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2011 | Book

Regierungskanzleien im politischen Prozess

Editors: PD Dr. Stephan Bröchler, Prof. Dr. Julia von Blumenthal

Publisher: VS Verlag für Sozialwissenschaften

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Table of Contents

Frontmatter

Einleitung

Einleitung
Zusammenfassung
Das Interesse an Regierungszentralen in der bundesdeutschen Politikwissenschaft wächst, wie mehrere Forschungsprojekte, eine Reihe von wissenschaftlichen Tagungen1 und Publikationen, die sich besonders mit dem Bundeskanzleramt in Berlin und mit Staatskanzleien der Länder auseinandersetzen, eindrucksvoll belegen. Neue Akzente setzt die aktuelle Forschung dabei vor allem beim methodischen Zugang und bei der theoretisch-konzeptionellen Anlage. Jüngere Studien wenden sich ungleich stärker der Empirie zu und arbeiten vergleichend. Im Blick auf das reflexive Instrumentarium wird die Forschung zum Zentrum der Regierung in breiter Linie für konzeptionelle Ansätze und Theorien geöffnet.
Stephan Bröchler, Julia von Blumenthal

Stand und Perspektiven der Forschung im internationalen Vergleich

Frontmatter
Regierungszentralenforschung: Konzeptionen und Entwicklungslinien eines politik- und verwaltungswissenschaftlichen Arbeitsgebietes
Zusammenfassung
Was wissen wir zu Beginn des 21. Jahrhunderts über Regierungszentralen? Das Weiße Haus, No. 10 Downing Street, der Elysée Palast oder das deutsche Bundeskanzleramt sind vielen Bürgerinnen und Bürgern besonders aus der Fernsehberichterstattung bekannt. Regierungskanzleien sind bevorzugte Orte sowohl für die Selbstinszenierung der Politik als auch für die journalistische Berichterstattung. In Rundfunk- und Fernsehansprachen und neuerdings auch in Internet- Video-Podcasts wenden sich die Staats- und Regierungschefs von hier aus persönlich an die Bevölkerung (Glaab 2000; Clemens 2000). In Nachrichtensendungen des Fernsehens stellt das „Zentrum der Regierung“ (König 2010) eine beliebte Hintergrundkulisse für die aktuelle politische Berichterstattung aus Washington, London, Paris oder Berlin dar. Die mediale Konstruktion zeichnet ein Bild von Regierungszentralen als Bühne und Kulisse der Regierenden.
Stephan Bröchler
Das Zentrum der Regierung
Zusammenfassung
Gruppenbilder von Gipfeltreffen der Staats- und Regierungschefs zeigen, wo das exekutive Herrschaftszentrum eines Landes – eines Nationalstaates im Sinne der Vereinten Nationen – zu verorten ist, wenn man diese Ortsbestimmung in der Verbindung von Amt und Person vornimmt. Besonders hoch ist der Wiedererkennungswert bei Kleingruppen, wie etwa den G7-/ G8-Treffen der großen westlichen Industrieländer. Das bedeutet nicht, dass Ambivalenzen ausgeschlossen sind. So muss man im französischen Falle den Präsidenten der Republik wie den Ministerpräsidenten im Auge behalten. Kommen beide Akteure aus einem parteipolitischen Lager, wird der Präsident in der Vorhand sein. Stützen sie sich aber bei einer „cohabitation“ auf verschiedene Parteien, wird man dem ausländischen Partner raten müssen, nicht nur den Elysée Palast, sondern auch das Hôtel Matignon aufzusuchen.1 Parteigeleitete Regime pflegen die Doppelspurigkeit von Partei und Staatsapparat nicht zuletzt aus Gründen der internationalen Beziehungen durch eine Personalunion in den Spitzenpositionen aufzuheben. So ist im Falle Chinas der Generalsekretär der Kommunistischen Partei zugleich Staatspräsident der Volksrepublik. Gipfeltreffen mögen auch ein Indikator dafür sein, wie sich in Russland der Wechsel des Staatspräsidenten in das Amt des Ministerpräsidenten auswirkt.
Klaus König

Das Bundeskanzleramt als Regierungszentrale

Frontmatter
Regieren, Regierungszentrale und Regierungsstile. Konzeptionelle Überlegungen zum Regierungsprozess in einer sich beschleunigenden Welt
Zusammenfassung
Wie wird eigentlich regiert, wenn regiert wird? Und wer ist am Regieren wie und mit welchen Folgen beteiligt? Verändert sich Regieren im Lauf der Zeit – und wenn ja, warum, durch wen, wie? Welche Bedeutung hat hierbei das Bundeskanzleramt (BKAmt) als Regierungszentrale und welche faktische Rolle spielt es beim Organisieren des Regierungsprozesses? Dies sind nur auf den ersten Blick einfache Fragen, denen sich eine Regierungslehre der Zeit stellen muss.1
Friedbert W. Rüb
Strategisches Zentrum und Regierungszentrale im Kontext von Party-Government. Strategische Regierungssteuerung am Beispiel der Agenda 2010
Zusammenfassung
Gerhard Schröder gehört zu der eher seltenen Spezies von Politikern, die sich nicht nachträglich als Großstrategen aufspielen. In seiner Autobiographie bestätigt er eine situative und experimentelle Auffassung von Politik. Danach entsteht ein Bild von dem, was insgesamt gewollt ist, allein über die Addition personeller und sachlicher Einzelmaßnahmen. Konkrete Politikentscheidungen folgen der Maßgabe aktueller Durchsetzbarkeit und Konstellationsangemessenheit. Eine antizipierende, situationsübergreifend und systematisch angelegte Politikgestaltung findet wenig Interesse. Die besondere Situationsgebundenheit und Dynamik eines Wahlkampfs beschreibt Schröder vor dem Hintergrund eines solchen Grundverständnisses als eigentlichen Höhepunkt der Politik:
Ralf Tils
Das Bundeskanzleramt als Protagonist einer Institutionenpolitik? Institutionelle Strategien und exekutive Entscheidungsfindung
Zusammenfassung
Seit einiger Zeit wird in der deutschen Politik- und Verwaltungswissenschaft vermehrt über die Rolle des Bundeskanzleramtes im politischen Prozess diskutiert (vgl. Beiträge in diesem Band). Damit wird eine im internationalen Vergleich längst überfällige Debatte initiiert, die die traditionell eher juristisch orientierte Diskussion zur Position des Bundeskanzleramtes im Akteursgefüge der deutschen Regierungsorganisation (z.B. Böckenförde 1964) um zentrale Untersuchungsaspekte komplementiert. Dennoch haben die bisherigen sozialwissenschaftlichen Beiträge eher Überblicksdarstellungen geliefert als Analysen zur Bedeutung des Bundeskanzleramtes in politischen Prozessen (z.B. Müller- Rommel 2000; Knoll 2004, 2010; Busse 2005, 2008; Korte 2006). Auch in theoretischer Hinsicht liegt zwar mit dem "core executive"-Ansatz eine Konzeption der komplexen Beziehungen in Regierungsorganisationen vor, die die Regierungszentrale explizit einschließt (Rhodes/Dunleavy 1995), allerdings bislang nur selten auf den deutschen Fall angewendet wird (z.B. Goetz 1997). Im Vergleich der Regierungszentralenforschung irritiert diese geringe theoretische Anleitung des deutschen Forschungsfeldes (vgl. Fleischer 2010; Dahlström et al. 2010). Hier will der vorliegende Beitrag anknüpfen und aus Perspektive der neoinstitutionalistischen Organisationstheorie die Rolle des Bundeskanzleramtes im politischen Prozess, genauer in der Phase der exekutiven Entscheidungsfindung, untersuchen.
Julia Fleischer
Regierungszentralen und Policy-Integration. Die Bedeutung des Bundeskanzleramts für ein integratives Policy-Making am Beispiel der nationalen Nachhaltigkeitsstrategie
Zusammenfassung
Moderne politische Systeme sehen sich der (selbsterzeugten?) Erwartung gegenüber, „Politik aus einem Guss“ zu produzieren. Abstimmung, Koordinierung und Einheitlichkeit in der Politik stehen nicht nur für „gutes Regieren“ und „rationale Politik“, sondern gelten auch als Bedingungen für effektive und effiziente Problemlösungen. In der jüngeren Vergangenheit lässt sich eine (erneute) Konjunktur dieses nunmehr klassischen politik- und verwaltungswissenschaftlichen Themas ausmachen (Peters 1998, Hood 2005). Fragen nach Abstimmung, Koordinierung und Einheitlichkeit von Politik stellen sich nicht nur unter veränderten Voraussetzungen und mit neuer Vehemenz; sie werden auch im Lichte neuer Begriffe und Konzepte verhandelt. So wird allenthalben nicht nur eine Zunahme der räumlichen, sachlichen und sozialen Komplexität politischer Probleme, sondern auch eine Fragmentierung politischer Problembearbeitungsmechanismen diagnostiziert – mit negativen Folgen für die Leistungsfähigkeit des Systems der politischen Problembearbeitung insgesamt (Lyall/Tait 2005). Vor diesem Hintergrund ergebe sich, so die therapeutische Wendung, ein zunehmender Bedarf an integrativer politischer Problembearbeitung.
Basil Bornemann

Staatskanzleien im politischen Prozess

Frontmatter
Kein Governance ohne Government. Politikmanagement auf Landesebene
Zusammenfassung
Die Betonung der Governance-Perspektive im Zusammenhang mit dem Politikmanagement einer Landesregierung erscheint erklärungsbedürftig.1 Governance umfasst Interaktionsmuster und Entscheidungsmodi kollektiven Handelns, die erstens durch institutionelle Rahmenbedingungen strukturiert2, und die zweitens in einem nicht-hierarchischen Regelsystem zur Steuerung und Koordination eingesetzt werden. Eine Landesregierung muss jedoch zunächst die Herbeiführung und Implementation kollektiv verbindlicher Entscheidungen in einem hierarchisch verfassten System organisieren. Solche institutionalisierten Regelsysteme, die Handlungskorridore für Akteure strukturieren, sind analytisch eher im Bereich des klassischen Government (politische Herrschaft als autonome Tätigkeit einer Regierung) als im Kontext von Governance anzusiedeln. Dieser Beitrag argumentiert, dass das Politikmanagement einer Landesregierung durch eine zugespitzte Governance-Perspektive ohne die Hinzunahme von Government- Aspekten nicht erklärbar ist. Deutlicher ausgedrückt lautet die These: Auf Landesebene bedarf die Steuerung durch Governance der Strukturierung durch Government.
Martin Florack, Timo Grunden, Karl-Rudolf Korte
Die Staatskanzlei als Regierungszentrale? Die nordrhein-westfälische Staatskanzlei zwischen „politischer“ und „strategischer“ Steuerung in der Hochschulpolitik
Zusammenfassung
Impulse zur Regierungsführung werden gängigerweise in Regierungszentralen verortet (vgl. Bertelsmann Stiftung 2007). Aus dem die Landespolitik prägenden Strukturmerkmal der Ministerpräsidentendemokratie (Korte/Florack/Grunden 2006: 87-91) folgt die zentrale Aufgabe eines Regierungschefs, Grundsätze und Ziele der Regierungsarbeit für die jeweilige Legislaturperiode vorzugeben (Schneider 2001: 50). Staatskanzleien sind aus dieser Perspektive heraus das zentrale institutionelle Instrument, dessen sich der Ministerpräsident zur Erfüllung seiner politischen Führungsaufgabe bedient. Als „Assistenz des Ministerpräsidenten bei der politischen Führung im Land“ (Häußer/Beck 1995: 124) bildet die Staatskanzlei den institutionellen Nukleus zur Sicherstellung einer konsistenten Regierungspolitik und zur Durchsetzung der Richtlinienkompetenz des Regierungschefs. Oder anders gesagt: „Die Effizienz der Richtlinienkompetenz korrespondiert weitgehend mit der Leistungskraft der Staatskanzlei“ (Altmeier 1967: 21–23). Dies umfasst sowohl die Formulierung politischer Zielvorstellungen und programmatischer Vorhaben einerseits als auch die Koordination intragouvernmentaler Aushandlungs- und Entscheidungsprozesse andererseits. Im Verständnis einer Regierungszentrale als „Innenhof der Macht“ (König 2002: 225) wird der Institution der Staatskanzlei in beiden Dimensionen eine herausragende steuernde und koordinierende Rolle beigemessen (vgl. König 1993; König 2002; Knöpfle 1967; Häußer 1996; Häußer 1995).
Martin Florack
Staatskanzleien als Regierungszentralen. Erfahrungen und Erkenntnisse eines Akteurs
Zusammenfassung
14 Jahre habe ich als Jurist in der Staatskanzlei des Landes Nordrhein-Westfalen gearbeitet. Als junger Referent kam ich im Sommer 1985 nach fünfjähriger Tätigkeit im Justizministerium des Landes in die Staatskanzlei. Als Chef der Staatskanzlei schied ich im Sommer 1999 aus, um Chef des Bundespräsidialamtes zu werden. In dieser Zeit habe ich vom Referatsleiter bis zum Abteilungsleiter alle Stufen durchlaufen, bin in verschiedenen Bereichen tätig gewesen und habe in dieser Zeit für die Chefs der Staatskanzleien Klaus Dieter Leister und Wolfgang Clement und für die Ministerpräsidenten Johannes Rau und Wolfgang Clement gearbeitet. Von den alltäglichen und besonderen Aufgaben will ich gern berichten, damit die Kenntnis über diese Behörde wächst.
Rüdiger Frohn
Backmatter
Metadata
Title
Regierungskanzleien im politischen Prozess
Editors
PD Dr. Stephan Bröchler
Prof. Dr. Julia von Blumenthal
Copyright Year
2011
Publisher
VS Verlag für Sozialwissenschaften
Electronic ISBN
978-3-531-93236-1
Print ISBN
978-3-531-16386-4
DOI
https://doi.org/10.1007/978-3-531-93236-1