01-11-2005 | BEWERTUNG UND STEUERUNG
Unternehmenssteuerung mit Wissensbilanzen – Möglichkeiten und Grenzen
Published in: Controlling & Management Review | Special Issue 9/2005
Log inActivate our intelligent search to find suitable subject content or patents.
Select sections of text to find matching patents with Artificial Intelligence. powered by
Select sections of text to find additional relevant content using AI-assisted search. powered by
Auszug
Im letzten Jahrzehnt ist die Forderung nach einer Ergänzung der finanzwirtschaftlich dominierten Unternehmenssteuerung lauter geworden. Die Auslöser hierfür sind vielfältig und die Argumente werden aus unterschiedlichen Perspektiven hervorgebracht:-
In den führenden wesentlichen Volkswirtschaften kommt dem sekundären Sektor der weiterverarbeitenden Industrie ein rückläufiger Anteil am Bruttosozialprodukt zu, nachdem bereits nach dem zweiten Weltkrieg der Primärsektor (Landwirtschaft und Rohstoffgewinnung) zurückgeführt wurde. Die höhere Bedeutung des tertiären Bereiches der Dienstleistungen in einer Informations- und Wissensgesellschaft führt jedoch zu einer Akzentverschiebung der zur Wertschöpfung erforderlichen Ressourcen. Physische greifbare Ressourcen verlieren zugunsten von so genannten immateriellen Ressourcen ihre Bedeutung. Deren Steuerung stellt die Unternehmen vor neue Herausforderungen, da das klassische Methodenrepertoire nach wie vor auf tangible Ressourcen (materielle und finanzielle Ressourcen) ausgerichtet ist.
-
Als Konsequenz hiervon werden die über Jahrhunderte seit Luca Pacioli weiter entwickelten (Finanz-)Jahresabschlüsse in Frage gestellt. Ausgehend vom anglo-amerikanischen Ziel des financial reporting, der „decision usefulness“, fordert bereits der Bericht der sog. Jenkins-Kommission des AICPA 1994 die Weiterentwicklung des „Financial Accounting“ zum „Business Reporting“ (AICPA 1994). Diese im deutschsprachigen Raum als „Value Reporting“ bezeichnete Bewegung führt zu Entwürfen einer umfassenderen Unternehmensberichterstattung (z. B. AK Externe Unternehmensrechnung 2002, S. 2337 ff., Labhardt 1999, S. 222 ff., Ruhwedel/Schultze 2002, S. 60 ff. oder Saitz/Wolbert 2002, S. 321 ff.). Ein Teilaspekt des Value Reporting ist auch die Forderung nach einer erweiterten Berichterstattung über immaterielle Ressourcen, die durch die derzeit beschränkte Aktivierbarkeit selbsterstellter immaterieller Ressourcen in der externen Rechnungslegung bedingt ist (vgl. für HGB-Abschlüsse z. B. das Aktivierungsverbot nach § 248 Abs. 2 HGB). Dies führt zur Forderung nach einem eigenständigen Berichterstattungsteil, der als Intellectual Capital Statement (z. B. AK Immaterielle Werte im Rechnungswesen 2005, S. 82 ff., Danish Ministry of Science, Technology and Innovation 2003), Intellectual Property Statement (z. B. Maul/Menninger 2000) oder auch Wissensbilanz (z. B. Austrian Research Centers 2000, Maul 2000, Leitner 2003, BMWA 2004) bezeichnet wird. Sveiby fordert eine Verlängerung der Bilanz um immaterielle Ressourcen (Sveiby 1997, S. 11). Günther & Günther diskutieren zusätzlich den Einbezug ökologischer Ressourcen (Günther/Günther 2003). Gleichzeitig zeigen vielfältige Kapitalmarktstudien (z. B. Aboody/Lev 1998 und Deng/Lev/Narin 1999) die Wertrelevanz einzelner Informationen über immaterielle Werte (wie z. B. F&EAufwendungen oder Patente).
-
Parallel und teilweise ohne fachlichen Austausch hierzu entwickelt sich die Disziplin des Wissensmanagement als primär organisational und personal geprägter Ansatz, der in Wissensbilanzen ein Instrument zur Entwicklung von Wissensressourcen im Unternehmen sieht (z. B. der Ansatz des AK Wissensbilanzen in BMWA 2004).
-
Speziell in wissens- und forschungsintensiven Non-Profit-Organisationen entsteht das Problem, dass deren Leistungsstand und Entwicklungspotenzial mit finanzwirtschaftlichen Kenngrößen schwer darstellbar ist. Hier entwickeln sich Wissensbilanzen als spezielle Performance Measurement-Ansätze, um mittels umfassender Indikator-Ansätze deren Leistung messen zu können (z. B. führend der Ansatz des Austrian Research Centers 2000 und die Verpflichtung zur Erstellung von Wissensbilanzen gemäß § 13 Abs. 6 des österreichischen Universitätsgesetzes 2002).
-
Doch auch in Unternehmen stellen immaterielle Ressourcen noch Entwicklungsdefizite in Performance Measurement-Systemen dar, die auf die beschränkte Validität und Reliabilität der Indikatoren und die Furcht vor der Aufdeckung wettbewerbsrelevanter Daten zurückgeführt werden können (vgl. z. B. die empirischen Befunde bei Günther/Grüning 2002, S. 7 ff. und bei Günther/Beyer/Menninger 2005, S. 101 ff.).