Zusammenfassung
Eine Auseinandersetzung mit Definitionen, Positionen und Reflexionen zum Begriff der „Wahrheit“ zeichnen jenen Hintergrund, vor dem das Phänomen der Fake News deutlich umrissen werden kann. Aufbauend auf der Reflexion von korrespondenztheoretischen Wahrheitskonzepten, den Arbeiten von Vollmer zur evolutionären Erkenntnistheorie, sowie dem rekonstruktiven Ansatz von Bentele, wird folgende Annahme zugrunde gelegt:
‚Es gibt eine objektiv existierende Welt, die uns durch die Wahrnehmung und kognitive Erkenntnis zugänglich ist. In einem Prozess der Selektion, Perspektivität und Konstruktion und dadurch Rekonstruktion entstehen in einem Wechselspiel zwischen objektiven und vorhandenen oder erworbenen subjektiven Strukturen Bilder der Wirklichkeit. Diese werden immer wieder im Rahmen von Erwartung mit der objektiv existierenden Welt verglichen und bei Unterschieden aktualisiert.‘ Der rekonstruktive Ansatz, der erkenntnis- und wissenschaftstheoretische Ansätze in eine kommunikations- und medienwissenschaftliche Theorie übersetzt, in deren Mittelpunkt das Verhältnis von Wirklichkeit und medialer Wirklichkeit steht, schafft dabei gleichsam den theoretischen Rahmen, innerhalb dessen die (codierten) medialen Inhalte in Beziehung zu Wirklichkeit, Objekt und Kommunikationswirkung gesetzt werden können. Auf der Grundlage dieser Auseinandersetzung mit Wahrheit, Wirklichkeit und Medien wird das Phänomen der Fake News analysiert, historisch eingeordnet und definiert. Fake News sind nicht neu. In Anwendung eines Schichtenmodells werden Entwicklungs-, Adaptions- und Integrationsschritte bis zu den Anfängen der menschlichen Kommunikation aufgezeigt. Was sie aber zu einem Realphänomen der heutigen Zeit machen, sind die Möglichkeiten der digitalen Welt: Computertechnik und -programme, globale Vernetzung, breiter Zugang zu Informationen, Such- und Empfehlungsalgorithmen, die digitalen und vor allem die sozialen Medien. Fehlende Standards und Kontrollprozesse ermöglichen zudem die gezielte Erstellung von Fake News, die bestimmte Wahrnehmungsmuster bedienen und so zu intendierten Reaktionen der Rezipienten führen. Die Arbeit definiert Fake News in Abgrenzung zu bisherigen Definitionen wie folgt: ‚Fake News sind falsche Informationen, die antizipierte Wahrnehmungsmuster der Rezipienten bedienen, absichtlich hergestellt und in medialen Passungen zumeist zum Zwecke der Meinungsmanipulation verbreitet werden.‘
Auf die Verarbeitung von Informationen haben wiederum Aspekte wie erworbene Überzeugungen oder Glauben, Wissen und auch phylogenetische, moralische Grundeinstellungen Einfluss. Folgt man der Moral Foundations Theory können diese auch bei der Rezeption von Fake News zu intuitiven Affekten der Ablehnung führen. Mit dem Moral Foundations Questionnaire (MFQ) besteht ein Instrument, um moralische Dispositionen abzufragen und Kategorien zuzuordnen. Fragen aus dem MFQ und dessen Kategoriensystem wurden für die Analyse von Inhalten zum Thema „Impfen“ adaptiert, um zugrunde liegende moralische Position zu dekodieren. Zwischen ihnen, den journalistischen Medien und direkten Erfahrungen entstehen Agenda-Setting-Effekte, die letztlich ebenfalls die Wirklichkeitskonstruktion der Rezipienten und die öffentliche Wahrnehmung beeinflussen können.