Skip to main content
Top
Published in: Österreichische Wasser- und Abfallwirtschaft 7-8/2018

Open Access 04-06-2018 | Originalarbeit

Numerische Modelle – ein Standbein der Talsperrensicherheit

Authors: DI Edwin Staudacher, Shervin Shahriari, M.Sc., Univ.-Prof. DI Dr. Gerald Zenz

Published in: Österreichische Wasser- und Abfallwirtschaft | Issue 7-8/2018

Activate our intelligent search to find suitable subject content or patents.

search-config
loading …

Zusammenfassung

Um den sicheren Betrieb von Talsperren unter den verschiedenen betrieblichen Anforderungen und Umwelteinflüssen zu gewährleisten, ist es notwendig, das Bauwerksverhalten bereits in der Planungsphase zu simulieren. Dafür werden numerische Modelle sowohl für die Bauphasen als auch für den Endzustand der Talsperre, unter der Berücksichtigung verschiedener Belastungszustände sowie deren Kombinationen erstellt und die Ergebnisse ausgewertet und interpretiert. Die Interpretation einerseits und die Modellierung andererseits erfolgen basierend auf der praktischen Erfahrung aus dem Betrieb bereits bestehender Talsperren und unter der Annahme von bekannten sowie möglichen Versagensmechanismen. Deshalb ist ein Austausch dieser Erfahrungen innerhalb der Gruppe von IngenieurInnen, die mit dieser verantwortungsvollen Aufgabe betraut sind, von großer Bedeutung. Aus diesem Grund werden seit 1991 vom Technical Committee on Numerical Analysis and Design of Dams der International Commission On Large Dams (ICOLD) sogenannte Benchmark Workshops abgehalten. Deren Ergebnisse und die daraus gewonnenen Erkenntnisse werden in Tagungsbänden sowie in speziellen ICOLD Bulletins veröffentlicht. Das Verständnis über die Interpretation der Ergebnisse numerischer Berechnungsmodelle spielt im Netzwerk der ICOLD eine wichtige Rolle und stellt den zuverlässigen Betrieb von Talsperren sicher.

1 Einleitung

Die internationalen Benchmark Workshops für numerische Berechnungen an Talsperren ermöglichen einen detaillierten Einblick in die verwendeten Analysemethoden sowie Softwarepakete. Im internationalen Kreis können somit aktuellste Informationen zu Modellierungsmethoden, Ergebnissen und Erkenntnissen ausgetauscht und diskutiert werden. Die Workshops werden von Mitgliedern des Technical Committee on Numerical Analysis and Design of Dams der ICOLD ausgeschrieben und veranstaltet. Dieses Komitee beschäftigt sich seit mehr als zwei Jahrzehnten mit den Aspekten von numerischen Methoden und haben bis dato die Ergebnisse in mehreren Bulletins der ICOLD zusammengefasst. Diese Arbeit wurde durch die Mitglieder dieses Komitees unter der Leitung des jeweiligen Vorsitzenden durchgeführt. Die Vorsitzenden dieser Gruppe seit der Gründung des Komitees waren: Olgierd Zienkiewics, Michele Fanelli, Gabriella Giuseppetti, Alian Carrere, Ignacio Escuder und derzeit Guido Mazza.
Die Erkenntnisse und zusammenfassenden Ergebnisse der Workshops dienen als Diskussionsgrundlage; sie wurden in Bulletins festgehalten (ICOLD 1994, 2001, 2013). Diese Bulletins bieten Unterstützung zu den Modellierungs- und Berechnungsmethoden, um die großteils komplexen Problemstellungen in Bezug auf Talsperren am bestmöglichen Wege – in Hinblick auf Modellierung und Detaillierung des jeweiligen Problems – lösen zu können. In der Tab. 1 sind alle bisherigen Benchmark Workshops dargestellt.
Tab. 1
Auflistung der bisherigen Benchmark Workshops
BW 1, Bergamo, Italien
1991
BW 8, Wuhan, China
2005
BW 2, Bergamo, Italien
1992
BW 9, St. Petersburg, Russland
2007
BW 3, Paris, Frankreich
1994
BW 10, Paris, Frankreich
2009
BW 4, Madrid, Spanien
1996
BW 11, Valencia, Spanien
2011
BW 5, Denver, USA
1999
BW 12, Graz, Österreich
2013
BW 6, Salzburg, Österreich
2001
BW 13, Lausanne, Schweiz
2015
BW 7, Bukarest, Rumänien
2003
BW 14, Stockholm, Schweden
2017

2 Ausgewählte Ergebnisse der Benchmark Workshops

Mittlerweile wurden im Zuge der vierzehn Veranstaltungen insgesamt 45 unterschiedliche Aufgaben gestellt, welche jeweils von mehreren TeilnehmerInnen gelöst worden sind. Sie reichen von linearen und nichtlinearen strukturmechanischen Berechnungen von Talsperren unter Berücksichtigung statischer und dynamischer Lasten sowie Lasten zufolge Zwang (Temperatur, Quellen des Betons, rheologisches Verhalten) bis zur statistischen und auch hybriden Analyse von Messwerten, um das Verhalten der Absperrbauwerke vorhersagen zu können (ATCOLD 2001). Die Vorhersagemodelle werden in der Bauwerksüberwachung angewendet, um die Grenzwerte der Messeinrichtungen in regelmäßigen Abständen (täglich, wöchentlich, usw.) an die meteorologischen und betrieblichen Einflüsse anpassen zu können.
Nachfolgend werden exemplarisch interessante Beiträge aus der Serie von Benchmark Workshops vorgestellt und deren Beitrag zur Entwicklung der Modellbildung diskutiert.

2.1 Benchmark Workshop 5 in Denver (1999)

Der fünfte internationale Benchmark Workshop im Jahr 1999 behandelte unter anderem das Thema „Uplift Pressure and Stress Analysis of an Arch Dam and Foundation“. Dabei wurde das Verhalten der Gewölbestaumauer Schlegeis (Abb. 1) analysiert. In der Fragestellung wurde der Fokus auf die folgenden Punkte gelegt: Entwicklung der Spannungen am wasserseitigen Fußpunkt (am Bauwerk und in Aufstandsfläche) während der Bauphase unter Berücksichtigung der Betonierreihenfolge der einzelnen Blöcke sowie Lasten zufolge Injektionen (Dichtschirm) und Ersteinstau (Zenz und Aigner 2000).
Die Schlegeissperre wurde als doppelt gekrümmte Bogenstaumauer in einem weiten Tal entworfen, geplant und ausgeführt. Die dafür erforderlichen Berechnungen wurden mit linearen, numerischen Modellen basierend auf dem Lastaufteilungsverfahren (LAV) durchgeführt. Die generellen Ergebnisse der Berechnungen zeigten eine sehr gute Übereinstimmung mit den nachträglich erfassten Messwerten der Staumauer. Beim Ersteinstau wurde jedoch ein unerwartet hoher Sickerwasserandrang im untersten, direkt zur Felsaufstandsfläche hin offenen Kontrollgang festgestellt. Durch die Lasteinleitung von der Sperre in den Felsuntergrund entstanden in einem lokal begrenzten Bereich Zugspannungen und in weiterer Folge bildeten sich Risse aus, welche den Wassereindrang begünstigten. Der Sickerwassereintritt konnte durch die Errichtung einer vertikalen, elastischen Dichtwand in diesem Bereich signifikant verringert werden.
Unter der Verwendung der Finite-Elemente-Methode (FEM) wurde ein weiteres Modell erstellt, wobei der Fokus in der Modellierung auf den genannten Bereich gelegt wurde. In diesem Modell, dargestellt in Abb. 2, wurde die Kontaktfläche zwischen Mauer und Fels so modelliert, dass sich die zwei Körper bei Überschreitung einer gewissen Zugspannung voneinander trennen können, sich also eine Fuge öffnet. Die Auswertung der Berechnungen zeigt eine signifikante Öffnung dieser Fuge von bis zu 50 % der Mauerstärke, ausgehend vom wasserseitigen Fußpunkt der Sperre (siehe Abb. 3). Durch diesen Umstand kommt es zu einer Lastumlagerung in Richtung der steileren Talflanken, wodurch zusätzlich die Bogentragwirkung der Staumauer zum Tragen kommt, ohne die Standsicherheit der Mauer zu gefährden (Zenz et al. 2000).

2.2 Benchmark Workshop 12 in Graz (2013)

In der jüngeren Vergangenheit befassten sich die Workshops neben numerischen Modellen von Staudämmen sowie Risikoanalysen von Talsperren unter anderem auch mit dynamischen Analysen von Betonsperren im Erdbebenfall.
Im Jahr 2013 wurde der Benchmark Workshop in Graz abgehalten, wo die Ergebnisse zu vier Halbtagesthemen präsentiert und anschließend diskutiert wurden. Die Titel dieser Themen lauteten:
  • „Theme A: Fluid Structure Interaction, Arch Dam – Reservoir at Seismic Loading“,
  • „Theme B: Long Term Behaviour of Rockfill Dams“,
  • „Theme C: Computational Challenges in Consequence Estimation for Risk Assessment“,
  • „Open Theme“.
Die ersten drei Themen gaben somit eine Fragestellung vor, im vierten Thema konnten die Teilnehmer das Thema mit Bezug zu Talsperren frei wählen. Insgesamt wurden 27 Beiträge eingereicht und präsentiert.
Im ersten Thema („Fluid Structure Interaction, Arch Dam – Reservoir at Seismic Loading“) wurde die Wechselwirkung einer Gewölbestaumauer (idealisierte und symmetrische Geometrie, siehe Abb. 4) und dem Wasser im Reservoir während eines Erdbebens analysiert. Im Detail wurden von jedem Teilnehmer mehrere lineare, dynamische Berechnungen mit unterschiedlichen Ansätzen der Fluid-Struktur-Interaktion (FSI) durchgeführt. Zu diesen Ansätzen zählen die Methoden der addierten Massen nach Westergaard (1933) oder Zangar (1952) und die Modellierung des Wasserkörpers im Stauraum mit Akustik- oder Fluidelementen. Diese Elemente interagieren durch geeignete Koppelung mit den Volumenelementen der Struktur (Talsperre und gegebenenfalls Fundamentkörper). Die Resultate der Teilnehmer, wie Eigenfrequenzen sowie Verformungen und Spannungen in unterschiedlichen Punkten des Sperrenkörpers, wurden vergleichend gegenüber gestellt. Obwohl es sich um lineare Analysen handelte und die Geometrie (inkl. FEM-Netz), Randbedingungen, Lastfälle und Materialparameter vorgegeben waren, mussten noch zusätzliche Annahmen getroffen werden. Somit lassen sich die unterschiedlichen Resultate erklären, wie dies in Abb. 5. ersichtlich ist. Wie erwartet, traten die größten Differenzen zwischen den Berechnungen mit der Methode der addierten Massen und den Ansätzen mit Akustik- bzw. Fluidelementen auf, da die Methoden der addierten Massen den dynamischen Wasserdruck auf das Bauwerk überschätzen (Goldgruber und Zenz 2014).

2.3 Benchmark Workshop 14 in Stockholm (2017)

Im September 2017 wurde der 14. Benchmark Workshop in Stockholm veranstaltet. Es standen vier Themen mit vorgegebener Aufgabenstellung und zusätzlich ein freies Thema zur Auswahl. Die Aufgaben der ersten vier Themen bestanden aus strukturmechanischen Berechnungen von zwei Betonsperren und eines Schüttdamms sowie der Analyse der Versagenswahrscheinlichkeit einer Staumauer. Im Folgenden wird auf die ersten zwei Themen näher eingegangen.

2.3.1 Theme A – Cracking of a concrete arch dam due to seasonal temperature variations

Das erste Thema bestand aus linearen und nichtlinearen, statischen Analysen einer bewehrten Bogenstaumauer in Schweden (Hmax = ca. 40 m, Kronenlänge ca. 170 m, dargestellt in Abb. 6). Ziel dieses Themas war es, die Möglichkeiten von numerischen Modellen zu ermitteln, um das gemessene Verformungsverhalten der Staumauer nachbilden zu können. Die Nichtlinearität bezieht sich einerseits auf den Kontakt zwischen Sperre und Untergrund und andererseits auf das Materialverhalten der Sperre. Hintergrund dieser Analyse sind die großen Temperaturunterschiede zwischen den Winter- und Sommermonaten, vor allem in den nördlichen Ländern, wodurch an einigen Talsperren signifikante Spannungsrisse aufgetreten sind (Malm et al. 2018).
In den numerischen Modellen waren neben den statischen Lasten aus Eigengewicht und Wasserdruck auch die Temperatureinwirkung im Jahresverlauf (Tmin = −26 °C, Tmax = +20 °C) zu berücksichtigen. Somit musste eine zusätzliche, thermische Berechnung durchgeführt werden, um die Temperaturverteilung sowohl im Sperrenkörper als auch im Felsuntergrund ermitteln zu können. Im Gegensatz zur Geometrie, den Temperaturverläufen und den mechanischen sowie thermischen Materialparametern konnten die Modellierung des Kontakts zwischen Sperre und Fundation, das nichtlineare Materialmodell (in Abhängigkeit von der verwendeten FE-Software) und die Bruchenergie des Sperrenbetons gewählt werden (Malm et al. 2018).
Eine Möglichkeit, das nichtlineare Verhalten von Beton in der Numerik zu berücksichtigen, ist die Verwendung des Microplane-Modells. Dieses Materialmodell basiert auf der Forschungsarbeit von Bažant und Gambarova (1984) sowie Bažant und Oh (1985). Es ist in der FE-Software Ansys implementiert und wurde im Zuge der Ausarbeitung dieses Themas angewendet. Um den Prototypen so real wie möglich nachbilden zu können, wurde die in der Staumauer an der Luft- und Wasserseite verbaute Bewehrung mithilfe einer Subroutine – in Hinblick auf den Bewehrungsgehalt, die Orientierung der Bewehrungsstäbe sowie deren Lage im Sperrenkörper – gemäß den Vorgaben in der Aufgabenstellung berücksichtigt. Vergleicht man die Ergebnisse der berechneten Verformungen (z. B. im Vertikalschnitt, gezeigt in Abb. 7, Teilnehmer 16 = Shahriari et al.) mit den gemessenen Verformungen, lassen sich für die kalte Jahreszeit teilweise sehr gute Übereinstimmungen erkennen. Zusätzlich zeigt die Darstellung der qualitativen Rissverläufe aus der Berechnung in Abb. 8b ebenfalls eine sehr gute Konformität mit den beobachteten charakteristischen Rissen an der Staumauer in Abb. 8a. Es konnte somit gezeigt werden, dass die Verwendung des Microplane-Modells in den numerischen Berechnungen für Talsperren geeignet ist (Shahriari et al. 2017).
Diese Aufgabenstellung hat gezeigt, dass es möglich ist, das gemessene Bauwerksverhalten mithilfe von nicht linearen Materialmodellen sehr gut nachzubilden. In der Definition des Themas wurden einige Parameter bewusst nicht vorgegeben, wodurch die Teilnehmer gezwungen waren, ingenieurmäßig begründete Annahmen zu den erforderlichen Randbedingungen zu treffen. Damit unterscheiden sich die Ergebnisse der einzelnen Teilnehmer teilweise signifikant voneinander, wie dies in Abb. 7 dargestellt ist. Die Diskussion über die Resultate wurde aufgrund dieser Annahmen zusätzlich positiv beeinflusst.

2.3.2 Theme B – Static and seismic analysis of an arch-gravity dam

Die untersuchte Talsperre der zweiten Fragestellung ist die 157 m hohe Janneh-Staumauer im Libanon. Diese Talsperre befindet sich zurzeit im Bau und wird als Bogengewichtsmauer im Walzbetonverfahren (RCC – Roller Compacted Concrete) ausgeführt. Im ersten Planungsentwurf wurde eine gerade Dammachse angenommen, doch es stellte sich heraus, dass im Erdbebenfall die Standsicherheit einiger Sperrenblöcke nicht gegeben ist. Deshalb hat man zur Sicherstellung der Standsicherheit der Sperre eine gekrümmte Achse gewählt (siehe Abb. 9). Die Nichtlinearität bezieht sich in dieser Aufgabenstellung auf den Kontakt der Sperre mit dem Untergrund. Diese Modellbildung ist speziell für den Erdbebenfall von Interesse, um die Öffnungsweite der Fuge, ausgehend vom wasserseitigen Fußpunkt, sowie deren relative Distanz zwischen Sperre und Untergrund zu ermitteln. So kann in der Planung die Lage des Dichtschirms festgelegt werden, bei der die Funktion des Dichtschirms mit hoher Wahrscheinlichkeit bestehen bleibt (Andrian et al. 2018).
Die Fragestellung wurde von den Verfassern so gewählt, dass sich die Komplexität mehrerer Modelle steigerte, beginnend mit einem linearen, statischen Modell bis zu den Modellen mit nichtlinearem Kontakt, Auftrieb in der Sohlfuge und Einwirkungen seismischer Natur. Die Berücksichtigung der Erdbebenlasten erfolgte jeweils in separaten Modellen durch den pseudostatischen Ansatz als auch durch die numerische Integration der Bewegungsgleichung mittels der diversen Lösungsverfahren (Andrian et al. 2018).
Zur Durchführung der Berechnungen wurde die FE-Software Abaqus (Version 6.14) verwendet. Durch erneutes Vernetzen der Geometrie und Verfeinerung des FE-Netzes im Kontaktbereich konnte die Konvergenz bei den nichtlinearen Berechnungen mit einer vertretbaren Anzahl an Iterationsschritten (in Hinblick auf die Rechenzeit) erreicht werden. Bei der Herstellung der Talsperre mit dem Walzbetonverfahren wird der Beton in horizontalen Lagen eingebaut. Dieser Umstand wurde in der Berechnung des initialen Spannungszustandes der Sperre vereinfacht durch zehn Bauphasen berücksichtigt. Die Fluid-Struktur-Interaktion von Sperre und Reservoir wurde generell durch Koppelung der Volumenelemente mit den Akustikelementen bewerkstelligt, die Druckwellen im Fluid wurden mithilfe der dementsprechenden Randbedingung am Ende des Reservoirs absorbiert. Eine Interaktion des Fluids mit dem Felsuntergrund im Bereich des Stausees wurde vernachlässigt (Staudacher und Zenz 2017).
Zehn Teilnehmer haben ihre Ergebnisse eingereicht und grundsätzlich zeigt sich, dass sich die Resultate mit zunehmender Komplexität des Modells immer stärker voneinander unterscheiden. Beispielhaft sind in der Abb. 10 die ermittelten Sicherheitsfaktoren des Gleitnachweises in der Aufstandsfläche des Mittelblockes B0 (Teilnehmer 10 = Staudacher und Zenz [2017]) dargestellt. Hierbei steht Modell 1 für die lineare, statische Berechnung und Modell 2 für die nichtlineare, statische Berechnung. Die Differenz der Ergebnisse kann durch die Verwendung unterschiedlicher Modellierungsansätze wie z. B. die Kontaktformulierungen sowie die Berücksichtigung des Auftriebs auf den Sperrenkörper entlang der Aufstandsfläche erklärt werden.
Abschließend muss zu den Benchmark Workshops angemerkt werden, dass durch die regelmäßige Abhaltung dieser Workshops sowie durch die unterschiedlichen Fragestellungen zu diversen numerischen Modellen ein großer Wissens- und Erfahrungsaustausch unter den TeilnehmerInnen stattfindet. Vor allem junge IngenieurInnen im Bauwesen und besonders im Wasserbau können von diesen Veranstaltungen profitieren.

3 Modellbildung – Generelle Betrachtung des Sperrenuntergrundes

Ein besonderes Augenmerk muss auf die detaillierte geologische Erkundung und Aufnahme des Untergrundes im Bereich der Talsperre gelegt werden, um die geologischen Verhältnisse in den Modellen so genau wie möglich berücksichtigen zu können. Basierend auf dem entwickelten Rechenmodell erfolgen die unterschiedlichsten Stabilitätsberechnungen und strukturmechanischen Untersuchungen, um eine Interpretation des Verhaltens der Talsperre, sowie die finale Beurteilung und Sicherstellung der Bauwerksicherheit zu ermöglichen. Das Modell des Untergrundes muss die wesentlichen geologischen Strukturen (inklusive den ermittelten Materialparametern) sowie deren Orientierung in der Felsmasse enthalten. So kann auch sichergestellt werden, dass ein mögliches anisotropes Verformungsverhalten des Untergrundes berücksichtigt werden kann. Werden zusätzlich Analysen bezüglich der Porenwasserdruckverteilung und in weiterer Folge Durchsickerungsberechnungen angestellt, müssen zusätzlich die Durchlässigkeitsbeiwerte der unterschiedlichen Schichten bekannt sein bzw. ermittelt werden.
Durch die geologische Aufnahme und Modellierung des Sperrenuntergrundes können Trennflächen in der Felsmasse identifiziert werden. In manchen Fällen können zwei oder mehr Trennflächen einen von der Gebirgsmasse getrennten Felskörper bilden, dessen Stabilität nachzuweisen ist, um in weiterer Folge die Standsicherheit der Talsperre sicherstellen zu können. Der Nachweis kann im numerischen Modell, unter Berücksichtigung von externen Kräften auf den Felskörper und mit Wasserdrücken in den Klüften, für statische und vor allem für dynamische Lastfälle erbracht werden. In Abb. 11 werden die vor Ort angetroffenen geologischen Verhältnisse der Gewölbestaumauer Tsankov Kamak (Bulgarien) gezeigt, Abb. 12 stellt das 3D-Modell desselben Bereiches dar, inklusive des durch die Trennflächen gebildeten Felskeils.
Technische Maßnahmen wie Drainagebohrungen in Kombination mit Abdichtungsmaßnahmen (Dichtschirm) dienen zur Reduktion des Auftriebs auf die Sperre und Verminderung der Durchströmung des Fundamentkörpers, mit dem Ziel, die Standsicherheit der Sperre zu erhöhen bzw. sicherzustellen. Die genannten Maßnahmen bedürfen vor der Ausführung einer gewissenhaften Planung, welche durch Ergebnisse und Erkenntnisse aus numerischen Berechnungen unterstützt wird.

4 Talsperrenüberwachung

Visuelle Kontrollen sind von besonderer Bedeutung, um einen generellen Eindruck vom Zustand der Talsperre zu erlangen. Kombiniert mit den Messdaten der Überwachungseinrichtungen und den Ergebnissen aus den numerischen Berechnungen, welche z. B. im Zuge der Benchmark Workshops durchgeführt werden, kann die Standsicherheit der Talsperre durch den Talsperrenverantwortlichen (TV) beurteilt werden. Dabei ist es wichtig, dass der TV auch über allgemeine Kenntnisse zur numerischen Modellierung und Ergebnisinterpretation verfügt.
Zur Schulung und Weiterbildung der Talsperrenverantwortlichen werden einschlägige Seminare abgehalten. Dabei wird im Dialog mit erfahrenen ExpertInnen (von Energieversorgern und Behörden) das notwendige theoretische wie auch praktische Wissen weitergegeben. Ergänzend zu den Vorträgen werden praktische Übungen an Talsperren abgehalten und die gewonnenen Daten sowie Beobachtungen ausgewertet. Diese werden von den TeilnehmerInnen gemeinsam mit den ExpertInnen diskutiert, mit dem Ziel, den Zustand der Talsperre und der vorhandenen Überwachungseinrichtungen beurteilen zu können.
Im September 2016 wurde vom Österreichischen Nationalkomitee für Talsperren (ATCOLD), zum wiederholten Mal ein Dam Surveillance Practice Seminar in Landeck (Tirol) veranstaltet, bei dem 22 Talsperren-Ingenieure und -Ingenieurinnen aus neun Staaten teilgenommen haben. Während der Dauer von fünf Tagen wechselten sich Theorieblöcke und praktische Übungen an der Staumauer Kops und am Gepatsch-Damm ab – signifikant unterstützt durch Talsperrenbetreiber der Tiroler Wasserkraft AG (TIWAG) und der Vorarlberger Illwerke AG. Die TeilnehmerInnen sind zum einen im Betrieb und der Überwachung der Talsperren, zum anderen in der Berechnung und Planung dieser Bauwerke tätig. Die praktischen Übungen umfassen die Begehungen des Bauwerks sowie Durchführung von Messungen an den diversen Überwachungseinrichtungen. Zur Überprüfung des Überwachungssystems werden die Grenzwerte der einzelnen Instrumente manuell ausgelöst und somit die Auslösung der Alarmmeldungen in der Warte getestet. Im Anschluss an die Übungen vor Ort wurden die Ergebnisse der Messungen an den unterschiedlichen Überwachungseinrichtungen von den TeilnehmerInnen ausgewertet, interpretiert und zusammen mit den getroffenen Beobachtungen diskutiert.
Da sich jede Talsperre nach Bauform und Baumaterial unterscheidet – also ein Unikat darstellt – ist es von Interesse, die praktischen Übungen nicht nur an einer Talsperre durchzuführen. So kann sichergestellt werden, dass auf die jeweiligen Besonderheiten der Sperren und deren Überwachungsprogrammen eingegangen wird.

5 Talsperrensicherheit

Die kontinuierliche Bauwerksüberwachung und regelmäßige Beobachtung durch MitarbeiterInnen (SperrenwärterInnen) des Betreibers der Stauanlage dient zur Erfassung des Zustandes und Erhaltung des sicheren Betriebs der Anlage. Über Zeiträume von bis zu mehreren Jahrzehnten werden so Daten und Erfahrungen gesammelt, welche diesen Prozess unterstützen. Da der sichere Betrieb von großem öffentlichen Interesse ist, stellt die nationale Behörde, neben der Eigenüberwachung durch den Betreiber, ein wichtiges Kontrollorgan dar. In regelmäßigen Abständen werden vom Betreiber Zustandsberichte an die zuständige Behörde übermittelt. Zusätzlich werden in regelmäßigen Abständen Begehungen der Sperrbauwerke durch VertreterInnen der Behörden zusammen mit den Verantwortlichen des Betreibers durchgeführt. Neben der visuellen Beurteilung der Bauwerke und deren näheren Umgebung, werden auch Funktionstests der Überwachungseinrichtungen (Grenzwertauslösung) und der Betriebseinrichtungen (z. B. Öffnen des Grundablasses) vorgenommen. Diese Tests und die laufende Instandhaltung stellen sicher, dass im Ernstfall die Funktionsfähigkeit gegeben ist.

6 Zusammenfassung

Der sichere Betrieb von Talsperren hat höchste Priorität, da diese Bauwerke ein großes Gefährdungspotenzial aufweisen. Numerische Untersuchungen helfen dabei, das Bauwerksverhalten besser zu verstehen. Durch die hohe Komplexität der Modelle mit steigender Rechenleistung und nichtlinearen Wirkzusammenhängen ist eine kritische Analyse der Resultate unbedingt erforderlich. Unterstützung dafür bieten die ICOLD Benchmark Workshops. Diese internationalen Benchmark Workshops werden vom Technical Committee on Numerical Analysis and Design of Dams der International Commission on Large Dams (ICOLD) im Zweijahresrhythmus veranstaltet. Die Workshops bieten IngenieurInnen die Gelegenheit zur Anwendung numerischer Methoden an verschiedenen Problemstellungen, mit anschließender Diskussion der Ergebnisse. Diese Diskussionen sind von hoher Relevanz und fruchtbringend, vor allem für junge Ingenieurinnen und Ingenieure. Denn durch unterschiedliche Annahmen oder Modellbildungen ergeben sich für dieselbe Problemstellung unter Umständen sehr stark variierende Ergebnisse, welche mitunter zu signifikant voneinander abweichenden Schlussfolgerungen führen können.
Die Erfassung des Bauwerksverhaltens durch die kontinuierliche Überwachung der Talsperren liefert Daten, mit denen die numerischen Modelle kalibriert bzw. verbessert werden können. Andererseits können diese Berechnungen eine Hilfestellung bei der Interpretation von gemessenen Größen an den Bauwerken geben.
Benchmark Workshops spielen sowohl eine wichtige Rolle im Forschungsbereich als auch bei der Weiterentwicklung und Anwendung der verschiedenen Modellierungsmethoden in der praktischen Anwendung. Werden die Rechenergebnisse von den gemessenen Daten bestätigt, können diese Methoden als verifiziert angesehen werden. Damit ist es möglich, begründete Schlüsse für den sicheren Betrieb von Talsperren zu ziehen.
Open Access Dieser Artikel wird unter der Creative Commons Namensnennung 4.0 International Lizenz (http://​creativecommons.​org/​licenses/​by/​4.​0/​deed.​de) veröffentlicht, welche die Nutzung, Vervielfältigung, Bearbeitung, Verbreitung und Wiedergabe in jeglichem Medium und Format erlaubt, sofern Sie den/die ursprünglichen Autor(en) und die Quelle ordnungsgemäß nennen, einen Link zur Creative Commons Lizenz beifügen und angeben, ob Änderungen vorgenommen wurden.
Literature
go back to reference Austrian National Committee on Large Dams (ATCOLD) (2001): Theme C – Interpretation of measurement results. Proceedings of the 6th ICOLD International Benchmark Workshop on Numerical Analysis of Dams. Austrian National Committee on Large Dams, Graz. Austrian National Committee on Large Dams (ATCOLD) (2001): Theme C – Interpretation of measurement results. Proceedings of the 6th ICOLD International Benchmark Workshop on Numerical Analysis of Dams. Austrian National Committee on Large Dams, Graz.
go back to reference Bažant, Z., Gambarova, P. (1984): Crack shear in concrete: Crack band microplane model. Journal of Structural Engineering 110(9): 2015–2035.CrossRef Bažant, Z., Gambarova, P. (1984): Crack shear in concrete: Crack band microplane model. Journal of Structural Engineering 110(9): 2015–2035.CrossRef
go back to reference Bažant, Z., Oh, B. (1985): Microplane model for progressive fracture of concrete and rock. Journal of Engineering Mechanics. 111(4): 559–582.CrossRef Bažant, Z., Oh, B. (1985): Microplane model for progressive fracture of concrete and rock. Journal of Engineering Mechanics. 111(4): 559–582.CrossRef
go back to reference Goldgruber, M., Zenz, G. (2014): Fluid Structure Interaction, Arch Dam – Reservoir at Seismic loading – Results Comparison. Proceedings of the ICOLD – 12th International Benchmark Workshop on Numerical Analysis of Dams, Austrian National Committee on Large Dams, Graz. Goldgruber, M., Zenz, G. (2014): Fluid Structure Interaction, Arch Dam – Reservoir at Seismic loading – Results Comparison. Proceedings of the ICOLD – 12th International Benchmark Workshop on Numerical Analysis of Dams, Austrian National Committee on Large Dams, Graz.
go back to reference International Commission on Large Dams (ICOLD) (1994): Computer Software for Dams – Validation. Bulletin 94, International Commission on Large Dams, Paris. International Commission on Large Dams (ICOLD) (1994): Computer Software for Dams – Validation. Bulletin 94, International Commission on Large Dams, Paris.
go back to reference International Commission on Large Dams (ICOLD) (2001): Computational Procedures for Dam Engineering. Bulletin 122, International Commission on Large Dams, Paris. International Commission on Large Dams (ICOLD) (2001): Computational Procedures for Dam Engineering. Bulletin 122, International Commission on Large Dams, Paris.
go back to reference International Commission on Large Dams (ICOLD) (2013): Guidelines for use of Numerical Models in Dam Engineering. Bulletin 155, International Commission on Large Dams, Paris. International Commission on Large Dams (ICOLD) (2013): Guidelines for use of Numerical Models in Dam Engineering. Bulletin 155, International Commission on Large Dams, Paris.
go back to reference Westergaard, H. M. (1933): Water Pressure on Dams during Earthquakes. Transactions, ASCE, 98: 418–472. Westergaard, H. M. (1933): Water Pressure on Dams during Earthquakes. Transactions, ASCE, 98: 418–472.
go back to reference Zangar, C. N. (1952): Hydrodynamic Pressures on dams due to horizontal earthquake effects. U.S. Department of the Interior, Bureau of Reclamation, Engineering Monographs No. 11. Zangar, C. N. (1952): Hydrodynamic Pressures on dams due to horizontal earthquake effects. U.S. Department of the Interior, Bureau of Reclamation, Engineering Monographs No. 11.
go back to reference Zenz, G., Aigner, E. (2000): Uplift Pressure and Stress Analysis of an Arch Dam Analysis and Foundation – Synthesis Report. Proceedings of Fifth International Benchmark Workshop on Numerical Analysis of Dams, U.S. Committee on Large Dams, Denver, USA. Zenz, G., Aigner, E. (2000): Uplift Pressure and Stress Analysis of an Arch Dam Analysis and Foundation – Synthesis Report. Proceedings of Fifth International Benchmark Workshop on Numerical Analysis of Dams, U.S. Committee on Large Dams, Denver, USA.
go back to reference Zenz, G., Aigner, E., Perner, F. (2000): Arch Dam Analysis with Base Joint Opening. Proceedings of Fifth International Benchmark Workshop on Numerical Analysis of Dams, U.S. Committee on Large Dams, Denver, USA. Zenz, G., Aigner, E., Perner, F. (2000): Arch Dam Analysis with Base Joint Opening. Proceedings of Fifth International Benchmark Workshop on Numerical Analysis of Dams, U.S. Committee on Large Dams, Denver, USA.
Metadata
Title
Numerische Modelle – ein Standbein der Talsperrensicherheit
Authors
DI Edwin Staudacher
Shervin Shahriari, M.Sc.
Univ.-Prof. DI Dr. Gerald Zenz
Publication date
04-06-2018
Publisher
Springer Vienna
Published in
Österreichische Wasser- und Abfallwirtschaft / Issue 7-8/2018
Print ISSN: 0945-358X
Electronic ISSN: 1613-7566
DOI
https://doi.org/10.1007/s00506-018-0492-6

Other articles of this Issue 7-8/2018

Österreichische Wasser- und Abfallwirtschaft 7-8/2018 Go to the issue

Panorama

Panorama

Produkte

Produkte

Mitteilungen der ÖWAW

Mitteilungen der ÖWAW

Umweltrecht kompakt

Umweltrecht kompakt