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2021 | OriginalPaper | Chapter

Rechtspopulismus und freier Geist – zur Lage der Wissenschaften in Viktor Orbáns Ungarn

Author : Márk Várszegi

Published in: Das politische System Ungarns

Publisher: Springer Fachmedien Wiesbaden

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Zusammenfassung

Der Beitrag beleuchtet das Verhältnis zwischen der ungarischen Regierungspolitik und dem Wissenschaftsbetrieb. Er analysiert außerdem, inwiefern moderne Wissenschaft und rechtspopulistische Ideologie miteinander verträglich sind. Die Orbán-Regierung baute durch institutionelle Umstrukturierungen Eingriffs- und Kontrollmöglichkeiten für die Exekutive aus. Dadurch wird Forschung zu Themen, die für Fidesz unangenehm und von „geringem Marktwert“ sind, benachteiligt. Dies betrifft insbesondere die Geistes- und Sozialwissenschaften, u. a. die Gender Studies. Das Verhältnis der ungarischen Hochschulen zum Staat wird durch dessen hartes Vorgehen und Traditionsbrüche weiter belastet.

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Footnotes
1
Zur CEU siehe Varszegi (2017), zu den Gender Studies Varszegi (2018).
 
2
Das Gesetz Nr. CCIV. von 2011 über das Nationale Hochschulwesen (§§ 91 f.) kennt zwei große Gruppen von Hochschulen: staatliche und nichtstaatliche, wobei die überwiegende Zahl der Hochschulen in die erste Gruppe gehört. In die zweite gehören Institutionen, deren Träger entweder eine Person des Privatrechts oder eine Kirche ist.
 
3
Für den vollständigen Kompetenzkatalog siehe § 13/A (2) a)-g) des Gesetzes Nr. CCIV. von 2011.
 
4
Hier sei angemerkt, dass Kövér – Fidesz-Mann der ersten Stunde – als einer der engsten Vertrauten Viktor Orbáns gilt.
 
5
Die „lex CEU“ wirft eine Reihe von öffentlich-rechtlichen Problemen auf, die Verfassungsmäßigkeit ist (höflich ausgedrückt) zweifelhaft. Dem interessierten Leser sei (Varszegi 2017) empfohlen.
 
6
Siehe hierzu Varszegi (2018). Hinsichtlich der Medien verdient der Publizist und Moderator Zsolt Bayer Erwähnung. In seiner wöchentlichen Fernsehsendung machte er wiederholt insbesondere Transmänner und –Frauen verächtlich und verwendete dabei oft vulgäre Sprache. Bayer gilt als einer der engsten persönlichen Freunde Orbáns und verfügt über das Fidesz-Parteibuch mit der Nummer 5.
 
7
Siehe S. 10 des Programms.
 
8
Das unmittelbar hiernach verabschiedete Gesetz Nr. XII. enthält weder Verhaltensvorschriften noch Sanktionen, sondern bedankt sich schlicht bei den Spendern. Für die besondere Bedeutung der Akademie für die Ungarn ist die Tatsache Beweis, dass dieses das älteste heute noch gültige Gesetz Ungarns ist.
 
9
Dies erklärt sich damit, dass die Überarbeitung der ungarischen Sprache im „Reformzeitalter“ ab 1830 die dringendste Herausforderung darstellte. Ergebnisse der ehrgeizigen Tätigkeit der Akademie waren die Erstausgaben der ungarischen Rechtschreibregeln (1832), der ungarischen Grammatik (1846) sowie das erste einsprachige ungarische Wörterbuch (1862).
 
10
Bereits zuvor, im Jahre 1865, erhielt die Akademie das Gebäude, in welchem sich bis heute ihr zentraler Sitz befindet. Der nach den Plänen von Friedrich August Stühler errichtete Prunkbau gehört zu den schönsten Gebäuden Budapests und gilt als Symbol der ungarischen Wissenschaft.
 
11
Hier schuldet Ungarn insbesondere zwei Personen Dank: dem Grafen Kuno Klebelsberg, der in seiner Zeit als Minister für Religions- und Bildungsangelegenheiten (1922–1931) der Akademie seine besondere Aufmerksamkeit widmete und ihre staatliche Unterstützung trotz der schwierigen wirtschaftlichen Lage garantierte (S. hierzu das Gesetz Nr. I von 1923), sowie dem Grafen Ferenc Vigyázó, dessen monumentales Vermögen die Akademie im Jahre 1928 aufgrund seiner Verfügung von Todes wegen erbte.
 
12
Auch die Präambel dieses Gesetzes ist ein Paradebeispiel für die für diese Zeit typische starke ideologische Aufladung von Gesetzestexten. So legt sie fest, dass die erwähnte planmäßige Organisation der Wissenschaften das Ziel verfolge, alle Kräfte der Gesellschaft in den „Dienst der Errichtung der sozialistischen Gesellschaft“ zu stellen.
 
13
Besonders bedrückend klingen die Befugnisse der Akademie zur Steuerung der wissenschaftlichen (!) Tätigkeit aller wissenschaftlichen Institute sowie aller Vereine des Landes sowie zur Harmonisierung der Tätigkeit aller wissenschaftlichen Verlage mit den Bedürfnissen der Wissenschaft.
 
14
Eine vollständige Liste sämtlicher Forschungszentren und Institute mitsamt einer kurzen Beschreibung ihrer jeweiligen Tätigkeitsschwerpunkte in englischer Sprache findet sich auf der Homepage der Akademie (MTA 2019a).
 
15
So die Erklärung des Vorstandes der Akademie vom 15.06.2018. Darüber hinaus stammt ein geradezu leidenschaftliches Plädoyer für die Erhaltung der Grundlagenforschung aus der Feder von László Lovász, dem amtierenden Präsidenten der Akademie. Zur Veranschaulichung bezieht er sich auf den ungarischen Mathematiker Pál (Paul) Erdős, dessen anfangs für zu „theoretisch“ gehaltene Grundlagenforschung später zur Grundlage der Zahlentheorie und Kombinatorik wurde und ihn so zu einem der einflussreichsten Mathematiker überhaupt machte (Lovász 2019).
 
16
Siehe die bereits erwähnte Erklärung des Vorstandes vom 15.06.2018. Wenig später schlossen sich auch die Stipendiaten des bei jungen Wissenschaftlern sehr erfolgreichen, noch von der Vorgängerregierung initiierten Stipendiatenprogramms Lendület dieser Erklärung an (MTA 2018a).
 
17
Hier ist anzumerken, dass die Fidesz-Regierung mehrere solche Institute gründete, so etwa das „Institut für die Erforschung des Ungarntums“ (Magyarságkutató Intézet), dessen Name völkische Tendenzen erahnen lässt.
 
18
Der Verfasser verzichtet bewusst auf die Angabe dieser Quelle. László Lovász sprach sehr deutlich und bezeichnete den erwähnten Artikel als „primitiv“, und auch Minister Palkovics distanzierte sich von ihm (Bolcsó und Dull 2018).
 
19
Die Akademie bat diesbezüglich um Richtigstellung: In einem Artikel auf einem regierungsnahen Internetportal fanden sich mehr als zehn Unwahrheiten, u. a. bezüglich so wichtiger Tatsachen wie dem Vermögen und dem Haushalt der Akademie, den Gehältern ihrer Führung oder ihrer wissenschaftlichen Standards.
 
20
Beispielhaft: Die regierungsnahe Zeitung Magyar Hírlap erhielt ein Schreiben der Akademie, in welchem diese um Richtigstellung von Fakten bat und sich gegen Vorwürfe wehrte, die der Fidesz-Abgeordnete László Böröcz erhob. Die Zeitung erklärte daraufhin in einem Artikel, dass sie das Schreiben der Akademie als Leserbrief behandeln und nicht veröffentlichen werde (Szalai 2019).
 
21
So tagte die Generalversammlung der Akademie als wichtigstes Organ gleich zweimal und unterbreitete dem Ministerium am 01.06.2019 ihren eigenen, von äußerster Kompromissbereitschaft zeugenden Alternativvorschlag, den Minister Palkovics jedoch ablehnte (MTA 2019b).
 
22
Selbst die Aufzählung nur der wichtigsten Unmutsbekundungen würde den Rahmen sprengen. Erwähnt seien hier die Solidaritätsbekundungen der größten Universitäten Ungarns, sowie eine Demonstration am 02.06.2019 in Budapest, an der mehrere hochkarätige ungarische Wissenschaftler teilnahmen, unter ihnen z. B. Lajos Vékás, der Vater des ungarischen Bürgerlichen Gesetzbuches (Ptk.). Im internationalen Umfeld sei auf einen offenen Brief der deutschen Allianz der Wissenschaftsorganisationen an Viktor Orbán hingewiesen, in dem sie sich u. a. sehr deutlich von den Versuchen der ungarischen Regierung distanziert, sich zur Legitimierung ihres Vorgehens auf Vergleiche mit der Max-Planck-Gesellschaft und anderen deutschen Organisationen zu berufen. Der Brief kritisierte auch das Vorgehen gegen die CEU und das Verteufeln der Gender Studies. Beinahe ironisch mutet es an, dass auch die Max-Planck-Gesellschaft Mitglied der Allianz ist. (z. B. Alexander von Humboldt-Stiftung 2019).
 
23
Varszegi, 2018 wies bereits auf die Kommentare Semjéns im Vorfeld des Verbots der Gender-Studiengänge hin. Im Jahr 2012 gingen Plagiatsvorwürfe im Zusammenhang mit seinem Doktortitel durch die Presse. Die Universität Eötvös Lóránd stellte fest, dass Semjén im Zusammenhang mit seiner Promotion „schwere fachliche und ethische Verfehlungen“ begangen habe. Sein Doktortitel wurde ihm schließlich aus formellen Gründen nicht aberkannt, die Affäre blieb auch ohne politische Konsequenzen.
 
24
Dieses Netzwerk ist benannt nach dem ungarischen Physiker Lóránd Eötvös, der auch Namensgeber der Universität der Wissenschaften Eötvös Lóránd ist. Diese beiden Institutionen sollten jedoch nicht miteinander verwechselt werden, es bestehen keine Berührungspunkte zwischen ihnen.
 
25
So ist das Gremium z. B. befugt, die Ziele, Aufgaben und sogar den Inhalt der Satzungen der einzelnen Forschungszentren und Institute zu bestimmen und deren Leiter zu ernennen. Ferner verfügt es auch über umfangreiche Befugnisse im Zusammenhang mit den Einzelbudgets, die den jeweiligen Zentren bzw. Instituten zur Verfügung stehen. Schließlich kann es neue Zentren und Institute gründen und bestehende auflösen. (§ 42/C (3) des Gesetzes Nr. LXVI. von 2014).
 
26
So bestimmt es z. B. ausdrücklich, dass bei der Verteilung der zur Verfügung stehenden staatlichen Gelder jenen Projekten der Vorzug gebührt, die unmittelbar zur Förderung der Wettbewerbsfähigkeit der ungarischen Wirtschaft beitragen. (§ 28 (1) des Gesetzes Nr. LXVI. von 2014).
 
27
Beispielhaft sei hier das Schaffen von Béla Bartók und von Zoltán Kodály erwähnt, deren Pflege sich die Akademie mit besonderer Sorgfalt widmet.
 
Literature
go back to reference Böcskei, Balázs. 2014. A repolitizált politika és a kormányzás. Jogelméleti Szemle 2013 (4): 33–42. Böcskei, Balázs. 2014. A repolitizált politika és a kormányzás. Jogelméleti Szemle 2013 (4): 33–42.
go back to reference Gesetz Nr. LXXX. von 1993 über das Hochschulwesen. Gesetz Nr. LXXX. von 1993 über das Hochschulwesen.
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go back to reference Gesetz Nr. CCIV. von 2011. Über das Nationale Hochschulwesen. Gesetz Nr. CCIV. von 2011. Über das Nationale Hochschulwesen.
go back to reference Polónyi, István. 2018. A hazai felsőoktatás elmúlt 10 évének néhány gazdasági jellenzője. In A magyar felsőoktatás egy évtizede 2008–2017, Hrsg. G. Kováts und J. Temesi, 79–101. Budapest: Corvinus Egyetem Budapest. Polónyi, István. 2018. A hazai felsőoktatás elmúlt 10 évének néhány gazdasági jellenzője. In A magyar felsőoktatás egy évtizede 2008–2017, Hrsg. G. Kováts und J. Temesi, 79–101. Budapest: Corvinus Egyetem Budapest.
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go back to reference Varszegi, Mark. 2017. Die „lex CEU“ – Neues Recht in Ungarn für ausländische Hochschulen. Jahrbuch für Vergleichende Staats- und Rechtswissenschaften. 213–254. Baden-Baden: Nomos Verlagsgesellschaft. Varszegi, Mark. 2017. Die „lex CEU“ – Neues Recht in Ungarn für ausländische Hochschulen. Jahrbuch für Vergleichende Staats- und Rechtswissenschaften. 213–254. Baden-Baden: Nomos Verlagsgesellschaft.
Metadata
Title
Rechtspopulismus und freier Geist – zur Lage der Wissenschaften in Viktor Orbáns Ungarn
Author
Márk Várszegi
Copyright Year
2021
DOI
https://doi.org/10.1007/978-3-658-31900-7_12

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