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08-04-2016 | Risikomanagement | Kommentar | Article

Die Krise der Riesen

Author: Andreas Franken

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Inwieweit ist das Verfallsdatum von Geschäftsmodellen absehbar? Eine kluge Antwort auf diese Frage könnte viele Manager vor Krisen bewahren. Der Niedergang der vier Energieriesen E.ON, RWE, Vattenfall und EnBW ist geeignet, hieraus wertvolle Schlüsse zu ziehen.

Mit dem Wissen von heute ist doch alles sonnenklar: Die Krise der Energieriesen wäre vermeidbar gewesen. Sie sind doch selbst schuld, denn sie haben viel zu spät auf die Liberalisierung und die Energiewende reagiert. Aber ganz so einfach ist es dann möglicherweise doch nicht. Nicht alle Entwicklungen waren vorhersehbar. Dennoch ist der Niedergang der Energieriesen ein Lehr- und Lernstück für Manager.

Vor und nach der Energiewende

Selbst nach der Liberalisierung der Energiemärkte produzierten die Big Four bis zum Ende der 2000er Jahre extrem hohe Gewinne, wodurch das damalige Management offenbar keine Anreize sah, die Unternehmensstrategie anzupassen. Allerdings zeichnete sich bereits ab, dass sich die verschärfende Regulierung zu einem ernsthaften Problem entwickeln könnte. Da der Leidensdruck in den guten Zeiten fehlte, versäumten es die Unternehmenslenker an schlechte Szenarien zu denken und in ausreichender Größenordnung in erneuerbare Energien zu investieren.

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Mit der Fukushima-Katastrophe änderte sich dann alles. Atomenergie war nicht mehr gewollt und erneuerbare Energien wurden stark protegiert. Die alten Strategien der Big Four griffen nicht mehr. Stillgelegte Kraftwerke, sinkende Marktanteile im Energievertrieb, sinkende Strompreise an der Börse und Überkapazitäten setzten die Energiekonzerne unter Druck.

Das Problem eingefahrener Systeme

Den Managern allein die Schuld für die Misere zu geben, greift zu kurz. Sie sind Teil des eingefahrenen Systems mit vielen Beteiligten und vielen Teilinteressen durch Kunden, Aktionäre, Politiker und Vorstand.

Die Anforderungen der wichtigsten Interessensgruppen eines großen Energiekonzerns sind die von preisorientierten Kunden, von Aktionären, die eine hohe Dividende anstreben, von Politikern, die eine verlässliche und bezahlbare Versorgung sicherstellen möchten sowie das Streben des Vorstands nach hohen Gewinnen.

Erst mit dem durch Fukushima gewonnenen Rückhalt der Wählerschaft trauten sich die Politiker einen Systemwechsel, der ohne die Katastrophe von der Bevölkerung wahrscheinlich schon aus Kostengründen mit Abwahl abgestraft worden wäre. Plötzlich waren die Menschen aber bereit, für ihre Sicherheit mehr Geld auszugeben. Und das änderte alles.

Diese veränderten Rahmenbedingungen überraschten die amtierenden Manager und es wurde unter Klageandrohung und Mitarbeiterentlassungsprognosen um staatliche Zahlungen gerungen. Logisch, denn das Incentive sah ja schließlich vor, den Quartalsertrag zu retten oder zumindest Verluste zu minimieren.

Was ich damit klarstellen möchte ist, dass ein Top-Manager immer nur für eine begrenzte Zeit im Amt ist und dass seine Rechte und Pflichten durch den Dienstvertrag definiert sind. Und eine börsennotierte Gesellschaft wählt sich naturgemäß den Manager aus, der für sie das tut, was sie von ihm erwartet, und das ist im Regelfall die Erfüllung des Shareholder-Value-Ansatzes.

Nicht jeder Manager kann alles

Ein weiterer wichtiger Aspekt sind die sogenannten Übergangsfähigkeiten der jeweiligen Manager, wovon man in der Theorie zwischen vier Managertypen unterscheidet, die auch den jeweiligen Unternehmensphasen zuzuordnen sind:

  1. In der Entstehungsphase eines Unternehmens wird eher der innovative, hemdsärmelige Innovator,
  2. in der Wachstumsphase der auf Organisationsaufbau und Vermarktung spezialisierte Stratege,
  3. wenn "alles gut läuft“, der Administrator
  4. und in der Krise der Sanierer gesucht.

Dieser Logik folgend waren bei den Big Four Manager der Kategorie Drei am Werk und es stellt sich die Frage, ob ein "Administrator“ ein Unternehmen sanieren oder gar neu erfinden kann. In der Regel hat der Administrator ein klares Verständnis vom Markt, seinem Wettbewerb und seinem Unternehmen. Er wurde gesucht und beauftragt, den Status quo zu halten oder zu verbessern, nicht aber etwa, das Geschäftsmodell neu zu erfinden. 

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Dass ein "Administrator" einen erheblichen zwischenzeitlichen Ergebnisrückgang wegen der Neuentwicklung und Implementierung eines neuen Geschäftsmodells verantwortet, wäre damit gleichzusetzen, dass ein Politiker sich ohne eine Katastrophe von der Atomenergie verabschiedet oder dass ein Investor ohne einen offensichtlichen Grund einfach auf Gewinne verzichtet.

Ändere das System

Zum Abschluss meiner Argumentation möchte ich noch auf die Automobilindustrie hinweisen, die sich zumindest in Teilbereichen in einer ähnlichen Lage wie die großen Energieversorger vor Fukushima befindet. Daimler-Chef Zetsche erklärte noch vor einem Jahr, dass er keine Angst vor Apple und Google habe und ergänzte, dass dies die Branche nur stärker machen könne. Der damalige VW-Chef Winterkorn sah das ähnlich.

Norbert Reithofer von BMW konstatierte aber, dass die Automobilbranche nicht sicher davor sei, dass andere Spieler auftauchen und dass man sich darauf einstellen müsse, dass Wettbewerber in Zukunft Autos bauen, die bisher nicht am Markt waren. Deshalb müssten die Automobilhersteller innovativ sein.

Tatsächlich befassen sich die meisten Automobilhersteller auch mit Elektroautos, aber passiert dies mit der richtigen Intensität und auf die richtige Art und Weise? Eine wichtige Frage könnte doch auch sein, was aus einer Marke wie beispielsweise BMW wird, wenn das Selbstfahrerprinzip abgelöst und sportliche Aspekte unbedeutend werden?

Seit Albert Einstein wissen wir, dass Probleme niemals mit derselben Denkweise zu lösen sind, durch die sie entstanden sind und der gesunde Menschenverstand sagt uns, dass ein proaktives und somit gestaltendes Agieren dem Reagieren vorzuziehen ist. 

Solche Krisen wie bei den Energieriesen können nur dann vermieden werden, wenn die etablierten Systeme den eingesetzten Managern Freiräume einräumen und sie auch ermutigen, diese proaktiv zu nutzen. Und das geht naturgemäß nur dann, wenn die wesentlichen Beteiligten auch mitspielen. 

Sicher ist: Krisen, wie die der Big Four, werden sich auch zukünftig wiederholen. Letztendlich ist keine Branche davor gefeit. Wenn das Neue von neuen Marktteilnehmern bereits etabliert wurde – dann ist es für die ehemaligen Marktführer allerdings oft zu spät.

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