1 Relevanz der maschinellen Verblisterung für die Pflege
Im Dezember 2019 lag die Anzahl pflegebedürftiger Menschen in Deutschland bei 4,13 Mio., was in etwa fünf Prozent der Bevölkerung entspricht, Tendenz steigend (Destatis
2021a). Die Zahl der Pflegebedürftigen hat sich dabei seit 2009 beinahe verdoppelt. Die Überalterung der Gesellschaft als Folge soziodemografischer Entwicklungen zeichnet sich dadurch aus, dass ein überproportionaler Anstieg von Bürgern mit medizinischem und pflegerischem Versorgungsbedarf vorliegt. Insbesondere die ältere Bevölkerung leidet häufiger an chronischen Krankheiten im Vergleich zum jüngeren Teil der Bevölkerung und ist oftmals multimorbid (Laurenza et al.
2018). Die Anzahl an Senioren wird voraussichtlich von 15,9 Mio. in 2018 auf mindestens 21 Mio. in 2039 wachsen (Destatis
2021b). Zugleich herrscht im Gesundheitswesen und insbesondere im Bereich der Pflege ein Fachkräftemangel, welches die Versorgungssituation zusätzlich verschärft und den erheblichen Bedarf nach Möglichkeiten der Zeiteinsparung im Arbeitsalltag von Pflegekräften verdeutlicht (Seyda et al.
2021).
Eine der größten Herausforderungen für die ältere Bevölkerung mit chronischen und schweren Krankheiten wie z. B. Demenz liegt darin, ihren vom Arzt verschriebenen Medikationsplan zu lesen und einzuhalten (Laurenza et al.
2018). Um Medikationsfehlern wie der falschen Einnahme oder dem Vergessen der Einnahme von Seiten der Patienten vorzubeugen, können pflegende Angehörige unterstützen oder Pflegedienste beauftragt werden, die Medikation für den Patienten zusammenzustellen und zu verabreichen. Die Medikamentenversorgung durch Pflegedienste ist jedoch ein Hochrisikoprozess und kann hohe Fehlerquoten aufweisen, denn die Medikamente werden häufig manuell vom Pflegepersonal und meist in der Nachtschicht zusammengestellt (Lauterbach et al.
2007; KU
2020; Negele und Königer
2019). Uhrhan und Schaefer (
2010) zufolge ist das Stellen der Medikationen in der Nachtschicht als besonders bedenklich anzusehen, da solch ein fehleranfälliger und zeitaufwändiger Prozess in störungsfreien und gut belichteten Räumen durchgeführt werden sollte, welches in Nachtschichten häufig nicht gegeben ist. Van den Bemt et al. (
2009) fanden in einer Studie zur Medikationsverabreichung in Pflegeheimen heraus, dass die häufigsten Fehler bei der Verabreichung der Medikation im Rahmen der Zusammenstellung der Medikationen durch das Pflegepersonal passieren. Insgesamt waren 21 % der gestellten Medikationen fehlerhaft. Zu einem ähnlichen Ergebnis kommen Bader et al. (
2003), welche postulieren, dass in ihrer Studie bei 28 % der Bewohner von Pflegeheimen Fehler bei der Stellung von Medikationen aufgetreten sind. Die manuelle Sortierung und Verabreichung der Medikamente für den Patienten bergen Risiken wie Doppelmedikation und nicht berücksichtigte Wechselwirkungen unterschiedlicher Medikamente (Negele und Königer
2019). Eine mögliche Lösung, um dem entgegenzuwirken, könnte die Unterstützung des Pflegepersonals oder der pflegenden Angehörigen durch eine Apotheke mittels der maschinellen Verblisterung von Medikamenten über Blisterzentren darstellen. Darüber hinaus können die Risiken der Medikationsfehler durch uneindeutige Dokumentationen ärztlicher Anweisungen, Kommunikationsprobleme und unstrukturierter Aufbewahrung der Medikationen weiter erhöht werden (Uhrhan und Schaefer
2010), welches den Bedarf nach verbesserter Vernetzung der Stakeholder im Gesundheitswesen verdeutlicht.
Im Rahmen dieses Artikels wurde eine Fallstudie mit einer Apotheke, einem Pflegedienst und einem Blisterzentrum durchgeführt, in der elf ursprünglich nur vom Pflegedienst manuell versorgte Patienten durch maschinelle Verblisterung und unter Anwendung der Vernetzungsplattform MediMan in ihren Wohngemeinschaften neuartig versorgt wurden. Das Ziel des Artikels ist es daher, Erkenntnisse und Handlungsempfehlungen aufzuzeigen, wie eine digitale, über die Apotheke gesteuerte Vernetzungsplattform MediMan im Zusammenspiel mit der maschinellen Medikamentenverblisterung zu einer sicheren und effizienten Patientenversorgung sowie einer verbesserten interprofessionellen Zusammenarbeit zwischen Apotheken, Pflegediensten, Blisterzentren und Arztpraxen führen kann. In diesem Zuge wird ein Prozess zur maschinellen Medikamentenverblisterung dargestellt. Es werden daher die folgenden Forschungsfragen verfolgt:
Im Folgenden wird zuerst ein Überblick über die Grundlagen der Verblisterung gegeben, indem relevante Begrifflichkeiten definiert, der Status Quo der Verblisterung beschrieben sowie die Vernetzungsplattform MediMan dargestellt wird. Daran anknüpfend werden die rechtlichen Rahmenbedingungen für die Verblisterung erläutert. Anschließend wird die zugrundeliegende Methodik dieser Fallstudie dargelegt. Es werden daraufhin der Ausgangsprozess der Verblisterung erläutert, Schwachstellen identifiziert und darauf aufbauend ein Zielprozess sowie Potenziale der Plattform MediMan analysiert. Die Ergebnisse werden kritisch diskutiert, Implikationen und Limitationen werden aufgezeigt und ein Ausblick für zukünftige Forschung gegeben. Abschließend werden die Ergebnisse in einem Fazit mit Rückblick auf die Forschungsfragen zusammengefasst.
3 Methodik
In diesem Beitrag wird anhand einer Prozessdarstellung aufgezeigt, welche Herausforderungen die manuelle Rezept- und Medikamentenbestellung und das manuelle Verblistern durch den Pflegedienst darstellt sowie welche Potenziale sich durch die maschinelle Verblisterung und den Einsatz einer Vernetzungsplattform ergeben. Die Prozessdarstellung folgt der Prozessmodellierungssprache Business Process Model and Notation, wobei diese in Anlehnung an Wohed et al. (
2006) in Teilen vereinfacht verwendet wird, um den relativ komplexen Anwendungsfall verständlicher darzustellen. Die zugrundeliegende Fallstudie fand im Bereich des Prozessmanagements statt, um den Ablauf und die Kommunikation bei der Medikamentenbestellung, -lieferung sowie -vergabe durch Pflegedienste mithilfe digitaler Technologien zu verbessern und so das Patientenwohl und die Patientensicherheit zu erhöhen. Dieses Vorhaben orientiert sich am Geschäftsprozessmanagement-Lebenszyklus, bei dem sukzessiv die folgenden fünf Schritte durchgeführt werden: Prozesserhebung, Prozessmodellierung, Prozessanalyse, Prozessverbesserung und Prozessimplementierung (Dumas et al.
2013). Die Erprobung der Vernetzungsplattform MediMan, die mithilfe einer wissenschaftlichen Literaturrecherche, Workshops und Fokusgruppen (Morgan
1997), drei Experteninterviews mit Apothekern von an der Fallstudie beteiligten Apotheken sowie Prozessanalysen (Gläser und Laudel
2010) begleitet wurde, dient als Basis dieser Arbeit. Es fanden insgesamt zwei Workshops mit jeweils vier bzw. sechs potenziellen Nutzern von MediMan sowie zwei Fokusgruppen mit fünf Experten, bestehend aus Apothekern, Mitarbeitern in Apotheken, Pflegedienstleitungen und Mitarbeitern von Pflegediensten, die an dieser Fallstudie teilgenommen haben, statt.
5 Diskussion und Implikationen
Durch die Ergebnisse dieser Fallstudie lassen sich die folgenden Rückschlüsse ziehen: Eine maschinelle Verblisterung hat das Potenzial, zu einer Arbeitserleichterung für Pflegedienste oder pflegende Angehörige mit einer reduzierten Fehlerquote bei der Zusammenstellung und Verabreichung der Medikamente beizutragen, wodurch eine höhere Arzneimitteltherapiesicherheit ermöglicht werden könnte. Diese Fehlerreduktion lässt sich durch die vereinfachte Vergabe der Medikamente durch die Pflegekräfte herbeiführen, da der Prozess der Medikationsvergabe durch die vorgefertigten Blister deutlich im Umfang und der Komplexität reduziert wird. Bei der Einbindung von Blisterzentren wird eine Erleichterung im Arbeitsalltag der Apotheken erreicht, sobald die Prozessumstellung nach ggf. anfänglichen Anpassungshürden erfolgt ist. Insgesamt könnte hierdurch nicht nur die Arbeitsbelastung des Personals gesenkt, sondern auch mehr Kapazitäten für die Betreuung der Pflegebedürftigen geschaffen werden. Besonders die COVID-19-Pandemie hat die Potenziale der maschinellen Verblisterung greifbar gemacht. Ein Beispiel stellt der besonders hohe Betreuungsaufwand für multimorbide Chroniker in der Pandemie dar. Es geht darum, besonders schützenswerte Risikopatienten mit höchster Sicherheit und Qualität zu versorgen und unnötige Kontakte zu vermeiden (z. B. durch Reduzierung von (Leer‑)Fahrten), was hierdurch ermöglicht wird. Dennoch führt die maschinelle Verblisterung insgesamt zu einem hohen logistischen Aufwand, da Medikationsänderungen Anpassungen der Verblisterung hervorrufen. An diesem Punkt setzt der hier vorgestellte Anwendungsfall an und stellt dar, wie Vernetzungsplattformen dazu beitragen können, die Logistik, die Kommunikation, das Aufgabenmanagement sowie die Dokumentation aber vor allem auch die Versorgungsqualität erheblich zu vereinfachen und zu verbessern. Dadurch entstehen Möglichkeiten, die weg von mehreren Insellösungen bis hin zu einer einheitlichen, über die Apotheke gesteuerten Plattform gehen und so mehrere Akteure mit der gleichen Datenbasis vernetzt werden können.
Besonders in den ersten vier Wochen nach der Abstimmung mit allen beteiligten Akteuren war der Aufwand hoch. Dies lag nicht, wie erwartet, an der Prozessumstrukturierung, da sich diese aufgrund der hohen Bereitschaft der Mitarbeitenden einfach gestaltete. Stattdessen war es sehr aufwändig, die Schnittstelle zwischen MediMan und der Software des Blisterzentrums blister.connect zu schaffen, obwohl alle technischen Voraussetzungen bei MediMan geschaffen waren. Die Komplexität lag darin, die Blisterdatei in das richtige Format zu bringen, indem die Informationen aus den einzugebenden Feldern in MediMan automatisch zu einem von blister.connect gewünschten Dateiformat zusammengesetzt werden. Nur mit dem richtigen Dateiformat, das sonst aus der Blistersoftware automatisch erstellt wird, kann ein Blisterschlauch automatisch erstellt werden. Um das zu ermöglichen, musste der Blistersoftware-Hersteller die Anforderungen an MediMan teilen, die erst einmal zu bestimmen waren, da es dafür noch keine zentralen Informationen und standardisierten Prozesse gab. Dies beschreibt eine Herausforderung, die für Lösungen im frühen Markt, d. h. in diesem Falle als erste Schnittstelle für den Blistersoftware-Hersteller, typisch sind. Der Blistersoftware-Hersteller, einer der führenden in Deutschland, musste sich den eigenen technischen Voraussetzungen erst bewusst werden, sodass eine Schnittstelle eingerichtet werden konnte. Für weitere Schnittstellen und für alle nachfolgenden Lösungen ist der Weg jedoch geebnet.
Die maschinelle Verblisterung ist aktuell trotz des großen Potenzials noch nicht stark verbreitet. Die Bezahlung von Pflegediensten an die Apotheke wird häufig noch als ein Hinderungsgrund der flächendeckenden Einführung angesehen. Diese belaufen sich nach Aussage von im Vorfeld dieser Fallstudie befragten drei Apothekern bei maschinell gefertigten Schlauchblistern auf etwa fünf Euro pro Woche pro Patient. Für die manuelle Verblisterung berechnen Apotheken meistens zwischen 2–3,50 € pro Woche pro Patient, hinzugerechnet wird noch das Rezept- und Medikationsmanagement (IWW
2021). Hinzu kommt, dass noch keine einheitliche Regelung für die Honorierung von Apotheken für das Verblistern existiert (Müller-Bohn
2014). Darüber hinaus ist die Vergütung für die Unterstützung einer Apotheke für das Verblistern aktuell noch kaum kostendeckend, da ein recht hoher Personal- und Organisationsaufwand für die manuelle wie auch die maschinelle Verblisterung von Medikamenten anfällt (Müller und Schabbeck
2019). Durch den Einsatz maschineller Verblisterung über Vernetzungsplattformen kann dieser Prozess jedoch standardisiert und erleichtert werden. Dennoch ist in Zukunft zu diskutieren, die Vergütung der Apotheke zu erhöhen und die Vorteile und Mehrwerte für die Pflege im Rahmen einer qualitativ hochwertigen Verblisterung entsprechend zu nutzen (IWW
2021). Die Herausforderung besteht dabei darin, dass bislang Pflegedienste bzw. Patienten selbst die Apotheken für die Verblisterung vergüten müssen. Diese Akteure können die Vergütung jedoch nicht erhöhen, um sich das maschinelle Verblisterungsangebot mit Einbindung von Blisterzentren für die Apotheken attraktiver zu gestalten. Ein Ziel könnte es demzufolge sein, dass die Verblisterung als eine Regelleistung der Krankenkassen angeboten wird und die Apotheken dafür entsprechend honoriert werden. Für den Pflegedienst liegen die Vorteile der maschinellen Verblisterung über Vernetzungsplattformen in der Zeitersparnis und der Gewährleistung der Arzneimittelsicherheit durch die Apotheke (Ditzel
2016). In der Arzneimitteltherapie könnten sich darüber hinaus Einsparpotentiale aus vermeidbaren Verschreibungsfehlern von 8,7 Mio. € pro Jahr ergeben. Aus vermeidbaren Über- und Unterdosierungen der Patienten könnten potenziell 1,7 Mio. € pro Jahr eingespart werden. Durch Blister ergebe sich auf ein Jahr gerechnet ein Einsparvolumen von 18,36 € pro Patient (Lauterbach et al.
2006). Insgesamt können aus der Praxisfallstudie somit die folgenden acht Erkenntnisse bzw. Handlungsbereiche festgehalten werden:
1.
Prozessvereinfachung: Vereinfachung des Prozesses durch eine zentrale Vernetzungsplattform wie MediMan, wodurch ein „veraltetes“ Versorgungsmodell mithilfe von Technologie neu aufgesetzt wird. Auf Basis der Erkenntnisse dieser Fallstudie sollte diese Plattform Pflegedienste, Apotheken, Blisterzentren und Ärzte miteinander vernetzen und einen Datenaustausch hinsichtlich verordneter Rezepte und Medikationspläne erlauben. Die Plattform sollte so übersichtlich und intuitiv gestaltet sein, dass für die Akteure möglichst wenig Aufwand und kaum Abstimmung nötig sind. Zudem sollten standardisierte Prozesse verfolgt werden, die insbesondere für Pflegedienste, ohne Warteschleifen und Zeitverzug auskommen und so mehr Zeit für die Versorgung der Patienten lassen.
2.
Plattformerprobung: Bestehende Plattformen wie z. B. die Gesundheitsplattform gesund.de
3, über die u. a. Apotheken gesucht, E‑Rezepte hochgeladen und Medikationslisten angelegt werden können, sollten von den Gesundheitsdienstleistern erprobt werden, um auf zukünftige digitale Lösungen wie das E‑Rezept besser vorbereitet zu sein.
3.
Abstimmungsbedarfe: Anfangs kann es zu einem höheren Abstimmungs- und Anpassungsbedarf (Prozesse und IT bzw. Business-IT-Alignment) als erwartet kommen, weshalb empfohlen wird, diese frühzeitig und mit vergleichsweise hohem Zeitanteil einzuplanen. Diese Abstimmungsbedarfe zahlen sich mittel- und langfristig aus, sobald die Vernetzungsplattform und der neue Versorgungsprozess standardisiert integriert sind.
4.
Mitarbeitereinbindung und -schulung: Die frühzeitige Einbindung von Mitarbeitenden und deren Schulung ist von hoher Relevanz, da diese mit der Plattform arbeiten. Es ergeben sich daraus Vorteile wie die Entlastung des Pflegepersonals und eine Erhöhung der Behandlungsqualität sowie die Fehlervermeidung durch standardisierte Kommunikation.
5.
Informationsverbreitung: Aktuell ist insbesondere die Informationsverbreitung wichtig, damit die Gesundheitsakteure und die Bürger besser über die digitalen Angebote und deren Möglichkeiten informiert werden und sich die maschinelle Verblisterung als Aufgabe der Apotheke vor Ort durchsetzen kann.
6.
Vergütungsregelungen: Es bedarf an klaren, einheitlichen Vergütungsregelungen durch die Politik, die aktuell noch nicht bestehen.
7.
Schnittstelle Warenwirtschaftssystem: Für zukunftsfähige Plattformen ist eine Schnittstelle zu bestehenden Warenwirtschaftssystemen von Bedeutung. Die Schnittstelle sollte dabei die Daten beider Systeme abspeichern, sodass der händische Datenabgleich entfällt. Informationen über die Medikamente und deren Stückzahl sollen dabei an die Plattform übermittelt werden. Die Plattform übermittelt dann die Daten der Bestellung an das Warenwirtschaftssystem. Durch die Schnittstelle entfällt die doppelte Pflege beider Systeme und kann somit potenziell zu Zeitersparnissen führen und Erfassungsfehler reduzieren.
8.
Interoperabilität und TI: Vernetzungsplattformen sollten zudem über offene Schnittstellen und eine entsprechende Kompatibilität zur TI verfügen. Die Vorgaben zur Interoperabilität an Schnittstellen von Plattformen sind für einen sichereren Austausch medizinischer Daten zu beachten, indem die vorhandenen international anerkannten technischen, syntaktischen und semantischen Standards (z. B. HL7 CDA/GDT) berücksichtigt werden.
Ist die Schnittstelle von Apotheke zu Blisterzentrum erstmal geschaffen, ist der Vertrieb der Verblisterung auch niederschwellig an den Patienten möglich. Diese Möglichkeit schafft ein Alleinstellungsmerkmal und damit einen Wettbewerbsvorteil, da der Aufwand für die Realisierung des neuen Versorgungsangebots nur noch sehr gering ist. Um diesen Geschäftszweig erfolgreich zu betreiben, ist es wichtig, alle Mitarbeiter zu schulen, um potenzielle Patienten für die Verblisterung zu gewinnen und pflegende Angehörige auf diese Dienstleistung aufmerksam zu machen. Potenzielle Patienten sind insbesondere die Generation über 60 Jahre sowie Patienten mit Polymedikation und/oder einer schlechten Medikamentencompliance (Ditzel
2016).
Zukünftig ist die Anbindung des pharmazeutischen Großhandels und des zuständigen Blisterzentrums an Vernetzungsplattformen per Schnittstelle wünschenswert, um in Echtzeit die Auftragsabwicklung betreffend Folgebestellungen und die maschinelle Verblisterung zu organisieren. Ziel ist es, einen niederschwelligen und anwenderfreundlichen Prozess abzubilden, mithilfe dessen alle an einer Arzneimittelbeschaffung und am Arzneimittelmanagement beteiligten Akteure durch einen einzigen Arbeitsschritt gleichzeitig informiert werden: Wenn ein Folgerezept für einen Patienten bestellt wird, sollte mit der Auslösung der Bestellung (1) der Großhandel mit der Lieferung des Arzneimittels, (2) die Arztpraxis mit der Ausstellung eines Folgerezeptes und (3) das Blisterzentrum mit der Produktion des Schlauchblisters beauftragt werden. Während des ganzen Ablaufs sind die zuständige Apotheke und der jeweilige Pflegedienst über den Prozessfortschritt gleich informiert und somit können sie direkt und vorab logistische Arbeitsschritte einleiten und Wartezeiten oder Leerfahrten reduziert werden.
Im Folgenden sind einige Limitationen zu nennen, die die Ergebnisse betreffen: Kritische Aspekte umfassen u. a., dass dem Pflegepersonal gegebenenfalls nicht mehr die Kompetenz in Bezug auf Arzneimittel zugeschrieben wird und die maschinelle Verblisterung einiger Arzneimittel bisher ein relativ komplexer Prozess ist (IQWiG
2019). Eine Herausforderung bei der Nutzung von Vernetzungsplattformen besteht auf Seiten der Pflegebedürftigen, die auf Unterstützung bei der Medikation angewiesen sind. Personen, die multimorbid und nicht in der Lage sind, die Medikation selbstständig zu stellen und einzunehmen, könnten durch die eigene Nutzung von Vernetzungsplattformen wie MediMan überfordert sein und Probleme damit haben, diese zu nutzen. Der Mehrwert könnte allerdings im Bereich der pflegenden Angehörigen gesehen werden, die einen besseren Überblick über die Medikation ihres Angehörigen bekommen und somit ein Gefühl der Sicherheit und sicheren Versorgung erhalten könnten. Ein weiterer Kritikpunkt besteht bei den Änderungen der Medikation durch Ärzte. Diese Änderungen können durch manuelles Stellen der Medikation unmittelbar durch den Pflegedienst umgesetzt werden. Bei der maschinellen Verblisterung ist es deshalb besonders relevant, dass alle Stakeholder Vernetzungsplattformen kontinuierlich nutzen, um den relevanten Personen etwaige Änderungen schnellstmöglich zu übermitteln und Medikationen anzupassen. Eine weitere methodische Limitation liegt darin, dass es sich hier um eine Fallstudie handelt, sodass eine empirische Untersuchung nicht ohne Weiteres möglich ist und die Ergebnisse, die sich hier ergeben, nicht notwendigerweise auf andere Bereiche übertragbar und generalisierbar sind.
Insgesamt besteht aufgrund der fehlenden Datengrundlage im Bereich Verblisterung ein großer Bedarf an Studien vor allem in Deutschland, um die Nutzen- und Kosten-Aspekte in der Patientenversorgung durch den Einsatz der patientenindividuellen Verblisterung zu untersuchen (IQWiG
2019). Aus diesem Grund wird hier ermutigt, eine Kosten-Nutzen-Analyse im Bereich der maschinellen Verblisterung anhand von Vernetzungsplattformen durchzuführen.
6 Fazit
Ziel dieses Beitrages war es, aufzuzeigen, welche Potenziale sich aus der maschinellen Medikamentenverblisterung kombiniert mit einer Vernetzungsplattform wie MediMan ergeben, um die Zusammenarbeit zwischen Apothekern und Pflegediensten zu verbessern (FF1) sowie Erkenntnisse und Handlungsbereiche auf Basis dieser Fallstudie in Bezug auf die maschinelle Verblisterung gesteuert über die Vernetzungsplattform MediMan abzuleiten (FF2). Mit Rückschluss auf FF1 lässt sich sagen, dass sich Potenziale im Bereich der Prozesskosten für Apotheken und Pflegedienste ergeben könnten, welche sich langfristig senken lassen könnten. Hierdurch entstünde Potenzial, um die eingesparten Ressourcen in die Behandlungsqualität zu investieren und die Behandlungsqualität somit zu steigern. Zudem könnten Medikationsfehler über die maschinelle Verblisterung und den hier angegebenen Prozess reduziert werden. Darüber hinaus kann durch die Einbindung von Blisterzentren der Arbeitsaufwand für Apotheken weiter verringert und die Arzneimittelsicherheit für Pflegedienste gewährleistet werden. Der hier vorgestellte Zielprozess zeigt einen Schritt weg von Insellösungen und zeigt das Potenzial hin zu einer einheitlichen Lösung für alle Akteure auf, die an der medikamentösen Versorgung eines Patienten beteiligt sind. Hieraus entsteht das Potenzial, Apotheken, Pflegedienste und auch Arztpraxen über Institutionsgrenzen hinweg digital zu vernetzen und somit die Zusammenarbeit nachhaltig zu verbessern. Mit Blick auf FF2 lässt sich festhalten, dass sich anhand dieser Fallstudie acht Erkenntnisse bzw. Handlungsbereiche ableiten lassen: (1) Prozessvereinfachung, (2) Plattformerprobung, (3) Abstimmungsbedarfe, (4) Mitarbeitereinbindung- und schulung, (5) Informationsverbreitung, (6) Vergütungsregelungen, (7) Schnittstelle Warenwirtschaftssystem sowie (8) Interoperabilität und TI. Offene Fragen beziehen sich auf Kosten-Nutzen-Aspekte der maschinellen Verblisterung, welche über Vernetzungsplattformen gesteuert werden und auf noch ungeregelte Vergütungsregelungen für die maschinelle Verblisterung, welche in zukünftiger Forschung adressiert und ausgearbeitet werden sollten, um den Ausbau maschineller Verblisterung, gesteuert über Vernetzungsplattformen, voranzutreiben.
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