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Open Access 2021 | OriginalPaper | Chapter

2. Studien(fach)wahlen: eine Frage der Motivlage?

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Zusammenfassung

Im Wintersemester 2018/19 umfasste die Studierendenschaft in Deutschland 2 865 000 Immatrikulierte mit einem Frauenanteil von etwa 48,9 %. Wiederum 34,9 % der Studierenden waren an einer Fachhochschule bzw. einer Hochschule für Angewandte Wissenschaften eingeschrieben. An diesem speziellen Hochschultyp war der Frauenanteil mit 44,1 % außerdem geringer als an Universitäten bzw. hochschulübergreifend.

2.1 Das Sozialprofil der Studierenden

Im Wintersemester 2018/19 umfasste die Studierendenschaft in Deutschland 2 865 000 Immatrikulierte mit einem Frauenanteil von etwa 48,9 %. Wiederum 34,9 % der Studierenden waren an einer Fachhochschule bzw. einer Hochschule für Angewandte Wissenschaften eingeschrieben1. An diesem speziellen Hochschultyp war der Frauenanteil mit 44,1 % außerdem geringer als an Universitäten bzw. hochschulübergreifend. Was die unterschiedlichen Fächergruppen an den Hochschulen angeht, ist das Geschlechterverhältnis ausschließlich in der Mathematik und den Naturwissenschaften2 in etwa ausgeglichen – von den Studierenden sind 48,1 % weiblich. In den Ingenieurwissenschaften3 dagegen sind nur 23,6 % unter den Studierenden Frauen4. Männer sind dagegen in der Fächergruppe der Rechts-, Wirtschafts- und Sozialwissenschaften5 in der Minderheit – wenn auch bei weitem nicht so eindeutig, denn hier beträgt der Frauenanteil 57,1 % (Statistisches Bundesamt 2019b: 21).
Doch diese Zahlen zu den fächergruppenspezifischen Geschlechterverhältnissen sind mit Vorsicht zu genießen, denn innerhalb einer Fächergruppe sind die Differenzen teilweise erheblich (Statistisches Bundesamt 2019a: 35 ff.). In der Fächergruppe der Rechts-, Wirtschafts- und Sozialwissenschaften gab es im Wintersemester 2017/2018 etwa den fachspezifischen Frauenanteil von 27,9 % im Wirtschaftsingenieurwesen mit wirtschaftswissenschaftlichem Schwerpunkt, von 44,6 % in der Politikwissenschaft, von 48,6 % in den Wirtschaftswissenschaften, von 76,8 % im Sozialwesen (das auch die Soziale Arbeit umfasst) und von 79,5 % der Erziehungswissenschaft. In der Fächergruppe Mathematik und Naturwissenschaften differiert der Frauenanteil von 29,4 % in der Physik über 46,6 % in der Mathematik bis zu 62,5 % in der Biologie und 68,4 % in der Pharmazie. Und auch in den Ingenieurfächern sind die Unterschiede groß (Statistisches Bundesamt 2018: 42 f.): In der Elektro- und Informationstechnik gibt es mit 14,8 % am wenigsten Frauen, im Maschinenbau sind es 21 % und in der Informatik 21,4 %. Das Bauingenieurwesen hat einen Frauenanteil von immerhin 29,9 % und die Architektur sogar 58,1 %.
Für alle Fächergruppen lässt sich also sagen: Je ausgeprägter die technische Konnotation eines Studiengangs, desto geringer der Anteil an Frauen unter den Studierenden.
Und auch was die soziale Herkunft angeht sind die Unterschiede zwischen den einzelnen Studienfächern beträchtlich: So ist die „akademische Reproduktion“ – also der Anteil an Studierenden mit mindestens einem Elternteil mit Hochschulabschluss – in der Medizin mit 59 % am höchsten. Im Kontrast dazu haben im Sozialwesen an Fachhochschulen 38 % der Studierenden mindestens einen Elternteil mit Hochschulabschluss, in den Ingenieurwissenschaften am gleichen Hochschultyp sind es 42 % (Multrus et al. 2017: 7).
Was die Studierenden an den Hochschultypen von Universität und Fachhochschule angeht, schlägt sich bei der sozialen Herkunft eine größere Differenz nieder als beim Geschlecht. Grundsätzlich lässt sich feststellen, dass ein Fachhochschulstudium eher aufgenommen wird von Studieninteressierten aus Familien ohne Hochschulerfahrung, denn dort ist der Anteil von Studierenden aus einer Familie, in der beide Elternteile ein Hochschulstudium abgeschlossen haben, etwa halb so groß wie an Universitäten (Middendorff et al. 2017: 26). An Universitäten haben außerdem 56 % der Studierenden mindestens einen Elternteil mit Studienabschluss, an Fachhochschulen sind es 40 % (Multrus et al. 2017: 7). Diese unterschiedliche Zusammensetzung der Studierenden nach sozialer Herkunft an den beiden Hochschultypen ist „für Fragen der sozialen Selektion bedeutungsvoll“ (Bargel 2006: 3) – gleichzeitig sollten Fachhochschulen dabei nicht unhinterfragt als Türöffner des sozialen Aufstiegs gesehen werden: Sie sind eingewoben in Abdrängungsprozesse, innerhalb derer etwa ehemalige ‚Aufstiegsfächer‘ an Universitäten – wie die Ingenieurfächer – einen steigenden Anteil an Akademiker*innenkindern verzeichnen und Studieninteressierte niedrigerer sozialer Herkunft stattdessen ein entsprechendes Studium an einer Fachhochschule aufnehmen. Vor diesem Hintergrund lässt sich schlussfolgern, dass Fachhochschulen auch der Abhaltung von einem Universitätsstudium dienen (ebd.). Zusätzlich nimmt der Anteil an Studierenden aus akademischen Elternhäusern6 an Fachhochschulen besonders stark zu – etwa um 14 % in den Fächergruppen Wirtschaft und Ingenieurwesen von 1993 bis 2004. Die Funktion von Fachhochschulen als „Plattform für sozialen Aufstieg“ (Bargel 2006: 4) ist also nicht mehr so ausgeprägt wie noch vor wenigen Jahrzehnten.
Die Entscheidung für ein Studium und den damit verbundenen Hochschultyp ist also entscheidend von der sozialen Herkunft geprägt, während bei der Wahl eines spezifischen Studienfachs das Geschlecht7 eine ebenso bedeutende Rolle einnimmt. Nicht jeder Person stehen alle Bildungswege im „Universum von Möglichkeiten“ (Bourdieu 1981: 180) gleichermaßen offen und die Ursachen dafür sollen im Folgenden erkundet werden.

2.2 Der Eintritt in die Hochschule: vorgelagerte Selektionsprozesse – ungleiche Chancen

Die dargestellte Zusammensetzung der Studierenden – ihr Sozialprofil – weist auf die hohe soziale Selektivität beim Hochschulzugang hin. Sie ist das Ergebnis eines langen und wirksamen Selektionsprozesses im Bildungssystem. Um die Mechanismen der Studien(fach)wahl nachzuvollziehen, genügt es daher nicht, bei der Betrachtung des studentischen Sozialprofils stehen zu bleiben, sondern es müssen auch die vorgelagerten Selektionsprozesse in den Blick genommen werden.
Hier weisen Kracke/Buck/Middendorff (2018) auf den bedeutenden Unterschied zwischen den Konzepten des Sozialprofils und der sozialgruppenspezifischen Bildungsbeteiligungsquote (BBQ) hin: Während das Sozialprofil nur etwa den Anteil an Akademiker*innenkindern unter der sozialen Gruppe der Studienanfänger*innen betrachtet, ist die sozialgruppenspezifische Bildungsbeteiligungsquote ein Indikator der Chancengleichheit beim Zugang zu (hochschulischer) Bildung. Sie erlaubt Aussagen darüber, wie wahrscheinlich es für Angehörige bestimmter sozialer Gruppen ist, bestimmte Bildungswege einzuschlagen. Die BBQ beschreibt den Anteil an Personen einer sozialen Gruppe an allen Gleichaltrigen dieser Gruppe, die eine spezifische Bildungsstufe – wie den Eintritt in das Studium – erreicht haben. Die Bildungschancen einer Gruppe werden hier also unter Berücksichtigung ihres Anteils an der Gesamtbevölkerung betrachtet, während das Sozialprofil lediglich das Resultat dieser Chancenverteilung ist.8
So weist die BBQ nach, dass die ungleichen Chancen zwischen Personen unterschiedlicher sozialer Herkunft bereits vor dem Eintritt in die Hochschule bestehen und wirken: Die sozialgruppenspezifischen Bildungsbeteiligungsquoten von Akademiker*innenkindern und Nicht-Akademiker*innenkindern lassen sich im Verlauf der Bildungsübergänge von der Sekundarstufe II bis zum Hochschulzugang und dem Eintritt in die Hochschule grafisch als ‚Bildungstrichter‘ darstellen (vgl. Abbildung 2.1). Akademiker*innenkinder haben eine 1,8-fache Chance, eine gymnasiale Oberstufe9 zu besuchen (83 % vs. 46 %), während Nicht-Akademiker*innenkinder eine 3,2-fache Chance haben, die zweite Sekundarstufe an einer beruflichen Schule10 zu absolvieren (17 vs. 54 %). Unabhängig von der Studienberechtigung beginnen letztendlich 27 % der Nicht-Akademiker*innenkinder ein Studium und 79 % der Akademiker*innenkinder – ein fast dreimal so hoher Anteil.
Mit den Worten der Autor*innen lässt sich schlussfolgern: „Der tertiäre Bereich fungiert somit als System, welches in besonderem Maße dem Erhalt des akademischen Status der Familie dient“ (Kracke/Buck/Middendorff 2018: 7 f.). Dieser Zusammenhang zwischen der sozialen Herkunft und dem schulischen Bildungsweg wird auch regelmäßig durch die PISA-Untersuchungen bestätigt (Müller/Ehmke 2016). Die ungleichen Chancen zwischen Schüler*innen verschiedener sozialer Schichten zeigen sich etwa schon bei der Schulempfehlung nach der Grundschule (Müller/Ehmke 2016: 312). Zusätzlich erweisen sich die ‚Kompetenzen‘11 von Schüler*innen, etwa im Lesen oder in der Mathematik und den Naturwissenschaften, als eng verknüpft mit dem sozioökonomischen Status der Eltern. Und auch wenn sich im Vergleich der PISA-Untersuchungen von 2006 und 2015 zwar eine teilweise Entkopplung von sozialer Herkunft und Kompetenzerwerb feststellen lässt und mehr Schüler*innen verschiedener Herkunft ein Gymnasium12 besuchen, kanalisiert die soziale Herkunft den Bildungsweg nach wie vor im Sinne des ‚Bildungstrichters‘ (ebd.).13
Was das Geschlecht angeht, gibt es beim Eintritt in die Hochschule keine quantitativen Differenzen mehr zwischen Frauen und Männern (Bargel 2007b: 26). Allerdings lassen sich sehr wohl spezifische qualitative Benachteiligungen im Hochschulzugang feststellen: So beginnen Männer mit schlechteren Abschlussnoten häufiger ein Studium, Frauen ergreifen über den zweiten Bildungsweg oder die berufliche Bildung deutlich seltener ein Studium und Frauen über 25 Jahren treten ebenfalls deutlich seltener in die Hochschule ein als Männer dieser Altersgruppe (ebd.). Was die Selektion hin zum Eintritt in die Hochschule angeht, sind also nach wie vor Frauen auf mehrfache Weise benachteiligt, allerdings hat die soziale Herkunft den vergleichsweise größeren Einfluss.
Dieser Einfluss zeigt sich auch beim Erwerb der allgemeinen Hochschulreife (Bornkessel/Kuhnen 2011: 73): Was die Unterschiede in der Abiturnote betrifft, machen Frauen zwar im Durchschnitt ein leicht besseres Abitur als Männer (um eine Notenstufe von 0,115), aber der Einfluss des Bildungshintergrundes ist hier deutlich stärker. Die Abschlussnote von Akademiker*innenkindern ist im Vergleich zu Nicht-Akademiker*innenkindern um 0,203 besser. Die Abiturnote wiederum wirkt sich maßgeblich auf die Sicherheit aus, ein Studium aufzunehmen (Multrus/Ramm/Bargel 2011: 14; Heine et al. 2006: 11): Unter den Notenbesten (1,0 bis 1,4) sind 95 % (völlig) sicher, ein Studium aufzunehmen – und je schlechter die Note ist, desto stärker die Unsicherheit. Unter Studierenden mit der Abschlussnote 3,0 bis 3,4 waren im Wintersemester 2010 etwa 30 % völlig unsicher, ob sie überhaupt ein Studium aufnehmen. Diese herkunftsspezifischen Ungleichheiten beim notenmäßigen Zugang zur Hochschule setzen sich fort und führen zu unterschiedlichen Chancen, das Studium erfolgreich abzuschließen, wie die Erkenntnisse der Studienabbruchforschung zeigen (vgl. auch Heublein et al. 2017; Heublein et al. 2014; Heublein et al. 2010)14. Zusammengenommen zeigt sich so, dass die Abschlussnote als stärkster Einfluss auf die Studienentscheidung (und den Studienerfolg) untrennbar verwoben ist mit dem Einfluss der sozialen Herkunft beziehungsweise des Bildungshintergrundes der Eltern (Heine et al. 2006: 11).
Doch die Schulnoten und -erfahrungen beeinflussen nicht nur die Entscheidung, ob und mit welcher Sicherheit ein Studium aufgenommen wird, sondern auch die Frage, in welches Studienfach eine Person gelangt (Multrus/Ramm/Bargel 2011: 27): Unter den Studierenden im besten Notenbereich des Abiturs (1,0 bis 1,4) haben im Wintersemester 2010 etwa 27 % das Studienfach der Medizin gewählt, 23 % ein naturwissenschaftliches Fach, 12 % gelangen in die Kultur- und Sozialwissenschaften und 9 % in die Wirtschafts- oder Ingenieurwissenschaften. Bei einer Abiturnote von 3,0 und schlechter fällt die Wahl dagegen am häufigsten auf ein sprach- und kulturwissenschaftliches Fach (27 %), gefolgt von den Naturwissenschaften (19 %) und den Sozialwissenschaften (18 %). Und während das Geschlecht in den bisher betrachteten Zusammenhängen einen im Vergleich zur sozialen Herkunft geringen Stellenwert einnimmt, rückt es bei der Betrachtung der Fachwahl in den Vordergrund – so auch schon bei der schulischen Leistungskurswahl, die die Studienfachwahl maßgeblich prägt (ebd.: 13): Unter Erstsemesterstudierenden im Wintersemester 2010 mit zwei sprachlichen Leistungskursen haben 42 % ein sprach- oder kulturwissenschaftliches Fach gewählt – kaum jedoch ein natur- (7 %) oder ingenieurwissenschaftliches (4 %). Bei zwei naturwissenschaftlichen Leistungskursen wiederum haben 42 % ein naturwissenschaftliches Studium begonnen und 28 % ein ingenieurwissenschaftliches. Der Zusammenhang zum Einfluss des Geschlechts ist eindeutig, denn 23 % der Studentinnen haben in der Schule zwei sprachliche Leistungskurse belegt, aber nur 7 % der Studenten. Diese wählten wiederum zu 32 % zwei naturwissenschaftliche Fächer – unter Studentinnen taten das nur 13 %15.
Resultat dieser Ungleichheiten nach sozialer Herkunft und Geschlecht entlang der bildungsbezogenen Beteiligungsquoten und der herkunfts- und geschlechtsspezifischen Fächerpräferenzen, die sich schon in der Schule zeigen, sind die dargestellten Sozialprofile der Studierenden. Frauen studieren häufiger sozial-, kulturwissenschaftliche und pädagogische Fächer, Männer wählen dagegen vermehrt technische Studiengänge. Kinder aus Akademiker*innenfamilien beginnen allgemein häufiger ein Studium und verstärkt im Bereich Medizin, während der Anteil an Nicht-Akademiker*innenkindern in sozialwissenschaftlichen Studiengängen und an Fachhochschulen höher ist. Über die Ursachen für diese spezifischen Bildungswege lassen diese Daten und quantitativen Verteilungsverhältnisse indes keine Aussage zu. Es ist zu vermuten, dass sich Abdrängungseffekte nachteilig für Frauen und Nicht-Akademiker*innen-Kinder auswirken und zu deren Ausschluss aus den prestigeträchtigsten Studienbereichen führen. Im Sinne eines ‚Bildungstrichters‘ werden Kinder aus Familien ohne Hochschulerfahrung sukzessive vom Weg an die Hochschule abgedrängt und beginnen seltener ein Studium als Kinder aus Familien mit Hochschulerfahrung. Dieser Abdrängungsprozess setzt sich auch bei der Studienfachwahl fort, wobei die soziale Herkunft mit dem Geschlecht zusammenwirkt und zu einer ungleichen Verteilung von Studierenden nicht-akademischer Herkunft und verschiedenen Geschlechts auf Studienfächer mit unterschiedlichem Prestige führt. All dieser Ergebnisse zum Trotz verweisen die Erkenntnisse zum Zugang zur Hochschule und den damit verbundenen Abdrängungen nach sozialer Herkunft und Geschlecht auf weitere Fragen, die mit bildungsbezogenen Beteiligungsquoten und der zahlenmäßigen Verteilung verschiedener sozialer Gruppen auf die Studienfächer nicht geklärt werden können. Zum einen muss danach gefragt werden, wie es überhaupt zu diesen Abdrängungseffekten kommt: Welche Mechanismen führen dazu, dass Frauen seltener Ingenieurfächer studieren und Kinder aus Familien ohne Hochschulen allgemein seltener ein Studium aufnehmen und wenn, dann beispielsweise eher nicht in der Medizin? Oder umgekehrt – wie lässt sich erklären, dass Frauen häufiger ‚soziale‘ Fächer belegen und Nicht-Akademiker*innen-Kinder häufiger in den Sozial- oder Ingenieurwissenschaften an Fachhochschulen zu finden sind? Zum anderen stellt sich auch die Frage, ob und wie sich diese Abdrängungseffekte im Studium fortsetzen – inwiefern sich also bei den verschiedenen sozialen Gruppen unterschiedliche Rahmenbedingungen, Studierpraktiken und Studienabbruchquoten feststellen lassen.

2.3 Die Wahl eines Studienfachs: von ‚extrinsischen‘ und ‚intrinsischen‘ Motiven

2.3.1 Motivlagen nach Hochschulart, Studiengang und Geschlecht

Der Weg an die Hochschule ist also kanalisiert durch die soziale Herkunft, während bei der Fächerpräferenz das Geschlecht einen stärkeren Einfluss ausübt – die soziale Herkunft aber auch eine große Bedeutung hat. Auf der Spur, die hier wirkenden Mechanismen zu entschlüsseln, soll nun die Frage verfolgt werden, warum ein Studium allgemein und in einem bestimmten Fach im Speziellen aufgenommen wird.
Dabei wird deutlich, dass sich die Unterschiede zwischen Kindern verschiedener sozialer Herkunft auch mit der Studienaufnahme fortsetzen: Sie bewerten das Studium unterschiedlich und verbinden es mit einem spezifischen Zweck und Ziel. Dieser Zweck kann in drei herkunftsspezifische schwerpunktmäßige Motive eingeteilt werden (Bargel/Bargel 2010: 12): Während Studierende aus unteren Schichten die Privilegierung und die ökonomischen Chancen durch ein Studium hervorheben, ist der kulturelle Zugewinn für höhere Schichten wichtiger – sie spielen den ökonomischen Nutzen eher herunter, nehmen ihn aber mit. Die berufliche Qualifikation ist für alle Schichten ähnlich wichtig. Damit spiegeln diese schwerpunktmäßigen Motive entlang von kultureller Bildung, beruflicher Qualifizierung und materiellem Gewinn die drei Sektionen von kulturellem, sozialem und ökonomischem Kapital (Bourdieu 1983) wider, denen je nach sozialer Herkunft mehr oder weniger Bedeutung zugemessen wird. Für Bildungsaufsteiger*innen16 wiederum spielt das Motiv von Sicherheit zusätzlich eine zentrale Rolle:
„Es [das Motiv der Sicherheit, L.L.] ist leitend für eine Reihe von Entscheidungen und die Wahrnehmung von Chancen, die mit dem Studium verbunden sind. Das gilt für die Präferenz der Fachhochschule gegenüber der Universität, die Hochschulwahl in der regionalen Nähe sowie die Fachbelegung (eher Lehramt oder Ingenieur als Jura oder Medizin)“ (Bargel/Bargel 2010: 10)
Darüber hinaus bevorzugen Bildungsaufsteiger*innen kürzere, strukturierte und anwendungsbezogene Studiengänge und verzichten eher auf Mobilität bei der Wahl des Hochschulstandorts. Die Sicherheit des Studiums und seine Selbstverständlichkeit ist bei Arbeiter*innenkindern und Bildungsaufsteiger*innen weitaus geringer als bei Studierenden aus höheren Schichten – diese (fehlende) soziale Sicherheit wirkt sich auch auf den Studienverlauf aus. So ist die Bindung an das Studium bei Arbeiter*innenkindern eher von Zweifeln begleitet, sie lassen sich etwa durch unsichere Berufsaussichten stärker irritieren und sie sehen ebendiese Berufsaussichten als wichtigen „Anker in der Zukunft“ (Bargel/Bargel 2010: 11). Im Studium selbst kommen Arbeiter*innenkindern transparente und strukturierte Prüfungen eher entgegen als Prüfungen der Selbstpräsentation wie mündliche Prüfungen (ebd.). Und auch die Wahrnehmung der Atmosphäre an der Hochschule differiert nach sozialer Herkunft: Die „Anonymität an Universitäten“ belastet Arbeiter*innenkinder deutlich stärker als Akademiker*innenkinder (21 % zu 11 %) (ebd.: 21)17. Kurzum: Kinder aus Familien mit Hochschulerfahrung haben einen ‚Heimvorteil‘ an der Universität, sie können im Zweifel auf mehr Wissen und Unterstützung aus der Familie zurückgreifen, während Kinder aus Familien ohne Hochschulerfahrung hier neues Terrain betreten, mehr Hürden nehmen müssen und häufiger scheitern. Mit Bourdieu lässt sich sagen: „Dem Aufsteiger sieht man die Kletterei an“ (Bourdieu 1985: 13).
Um diese Hintergründe der Studienfachwahl zu differenzieren, bietet sich außerdem ein Rückgriff auf die Erhebungen des Deutschen Hochschulinformationssystems (HIS) an (etwa Heine/Willich/Schneider 2008; Scheller/Isleib/Sommer 2013). Hier werden – wie in vielen anderen Untersuchungen auch (etwa Bohn/Gehrmann/Klein 2002; Funk/Wentzel 2014; Lojewski 2012; Blättel-Mink 2002) – Motive als Erklärungshintergrund der Studienwahl herangezogen und unterteilt in drei Kategorien: Intrinsische Motive umfassen etwa Fachinteresse und die ‚Begabung‘ für ein Fach, also Faktoren, die in dieser Logik ‚in der Person‘ selbst zu finden sind. Soziale Motive beziehen sich auf andere Menschen wie der Wunsch, mit anderen in Kontakt zu sein oder zu helfen. Und extrinsische Motive wiederum sind auf die spätere Berufstätigkeit gerichtet, also unter anderem auf die Einschätzung des Arbeitsmarktes (Heine/Willich/Schneider 2008: 137).
Die Ergebnisse von Scheller/Isleib/Sommer (2013) zeigen dabei zum einen die Bedeutung des Geschlechts auf die Studienwahl auf und zum anderen der sozialen Herkunft, die zumindest verknüpft ist mit dem erhobenen Merkmal der besuchten Hochschulart, wie die Zusammensetzung der Studierenden gezeigt hat. Der Einfluss von Geschlecht und besuchter Hochschulart auf die Studienwahlmotive ergibt Folgendes (s. Tabelle 2.1):
Im Hochschulvergleich zeigen sich keine großen Unterschiede in den intrinsischen Motiven, jedoch sind das Fachinteresse und die Neigung/‚Begabung‘ für Universitätsstudierende etwas wichtiger, ebenso das wissenschaftliche Interesse. Der Wunsch nach persönlicher Entfaltung steht dagegen bei Fachhochschulstudierenden etwas mehr im Vordergrund. Differenzen ähnlicher Größenordnungen finden sich auch bei den sozialen Motiven, die Universitätsstudierenden etwas wichtiger sind. Größere Unterschiede ergeben sich bei dem Stellenwert von extrinsischen Motiven, die für Fachhochschulstudierende durchweg deutlich wichtiger sind: so etwa die Motive, viele Berufsmöglichkeiten zu haben, selbstständig arbeiten zu können und eine sichere Berufsposition zu haben, gute Verdienstmöglichkeiten, der Status des Berufs und die Nachfrage der Studienrichtung auf dem Arbeitsmarkt. Kaum Unterschiede zwischen Universitäts- und Fachhochschulstudierenden dagegen zeigen sich schließlich noch bei den Faktoren, dass die Studienfachwahl bereits feststand, dass ein fester Berufswunsch vorhanden war, dass es Eltern, Verwandte oder Freund*innen im gleichen Berufsfeld gibt und dass kurze Studienzeiten wichtig sind. Und auch bei der Frage, welches das entscheidende Studienfachwahlmotiv war, ähneln sich Universitäts- und Fachhochschulstudierende – aber auch hier mit zumindest erwähnenswerten Unterschieden: Ein intrinsisches Motiv wird zwar von beiden Gruppen am häufigsten genannt, aber von Universitätsstudierenden häufiger. Ein extrinsisches Motiv steht für beide an zweiter Stelle, wobei dies von den Fachhochschulstudierenden häufiger genannt wurde. Die frühzeitige Wahl des Studienfachs steht für beide ohne nennenswerte Unterschiede an Platz drei, soziale Motive an Platz vier.
Der Geschlechtervergleich zeigt ein ebenso differenziertes Bild über die Hintergründe der Studienfachwahl: Was den Stellenwert von Fachinteresse und Neigung und ‚Begabung‘ angeht, zeigen sich keine Unterschiede zwischen Frauen und Männern. Die persönliche Entfaltung wird als zentrales Motiv dagegen häufiger von Frauen genannt, das wissenschaftliche Interesse häufiger von Männern. Die sozialen Motive wiederum sind durchweg für Frauen wichtiger: Sie geben häufiger an, viele Kontakte zu Menschen, zu sozialen Veränderungen beitragen und anderen helfen zu wollen. Umgekehrt verhält es sich bei den extrinsischen Motiven, die für die männlichen Studierenden einen größeren Stellenwert haben: mit geringerem Unterschied zu den weiblichen Studierenden etwa die vielen Berufsmöglichkeiten und das selbstständige Arbeiten, mit größerem Abstand dagegen die sichere Berufsposition, gute Verdienstmöglichkeiten, der Status des Berufs und die Nachfrage der Studienrichtung auf dem Arbeitsmarkt. Dass die Wahl des Studienfachs bereits von vornerein feststand, kam bei Frauen und Männern gleich häufig vor, während ein fester Berufswunsch häufiger bei den Männern vorlag. Bei der Frage, welches Motiv das entscheidende bei der Studienwahl war, sind intrinsische Motive für beide Geschlechter gleichermaßen und mit Abstand am wichtigsten. An Platz zwei stehen extrinsische Motive – allerdings häufiger genannt von den Männern, an Platz drei die frühzeitige Wahl des Studienfachs – die von Frauen häufiger genannt wurde und erst dann folgen die sozialen Motive, die für Frauen ebenfalls etwas wichtiger sind.
Tabelle 2.1
Studien(fach)wahlmotive nach Geschlecht und Hochschulart von Studienanfänger*innen im Wintersemester 2011/2012
(sehr) wichtige Studienwahlmotive
Geschlecht
Hochschulart
  
männlich
weiblich
Universität
Fachhochschule
intrinsische Motive
Fachinteresse
91
90
92
89
Neigung/‚Begabung‘
84
85
86
83
persönliche Entfaltung
59
68
62
64
wissenschaftliches Interesse
50
35
46
38
soziale Motive
viele Kontakte zu Menschen
24
44
35
30
zu sozialen Veränderungen beitragen
25
40
34
29
anderen helfen
25
42
36
27
extrinsische Motive
viele Berufsmöglichkeiten haben
71
66
63
78
selbstständig arbeiten können
61
57
55
66
gute Verdienstmöglichkeiten
76
59
63
76
Status des Berufs
61
47
50
64
Studienrichtung auf Arbeitsmarkt gefragt
62
44
47
63
Angaben auf einer Skala von 1 = „sehr wichtig“ bis 5 = „unwichtig“: Stufen 1 + 2 in Prozent; mehrere Nennungen möglich. Quelle: eigene Darstellung, beruhend auf Scheller/Isleib/Sommer 2013: 77f.
Im Fachvergleich offenbaren sich ebenfalls große Unterschiede, allerdings muss einschränkend erwähnt werden, dass in den HIS-Erhebungen die Wirtschafts- und Sozialwissenschaften in einer Fachgruppe zusammengefasst sind. Aufgrund ihrer unterschiedlichen inhaltlichen Ausrichtung und ihres unterschiedlichen Geschlechterverhältnisses – während die eine Fächergruppe geschlechtlich ausgeglichen ist, dominieren in der anderen zahlenmäßig die Studentinnen – ist zu vermuten, dass auch die Motivlagen differenziert betrachtet werden müssten18, was auf dieser Grundlage aber nicht möglich ist. Der Vergleich der Fächergruppe Wirtschafts-/Sozialwissenschaften („WiSo“) und Ingenieurwissenschaften („Ing“) zeigt schon erhebliche Unterschiede in der intrinsischen Motivlage: So ist zwar die Relevanz von Neigung und ‚Begabung‘ ähnlich, das Fachinteresse ist allerdings für Ingenieursstudierende wichtiger (um 5 %), ebenso wie das wissenschaftliche Interesse (um 16 %), während die persönliche Entfaltung bei WiSo-Studierenden mehr im Vordergrund steht (um 7 %). Noch größere Unterschiede zwischen den Fächergruppen lassen sich in den sozialen Motiven feststellen – diese sind durchweg für die WiSo-Studierenden wichtiger: Sie geben häufiger an, Kontakt zu Menschen haben zu wollen (um 26 %), zu sozialen Veränderungen beitragen (um 18 %) und anderen helfen zu wollen (um 13 %). Bei den extrinsischen Motiven ist das Bild ebenso unterschiedlich, aber dabei stärker durchmischt: Die vielen Berufsmöglichkeiten sind für die WiSo-Studierenden wichtiger (um 6 %), mit leichtem Abstand auch das selbstständige Arbeiten (um 3 %). Die übrigen extrinsischen Motive dagegen stehen eindeutig bei den Ingenieurstudierenden stärker im Fokus: Sie wollen häufiger eine sichere Berufsposition (um 15 %) und gute Verdienstmöglichkeiten (ebenfalls um 15 %), ihnen ist der Status des Berufs wichtiger (um 10 %) und sie blicken eher darauf, wie gefragt ihre Studienrichtung auf dem Arbeitsmarkt ist (um 23 %)19. Schließlich ähneln sich die beiden Fächergruppen noch darin, dass die Studienfachwahl bei etwa einem Viertel der Studierenden schon länger feststand (wobei die Ingenieurstudierenden hier 5 Prozentpunkte mehr aufweisen), während der feste Berufswunsch bei den Ingenieursstudierenden deutlich häufiger vorhanden ist (um 14 %) und es etwas mehr Eltern, Verwandte und Freund*innen im gleichen Beruf gibt (um 4 %) (Scheller/Isleib/Sommer 2013: 77 ff.; auch Bohn/Gehrmann/Klein 2002).
Was die Motive für die Wahl eines Studienfachs angeht, lässt sich zusammenfassen, dass sich die Motivlage der Studierenden sowohl je nach Hochschulart – als Hinweis auf mögliche Unterschiede nach sozialer Herkunft – wie auch nach ihrem Geschlecht und ihrer Fächergruppe unterscheidet. Grundsätzlich haben die intrinsischen Motive entlang von Interesse und ‚Begabung‘ den größten Einfluss auf die Fachwahl. Die Gewichtung der übrigen Motive zeigt aber ein differenzierteres Bild: So haben extrinsische Motive, die sich an der späteren Berufstätigkeit ausrichten, für Fachhochschulstudierende, Männer und Studierende der Ingenieurwissenschaften größere Bedeutung. Frauen dagegen legen größeren Wert auf soziale Motive der Studienfachwahl, wobei hier noch einmal betont werden muss, dass diese bei ihnen – wie bei den Männern auch – nur auf Platz drei der entscheidenden Motive stehen. Die Gewichtung von sozialen und extrinsischen Motiven scheint auch ein entscheidender Unterschied zwischen den Fächergruppen zu sein – soziale Motive stehen für Studierende der Wirtschafts- und Sozialwissenschaften stärker im Vordergrund, extrinsische dagegen deutlich stärker in den Ingenieurwissenschaften.
Den Motiven der Berufswahl im Kontext von Geschlecht und sozialer Herkunft wurden auch in einer Vollbefragung der Teilnehmerinnen des Girls’ Day 2003 (n = 10577) nachgegangen (Funk/Wentzel 2014): Die Ergebnisse bestätigen, dass intrinsische Motive, wie die Freude am Beruf, die größte Rolle in der Berufswahl spielen, gefolgt von den Faktoren der Arbeitsplatzsicherheit. Soziale Motive dagegen haben einen nachgeordneten Stellenwert für die befragten Mädchen (ebd.: 32). Gleichzeitig unterscheidet sich die Gewichtung der Motivlagen nach besuchter Schulart, was als Hinweis auf den Einfluss der sozialen Herkunft gelesen werden kann: „Abwechslungsreichtum“ eines Berufs ist etwa für die befragten Gymnasiastinnen wichtiger als für die Real- und Hauptschülerinnen. Umgekehrt ist es bei den sozialen Motiven: Der Wunsch, Menschen zu helfen, ist für Real- und Hauptschülerinnen wichtiger, ebenso der Faktor der „Teamarbeit“ (ebd.: 47).
Diese Erkenntnisse zur Motivlage deuten zum einen darauf hin, dass ein Studienfach – je nach sozialer Herkunft, Geschlecht und Fächergruppe – einen unterschiedlichen, schwerpunktmäßigen Zweck erfüllen kann, etwa mit dem Ziel der persönlichen Selbstentfaltung, eines statusträchtigen und einkommensstarken Berufs oder dem Wunsch, zu sozialen Veränderungen beizutragen. Gleichzeitig ist die Aussagekraft dieser Erkenntnisse auf dreifache Weise begrenzt:
Zwar zeigen sie einerseits Unterschiede und Gemeinsamkeiten entlang der Dimensionen von Hochschulart, Geschlecht und Fächergruppe auf, machen aber erstens keine Aussagen über das Zusammenspiel dieser Dimensionen. Interessant wäre in diesem Kontext etwa, was Männer je nach sozialer Herkunft mit einem Studium der Sozialwissenschaften verbinden oder wie sich dies bei Frauen verschiedener sozialer Herkunft in den Ingenieurwissenschaften darstellt. Durch die Berücksichtigung dieser Verschränkungen könnte den Mechanismen der Studienfachwahl noch differenzierter nachgegangen werden – insbesondere dann, wenn Geschlecht nicht nur im Sinne einer binären Einteilung, sondern auch unter Berücksichtigung der damit verbundenen sozialen Herstellungsprozesse behandelt wird. Zweitens deutet die Betrachtung der „Motivlage“ auf die Frage nach dem Verständnis der Studien(fach)wahl auf eine mehr oder weniger rationale Entscheidung hin: So werden mit der Abfrage von Motiven jene Anteile der Studienfachwahl herausgearbeitet, die den Befragten bewusst zugänglich sind und möglicherweise dahinterliegende, eher vorreflexive Anteile bleiben verborgen. Und drittens kann die (willkürliche) Unterteilung von Studienfachwahlmotiven in intrinsische, extrinsische und soziale Motive in Frage gestellt werden. Denn ein ‚extrinsisches‘ Motiv wie die Nachfrage der Studienrichtung auf dem Arbeitsmarkt kann etwa auch als ‚intrinsischer‘ Wunsch nach (beruflicher) Sicherheit gedeutet werden. In diesem Sinne geben die Motivlagen von Studierenden für ihre Fachwahl einen ersten Einblick in den schwerpunktmäßigen Zweck, der mit einem Studium verbunden wird, und deuten gleichzeitig auf weitergehende Fragen nach den dahinterliegenden Mechanismen hin.

2.3.2 Die Wahl eines Ingenieurstudiums: vergeschlechtlichte Zweifel

Wie dargestellt wurde, haben nach dem Konzept der Studienmotive das Fachinteresse und die Einschätzung der eigenen Neigung und ‚Begabung‘20 den größten Einfluss auf die Studienfachwahl. Diese Faktoren sollen nun im Hinblick auf die Bedeutung des Geschlechts tiefergehender betrachtet werden. Was die Entscheidung für bzw. gegen ein Ingenieurstudium angeht21 – also ein Studium, das grundsätzlich, meist sogar erheblich quantitativ männlich dominiert ist – ergibt sich durch die Erkenntnisse von Heine und anderen (2006) ein differenziertes Bild: Mit einer Sekundäranalyse der HIS-Umfragen, des Konstanzer Studierendensurveys, von Daten der amtlichen Statistik und der Studienberechtigtenbefragung aus dem Jahr 2002 gehen sie der Frage nach, welche zentralen Gründe bei der Wahl bzw. Nicht-Wahl eines Ingenieurstudiums vorliegen.
Einen positiven Einfluss auf die Wahl eines Ingenieurfaches hat etwa der Wunsch nach einem hohen Gehalt – auch wenn dieser Einfluss eher gering ist – wobei die berufliche Sicherheit am wichtigsten ist. Einen leicht negativen Einfluss hat dagegen der Wunsch nach einer leitenden Position, einen noch stärker negativen Einfluss auf die Studierwahrscheinlichkeit im Ingenieurbereich hat „soziales Engagement“ (ebd.: 15). Außerdem lassen sich Geschlechtsunterschiede in der Wahl von Ingenieurfächern erkennen, die zudem eng verbunden sind mit dem Motiv der Neigung und ‚Begabung‘. So gibt es „typische Profile“ (ebd.: 13), was die fachliche Selbsteinschätzung angeht: Studierende der Ingenieurwissenschaften haben eine sehr hohe technische Selbsteinschätzung (fast 80 % schreiben sich technische Kompetenzen zu, in den Rechts- und Wirtschaftswissenschaften dagegen weniger als 20 %) und schätzen ihre handwerklichen, mathematischen und naturwissenschaftlichen Kompetenzen hoch ein. Gering dagegen ist die Selbsteinschätzung im künstlerisch-musischen und sprachlich-kommunikativen Bereich (ebd.: 13).
In ihrer Untersuchung nehmen Heine und andere gezielt Absolvent*innen allgemeinbildender Schulen in den Blick, die sich zwar für ein Studium, aber gegen ein Ingenieurstudium entschieden haben und fragen nach den Gründen dieser Entscheidung – was gerade mit Blick auf Geschlechterunterschiede zu neuen Erkenntnissen führt (s. Tabelle 2.2): Klar wird hier, dass deutlich weniger Frauen ein Ingenieurstudium überhaupt in Betracht ziehen, nämlich nur 23 % aller studienberechtigten Absolventinnen aus allgemeinbildenden Schulen und mit positiver Studienentscheidung. Von den Männern sind es dagegen 55 %, für die ein Ingenieurstudium grundsätzlich in Frage kommt. Darüber hinaus wird deutlich, dass die – anteilmäßig wenigen – Frauen, die ein Ingenieurstudium erwägen, sich aus anderen Gründen als die vergleichbare Männergruppe dagegen entscheiden: Zwar ist die fachliche Interessenslage für beide Geschlechter hier der entscheidende Faktor, der allerdings bei den Männern eine weitaus größere Rolle spielt als bei den Frauen.
Tabelle 2.2
Gründe gegen die Aufnahme eines Ingenieurstudiums bei Studienberechtigten aus allgemeinbildenden Schulen und mit positiver Studienentscheidung
Warum haben Sie sich nicht für ein ingenieurwissenschaftliches Studium entschieden?
kam nicht in Betracht
erwogen, spielte aber letztlich keine Rolle
ernsthaft erwogen, aber nicht gewählt
insgesamt
w
m
w
m
W
m
gesamt
Meine Interessen liegen auf anderen Gebieten.
94
92
68
81
50
63
88
Ich habe durch die fachlichen Schwerpunkte in der Schule nur unzureichende Voraussetzungen.
30
31
35
30
36
17
30
Die Behandlung von Technik im Schulunterricht hatte eine abschreckende Wirkung.
31
21
20
12
19
10
25
Ich halte ein Ingenieurstudium für zu langweilig.
22
22
8
13
1
11
19
Den Ingenieurberuf finde ich ganz attraktiv, aber das Studium würde ich ggf. nicht durchhalten.
7
9
27
20
34
33
12
Die Studienangebote in den mich interessierenden Technikfeldern sind mir zu lebensfern.
5
3
6
4
2
5
5
Ein Ingenieurstudium ist zu arbeitsaufwändig.
3
5
5
5
3
4
4
Weil mir die Berufsaussichten in der mich interessierenden Fachrichtung zu unsicher sind.
1
4
12
9
22
16
4
Ich habe schon Interesse am Ingenieurstudium-/ beruf, glaube aber, als Frau nur geringe Chancen zu haben.
2
/
14
/
18
/
2
Größe der Gruppen, bezogen auf die Studienberechtigten aus allgemeinbildenden Schulen und mit Entscheidung für ein Studium (in %)a
77
45
11
16
4
7
 
Quelle: eigene Darstellung, Daten aus Heine et al. 2006: 24. Mehrfachnennung möglich, Angaben in Prozent. Jahrgang 2002.
aAn 100 Prozent fehlende Anteile in den beiden Gruppen „w“ und „m“ entfallen auf Studienberechtigte mit Wahl eines Ingenieurstudiums oder der festen Absicht zur Wahl eines solchen.
Bei den Frauen kommen dagegen noch andere Gründe hinzu, die bei der entsprechenden Männergruppe weniger Gewicht haben (Heine et al. 2006: 24): Die Schulabsolventinnen glauben häufiger, dass sie durch ihre fachlichen Schwerpunkte in der Schule nur unzureichende Voraussetzungen für ein Ingenieurstudium haben – der Unterschied zu den Absolventen ist unter denjenigen, die das Studium ernsthaft erwogen haben, besonders gravierend – und sie beschreiben die Wirkung von Technik im Schulunterricht etwa doppelt so häufig als ihre Mitschüler als „abschreckend“ (Heine et al. 2006: 24). Umgekehrt erhöht sich die Studierwahrscheinlichkeit im Ingenieurbereich, wenn die Qualität des Schulunterrichts in den entsprechenden Fächern positiv wahrgenommen wurde. Die Absolventinnen befürchten auch etwas häufiger, sie würden das Studium nicht durchhalten und sie halten die Berufsaussichten für unsicherer. Den Aufwand des Studiums dagegen schätzen sie genauso hoch ein wie die Absolventen. Einzig der Faktor, das Ingenieurstudium könne zu „langweilig“ (Heine et al. 2006: 24) sein, wird von den Männern häufiger genannt als von den Frauen. Und schließlich fürchten insgesamt 34 % der Frauen, die sich nicht für ein Ingenieurstudium entschieden haben, aufgrund ihres Geschlechts in Studium und Beruf benachteiligt zu werden. Der Anteil der Frauen, die diese Annahme teilt, steigt zudem mit der Ernsthaftigkeit der Überlegung, ein Ingenieurstudium aufzunehmen22.
Was die Entscheidung gegen ein Ingenieurstudium angeht, lässt sich also zusammenfassen: Während mehr als jeder zweite Schulabsolvent überlegt, ein Ingenieurstudium aufzunehmen, kommt das nicht einmal für jede vierte Absolventin in Frage. Bei den Absolventen wiegt die Interessensfrage schwerer, wenn es um die Entscheidung gegen ein Ingenieurstudium geht, während die Absolventinnen stärker an ihren fachlichen Voraussetzungen zweifeln, vom Thema Technik durch die Schule abgeschreckt sind, befürchten, das Studium nicht zu schaffen und zudem geschlechtsspezifische Benachteiligungen erwarten. Kurzum: Männer nehmen häufiger, mit größerer Sicherheit und positiverer Selbsteinschätzung ein Ingenieurstudium auf, während Frauen hier mit verschiedenen Hürden konfrontiert sind, die sie von einer Studienaufnahme abhalten.
Diese Unterschiede nach Geschlecht setzen sich im Studium mit Blick auf einen möglichen Studienabbruch teilweise fort: Darauf weist die Studie von Gabriele Winker, Wibke Derboven und Andrea Wolffram23 hin, die mittels qualitativer, episodischer Interviews mit 40 Studienabbrecher*innen aus den Ingenieurwissenschaften und einer quantitativen Erhebung unter 680 Studienabbrecher*innen der gleichen Fächergruppe den Gründen für den Studienabbruch24 nachgegangen sind (vgl. etwa Wolffram/Derboven/Winker 2009; Derboven/Winker 2010). Im Ergebnis stellen sie sechs Studienabbruchtypen fest, deren Abbruch durch jeweils schwerpunktmäßige und miteinander kombinierte „Konflikt-Cluster“ verursacht wurde (Derboven/Winker 2010: 61). Zu den häufigsten Konflikten gehören etwa die faktenorientierte Stoffvermittlung im Studium, der hohe Stoffumgang und die Unverstehbarkeit des Lernstoffs sowie die Form der Wissensvermittlung, die überwiegend auf formelintensiven Präsentationen isolierter Wissensbereiche fuße (ebd.: 73 ff.). Wegweisend an dieser Studie ist die Erkenntnis, dass der weitaus größte Anteil an Studienabbrecherinnen (84 %) von den gleichen vielfältigen Problemlagen betroffen ist wie die Studienabbrecher. Unterschlagen werden soll indes nicht, dass 16 % der Abbrecherinnen Probleme im Studium haben, die Frauen häufiger belasten als Männer (Derboven/Winker 2010: 73 ff.) und dass einzelne Zahlen von Hochschulen darauf hinweisen, dass Studentinnen das Ingenieurstudium etwas häufiger verlassen als Studenten (Derboven/Winker 2010: 58). Es wirken also durchaus spezifische Abdrängungsmechanismen auf Frauen im Ingenieurstudium ein und die Autorinnen stellen fest, dass das ingenieurwissenschaftliche Studium einer „betont weiblichen Geschlechtsidentität“ gegenüber „in mehrfacher Weise geschlossen ist“ und so die fachliche Exklusion befördert (Wolffram/Derboven/Winker 2009: 97).
Jedoch erlauben weder die Zahlen zu den vergeschlechtlichten Studienvoraussetzungen noch diese ausschnitthaften Erkenntnisse zu Studienabbrüchen in den Ingenieurwissenschaften eine Erkundung der Ursachen, die Frauen von einem Ingenieurstudium abhalten. Nach dieser – aus ungleichheitstheoretischer Sicht eher deskriptiven – Analyse der Zusammensetzung der Studierenden und ihrer Studienmotivation soll sich deshalb den unterschiedlichen Erklärungsversuchen gewidmet werden, wie Studien(fach)wahlen im Kontext von sozialer Herkunft und Geschlecht entstehen und welche sozialen Mechanismen dabei wirken. An dieser Stelle treffen sich die beiden Disziplinen der Geschlechter- und Bildungsforschung: Erstere geht schwerpunktmäßig der Frage nach, welche Rolle das soziale Geschlecht bei Bildungs- und Berufsentscheidungen und damit der fachlichen Segmentierung von Ausbildungen und Arbeitsmarkt spielt. Ein Großteil der Studien zu Geschlecht und Berufswahlen legt dabei den Fokus auf die Wege von Frauen in akademische Ingenieurfächer. Der Grund hierfür ist die Kritik an der Unterrepräsentanz von Frauen im MINT-Bereich als Ausweis sozialer Ungleichheit – wenn Frauen stärker in naturwissenschaftlichen und technischen Studiengängen und den anschließenden Berufen vertreten wären, so die entsprechende Hoffnung, würde dies zu einem Angleichen der sozialen Positionen von Frauen und Männern führen. Weshalb Frauen im MINT-Bereich fehlen und wie einige trotzdem ihren Weg dorthin finden, liegt daher im besonderen Interesse der Geschlechterforschung. Die Bildungsforschung wiederum fragt zwar auch nach dem Einfluss von Geschlecht auf Bildungsentscheidungen, behandelt aber schwerpunktmäßig den dargestellten erheblichen Einfluss der sozialen Herkunft auf Bildungschancen und -entscheidungen. Eine Verknüpfung der beiden Disziplinen an dieser Stelle – und damit die Verknüpfung der Dimensionen von Geschlecht und sozialer Herkunft in der Entstehung von Bildungs- und Berufsentscheidungen – verspricht also neue Erkenntnisse über Studien(fach)wahlen als Mechanismus sozialer Ungleichheit.
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Footnotes
1
Hochschulen für Angewandte Wissenschaften spiegeln eine relativ neue Entwicklung in der Hochschullandschaft wider und ersetzen die bisherigen Fachhochschulen. Beide Begriffe meinen also grundsätzlich den gleichen Hochschultyp, weshalb sie im Folgenden synonym verwendet werden. Davon ausgenommen sind an dieser Stelle Verwaltungs- und Kunstfachhochschulen.
 
2
Zu dieser Fächergruppe gehören die Mathematik und Naturwissenschaften allgemein, Physik und Astronomie, Chemie, Pharmazie, Biologie, Geowissenschaften und Geographie.
 
3
Zur Gruppe der Ingenieurwissenschaften gehören das Ingenieurwesen allgemein, Bergbau, Maschinenbau/ Verfahrenstechnik, Elektrotechnik und Informationstechnik, Verkehrstechnik und Nautik, Architektur und Innenarchitektur, Raumplanung, Bauingenieurwesen, Vermessungswesen, Wirtschaftsingenieurwesen mit ingenieurwissenschaftlichem Schwerpunkt, Informatik, Materialwissenschaft und Werkstofftechnik.
 
4
Mit 23 % ist der Frauenanteil in den Ingenieurfächern an Fachhochschulen noch etwas geringer.
 
5
Zu dieser Fächergruppe gehören die Rechts-, Wirtschafts- und Sozialwissenschaften allgemein, Regionalwissenschaften, Politikwissenschaften, Sozialwesen, Rechtswissenschaften, Verwaltungswissenschaften, Wirtschaftsingenieurwesen mit wirtschaftswissenschaftlichem Schwerpunkt, Psychologie und Erziehungswissenschaften.
 
6
Einschränkend soll darauf hingewiesen werden, dass zum einen der Anteil an Akademiker*innenkindern zunehmend an Aussagekraft verliert, da er in den letzten Jahren enorm gestiegen ist und weiterhin steigt. Zum anderen ist die Unterteilung in Arbeiter- und Akademiker*innenkinder eine sehr grobe, die andere wichtige Differenzierungen übersieht, wie im weiteren Verlauf der Arbeit noch deutlich werden wird.
 
7
An dieser Stelle und im Folgenden wird der in Bildungs- und Geschlechterforschung üblichen Trennung von ‚sozialer Herkunft‘ und ‚Geschlecht‘ gefolgt, die auf die dahinterliegenden Dimensionen von ‚sozialer Klasse‘ und ‚sozialem Geschlecht‘ verweist. Deren Verhältnis zueinander bzw. Zusammenspiel miteinander wird in Kapitel 4 genauer betrachtet. Grundsätzlich wäre jedoch auch denkbar, unter ‚sozialer Herkunft‘ auch die Dimension von ‚Geschlecht‘ zu fassen – versteht man ersteres im Sinne der ‚sozialen Herkunftskultur‘ der Herkunftsfamilie, die sowohl klassenspezifische wie auch vergeschlechtlichte Praktiken umschließt.
 
8
Zur Berechnung der BBQ werden von Kracke/Buck/Middendorff (2018) die amtliche Bevölkerungsstatistik, die amtliche Hochschulstatistik, der Mikrozensus 2011 und die Sozialerhebung des Deutschen Studentenwerks 2016 herangezogen.
 
9
Allgemeinbildendes Gymnasium, Gesamtschule, Fachgymnasium
 
10
Fachoberschule, Berufsoberschule, technische Oberschule, Berufs(fach)schule, Fachakademie (Bayern), Berufsakademie, Schule des Gesundheitswesens, Berufsgrundbildungsjahr
 
11
Mit der Verwendung des Kompetenzbegriffs in den genannten Studien geht zugleich die Frage nach der Messbarkeit von Bildung und ihrer potentiellen Reduzierung auf eine kognitive Dimension einher, weshalb er in dieser Arbeit lediglich im Sinne einer Paraphrasierung verwendet werden soll. Zur Diskussion um den Kompetenzbegriff siehe weiterführend etwa Faas/Bauer-Kaase/Treptow (2014).
 
12
Auch der Gymnasialbesuch steht nicht (mehr) automatisch für den exklusiven Erwerb ‚höherer Bildung‘, stattdessen lohnt sich ein Blick auf die mittlerweile sehr differenzierte Gymnasiallandschaft (vgl. Helsper et al. 2018).
 
13
Was die theoretische Fundierung angeht, greifen sowohl die Analysen von Kracke/Buck/Middendorff (2018) wie auch die PISA-Untersuchungen – wie Müller/Ehmke (2016) – auf die Annahme der primären und sekundären Herkunftseffekte nach Raymond Boudon (1974) zurück, was in Abschnitt 3.​3.​1 diskutiert wird.
 
14
Der Zusammenhang von Habitus und Studienabbruch wird in Abschnitt 3.​3.​2 aufgegriffen.
 
15
Diese Werte sind an Fachhochschulen und Universitäten vergleichbar.
 
16
Die wiederum eine sehr heterogene Gruppe sind, wie die Milieuforschung aufgezeigt hat (vgl. etwa Lange-Vester 2016). Zur näheren Betrachtung von Bildungsaufstiegen und deren Rahmenbedingungen siehe auch etwa Mafaalani (2014) und Spiegler (2018).
 
17
Die hier anklingende „Fremdheit“ von Arbeiter*innenkindern bzw. Bildungsaufsteiger*innen an der Hochschule wird mitunter auch in Frage gestellt (vgl. Miethe 2017).
 
18
Das bestätigen auch die Ergebnisse der Studierendensurveys von Multrus et al. (2017: 14): So wird etwa das „Einkommen“ als (sehr) wichtiges Motiv von 55 % der Wirtschaftswissenschaftsstudierenden angegeben, aber nur von 16 % der Sozialwissenschaftsstudierenden; ebenso gravierend ist der Unterschied beim Motiv, eine „Führungsposition“ erreichen zu wollen (36 % zu 9 %).
 
19
Dass die Motivation von Studienberechtigten mit Interesse an einem ingenieurwissenschaftlichen Fach stärker intrinsisch, das von den Studienberechtigtem mit pädagogischem Studieninteresse eher an Selbstfindung und -entwicklung ausgerichtet ist, sind auch die Ergebnisse aus einem Forschungsprojekt an der Universität Dortmund von Bohn/Gehrmann/Klein (2002: 5).
 
20
Der Begriff der Begabung birgt das Risiko einer essentialistischen Auslegung, die gerade aus Bourdieuscher Perspektive kritisch zu sehen ist. Aus dieser Perspektive würde man eher von einer habitusspezifischen Nähe zu bestimmten Fachinhalten ausgehen (s. Abschnitt 3.​3.​2).
 
21
Auch in Studien der Bildungs- und Motivforschung dominiert die Frage nach einer ingenieur-wissenschaftlichen Studienfachwahl die nach einer sozialwissenschaftlichen Studienfachwahl.
 
22
Eine Differenzierung dieser Zahlen nach sozialer Herkunft wird von den Autor*innen nicht vorgenommen.
 
23
„Studienabbruch von Frauen in den Ingenieurwissenschaften – Analyse studienabbruchrelevanter Studienerlebnisse zur Exploration von Ansatzpunkten zur Erhöhung der Bindungskräfte technischer Studiengänge“, BMBF-finanziert, Laufzeit: Dezember 2005 bis Dezember 2008.
 
24
Zu Recht weisen die Autor*innen darauf hin, dass unter ‚Studienabbrecher*innen‘ nur jene ehemaligen Studierenden gefasst werden, die das deutsche Hochschulsystem ohne Abschluss verlassen. Genau genommen betrachten die Autor*innen das relevantere Phänomen des „Studienschwunds“, das alle Studierenden umfasst, die das betreffende Studienfach ohne Abschluss verlassen haben (Derboven/Winker 2010: 58).
 
Metadata
Title
Studien(fach)wahlen: eine Frage der Motivlage?
Author
Lena Loge
Copyright Year
2021
DOI
https://doi.org/10.1007/978-3-658-32445-2_2