2004 | OriginalPaper | Chapter
Religion und Politik — drei Kontroversen
Author : Katja Mertin
Published in: Zwischen Anpassung und Konfrontation
Publisher: VS Verlag für Sozialwissenschaften
Included in: Professional Book Archive
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Das Jahr 1980 sah die Karriere eines Themas. Im April versammelten sich auf der Washington Mall, zwischen Lincoln Memorial und dem Kapital, mehrere hunderttausend Gläubige und beteten unter dem Motto “Washington for Jesus“ für eine Rückkehr Amerikas zu Gott (New York Times 27.04.; 29.04.; 30.04.1980). Organisiert und geleitet wurde die zwölfstündige “Rally“, deren Planung über ein Jahr gedauert hatte, von bekannten evangelikalen Predigern, Entertainern und Medienunternehmern wie Bill Bright, Pat Robertson, Jim Bakker, Pat Boone und Rex Humbard. Gegenüber der Presse betonten die Organisatoren den rein religiösen Charakter der Veranstaltung und verneinten, dass ihr ein politisches Programm zugrunde läge; alles, was sie wollten, sei, für die Regierung des Landes zu beten. Die Wahl des Veranstaltungs-Ortes und die Tatsache, dass die Teilnehmer am Tag zuvor in großer Zahl auf dem Capitol Hill bei den Abgeordneten ihrer Wahlbezirke vorgesprochen und Unterstützung im Kampf gegen Abtreibung und Sexualkundeunterricht und für eine Wiederzulassung von Schulgebeten gefordert hatten, rief jedoch bei einigen Kirchenverbänden und säkularen Gruppen heftige Kritik hervor. So sprach der National Council of Churches von einem „überheblichen“ Versuch, der Regierung und der Bevölkerung die Ansichten einer einzelnen religiösen Gemeinschaft aufzuzwingen (New York Times, 27.04.1980). Vertreter verschiedener Glaubensgemeinschaften schrieben den Veranstaltern der Versammlung ein verstecktes politisches Programm zu, welches nicht nur konservativ, sondern reaktionär sei und sich vor allem gegen die Durchsetzung von Bürgerrechten richte. Genannt wurden in diesem Zusammenhang die Ablehnung eines Equal Rights Amendment zur Gleichstellung von Frauen, und Kampagnen gegen den uneingeschränkten Zugang zu Schwangerschaftsabbrüchen, gegen besondere Rechte für Homosexuelle und die staatliche Förderung von Minderheiten im Rahmen so genannter Affirmative Action Programme.