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08-12-2014 | Social Media | Schwerpunkt | Article

Partizipation und Dialog mal kritisch hinterfragt

Author: Michaela Paefgen-Laß

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Die Partizipationskultur des Web 2.0 löst Euphorie aus. Sie ist jedoch vor allem Versprechen und Einladung. In jeder Ecke wirkt sie anders und Partizipation ist manchmal nicht mehr als eine schöne Fiktion.

"Wir leben nicht in einer digitalisierten Gesellschaft, sondern in einer mediatisierten Gesellschaft", sagte Springer-Autorin Michaela Pfadenhauer Ende November auf dem Symposium "Der Alltag in der digitalen Gesellschaft - Chancen und Risiken" in der Akademie der Wissenschaften und der Literatur Mainz. Pfadenhauers Modell zeichnet eine Internetwelt nach, die sich zusammensetzt aus vielen kleinen digitalisierten Welten. Nischen, die jede für sich anders funktionieren und anders wirken. Daraus entstehen, so erklärte die Soziologin mit Professur für Kultur und Wissen an der Universität Wien in ihrem Vortrag, vielfältige Digitalisierungseffekte. Diese Effekte wirkten sich je nach Nische unterschiedlich auf den Gedanken aus, dass das Internet von einer riesigen Demokratisierungswelle erfasst ist und jeder mit eigenen Beiträgen partizipieren kann. Ist das Mitmach-Internet eine Täuschung?

Bertolt Becht, das Radio und die Teilhabe

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So neu ist der Gedanke des Partizipationsmediums nicht. Bertolt Brecht wünschte sich in seiner Medienutopie "Der Rundfunk als Kommunikationsapparat" von 1932 (Hauptteil seiner zwischen 1927 und 1932 verfassten Radiotheorie), den Wandel des Rundfunks von einem Distributionsapparat zu einem Kommunikationsapparat. Wissen sollte demokratisiert werden, der Hörer mitmachen und mitentscheiden können. Ein Versprechen, dass das Web 2.0 rund 80 Jahre später vollmundig erneuert.

Geschichte einer Partizipationsfiktion

Die anfängliche Euphorie um das Radio holen die Springer-Autoren Pfadenhauer und Andreas Hepp rückblickend auf den Boden der Tatsachen zurück. In ihren Buchkapitel "Mediatisierte Partizipation?" schreiben sie, dass das Radio sich weniger als ein beteiligendes Medium erwiesen habe, "denn als ein Medium, dass auch die häusliche Welt in (zum Teil totalitäre) Prozesse von "Nation" und "Volksgemeinschaft" einbezog" (Seite 237). Lässt sich diese im nachhinein entlarvte "Partizipationsfiktion" (Seite 257) auch beim Web 2.0 erwarten? "Das Narrativ, wonach mehr Mediatisierung zu mehr Partizipation führt, das implizit in verschiedenen auch jüngeren Studien mitschwingt, ist unseres Erachtens nicht haltbar", schreiben Pfadenhauer und Hepp. Die User-Beteiligung im Social Web, so kritisieren die Autoren, werde entweder ausschließlich aus Sicht der Industrie oder aus Sicht der Nutzerinnen und Nutzer bewertet (Seite 240 f.).

Einspannen lassen oder partizipieren?

In ihrem Mainzer Vortag machte Michaela Pfadenhauer die Gewinner, Verlierer und Aufsteiger des Web 2.0 aus. Zu den Gewinnern zählt sie Blogger und Citizen-Scientists. Leidenschaftliche "neue" Amateure und Autodidakten, die nun die professionellen Berufsfelder herausfordern. Der Journalismus ist der Verlierer. Aufsteiger sind diejenigen, die im Internet mitmachen - partizipieren - die Content-Lieferanten. "Aber lassen die sich vielleicht nur von übergeordneter Stelle einspannen?", fragte Pfadenhauer. In ihrem Buchkapitel untersucht sie mit Co-Autor Hepp anhand von Beispielen aus der Geschäftswelt und der jugendlichen TV-Serienwelt, welche Art von Partizipation von wem unter welchen sozialen Umständen praktiziert wird (Seite 240 ff.).

Auf die Rolle kommt es an

Mitsprache und Mitwirkung, meinen die Autoren, wird im Web 2.0 vor allem unterstellt. Aber die Untersuchungen geben Hinweis, "dass es mit dem Mediatisierungsschub in vielen Kontexten um kleine Formen der Beteiligung geht, die durch ihren alltagsweltlichen Rückbezug gekennzeichnet sind" (Seite 257). Im engen Umfeld des Internet-Nutzers und innerhalb seiner Szenen ist Partizipation also durchaus möglich. Hat der Plattformbetreiber für den Nutzer jedoch die Konsumentenrolle vorgesehen und geht es um Wettbewerbsvorteile oder Werbeeffekte, ist seine Teilhabe reine Fiktion.

Was nach Pfadenhauer und Hepp Partizipation in mediatisierten Welten bedeutet?
  • Es lässt sich keine Logik ableiten, nach der der jüngste Mediatisierungsschub ein höheres Maß an Partizipation zur Folge hätte.
  • Es lassen sich Prozesse der Institutionalisierung und Verdinglichung ablesen.
  • Es geht um viele kleine Formen der Beteiligung, die aber gesellschaftlich keineswegs irrelevant sind.
  • Es scheint notwendig, die jeweiligen Formen der Beteiligung in ihren alltagsweltlichen Kontexten zu erfassen.
  • Es lässt sich nicht generell auf ein Zeitalter der Bürgerbeteiligung folgern.

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