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2021 | OriginalPaper | Chapter

Schuldenfördernde und schuldenverursachende rechtliche Mechanismen in der Schweiz

Über differenzierte Massnahmen zur Bekämpfung der Überschuldung

Author : Rausan Noori

Published in: Verschuldet zum Arbeitsamt

Publisher: Springer Fachmedien Wiesbaden

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Zusammenfassung

In diesem Beitrag werden rechtliche und insbesondere gesetzliche Mechanismen untersucht, die in der Schweiz zu Privatüberschuldung führen. Dabei wird zwischen schuldenfördernden Mechanismen (die Überschuldung im Zusammenspiel mit anderen Faktoren befördern) und schuldenverursachenden Mechanismen (die direkt Überschuldung bewirken) unterschieden. Die Analyse dieser beiden Mechanismen zeigt, dass Überschuldung in beiden Fällen auch ohne Zutun der Betroffenen erfolgt. Personenbezogene Faktoren sind von der Analyse ausgenommen. Indes sollte systembedingte Überschuldung auch gesondert von einer „selbstverschuldeten“ Überschuldung erforscht werden. Denn Massnahmen, die einer systembedingten Überschuldung entgegenwirken, gestalten sich anders als Massnahmen im Bereich der selbst zu verantwortenden Überschuldung. Als mögliche Lösungsansätze werden in dem Beitrag die Schaffung eines nationalen Kompetenzzentrums im Bereich der Überschuldung sowie eine gesetzliche Grundlage für eine direkte Rechtsberatung von Überschuldeten vorgeschlagen.

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Für Beispiele, die häufiger im Rechtsuniversum von Schuldnerinnen und Schuldnern auftreten, siehe die Aufarbeitung der Systemfehler im Inkasso- und Barkreditbereich in Noori, Rausan (1): Défaillances juridiques entraînant un surendettement structurel: du mythe de la responsabilité individuelle dans le surendettement en Suisse. In: Henchoz C., Coste T, Plomb F. (Hrsg.) Collections sociologiques: Processus d’endettement et de surendettement. La Suisse en perspective, Paris: L'Harmattan.

BBl 2015 5785, 5787.

Botschaft über die Änderung des Bundesgesetzes über die Schuldbetreibung und Konkurs vom 8. Mai 1991, BBl 1991 III 1, 6.

BBl 1991 III 1, 6.

Stellungnahme des Bundesrates zur parlamentarischen Initiative „Löschung ungerechtfertigter Zahlungsbefehle“ 09.530, BBl 2015 5785, 5786.

Abate, Fabio, parlamentarische Initiative „Löschung ungerechtfertigter Zahlungsbefehle“ 09.530.

BBl 2015 5785, 5787.

Abate, Fabio, parlamentarische Initiative 09.530.

BGE 140 III 337; 135 I 221; 134 III 37; 129 III 385; 127 III 289; 126 III 89; 121 I 101; 95 III 39; 74 III 70; 69 III 41; Bundesgerichtsurteil 5A_890/2013 vom 22. Mai 2014, 7B_7/2007 vom 18. Januar 2007 und 7B.221/2003 vom 17. November 2003.

Siehe folgende Vorstösse für Beispiele auf der Bundesebene: Golay, Roger, parlamentarische Initiative 15.471 vom 19. Juni 2015, Verschuldete Personen nicht noch stärker unter Druck setzen; Poggia, Mauro, parlamentarische Initiative 12.405 vom 7. März 2012, Schuldbetreibung. Abwärtsspirale bei Pfändung durchbrechen; Berset, Alain, Anfrage 05.1112 vom 17. Juni 2005, Anfrage Lohnpfändung und Zahlung der Steuern.

Ibid., siehe Antworten zu den Vorstössen 15.471, 12.045 und 05.1112.

Siehe Gutjahr, Diana, Motion 18.3872 vom 26. September 2018, Einbezug der Steuern in die Berechnung des Existenzminimums, deren Ablehnung vom Bundesrat beantragt wurde, und Gutjahr, Diana, Postulat 18.4263 vom 13. Dezember 2018, Einbezug der Steuern in die Berechnung des Existenzminimums prüfen, Postulat deren Annahme vom Bundesrat beantragt wurde.

Siehe Art. 305 SchKG.

Siehe Art. 335 SchKG; Louis Dallèves, Prof., Bénédict Foëx, Prof. Dr., Nicolas, Commentaire LP, Bâle, 2005, Art. 335 SchKG, N 15.

Siehe zum rechtsmissbräuchlichen Privatkonkurs: BGE 133 III 614; BG Entscheid 5A_915/2014 vom 14. Januar 2015 und 5A_678/2008 vom 15. Januar 2009.

Hêche, Claude, Motion 18.3510 vom 13. Juni 2018, Wirtschaftliche Wiedereingliederung von Personen ohne konkrete Aussicht auf eine Schuldentilgung, angenommen.

Für ein Beispiel der schuldenfördernden Wirkung des fehlenden Rechtszugangs siehe Noori, Rausan (1): Défaillances juridiques entraînant un surendettement structurel: du mythe de la responsabilité individuelle dans le surendettement en Suisse. In: Henchoz C., Coste T, Plomb F. (Hrsg.) Collections sociologiques: Processus d’endettement et de surendettement. La Suisse en perspective, Paris: L'Harmattan.

Erläuternder Bericht zur Änderung der Zivilprozessordnung vom 2. März 2018, 1.3.2., S. 16.

Ibid.; siehe auch Botschaft des Bundesrates verabschiedet am 26. Februar 2020, 4.1.1., S. 16, aktuell unter Beratung im Parlament.

Abate, Fabio, op. cit., parlamentarische Initiative 09.530.

Rechtsgebiete wie u. a. Inkassorecht, Steuerrecht, Kranken- und Sozialversicherungsrecht, Konsumkreditrecht, Verjährungsrecht.

Zu den Voraussetzungen, siehe Art. 117 ZPO.

Siehe immerhin den wenig umgesetzten Art. 118 Abs. 1 lit. c in fine ZPO i.V. m. Art. 119 Abs. 1 ZPO; zur geringer praktischen Bedeutung, siehe (Denis Tappy, CPC Code de procédure civile commenté, Bâle, Helbing Lichtenhahn Verlag, 2011, Art. 118 ZPO, N 22; Daniel Wuffli, die unentgeltliche Rechtspflege in der Schweizerischen Zivilprozessordnung, Zürich/St. Gallen, Dike, 2015, N 484; Alfred Bühler, in: Berner Kommentar, Band I, Bern, Stämpfli, 2012, Art. 118 ZPO, N 78–120).

In diesem Sinne im Bereich des Sozialhilferechts siehe auch den Forschungsbericht Fuchs, Gesine; Abbas, Marina; Studer, Melanie; Koschmieder, Nikola; Pärli, Kurt; Meier, Anne (2021): Rechtsberatung und Rechtsschutz von Armutsbetroffenen in der Sozialhilfe. Unter Mitarbeit von Nathalie Blanchet und Marion Ruch. Bern: Bundesamt für Sozialversicherungen, Beiträge zur sozialen Sicherheit, Forschungsbericht, S. III, IV, 105, 109.

Ibid., S. 15.

Ibid., S. 6.

Sinngemäss bezüglich Barkredite, siehe Noori, Rausan, Lacunes de l’examen de la capacité de contracter un crédit au comptant. In: Plaidoyer 04/2017, S. 35 und die beispielhaften Referenzen in Fussnote 33 ebenda.

Für ein Beispiel, siehe Bericht des Bundesrates in Erfüllung des Postulates Comte 12.3641 vom 15. Juni 2012, Rahmenbedingungen der Praktiken der Inkassounternehmen, S. 29–30.

Für andere Beispiele mit Fokus auf Inkasso und KKG, siehe Noori, Rausan (1): Défaillances juridiques entraînant un surendettement structurel: du mythe de la responsabilité individuelle dans le surendettement en Suisse. In: Henchoz C., Coste T., Plomb F. (Hrsg.) Collections sociologiques: Processus d’endettement et de surendettement. La Suisse en perspective, Paris: L'Harmattan.

Siehe Art. 324a OR.

Siehe Art. 336c Abs. 1 lit. b OR.

Siehe Art. 336 OR.

Siehe Art. 324b OR.

Anders z. B. in Frankreich, wo Krankentaggelder durch die soziale Krankenversicherung finanziert werden (https://www.ameli.fr/entreprise/vos-salaries/arret-de-travail).

Laut Dr. Brigitta Danuser, Leiterin vom Institut Universitaire de Santé au Travail in der RTS-Sendung Temps Présent vom 1. Februar 2018.

Für eine praxisnahe aktuelle Illustrierung der Problematik mit besonderem Fokus auf der Beweiskraft der Vertrauensärzte der Versicherungen siehe BG Entscheid 4A_42/2017 vom 29. Januar 2018.

Art. 28 Abs. 1 IVG.

Art. 28 Abs. 2 IVG cum Art. 7 und 8 ATSG.

Art. 29 IVG.

In diesem Sinne, siehe RTS Sendung Temps Présent vom 19. April 2018, die die restriktive Praxis bez. IV-Rentenansprüchen (und Arbeitslosengeldern) mit Klarheit illustriert: https://www.rts.ch/dossiers/2017/rassurez-moi/9513886-quand-les-assurances-sociales-vous-lachent.html.

Art. 8 und 15 AVIG.

Für eine Illustration des Zusammenspiels der beiden schuldenfördernden Mechanismen aus Kap. 2, siehe Noori, Rausan (1): Défaillances juridiques entraînant un surendettement structurel: du mythe de la responsabilité individuelle dans le surendettement en Suisse. In: Henchoz C., Coste T., Plomb F. (Hrsg.) Collections sociologiques: Processus d’endettement et de surendettement. La Suisse en perspective, Paris: L'Harmattan.

In diesem Sinne, siehe Bouyon, Sylvain, Musmeci, Roberto, Two Dimensions of Over-Indebtedness: Consumer Protection and Financial Stability. In: Research Report von European Credit Research Institute, Nr. 18, Oktober 2016, S. 3–4.

2014/C 311/06: der Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss hat in 2014 sieben Elemente ausgearbeitet, die relevant für die Definition der Überschuldung für Haushalte sein sollten.

Für eine ausführliche Auflistung auf der Europa-Ebene, siehe Bouyon, Sylvain, Musmeci, Roberto, Two Dimensions of Over-Indebtedness: Consumer Protection and Financial Stability. In: Research Report von European Credit Research Institute, Nr. 18, Oktober 2016, S. 5–7.

Statistiken des Bundesamtes für Statistik, Modul „Verschuldung“ als Bestandteil der Erhebung SILC 2017.

Statistiken des Bundesamtes für Statistik, Modul „Verschuldung“ als Bestandteil der Erhebung SILC 2013.

Statistiken des Bundesamtes für Statistik, Modul „Verschuldung“ als Bestandteil der Erhebung SILC 2017.

Siehe immerhin Allianz Global Wealth Report 2019, S. 84, wonach die Schweizer Haushalte die weltweit höchste Privatverschuldung haben.

Die infolge der Motion Abato in Kraft getretene SchKG Revision hatte zum Ziel, ein Gegengewicht zu dieser Perspektive zu setzen. Leider zeigen die ersten Zahlen auf, dass von dieser Revision bisher wenig Nutzen gemacht wurde.

In diesem Sinne siehe den Forschungsbericht Fuchs, Gesine; Abbas, Marina; Studer, Melanie; Koschmieder, Nikola; Pärli, Kurt; Meier, Anne (2021): Rechtsberatung und Rechtsschutz von Armutsbetroffenen in der Sozialhilfe. Unter Mitarbeit von Nathalie Blanchet und Marion Ruch. Bern: Bundesamt für Sozialversicherungen, Beiträge zur sozialen Sicherheit, Forschungsbericht, S. II, 13 ff.

Siehe beispielsweise die Facebook-Gruppe Rechtsberatung Schweiz, oder die Facebook-Gruppe Leben Am Existenzminimum.

Über die Einschränkung der Rechte von Sozialhilfebeziehenden und anwaltschaftliche Lösungen, siehe Heusser, Pierre, Immer mehr willkürliche und unfaire Entscheidungen. In: Sozialalmanach Caritas Schweiz 2020, Eine Sozialhilfe für die Zukunft, Hrsg. Caritas-Verlag, Luzern, 2020, S. 153–155.

Siehe dazu Abschn. 2.2.

Abate, F., parlamentarische Initiative „Löschung ungerechtfertigter Zahlungsbefehle“ 09.530.

Amtsblatt der europäischen Union, Stellungnahme der Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss zum Thema „Verbraucherschutz und angemessener Umgang mit Überschuldung zur Vermeidung von sozialer Ausgrenzung“, 2014/C 311/06.

Allianz Global Wealth Report. (2019). https://www.allianz.com/de/economic_research/publikationen/spezialthemen-fmo/GWR2019_18092019.html. Zugegriffen: 20. Febr. 2020.

Berset, A., Anfrage 05.1112 vom 17. Juni 2005, Anfrage Lohnpfändung und Zahlung der Steuern.

Bouyon, S., & Musmeci, R. (2016). Two dimensions of over-indebtedness: Consumer protection and financial stability. In Research Report von European Credit Research Institute, Nr. 18.

Bühler, A. (2012). Schweizerische Zivilprozessordnung, Art. 1-352 und Art. 400-406 ZPO. In Berner Kommentar, Band I. Bern: Stämpfli Verlag,.

Bundesrat, Rahmenbedingungen der Praktiken der Inkassounternehmen, Bericht in Erfüllung des Postulates Comte 12.3641 vom 15. Juni 2012.

Bundesrat, Stellungnahme zur parlamentarischen Initiative „Löschung ungerechtfertigter Zahlungsbefehle“ 09.530, BBl 2015 5785, 5786.

Dallèves, L., Foëx, B., & Jeandin, N. (2005). Commentaire romand, Poursuites et faillites. Basel: Helbing Lichtenhahn Verlag.

Danuser, B. (1. Februar 2018). Leiterin vom Institut Universitaire de Santé au Travail, Reprendre le travail après le cancer. RTS-Sendung Temps Présent.

Golay, R., parlamentarische Initiative 15.471 vom 19. Juni 2015, Verschuldete Personen nicht noch stärker unter Druck setzen.

Gutjahr, D., Motion 18.3872 vom 26. September 2018, Einbezug der Steuern in die Berechnung des Existenzminimums.

Gutjahr, D., Postulat 18.4263 vom 13. Dezember 2018, Einbezug der Steuern in die Berechnung des Existenzminimums prüfen.

Hêche, C., Motion 18.3510 vom 13. Juni 2018, Wirtschaftliche Wiedereingliederung von Personen ohne konkrete Aussicht auf eine Schuldentilgung.

Heusser, P. (2020). Immer mehr willkürliche und unfaire Entscheidungen. In M. Specker (Hrsg.), Eine Sozialhilfe für die Zukunft. Luzern: Caritas-Verlag.

Noori, R. (2017). Lacunes de l’examen de la capacité de contracter un crédit au comptant. Plaidoyer 04.

Noori, R. (2020). Défaillances juridiques entraînant un surendettement structurel: du mythe de la responsabilité individuelle dans le surendettement en Suisse. In C. Henchoz, T. Coste, & F. Plomb (Hrsg.), Processus d’endettement et de surendettement. La Suisse en perspective. Seismo: Zürich.

Poggia, M., parlamentarische Initiative 12.405 vom 7. März 2012, Schuldbetreibung. Abwärtsspirale bei Pfändung durchbrechen.

RTS Sendung Temps Present vom 19. April 2018, die restriktive Praxis bez. IV-Rentenansprüche (und Arbeitslosengelder) mit Klarheit illustriert. https://www.rts.ch/dossiers/2017/rassurez-moi/9513886-quand-les-assurances-sociales-vous-lachent.html. Zugegriffen: 20. Febr. 2020.

Tappy, D. (2011). CPC Code de procédure civile commenté. Basel: Helbing Lichtenhahn Verlag.

Wuffli, D. (2015). die unentgeltliche Rechtspflege in der Schweizerischen Zivilprozessordnung. Zürich: Dike Verlag.

Zwischenbericht Arbeitspakete 1–3, vom Projektteam Fuchs, Gesine, Annas, Marina, Meier, Anne, Pärli, Kurt, Studer, Mélanie, zur Studie „Rechtsberatung und Rechtschutz von Armutsbetroffenen“ im Auftrag vom Bundesamt für Sozialversicherungen [unveröffentlichte Version – erwarteter Veröffentlichung Schlussbericht – September 2020].

ZPO-Revision, Erläuternder Bericht zur Änderung der Zivilprozessordnung vom 2. März 2018.

Title: Schuldenfördernde und schuldenverursachende rechtliche Mechanismen in der Schweiz
Author: Rausan Noori
Publisher: Springer Fachmedien Wiesbaden
Book: Verschuldet zum Arbeitsamt
Print ISBN: 978-3-658-32414-8

Electronic ISBN: 978-3-658-32415-5

Copyright Year: 2021
DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-658-32415-5_10