Skip to main content
Top

11-11-2021 | Polymerwerkstoffe | Schwerpunkt | Article

Zäh und trotzdem abbaubar

Author: Dieter Beste

4 min reading time

Activate our intelligent search to find suitable subject content or patents.

search-config
print
PRINT
insite
SEARCH
loading …

Polyethylen ist der am häufigsten hergestellte Kunststoff der Welt. Seine Werkstoffeigenschaften werden geschätzt. Als Verpackungsmaterial ist er allerdings aufgrund seiner Langlebigkeit ein Problem. Es gilt, seine Abbaubarkeit zu verbessern. 

Die Jahresproduktion von Polyethylen liegt derzeit bei etwa hundert Millionen Tonnen und übersteigt damit bei weitem die Mengen von Aluminium und Kupfer zusammen. Der Materialwissenschaftler M. Grant Norton zählt den Kunststoff in seiner Studie "Ten Materials That Shaped Our World" zu jenen Werkstoffen, die die menschliche Gesellschaft grundlegend geprägt haben. Und das in einer schier unendlichen Produktvielfalt: "Folien, Lebensmittelverpackungen, Platten, Rohre, Schläuche, Draht- und Kabelummantelungen, elektrische Isolierteile, Mülltonnen und -säcke ("gelber Sack"), Einkaufsbeutel, Transportkästen, Lagerbehälter, Kanister, Flaschen, Verschlüsse, Kinderspielzeug, Haushaltswaren (Eimer, Becher, Schüsseln), Kunstrasen, Injektionsspritzen usw.", zählt Horst Briehl im Buchkapitel "Kunststoffe" auf. 

Editor's recommendation

2021 | OriginalPaper | Chapter

Polyethylene—The Material of Chance

This chapter begins by looking at the history of polyethylene from its unintended synthesis through to its position as the most widely used, by far, plastic. Consisting of relatively simple molecular chains, containing just two types of atom …

Polyethylen (PE) ist das einfachste mögliche Polymer auf Kohlenstoffbasis, das nur aus einer Hauptkette von Kohlenstoffatomen mit angehängten Wasserstoffatomen besteht. Es lässt sich sowohl in Form von nahezu vollständig linearen Polymerketten (PE-HD; PE-High Density) als auch mit stark verzweigten Ketten (PE-LD; PE-Low Density) synthetisieren, beschreibt Briehl den thermoplastischen Kunststoff. PE kann geschmolzen werden, so dass es fließt, und unter Abkühlung den festen Zustand wiederholt einnehmen.

In der Technik schätzt man die Werkstoffeigenschaften von PE wie etwa seine Zähigkeit. Neben dieser "hellen", hat das Material jedoch auch eine "dunkle" Seite, die seiner Langlebigkeit geschuldet ist: "Unter den verschiedenen Abfällen unserer Wegwerfgesellschaft befindet sich jede Menge Plastik. Plastikflaschen und -becher, die einst Shampoo, Sonnencreme, Coca-Cola, Orangensaft, Joghurt oder Milch enthielten, vermischen sich mit Plastiktüten und dünnen durchsichtigen Folien, die Fleisch, Käse oder Obst vor dem Verderben bewahrten. Der am häufigsten vorkommende Kunststoff in kommunalen Mülldeponien ist Polyethylen" schreibt M. Grant Norton. Und achtlos in die Umwelt eingetragen – PE weist ebenso wie Polypropylen (PP) eine geringere Dichte als Wasser auf – vermüllt PE Flüsse und Ozeane. Die Eintragspfade von Plastik in die Umwelt untersucht Simone Lechthaler im Buchkapitel "Der Lebenszyklus von Makroplastik".

Da lässt die Nachricht aufhorchen, dass Chemikern der Universität Konstanz die Herstellung einer neuen Art von Polyethylen gelungen ist. Die Arbeitsgruppe von Stefan Mecking hat polare Gruppen in die Molekülketten von Polyethylen eingeführt, die einerseits die Eigenschaften des Materials erweitern und andererseits die problematische Umweltbeständigkeit des Kunststoffs verringern. Und dabei, so konnten sie feststellen, bleiben die vorteilhaften Werkstoffeigenschaften von Polyethylen erhalten. Die Ergebnisse ihrer Laborstudie haben die Wissenschaftler jetzt in der Zeitschrift Science veröffentlicht.

Einbau polarer Gruppen in Polyethylen-Molekülketten

Bei Polyethylen handelt es sich um ein unpolares hydrophobes Material, das – ähnlich wie Wachs – sehr wasserabweisend ist. Um die Materialeigenschaften zu erweitern und beispielsweise die Haftung auf Metalloberflächen zu verbessern, bestehe seit langem das Anliegen, bei der Herstellung von Polyethylen einen kleinen Anteil polarer Gruppen einzubauen, berichten die Konstanzer Forscher. Dies habe sich jedoch in der Vergangenheit als schwierig erwiesen, da die herkömmlichen Katalysatoren, die bei der Herstellung von Polyethylen bislang verwendet werden, durch polare Reagenzien zerstört würden.

Kleine Mengen Kohlenmonoxid und ein geeigneter Katalysator

Den Doktoranden Maximilian Baur, Tobias O. Morgen und Lukas Odenwald sowie dem Postdoktoranden und Humboldt-Stipendiaten Fei Lin gelang es nun am Lehrstuhl für Chemische Materialwissenschaft, in die Molekülketten Ketogruppen einzubauen. Dazu verwendeten sie einen Katalysator, welcher aufgrund seiner Position im Periodensystem der Elemente mit dem Kohlenmonoxid, das als Reagenz zur Erzeugung der Ketogruppen dient, verträglich ist. Entscheidend dabei war, dass nur eine begrenzte Menge an Ketogruppen erzeugt wird, um die typischen und vorteilhaften mechanischen Eigenschaften von Polyethylen wie seine Zähigkeit zu bewahren: "Es ist ein lange verfolgtes Ziel der Wissenschaft und Technik, solche Gruppen in die Polyethylenkette einzubauen. Dass dieses nun gelungen ist, eröffnet neue Perspektiven", fasst Stefan Mecking den Forschungserfolg zusammen.

Der neue Kunststoff ist besser abbaubar

Die Arbeitsgruppe konnte bereits in ihren Laborversuchen bestätigen, dass das neue Material hinsichtlich seiner Mechanik und Verarbeitbarkeit dieselben positiven Eigenschaften besitzt wie herkömmliches Polyethylen. Eine womöglich folgenreiche Besonderheit des neuen Kunststoffes ist, dass die kleinen Mengen an Ketogruppen die Abbaubarkeit verbessern können. Im Labormaßstab konnte die Konstanzer Gruppe zeigen, dass unter simuliertem Sonnenlicht ein langsamer Abbau der Ketten einsetzt, was für Polyethylene nicht der Fall ist. "Das Material bietet Ansätze, nicht-persistentes Polyethylen zu entwickeln. Dazu sind aber sicherlich weitergehende Studien nötig, auch um das Langzeitverhalten zu verstehen", sagt Mecking.
 

print
PRINT

Related topics

Background information for this content

2018 | OriginalPaper | Chapter

Polyethylene

Source:
Fifty Materials That Make the World

2021 | OriginalPaper | Chapter

Kunststoffe

Source:
Chemie der Werkstoffe

Premium Partners