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2008 | Book

Netzwerkanalyse und Netzwerktheorie

Ein neues Paradigma in den Sozialwissenschaften

Editor: Christian Stegbauer

Publisher: VS Verlag für Sozialwissenschaften

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Table of Contents

Frontmatter

Einführung

Frontmatter
Netzwerkanalyse und Netzwerktheorie. Einige Anmerkungen zu einem neuen Paradigma

Netzwerkanalyse und Netzwerktheorie ist ein noch relativ junges Wissenschaftsfeld. Es werden zwar Anfänge bis in das vorletzte Jahrhundert konstruiert, und womit genau die Netzwerkforschung beginnt, lässt sich nicht unbedingt sagen. Es gibt eine Reihe von Strängen, die miteinander verwoben zur Netzwerkforschung wurden. Heute wird Netzwerkanalyse vor allem in den USA betrieben.

Christian Stegbauer
KorRelationen: Empirische Sozialforschung zwischen Königsweg und Kleiner Welt

Seit über fünfzig Jahren ist das interview die meist gebrauchte, wenn auch nicht die einzige Informationsquelle der empirischen Sozialforschung. Als René Königs „Königsweg“ (von ihm, nicht nach ihm so genannt) wird sie allenthalben genutzt, und fast jeder vermag dabei Spur zu halten: Aus einer vorab definierten Grundgesamtheit wird eine Teilmenge strikt zufällig ausgewählt. Wenn das sich anschließende befragungsverfahren handwerklich gut abgearbeitet wird, summieren sich alle Merkmale der so gewonnenen Versuchspersonen zu einem getreuen Abbild des größeren Ganzen, für das diese in ihrer Summe stellvertretend stehen. Zudem erfahren wir aus dem Gesetzbuch der Statistik, wie wahrscheinlich es ist, dass wir damit unser Versprechen auf Repräsentativität erfüllen.

Klaus Liepelt
Netzwerkanalyse und Netzwerktheorie in Deutschland. Eine empirische Übersicht und theoretische Entwicklungspotentiale

Bei der Analyse sozialer Netzwerke (

social network analysis

, Netzwerkanalyse) handelt es sich sowohl um eine Reihe von formalen Verfahren zur Analyse von Beziehungen zwischen Akteuren und deren Mustern als auch um eine Theorieperspektive auf eben solche Beziehungen. In diesem Beitrag zeichnen wir Entwicklungen der netzwerkanalytischen und -theoretischen Forschung der letzten Jahrzehnte in Deutschland zunächst kurz historisch, dann an Hand einer inhaltlichen Kodierung von Artikeln in sozialwissenschaftlichen Zeitschriften im Zeitraum von 1980 bis 2006 nach. So wird auf Basis einer empirischen Analyse das aktuelle Feld der Netzwerkanalyse und-theorie in den sozialwissenschaften in seiner strukturellen Konfiguration in Deutschland aufgezeigt. In einem weiteren Schritt wird die Veränderung des Feldes über Zeit mit Blockmodellanalysen verschiedener Phasen dargestellt. Die explorative empirische Übersicht über den Bestand und die Entwicklung des Forschungsfelds dient schließlich dazu, auf mögliche Leerstellen und Potentiale hinzuweisen. Gerade neuere netzwerktheoretische Ansätze aus den USA, die sich verstärkt mit der Rolle und Analyse von Kultur als Sinnmuster beschäftigen, könnten deutschsprachige Ansätze fruchtbar erweitern.

Jessica Haas, Sophie Mützel

Theoretische Bezugspunkte

Frontmatter
Zur Verankerung der Netzwerkforschung in einem methodologischen Relationalismus

Mehrfach wurde ein Nachholbedarf an Theorie in der Netzerkforschung angemahnt, so etwa bereits 1994 von Emirbayer und Goodwin. Vier Bereiche lassen sich identifizieren, die bis heute entscheidende Desiderate der Netzwerktheoriebildung darstellen: Erstens wäre ein Konzept zur Beschreibung der Formation, Reproduktion und Transformation sozialer Netzwerke zu erarbeiten, bei dem das Hauptaugenmerk—anders als in der bisherigen Netzwerkforschung—den Dynamiken gelten sollte. Eine Netzwerktheorie müsste zweitens auch der Einsicht Rechnung tragen, dass sich soziale Strukturen, Kultur und menschliche „Agency“ wechselseitig voraussetzen. Hierbei bildet vor allem die adäquate Berücksichtung der Kultur ein Desiderat. Drittens müssten einerseits die Motive der Akteure und andererseits ihre normativen Orientierungen in einem solchen Theorieansatz gebührend berücksichtigt werden. Schließlich hätte viertens die Netzwerktheorie zu zeigen, wie kreative Aktivitäten einzelner Akteure Prozesse der Netzwerkebene konstituieren, die ihrerseits wiederum prägend auf den Einzelnen und sein Handeln (ein)wirken.

Roger Häußling
Netzwerke und soziale Ungleichheit

Die Sozialstrukturanalyse ist ein Kerngebiet der Soziologie. Mit statistischen Analysen der Daten aus großangelegten Bevölkerungsumfragen werden Parameter der sozialen Ungleichheit wie ethnische Herkunft, Bildung, Geschlecht, Einkommen und Berufsprestige in Beziehung zueinander gesetzt. Dahinter steht meist implizit die Vorstellung, dass die Korrelation solcher Parameter nicht nur etwas über die Ausformung sozialer Ungleichheit aussagt, sondern auch über deren Ursachen. Im Gegensatz dazu möchte ich mich hier auf eine stärker theoretisch orientierte Fassung von Sozialstruktur konzentrieren. Insbesondere soll die Rolle sozialer Netzwerke bei der Konstitution sozialer Ungleichheit diskutiert werden. Es sollen also Mechanismen diskutiert werden, über die Netzwerke soziale Ungleichheit produzieren oder reproduzieren. Diese Diskussion erfolgt in erster Linie theoretisch, wird aber mit empirischen Befunden unterfüttert.

Jan Fuhse
Strukturen, Akteure, Wechselwirkungen. Georg Simmels Beiträge zur Netzwerkforschung

Das Netzwerkkonzept gehört zu den Konzepten, die sich in den letzten zwanzig Jahren besonders rasant verbreitet haben. Soziale Netzwerke sind Thema der Anthropologie und Ethnologie, der Soziologie, der Ökonomie und der Politik wissenschaften, der Psychologie und der Kommunikationswissenschaft, aber auch der Geschichtswissenschaft oder der Medizin. Man erforscht Kommunikationsnetzwerke, Netzwerke zwischen und Netzwerke innerhalb von Organisationen, subkulturelle Szenen und soziale Bewegungen, politische, persönliche oder virtuelle Netzwerke.

Betina Hollstein
Weak und Strong Ties. Freundschaft aus netzwerktheoretischer Perspektive

Oft wird behauptet, dass es Tendenzen dazu geben würde, dass sich Freundschaften von einer „tiefen Beziehung“ hin zu „lockereren“ Bekanntschaften entwickelten. Im Beitrag wird gezeigt, dass bei diesen Überlegungen eine einfache Unterscheidung zwischen „weak ties“ und „strong ties“ zu kurz greift. Zu vielfältig sind die Beziehungen, die sich hinter den Begriffen verbergen. Mit einer Orientierung an Harrison White ist es möglich, wesentliche sozialkonstruktivistische Bedingungen für die Entwicklung von Beziehungen anzugeben. Oft wird Freundschaft als „Restkategorie“ bezeichnet, weil man anders als bei funktionalen Positionen, wie familiären Beziehungen, nur schwer Inhalte vorgeben kann. Durch den „Aushandlungscharakter“ von Beziehungen wird offenbar, dass es für Freundschaften keine „Essenz“ von Beziehungsinhalten geben kann.

Christian Stegbauer
Netzwerkanalyse und Feldtheorie. Grundriss einer Integration im Rahmen von Bourdieus Sozialtheorie

Die Verbindung von Netzwerkanalyse und Bourdieus Sozialtheorie scheint uproblematisch, gilt Bourdieu doch als einer der Väter des Sozialkapitalbegriffs, der wiederum von der Netzwerkanalyse zumindest stark beeinflusst ist (

Adler/ Kwon 2002: 19

). Seit den Ursprüngen der Konjunktur des Sozialkapitalbegriffs zu Beginn der 1980er Jahre haben sich die Wege von Bourdieus Theorie und der Netzwerkanalyse jedoch getrennt. Während das Sozialkapitalkonzept bei Bourdieu kaum operationalisiert wird, öffnet der Begriff einer empirisch orientierten Netzwerkanalyse viele Pforten. So entstehen komplementäre Kompetenzen in voneinander weitgehend unverbundenen Forschungsbereichen: Auf der einen Seite entwickelt Bourdieu seine Praxistheorie (1976) zu einer allgemeinen Gesellschaftstheorie weiter die später immer mehr die Form einer allgemeinen Theorie sozialer Felder annimmt (

Bourdieu 1974

,

Bourdieu 2001

, [

1992

];

Bourdieu/Wacquant 1996

). Auf der anderen Seite bleibt die dynamische Entwicklung des netzwerkanalytischen Methodenkanons ungebrochen (

Beckert 2005

;

Scott 1988

).

Stefan Bernhard
Institutionelle Muster der Wissensproduktion in den Optischen Technologien: Feldtheoretische Perspektiven zur Interpretation von Netzwerkstrukturen

Der Beitrag hat das Ziel zu zeigen, wie die sozialwissenschaftliche Netzwerkanalyse als Paradigma auf dem Gebiet der Wissenschafts- und Technikforschung sinnvoll eingebracht werden kann. In der neueren netzwerkanalytischen Forschungsliteratur (z.B.:

Shan et al. 1994

;

Hagedoorn/Schakenraad 1994

) ist bereits die Bedeutung des relationalen Ansatzes für die Analyse von Prozessen der Wissensgenerierung herausgearbeitet worden. Die methodischen und theoretischen Weiterentwicklungen sind bisher jedoch selten dazu genutzt worden (eine Ausnahme:

Owen- Smith et al. 2004

), Theorien der Wissenschafts- und Technikforschung einer empirischen Überprüfung zu unterziehen. So wird in der Wissenschafts- und Technikforschung prominent die These vertreten, dass Forschung und Entwicklung zunehmend in heterogenen projektförmigen Kooperationsarrangements abgewickelt werden (

Gibbons et al. 1994

). Eine Folge dieser Entwicklung, sei eine zunehmende Verflechtung von Wissenschaft- und Industrie (

Kaufmann/Tödtling 2001

;

Schmoch 2003

), wodurch ein neues Muster institutionelle Wissensproduktion entstehen sollte, welches die Grenzen zwischen universitärer und Industrieforschung verwische (

vgl Gibbons et al. 1994

). Der Beitrag geht mit Hilfe struktureller sozialwissenschaftlicher analyseinstrumente der Frage nach, inwiefern sich ein solches Muster empirisch erkennen lässt. Deutlich wird dabei, dass die analysierten Strukturdifferenzierungen möglicherweise nicht allein mit Hilfe etablierter netzwerktheoretischer Annahmen interpretierbar sind (

Granovetter 2000

;

Burt 1992

;

Gargiolo/Gulati 1999

).

Clemens Blümel
Methodologischer Individualismus und Netzwerkforschung. Ein Diskussionsbeitrag

Nach einer knappen Beschreibung der Sozialen Netzwerkanalyse und ihrer Verwandtschaft zum Strukturalismus werden aktuelle Ansätze des methodologischen Individualismus und der Rational Choice Soziologie vorgestellt. Im Zentrum steht dabei theoretische Integration der Netzwerkperspektive in ein entsprechendes Mikro-Makro-Modell. Abschließend wird zusammenfassend die Vereinbarkeit von Methodologischem Individualismus, Rational Choice Soziologie und Sozialer Netzwerkanalyse diskutiert.

Per Kropp
Netzwerke und Systeme. Zum Verhältnis von Vernetzung und Differenzierung

Das Forschungsprogramm der Netzwerkanalyse hat sich lange Zeit im toten Winkel der Gesellschaftstheorie bewegt. Umgekehrt haben auch Netzwerkforscher nicht allzu intensiv versucht, ihre Konzepte und Ergebnisse gesellschaftstheoretisch zu reflektieren. Das hat sicherlich damit zu tun, dass einer der Ausgangspunkte der Netzwerkanalyse in der Unzufriedenheit mit dem maßgeblichen Versuch einer

Grand Theory

lag: der strukturfunktionalistischen Systemtheorie (und ihren Entsprechungen in der britischen

Social Anthropology

). Die daraus entstandene „Theorielücke“ der Netzwerkanalyse wurde immer wieder beklagt (

Granovetter 1979

) Um sie zu beheben, stehen verschiedene Möglichkeiten offen. Die meisten Netzwerkforscher bevorzugen es, auf handlungstheoretische Konzepte zurückzugreifen. Es stellt sich aber die Frage, ob es zu einem solchen Vorgehen nicht Alternativen gibt. Denkt man dabei etwa an die Systemtheorie, so wäre zu prüfen, inwiefern sich durch die von Luhmann vorgenommene Umstellung auf eine Kommunikationstheorie die Lage geändert haben könnte, so dass System- und Netzwerktheorie keinen Gegensatz mehr bilden müssten. Eine Verbindung dieser beiden Paradigmen scheint nicht zuletzt deshalb angezeigt, weil mathematische und naturwissenschaftliche Netzwerktheorien zunehmend in der Soziologie rezipiert und angewandt werden; als gemeinsamer Bezugspunkt dieser interdisziplinären Bemühungen wird oft das vor allem aus der Systemtheorie bekannte Stichwort „Komplexität“ angeführt (

Urry 2003

;

Watts 2004

).

Boris Holzer
Netzwerke und Kommunikation. Zum Verhältnis zweier sozialwissenschaftlicher Paradigmen

Die Errungenschaften der Sozialen Netzwerkanalyse (SNA) für die Sozialwissenschaften sind unzweifelhaft groß. Seit den ersten Ansätzen in den 1930er Jahren in der Ethnologie und der Sozialpsychologie hat sich die SNA nach und nach als interdisziplinäres Paradigma der Sozialwissenschaften etabliert. Besonders die Ausweitung der Forschungsaktivitäten seit den 1970er Jahren (verbunden mit der Gründung von INSNA, dem internationalen Netzwerk für Soziale Netzwerkanalyse, im Jahr 1978) hat zu dieser Etablierung beigetragen. Heute kann die SNA auf sowohl substanziell als auch methodisch hoch interessante Ergebnisse verweisen, die ihre Bedeutung als eine der zentralen Strömungen innerhalb der Sozialwissenschaften belegen.

Steffen Albrecht
Netzwerkanalytische Methoden zur Identifizierung von Kommunikationsrollen

Vor rund 60 Jahren fand in der Kommunikationswissenschaft ein eigentlicher Paradigmenwechsel statt. Die Rezipienten wurden nun nicht mehr als Masse isolierter Individuen betrachtet, die monokausal von den Massenmedien beeinflusst werden, sondern als Teil von sinnstiftenden sozialen Netzwerken. Um die Wirkungen der Massenmedien zu verstehen, galt es deshalb auch die Prozesse der interpersonalen Kommunikation zu berücksichtigen. Für die Theoriebildung wie auch die empirische Analyse dieser Prozesse ist eine Komplexitätsreduktion auf wenige Kommunikationsrollen unabdingbar. Das Ziel dieses Beitrages ist, eine Bestandesaufnahme der bisherigen Operationalisierungen von Kommunikationsrollen durchzuführen und aus Sicht der Netzwerkanalyse zu bewerten. Dabei wird deutlich, dass die bisher angewendeten Operationalisierungen in Egonetzwerken und mittels Zentralitätsmaße diverse Unzulänglichkeiten aufweisen und aktuelle Entwicklungen der sozialen Netzwerkanalyse, wie etwa die hierarchische Strukturanalyse noch kaum zur Anwendung gekommen sind.

Thomas N. Friemel
Die Bedeutung des Positionalen. Netzwerk und Beteiligung am Beispiel von Wikipedia

Mit der Netzwerkforschung verbindet sich nicht nur die Netzwerkanalyse, auch auf der Ebene der Konzepte haben wir den Überlegungen zu sozialen Netzwerken eine Menge zu verdanken. Das Aufkommen der positionalen Netzwerkanalyse ist mit der Rollentheorie verbunden, ja diese wurde im Gefolge der methodologischen Entwicklungen neu fundiert (siehe

Harrison White 1992

). Wir wollen dies als eine Grundlage nehmen für ein Nachdenken über die Fundierung von Handlungen in Beziehungen. Beziehungen werden durch soziale Positionen strukturiert. Die Positionen stellen eine halbwegs verlässliche Ordnung her, auf deren Grundlage sich die Beziehungen in Handlungen umsetzen.

Christian Stegbauer
Identitätsentwicklung und soziale Netzwerke

Weichen Stellenwert haben soziale Netzwerke für die Identitätsentwicklung? Und welche Möglichkeiten bieten qualitative Netzwerkanalysen um die Rolle sozialer Netzwerke für die Identitätsentwicklung sichtbar zu machen. Am Beispiel zweier qualitativer Netzwerk-analysen werden Ausschnitte individueller und kollektiver Identitätsentwicklung sichtbar gemacht und ein inhaltlicher und methodischer Brückenschlag zwischen Prozessen individueller und kollektiver Identitätsbildung diskutiert.

Florian Straus, Renate Höfer

Methoden der Netzwerkforschung

Frontmatter
Netzwerkanalyse. Ein wachsendes Paradigma

Obwohl Netzwerkanalysen nunmehr eine fast hundertjährige Geschichte aufweisen, fristet das Paradigma in der deutschen Sozialwissenschaft eher ein Schattendasein. Im Folgenden versuche ich zu verstehen, warum dies so ist, und versuche aufzuzeigen, warum dem Paradigma dennoch eine große Zukunft bevorsteht.

Lothar Krempel
Visualisierung sozialer Netzwerke

Dieser Beitrag zeigt eine Übersicht über die unterschiedlichen Aspekte der Visualisierung sozialer Netzwerke. Soziale Netzwerke sind Graphen

G=(V,E)

bestehend aus Knoten

V

und Kanten

E

. Im ersten Teil erfolgt eine Einführung in die Definitionen der sozialen Netzwerkanalyse. Der zweite Teil gibt einen kurzen Einblick in die Geschichte der Netzwerkvisualisierung. Im dritten Teil werden verschiedene Verfahren zur optimalen Anordnung von Netzwerken in Visualisierungen vorgestellt, sowie die Frage behandelt, wann ein Netzwerklayout als „gut“ bewertet werden kann. Der vierte Teil beschäftigt sich mit anderen Aspekten der Visualisierung, wie Größenunterschiede und Farben. Abschließend werden mögliche zukünftige Herausforderungen der Visualisierung von Netzwerken besprochen.

Jürgen Pfeffer
Situated Organizational Mapping

So allgegenwärtig Organisationen in der modernen Gesellschaft auch sind und so unverzichtbar sie zu Regelung und Erhalt aller Lebensbereiche auch sein mögen, so allgegenwärtig sind auch Phänomene der

Intransparenz

oder

Unverständlichkeit

dieser komplexen sozialen Systeme für externe Beobachter und interne Mitglieder

1

.Dies gilt prinzipiell für größere Organisationen in jeglichem Funktionsbereich, insbesondere aber für

knowledgeintensive firms

, d.h. Unternehmen in denen komplexe (immaterielle und unsichtbare)

Wissensarbeit

eine zentrale Rolle spielt.

Florian Windhager, Lukas Zenk, Hanna Risku
Missing Data in der Netzwerkanalyse

Netzwerke werden in den verschiedensten wissenschaftlichen Disziplinen genutzt, um Relationen zwischen einzelnen Entitäten zu beschreiben und zu untersuchen. Vor allem in den Sozialwissenschaften liegt der Schwerpunkt der Netzwerkanalyse auf Entitäten, die einzelne soziale Akteure repräsentieren. Betrachtet man wissenschaftliche Arbeiten vor allem zu Gesamtnetzwerken im Bereich der Netzwerkanalyse, kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, dass in vielen Fällen stillschweigend davon ausgegangen wird, dass alle Akteure und Relationen in den Netzwerken vollständig dargestellt sind, dass die vorliegenden Daten daher vollständig reliabel sind und es zu keinen Mess- oder Aufzeichnungsfehlern kam. Dies ist in der Forschungspraxis sicherlich nicht der Fall. Vor allem in der quantitativen Forschungstradition wurden in den letzten Jahrzehnten entsprechende Methoden und statistische Verfahren entwickelt, um die Güte der Datenerhebung in Reliabität und Validität möglichst zu optimieren. Dass im Bereich der Netzwerkforschung eine solche Bandbreite an Verfahren zumindest derzeit nicht in einer ähnlichen Weise vorliegt und genutzt werden kann, mag sicherlich an der noch jungen Geschichte liegen.

Sebastian Erlhofer
Zentralitätsanomalien und Netzwerkstruktur. Ein Plädoyer für einen „engeren“ Netzwerkbegriff und ein community-orientiertes Zentralitätsmodell

Zentralitätsanalysen führen in der Praxis gelegentlich zu erheblichen Plausibilitäts-problemen. Dies gilt insbesondere für das Betweenness-Konzept. Empirisch lässt sich zeigen, dass Plausibilitätsverluste oftmals mit Inkonsistenzen zwischen den Resultaten verschiedener Zentralitätsmaße wie Degree, Closeness und Betweenness einhergehen. Der Beitrag zeigt, dass Statusinkonsistenzen auf die mangelnde Berücksichtigung von Netzwerkstruktur in Standardzentralitätsmaßen der Netzwerkanalyse zurückgeführt werden können. Für solche strukturinduzierten Verzerrungen von Zentralitätswerten wird der Begriff der

Zentralitätsanomalie

eingeführt. Das Paper stellt ein Metamodell von Zentralität vor, das Zentralitätsanomalien durch Verwendung eines „engeren“, an der Community-Struktur sozialer Netzwerke orientierten Netzwerkbegriffs zu vermeiden sucht.

Peter Mutschke
Die Beeinflussung von Zentralitätsmaßen der sozialen Netzwerkanalyse durch Gästeaccounts in Internet-Diskussionsforen

Diskussionsforen im Internet werden in der Meinungsforschung wie im Bereich Lernen und Bildung häufig untersucht und dafür als soziale Netzwerke modelliert. Bei der Analyse dieser Netzwerke ist unter anderem auch darauf zu achten, wie Schreibrechte innerhalb der technischen Plattform gehandhabt werden. Die Menge der Akteure besteht aus allen schreibberechtigten Nutzern eines Diskussionsforums. Dabei sind zwei Gestaltungen möglich: entweder können nur registrierte und eingeloggte Nutzer Beiträge schreiben, oder sämtliche, also auch nicht-registrierte Personen dürfen ihre Meinung beitragen. Im letzteren Fall werden häufig alle Beiträge von Personen, die vom System nicht eindeutig identifiziert werden, als „Gäste“ geführt und auf Seiten der Datenbank unter derselben Identifikationsnummer abgespeichert. Die Anzahl der Beiträge auf diesem Sammelnutzerkonto, das hier als Gästeaccount bezeichnet wird, ist daher eigentlich der Aktivität einer Vielzahl von Personen zuzuschreiben. Es kann deshalb angenommen werden, dass bei der Analyse des sozialen Netzwerks der Gästeaccount in vielen Foren zentral sein wird, also viele Diskussionsbeiträge von diesem Knoten ausgehen. Die Vernachlässigung dieses Knotens bei einer Analyse des sozialen Netzwerks kann deshalb zu erheblichen Ergebnisverzerrungen führen. Diese Hypothesen wurden anhand der Kommunikationsdaten eines Jahres eines internetgestützten Diskussionsforums überprüft. Mögliche Einflussfaktoren auf das Ausmaß der Verzerrung werden diskutiert.

Cora Schaefer, Bettina Hoser
Elemente der Netzwerkanalyse für prognostische Studien. Wie die Netzwerkanalyse deterministische und stochastische Prognosen ergänzen kann

Der Beitrag konzentriert sich auf die Frage: „Lassen sich Teile der Umfrageforschung durch adäquatere empirische Netzwerkanalysen ersetzen?“ In einem Umfrageprojekt, das einem Versorgungsunternehmen für die kommenden Jahre Planungssicherheit bezüglich der Kundenentwicklung und_-struktur geben sollte, wurden Bevölkerungs- und Kundenprognosen mit Hilfe „herkömmlicher“ Umfragetechniken und netzwerkanalytischer Fragestellungen errechnet. Der Beitrag stellt die verwendeten Netzwerkvariablen im Korpus der Umfrage vor und zeigt deren Einfluss auf das endgültige Prognosemodell. Eine Ausgangsthese der Pilotstudie war, dass Prognosen — insbesondere für moderne westliche Gesellschaften — „sicherer“ und „zuverlässiger“ werden, wenn sie durch Netzwerkvariablen ergänzt werden.

Markus Schubert
Mit welchem Ziel werden bestehende Netzwerke generiert?

Ich beschäftige mich in dicsem Beitrag mit der Frage, mit welchem Ziel soziale Bezichungen von bestehenden persönlichen Netzwerken erhoben werden.

Marina Hennig
Die Bedeutung der Identifikation von Subgruppen für die Erklärung von Informationsflüssen

Obwohl das Thema der theoretischen Eigenschaften von Subgruppen und deren Identifizierung in sozialen Netzwerken im Bereich der Sozialen Netzwerkanalyse kontinuierlich Beachtung findet, wird verhältnismäßig selten die Frage nach den Konsequenzen gestellt, die in Bezug auf den Untersuchungsgegenstand mit der Entscheidung für eine gegebene Gruppierungsprozedur einhergehen.

Wolfgang Sodeur, Volker G. Täube

Ansätze zur Untersuchung der Dynamik von Netzwerken

Frontmatter
Dynamische Analyse von Netzwerken elektronischer Kommunikation. Kann der Zentralität getraut werden?

Die soziale Netzwerkanalyse identifiziert und untersucht bedeutsame strukturelle Netzwerkmuster und ihre Auswirkungen. Die kürzlich entstandenen Möglichkeiten zur einfachen Erfassung großer Mengen von Netzwerkdaten im Umfeld elektronischer Kommunikation ermöglichen, die dabei eingesetzten analytischen Methoden zu verifizieren und weiter zu entwickeln. Der Fokus dieses Beitrags liegt dabei auf der Untersuchung von Mustern der Entwicklung der Zentralität von Akteuren im Zeitverlauf. Dazu wird zunächst ein Überblick über die Forschung und offenen Fragen zu dieser Messgröße gegeben. Anschließend werden die gängigen Arbeiten zur Netzwerkdynamik in eine Klassifikation eingeordnet, um darauf aufbauend einen neuen Ansatz der ereignisbasierten dynamischen Netzwerkanalyse einzuführen. Dieser ergänzt die gegenwärtigen Methoden der SNA für die Klasse von Netzwerken, deren Strukturen aufgrund vieler über einen betrachteten Zeitraum eintretender Ereignisse entstehen. Die Methode basiert auf der Auswertung einer Vielzahl beliebig kleiner Zeitfenster mit den darin eintretenden Ereignissen und ist eng gekoppelt an einen korrespondierenden dynamischen Netzwerkgraphen. Für eine einfache Verwendung zeitbasierter Messalgorithmen wurde das Analyseinstrumentarium in ein Softwareprogramm implementiert.

Matthias Trier, Annette Bobrik
Analyse der Dynamik sozialer Netzwerke mit Social Badges

Die Struktur und Dynamik informeller Kommunikationsnetzerke sind von zentraler Bedeutung für das Funktionieren betrieblicher Arbeitsprozesse und beeinflussen die Leistungs- und Innovationsfähigkeit von wissensintensiven Organisationen. Das Management von Wissensnetzwerken und der ihnen innewohnenden Prozesse erlangt damit strategischen Rang in Unternehmen. Während sich die meisten Führungskräfte dessen bewusst sind, fehlt es häufig an Methoden und Verfahren, um die informelle Kommunikation in Wissensnetzwerken erfassbar zu machen und sie im Sinne der Ziele eines Unternehmens zu gestalten und zu fördern. Wir zeigen in diesem Beitrag, wie sich informelle Kommunikationsnetzwerke messbar machen lassen und wie ihr Einfluss auf die Leistung von Gruppen und der gesamten Organisation analysiert werden kann. Zudem präsentieren wir eine neue computerbasierte Methode zur Verbesserung und Gestaltung dieser Netzwerke. Die Ausführungen illustrieren wiranhand einer Fallstudie, die gemeinsam mit der Kreissparkasse Köln durchgeführt wurde.

Kai Fischbach, Peter A. Gloor, Johannes Putzke, Daniel Oster
Netzwerk und Sozialkapital. Dynamische Zusammenhänge im Licht von Paneldaten der Umfrageforschung

Eine der Grundannahmen der soziologischen Netzwerktheorie lautet, dass der Kontext zwischenmenschlicher Beziehungen entscheidend zur Erklärung menschlichen Handelns beiträgt (

Burt 1982

;

Knoke/ Kuklinski 1993: 173

;

Wasserman/Faust 1993: 6ff u.a.

). Als Beispiele für den Fortschritt soziologischer Forschung durch die Netzwerkanalyse werden häufig die „Small-World“-Forschung (

Milgram 1967

;

Kochen 1989

;

Watts 1999

) oder die Erneuerung der Rollentheorie durch die Harvardgruppe um Harrison White (

White et al. 1976

;

Arabie/Boorman 1982

) zitiert. Einen Wermutstropfen für die Netzwerkanalyse bildet andererseits die verbreitete Überzeugung, dass egozentrierte Netzwerke wegen ihrer reduzierten Information über Beziehungsstrukturen wenig zur strukturellen Aufklärung sozialen Handelns beitragen. Diese Kritik übersieht freilich, dass die einflussreiche Untersuchung von Granovetter (1973) über die Stärke schwacher Beziehungen egozentrierte Netzwerke als Datengrundlage hatte. Außerdem schlagen egozentrierte Netzwerke eine Brücke zwischen der Netzwerkanalyse und der Umfrageforschung mit Zufallsstichproben. Ohne diese Brücke bliebe die Netzwerkforschung auf Fallanalysen mit zweifelhafter Verallgemeinerbarkeit begrenzt (

Pappi 1987: 20f

).

Jan H. Marbach
Zur Evolution sozialer Netzwerke. Theoretische Implikationen einer akteursbasierten Methode

Das Interesse an der Dynamik von Netzwerken reicht bis in die Anfänge der Etablierung einer sozialwissenschaftlichen Netzwerkanalyse zurück. Einige der klassischen Datensätze der Netzwerkanalyse basieren auf zeitlich geordneten Netzwerkmessungen (z.B. Newcomb 1961). Allerdings blieben die Auswertungen solcher Daten lange auf einer deskriptiven, allenfalls komparativ-statischen Ebene. Methodisch brauchbare statistische Verfahren, die die empirischen Mechanismen der Evolution

2

von Netzwerken beschreiben, haben sich erste Mitte der neunziger Jahre entwickelt

3

. Neben datenbasierten Ansätzen entwickelten sich spieltheoretische und zufallsbasierte Simulationen und Modelle von Netzwerken, die eine Erklärungsleistung bezüglich der Dynamik von Netzwerken besitzen und Konzepte für eine empirische Modellierung von Netzwerkdynamiken liefern.

Richard Heidler
Die Entwicklung von negativen Beziehungen in Schulklassen

Auf Klassentreffen trifft man sich, preist den alten Klassenverband und erinnert an die alten Schulfreundschaften. Alle alten Streitigkeiten und Feindschaften, die es in jeder Klasse gab, wurden mit der Zeit vergessen. Ein ähnliche Verzerrung findet man auch in der Forschungsliteratur zur Erklärung von sozialen Beziehungsnetzwerken in Schulen (

Kao/Joyner 2004

;

Moody 2001

;

Mouw/Entwisle 2006

). Auch dort werden vor allem Freundschaftsbeziehungen thematisiert und negative Beziehungen vernachlässigt.

Michael Mäs, Andrea Knecht

Netzwerkforschung in verschiedenen Fachgebieten und Feldern

Frontmatter
Metapher, Methode, Theorie. Netzwerkforschung in der Wirtschaftssoziologie

Der Beitrag möchte eingehend

erstens

das Entstehen der Netzwerkforschung akademisch nachzeichnen und die wissenschaftstheoretischen Koordinaten der akademischen Spezialisierung und entsprechenden Themenstellungen rekonstruieren, wobei auch auf die speziellen Entwicklungen der Wirtschaftssoziologie, insbesondere der neueren amerikanischen Wirtschaftssoziologie eingegangen wird. Der Beitrag möchte

zweitens

darstellen, welche unterschiedlichen Phasen der akademischen Netzwerkbehandlung anzutreffen und unterscheidbar sind, und diskutieren, ob akademische Netzwerktheorie primär stärker als eine neue soziologische Theorie aufzufassen ist oder ob sie eine sozialwissenschaftliche Methode darstellt und ob Netzwerkforschung insofern ein neues Paradigma abbildet. Eine der von uns vertretenen Thesen lautet, dass gerade die Netzwerkforschung ein Potential anbietet, das die wechselseitigen Limitationen der Fächer tendenziell zu überwinden verspricht und das die bisherige sterile Binarität von Mikro- und Makrosemantiken innovativer zu gestalten verspricht.

Dieter Bögenhold, Jörg Marschall
Die Regionalforschung als Anwendungsgebiet der Netzwerkanalyse?

Sowohl die Regionalforschung, als auch Netzwerkanalyse blicken auf eine mehr als fünfzig jährige Geschichte zurück. In diesem Zeitraum entwickelten sie sich zu reifen Disziplinen, die beide Abschnitte von Erfolgen und Krisen erlebten. Die Regionalforschung und die Netzwerkanalyse behandeln soziale Einheiten von unterschiedlichem Typus, deren Interaktion und Agglomeration. Trotz dieser Gemeinsamkeiten, haben sich beide Disziplinen in den letzten Jahrzehnten nur selten getroffen. Wenn man beispielsweise die Datenbank des „Web of Science“ nach Zitaten von Wasserman und Faust (1999), eines der einflussreichsten Standardwerke der Netzwerkanalyse, in den bedeutendsten Zeitschriften der Regional-wissenschaften, Journal of Regional Science und Papers in Regional Science, sucht findet man 1 und 0 Einträge. Das Ergebnis dieser Suche resultiert in einem Artikel von Brückner und Smirnov (2007), und das Zitat beschränkt sich auf eine Fußnote in der Einführung.

Michael Vyborny, Gunther Maier
Sprachliche Netzwerke

In diesem Kapitel beschreiben wir Netzwerke sprachlicher Einheiten, die in Zusammenhang mit ihrer Einbettung in jene Sprachgemeinschaften analysiert werden, welche diese Einheiten und deren Vernetzung hervorgebracht haben. Wir erörtern ein Dreistufenmodell zur Analyse solcher Netzwerke und exemplifizieren dieses Modell anhand von Spezialwikis. Ein Hauptaugenmerk liegt dabei auf einem Mehrebenennetzwerkmodell in Abkehr von unipartiten Graphmodellen der Theorie komplexer Netzwerke.

Alexander Mehler, Barbara Frank-Job, Philippe Blanchard, Hans-Jürgen Eikmeyer
Neue Institutionenökonomie und Netzwerkanalyse. Theoretische und methodische Anknüpfungspunkte am Beispiel des Spargelanbaus in Brandenburg

Zahlreiche Untersuchungsgegenstände der institutionenökonomisch, geprägten agrar- und ressourcenökonomischen Forschung fokussieren auf Beziehungs- und Akteurskonstellationen unter Berücksichtigung des Gesamtkontextes. Die Netzwerkanalyse erweist sich dabei als methodisch und theoretisch geeignet, die formalen und insbesondere informellen Strukturen im Sinne der Institutionenanalyse

1

zu erfassen. Der institutionenökonomische Ansatz untersucht die Durchsetzung und den Erfolg oder Misserfolg der Einhaltung von Verträgen. Dabei stehen die Regeln und die Organisation der Interaktionen und Beziehungen zwischen den Akteuren im Mittelpunkt des Interesses. Die Koordinierungsmechanismen, in der Institutionenökonomie auch als Governance System bezeichnet, dienen der Durchsetzung und Koordination des Regelsystems.

Carlotta von Bock, Polach
Innovationsprozesse in Open-Source-Communities aus netzwerkanalytischer Sicht

Open-Source-Projekte rücken zunehmend in den Blick der Forschung. So wurden in den letzten Jahren große Anstrengungen unternommen, die den Open-Source-Communities zugrunde liegenden Phänomene zu identifizieren, wie z.B. im EU-Projekt FLOSS.

1

Auch die sozialwissenschaftliche Forschung nähert sich diesem Feld (

z.B. Holtgrewe/Brand 2007

;

Taubert 2006

). Mit den Arbeiten von v. Hippel (für einen Überblick siehe Hippel 2005) wird ein besonderer Augenmerk auf den Innovationsaspekt bei Open-Source-Projekten geworfen, die insbesondere mit dem Werk von Piller und Reichwald (

Reichwald/Piller 2006

) in den Wirtschaftswissenschaften rezipiert wurde. Das dabei thematisierte Konzept des „Open Innovation“ wird zum Teil von Entscheidern innerhalb des forschungs-politischen Feldes als mögliche Innovationsstrategie für Deutschland angesehen

2

.

Sam Zeini, Andreas Harrer, H. Ulrich Hoppe
Transparentes Parlament. Informelle Netzwerke der Bundestagsabgeordneten

An der Hochschule Mittweida im Fachbereich Medien setzen sich Professoren, Lehrbeauftragte und Studenten seit 2004 mit der Analyse sozialer Netzwerke auseinander — theoretisch, methodisch und auch mit der Anwendung der Instrumente. Aus diesem Kreis ist die studentische Forschungsgruppe „Transparentes Parlament“ entstanden, die einen Blick hinter die Kulissen des Parlaments wirft.

Isabel Hatzel, Patric Üschner
Persönliche Beziehungsnetzwerke und ihre Bedeutung in der Verfestigung von rechtsextremistischen Orientierungen

Im Rahmen von qualitativen interviews mit „rechten“ Jugendlichen zum Thema „Familie und Rechtsextremismus“ fiel auf, dass immer wieder dieselben Personen und Orte genannt wurden, die in der regionalen rechten Szene von Bedeutung sind. Darüber hinaus schien das persönliche Beziehungsnetzwerk innerhalb der rechten Szene bei den Jugendlichen größer zu sein, deren politische Einstellung ausgeprägter ist. Eine größere Integration in die rechte Szene führt demnach dazu, so die These, dass eine bereits vorhandene rechte Orientierung stabilisiert wird und individuelle Einstellungen sich durch eine längerfristige Mitgliedschaft verfestigt. Der Grund dafür könnte in „ideellen und materiellen“ Austauschprozessen zwischen den einzelnen Jugendlichen bzw. Jugendcliquen und der organisierten rechtsextremen Szene liegen. Die Voraussetzung dafür wäre die intentionale und tatsächliche Mobilität der Jugendlichen. Denn: Ein Beziehungsnetzwerk stellt sich nicht von alleine her, sondern muss, oftmals unter großem Aufwand, aufgebaut und gepflegt werden. Die Untersuchung eines möglichen Zusammenhangs zwischen der Größe und Qualität des persönlichen Beziehungsnetzwerks einerseits und der zunehmenden Radikalisierung von rechtsextremistischen Orientierungen andererseits ist Gegenstand dieses Beitrags

1

.

Reiner Becker
„... der Freundeskreis, der Bekanntenkreis hat sich total verändert“. Rekonstruktionen von sozialen Beziehungskontexten bei Arbeitslosengeld-II-EmpfängerInnen

Weil Erwerbsarbeit nach wie vor als zentraler Mechanismus der sozialen Integration gilt und groß Bedeutung für die persönliche Identitätsbildung hat, ist die Bewältigung von Erwerbslosigkeit für die einzelnen Individuen anforderungsreich. Für diesen Bewältigungsprozess sind auch die sozialen Beziehungen der betreffenden Personen maßgeblich. In sozialen Netzwerken können die Einzelnen vielfältige Unterstützung erhalten, die z.B. von emotionaler Stabilisierung, Geld- und Sachleistungen über Kinderbetreuung bis hin zur Vermittlung in eine neue Beschäftigung reichen kann. Einer solchen Unterstützung steht allerdings oftmals entgegen, dass sich soziale Netzwerke in Folge der Erwerbslosigkeit gravierend verändern. Dies bedeutet nicht zwangsläufig einen totalen Verlust an sozialen Kontakten und Unterstützungsleistungen. Unsere Untersuchungen

1

zeigen, dass sich in der Arbeitslosigkeit soziale Netzwerke nur selten vollständig auflösen. Stattdessen — so unser Befund — findet ein Wandel in den Netzwerkkonstellationen der Betroffenen statt, der nicht nur quantitativer, sondern vor allem qualitativer Art ist. Durch die Erwerbslosigkeit kommt es zu einem Gestalt- und Funktionswandel sozialer Netzwerke, der Folge wie auch Bedingung des veränderten Zugriffs auf Ressourcen zur Bewältigung der Situation ist. Damit geht es also um die Frage, auf welche Formen der sozialen Unterstützung die Erwerbslosen zurückgreifen können und welche spezifischen Bewältigungsstrategien sie dabei entwickeln, die ihrerseits die Möglichkeiten sozialer Unterstützung beeinflussen. Auf der Grundlage eines ersten Zugriffs auf das vorliegende Interviewmaterial stellen wir vier Bewältigungstypen vor.

Kai Marquardsen, Silke Röbenack

Netzwerkanalytische Untersuchungen in Organisationen

Frontmatter
Der Netzwerkansatz in der Führungsforschung

„Is a network perspective a useful way of studying organization??“ (

Nohria 1992: 1

). So lautete vor über fünfzehn Jahren die Einleitung eines Sammelbandes zu Netzwerken und Organisationen. Diese Frage lässt sich aus heutiger Sicht eindeutig bejahen. Der Netzwerkansatz hat sich zu einem etablierten Paradigma der Organisationsforschung entwickelt (

Borgatti/Foster 2003

;

Brass et al. 2004

).

Andreas Wald
Die Wirkung struktureller Löcher auf den Karriereerfolg im Management: eine kontingente Betrachtung

Soziale Netze haben einen zentralen Einfluss auf den Karriereerfolg in Organisationen. Insbesondere ab der Stufe des mittleren Managements ist das Humankapital alleine nicht mehr ausreichend für weitere Karriereschritte, sondern es bedarf der Einbettung in informale Netzwerkstrukturen. Netzwerke kanalisieren den Ressourcenfluss, regulieren den Zugang zu Informationen und verschaffen Mentoring und Unterstützung. Die Aussagen der Netzwerktheorien divergieren jedoch stark bezüglich der Wirkung verschiedener Netzwerkaspekte auf den Handlungserfolg der Akteure. Während einige Theorien davon ausgehen, dass strukturelle Löcher den Akteuren bei der Durchsetzung ihrer Interessen helfen, machen andere auf die Bedeutung von eng gekoppelten Netzen aufmerksam. Diese Arbeit exemplifiziert die Wirkungsweisen der Netzwerke am Beispiel des Karriereerfolgs. Sie zeigt, dass erst eine inhaltliche Spezifizierung der Ressourcenflüsse die Wirkungsweise der Netze im organisationalen Kontext erhellt und divergierende Forschungsergebnisse erklärt.

Nicoline Scheidegger
Unternehmen als Akteure egozentrierter Netzwerke

Zum Erfolg der Netzwerkanalyse trägt bei, dass sozialen Netzwerken gerne ein positiver Ertrag zugschrieben wird (Sozialkapital). Könnte man die Prozesse erklären, die einem solchen Mechanismus zugrunde liegen, ließe sich der resultierende Ertrag möglicherweise systematisch erzielen. Für die Wirtschaftswissenschaften ist die Netzwerkanalyse besonders interessant, wenn dieser positive Ertrag ökonomischer Natur ist oder sich in einen solchen umwandeln lässt. So überrascht es nicht, dass auch in dieser Disziplin das Interesse an der Netzwerkanalyse wächst. In diesem Beitrag befasse ich mich mit einer speziellen Form der Netzwerkanalyse: der Analyse egozentrierter Netzerke. Sie kann als Schnittstelle zwischen der klassischen Umfrageforschung und der Erhebung von Gesamtnetzwerken gesehen werden. Während sie von der Anlage eher einer klassischen Umfrage ähnelt, oft sogar in eine solche integriert ist, hat sie mit der Analyse von Gesamtnetzwerken gemeinsam, dass die Befragten nicht als isolierte Akteure, sondern eingebettet in ihr soziales Umfeld betrachtet werden. Bei der Analyse von Gesamtnetzwerken ist es keine Seltenheit, anstelle von Personen, Organisationen als Knoten zu erheben. In diesem Beitrag befasse ich mich nun mit der Erhebung von Organisationen als Knoten in egozentrierten Netzwerken.

Philipp Schauwecker
Analyse der Selbstorganisation in virtuellen Wiki-basierten Informationsräumen

Als so genannte Graswurzeltechnologie geboren ist die Social Software (Blogs, Wikis, etc.) zur Förderung betrieblicher Wissensaustauschprozesse inzwischen in der Unternehmensleitung angekommen. Auf Basis sich selbstorganisiert bildender Gemeinschaften entsteht über die Emergenz sozialer Beziehungen der Nutzen von Social Software (Birn/Müller: 36). Die in diesen Anwendungen entstehenden sozialen Beziehungen können als Netzwerk interpretiert und daher mit Hilfe von Verfahren der Netzwerkanalyse untersucht werden. Im folgenden Beitrag werden erste Ergebnisse der Untersuchung eines Corporate Wikis vorgestellt. Ein Wiki wird als sozialer Informationsraum interpretiert. Der synergetische Ansatz wird auf Wiki-basierte Netzwerke übertragen, um das Verständnis für die innerhalb des Informationsraums ablaufenden Prozesse der Selbstorganisation zu verbessern. Es wird zwischen der Mikro- und der Makroperspektive unterschieden und der Versuch unternommen, bestehende Abhängigkeiten zwischen diesen beiden Ebenen aufzuzeigen. Das Ziel ist es, die betrieblichen Wissensaustauschprozesse innerhalb eines Wiki-Informationsraums mit Hilfe der Netzwerkvisualisierung und -analyse zu verbessern.

Claudia Müller
Die Steuerung virtueller Projektnetzwerke: e-mail und schlözen

Virtuelle Unternehmen (VU) werden oft als eine neue Organisationsform sui generis beschrieben mit der sich spezifische Herausforderungen für die Gestaltung von Unternehmensstrukturen und-routinen verknüpfen. Bislang hat sich aber in der Literatur keine einheitliche Definition für die Organisationsform „Virtuelles Unternehmen“ durchgesetzt. Nach dem Abflauen der Begeisterung über die Möglichkeiten der internet-gestützten „New Economy“ ist auch das Interesse an den Möglichkeiten und Funktionsbedingungen virtueller Unternehmen rapide zurückgegangen. Virtuelle Unternehmen können aber genereller als eine besondere Form von projektorientierten Unternehmensnetzwerken begriffen werden (gekennzeichnet durch die intensive und konstitutive Nutzung von Informations- und Kommunikationstechniken) und damit aus ihrer zu starken Abhängigkeit von einer Modediskussion herausgelöst werden.

Gerhard Fuchs

Akteur-Netzwerk-Theorie

Frontmatter
Untersuchung von Risikokontroversen mittels netzwerkanalytischer Methoden

In Studien zu Risikokontroversen und Technikkonflikten wird die Forderung aufgestellt, Risiko als ein Konstrukt aufzufassen. Was als Risiko definiert werde, sei abhängig von unterschiedlichen Wirklichkeitskonstruktionen der beteiligten sozialen Akteure. Demnach wurde die Forderung erhoben, der Konstruktion von Risiken durch soziale Akteure nachzugehen (

vgl. Lau 1989

;

Eder 1998

;

Krohn/Krücken 1993

;

Radkau 2002

). Auch wenn die Risikowahrnehmung als soziales Konstrukt gefasst werden muss, handelt es sich bei der Thematisierung von Chancen und Risiken ebenfalls um Hinweise auf die realen Folgen von Technik. Wie aber kann mittels eines konstruktivistischen Ansatzes den realen Folgen Rechnung getragen werden?

Birgit Peuker
Die experimentelle Überprüfung dynamischer Vernetzungsprozesse

An der empirischen Netzwerkforschung wird immer wieder kritisiert, dass sie bislang zu wenige Forschungsergebnisse über die Entstehung und die Dynamik von Netzwerkstrukturen gesammelt habe (vgl.

Jansen 1999

). Zwar konnten bei der relationalen Bestimmung von Positionen, Rollen und Strukturen Fragen zu Machtverhältnissen, Entscheidungsfindung, zur Entstehung normativer Orientierungen bei Akteuren, zur Innovativität von Organisationen, zur Problematik sozialer Integration, um nur einiges zu nennen, beantwortet werden (vgl.

Pappi 1987; Weyer 2000

;

Trappmann 2005

;

Hollstein/ Strauss 2006

), jedoch weiß man noch zu wenig über die prozesshafte Entwicklung von Netzwerkstrukturen.

Diana Lindner
Von der Akteur-Netzwerk-Theorie zur prozeduralen Methodologie. Kleidung im Überfluss

Netzwerke sind zu einem vielfältig verwendbaren Deutungsbegriff ebenso für physische und technische wie für soziale Verhältnisse avanciert. Sie bieten einige Vorzüge gegenüber älteren oder anderen Wirklichkeitsbeschreibungen. So lassen sich „beweglichere“ Verbindungen fassen, als sie beispielsweise mit Gruppe, Organisation oder Institution assoziiert werden. Das Bild des Netzes evoziert tendenziell „flache“, häufig antihierarchische Vorstellungen. Dabei können sie doch zugleich sehr ungleichartige Gegenstände in ihren Verknüpfungen darstellen. KritikerInnen sehen darin analytische Schwächen, BefürworterInnen betonen dagegen, dass sich die gesellschaftliche Wirklichkeit infolge von Wandlungsprozessen gar nicht mehr angemessen verstehen lasse, wenn man sie nicht als vernetzte betrachte.

Stephan Lorenz
Backmatter
Metadata
Title
Netzwerkanalyse und Netzwerktheorie
Editor
Christian Stegbauer
Copyright Year
2008
Publisher
VS Verlag für Sozialwissenschaften
Electronic ISBN
978-3-531-91107-6
Print ISBN
978-3-531-15738-2
DOI
https://doi.org/10.1007/978-3-531-91107-6