie orientieren sich dabei an dominanten Wirtschaftsordnungen und Bewertungsprozessen. Es ist eine offene Forschungsfrage, inwiefern Unternehmen ihren Material- und Energiedurchsatz langfristig reduzieren werden und welche Rolle sie in einer ökologischen Transformation der Gesellschaft spielen können.

Anita Engels, Thomas Frisch
Akzeptanz und Partizipation in der Energiewende

Akzeptanz und Partizipation sind zwei zentrale Erfolgsbedingungen für die Nachhaltigkeitstransformation. In der Energiewende werden Einflussfaktoren auf Akzeptanzbildungsprozesse und Effekte von Partizipation seit einigen Jahren intensiv beforscht. Akzeptanz ist hierbei als multidimensionaler Bezugsrahmen zu verstehen, der individuelle und kollektive komplexe Perzeptionsprozesse und Einstellungen verständlich macht. Monokausale Erklärungsmuster wie die Not-in-my-Backyard-Metapher greifen als Erklärungsansatz zu kurz. Partizipation kann als ein Schlüssel zur Erzielung von Akzeptanz verstanden werden, aber alle Formen der Beteiligung weisen Schwächen auf, weshalb Kombinationsstrategien besonders erfolgversprechend sind.

Pia Laborgne, Jörg Radtke
Transdisziplinäre Governance systemischer Risiken

Systemische Risiken stellen eine Herausforderung für Governance dar, weil diese Risiken hochgradig vernetzt und komplex sind sowie non-linearen Entwicklungen folgen und in ihren Ursache-Wirkungs-Beziehungen nicht deterministisch sind. Erarbeitete Lösungen sollten zudem ethische Belange reflektieren. So werden inklusive Governance-Strategien notwendig, um die Ziele von Nachhaltigkeitstransformationen zu verfolgen. Das Konzept der transdisziplinären Risiko-Governance dient als Orientierungsrahmen, um die Herausforderungen von systemischen Risiken zu adressieren.

Pia-Johanna Schweizer
Ökologie und Ideologie

Umweltpolitik hat in den letzten Jahrzehnten alle Bereiche des gesellschaftlichen Lebens erfasst. Die damit verbundenen Prozesse gehen selten konfliktfrei vonstatten. Vielmehr offenbaren sich an ökologischen Fragen unterschiedliche Normen, Wertvorstellungen und ideologische Differenzen. Im vorliegenden Beitrag beschäftigen wir uns mit der Rolle von Ideologie in gesellschaftlichen Auseinandersetzungen um ökologische Fragen. Dazu geben wir zunächst einen kurzen Literaturüberblick über die Konzeptionalisierung von Ideologie und das Verhältnis von Ökologie und Ideologie. Im Anschluss setzen wir uns mit diesem Verhältnis bei Fridays for Future auseinander. Wir zeigen am Beispiel der jungen Klimabewegung, wie die herrschende Ideologie eines nachhaltigen Kapitalismus zunächst reproduziert, später kritisiert und potenziell mit gegen-hegemonialen Ideologien konfrontiert wird. Daraus können sich potenzielle Alternativen zur vorherrschenden Ideologie entwickeln, die jedoch zunächst wenig institutionalisiert sind. Die Gegenüberstellung von hegemonialen und gegen-hegemonialen Perspektiven eröffnet eine konstruktive Debatte zur Reichweite ökologischer Bewegungen, deren Motivation und gesellschaftlicher Bedeutung.

Jens Marquardt, Dorothea Elena Schoppek
Umweltbewegungen im 21. Jahrhundert

Gestützt auf eine breite, international vergleichende Forschung zu Umweltbewegungen sollen im Folgenden zentrale Merkmale dieser Bewegungen, ihre historische Transformation sowie ihre Einflussmöglichkeiten und Wirkungen herausgearbeitet werden. Das setzt, in einem ersten Schritt, ganz generell die Klärung des Verständnisses ‚sozialer Bewegungen‘ als eines bestimmten Typus kollektiven Handelns voraus. Im zweiten Schritt werden die Besonderheiten von Umweltbewegungen näher bestimmt. Welche besonderen Merkmale weisen Umweltbewegungen über ihre verschiedenen Themenfelder, Bewegungsstränge und Entwicklungsphasen hinweg auf? Im dritten Schritt werden zentrale Linien der historischen Transformation der Umweltbewegung nachgezeichnet. Im vierten, abschließenden Abschnitt sollen die aus dieser Entwicklung erkennbaren generellen Trends resümiert und die weiteren Perspektiven der Umweltbewegung im Spannungsfeld aktueller Krisen- und Umbruchsdynamiken diskutiert werden.

Karl-Werner Brand
Metadata
Title
Handbuch Umweltsoziologie
Editors
Marco Sonnberger
Alena Bleicher
Matthias Groß
Copyright Year
2024
Electronic ISBN
978-3-658-37218-7
Print ISBN
978-3-658-37217-0
DOI
https://doi.org/10.1007/978-3-658-37218-7