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1991 | Book

Wechselverformung von Metallen

Zyklisches Spannungs-Dehnungs-Verhalten und Mikrostruktur

Author: Dr.-Ing. habil. Hans-Jürgen Christ

Publisher: Springer Berlin Heidelberg

Book Series : WFT Werkstoff-Forschung und -Technik

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About this book

Metalle und Legierungen werden in der technischen Praxis als Konstruktionswerkstoffe für Bauteile eingesetzt, die im Betrieb eine Wechselbeanspruchung erfahren. Als Folge dieser Beanspruchung laufen mikrostrukturelle Veränderungen ab, die sich makroskopisch im Wechselverformungsverhalten äußern und letztlich das Versagen des Bauteils verursachen können. Im vorliegenden Buch wird das zyklische Spannungs-Dehnungs-Verhalten metallischer Werkstoffe auf der Grundlage der mikrostrukturellen Vorgänge in wissenschaftlicher und gleichzeitig lehrbuchartiger Form behandelt. Die Einbeziehung der Mikrostruktur bei dieser Betrachtung dient dabei nicht nur zur Vertiefung des Verständnisses, sondern hat darüber hinaus das Ziel, ausgehend von einfachen Laborexperimenten, auf das Verformungsverhalten unter den meist komplexen Bedingungen des technischen Einsatzes schließen zu können. Es wird gezeigt, daß aufgrund der räumlichen Heterogenität der plastischen Verformung Vielkomponentenmodelle zur Beschreibung des zyklischen Verformungsverhaltens physikalisch gerechtfertigt sind. Die statistische Behandlung zweier einfacher Modelle liefert mathematische Beziehungen, die es erlauben, eine quantitative Modellierung des Spannungs-Dehnungs-Verlaufes durchzuführen. Die Voraussetzungen, der Anwendungsbereich und Erweiterungsmöglichkeiten dieser Modellierung werden dargestellt.

Table of Contents

Frontmatter
Kapitel 1. Zur Bedeutung des zyklischen Spannungs-Dehnungs-Verhaltens
Zusammenfassung
Wenn man an die Festigkeit eines Werkstoffes denkt, so wird man in der Regel zunächst stillschweigend von einer einsinnigen Belastung ausgehen und die Belastbarkeit durch eine ingenieurmäßige Große wie die 0,2%-Dehngrenze R p 0,2 charakterisieren. Nahezu alle in der Technik eingesetzten Bauteile werden aber nicht nur einsinnig oder statisch belastet, sondern unterliegen einer wechselnden mechanischen Belastung. Bereits seit mehr als 150 Jahren ist bekannt [1], daß metallische Werkstoffe bei einer Schwingbeanspruchung eine geringere Festigkeit aufweisen können als bei statischer Belastung. Die Ursache dafür sind durch die Wechsellast hervorgerufene kleine mikrostrukturelle Veränderungen, die sich aber über viele Belastungszyklen akkumulieren und sich makroskopisch auf die Festigkeitseigenschaften des Werkstoffes auswirken.
Hans-Jürgen Christ
Kapitel 2. Begriffe, Definitionen und gebräuliche Darstellungen
Zusammenfassung
Häufig wird das Verständnis für Zusammenhänge für einen “Fachfremden” deshalb unnötig erschwert, weil er nicht über das Handwerkszeug einer wissenschaftlichen Disziplin in Form der benutzten Terminologie verfügt. Dabei ist die Verwendung fachspezifischer Begriffe meist weniger als Schutz vor dem geistigen Zutritt von Außenstehenden gedacht, sondern eher als Möglichkeit prägnanter und zeitsparender Ausdrucksweise. Leider verleitet die alltägliche Benutzung von Fachbegriffen zu einer Selbstverständlichkeit, die eine objektive Beurteilung, was eine nicht mit dieser Materie vertraute Person verstehen bzw. nicht verstehen kann, erschwert. Um dieser Gefahr zu begegnen, werden im Abschnitt 2.1 zunächst die üblicherweise für die graphische Auftragung von experimentellen Ergebnissen zum zyklischen Spannungs-Dehnungs-Verhalten benutzten Darstellungen zusammenhängend behandelt. Im Abschnitt 2.2 folgt dann eine phänomenologische Betrachtung typischer Verhaltensweisen bei zyklischer Beanspruchung, die später auf der Basis der mathematisch formulierten Modellvorstellungen interpretiert werden.
Hans-Jürgen Christ
Kapitel 3. Zur Form der Hysteresekurve
Zusammenfassung
In Abschnitt 2.1.1 wurde bereits darauf hingewiesen, daß die mechanische Hysteresekurve die Antwort eines Werkstoffes auf eine zyklische Belastung wiedergibt und damit als integrale Darstellung der das zyklische Verformungsverhalten bestimmenden mikrostrukturellen Vorgänge betrachtet werden kann. Die Notwendigkeit der übersichtlichen und vergleichbaren Darstellung des zyklischen Verformungsverhaltens führt auf die in den Abschnitten 2.1.2–2.1.4 eingeführten Diagrammtypen. Diese sind aber immer mit einem Verlust an Information verbunden, da sie aus den Hysteresekurven eines Wechselverformungsversuches nur einzelne, ausgewählte Punkte übernehmen. So wird z.B. in der zyklischen Spannungs-Dehnungskurve nur der Sättigungszustand betrachtet und dieser wiederum nur durch ein Wertepaar (σS, ϵ pl,S ) gekennzeichnet (Abb. 2.4).
Hans-Jürgen Christ
Kapitel 4. Vielkomponentenmodelle
Zusammenfassung
Idealerweise sollte ein mathematischer Formalismus zur Beschreibung des Verformungsverhaltens von Werkstoffen von der Betrachtung der mikroskopischen Vorgänge, also in Strenge auf der Basis atomarer Prozesse, erfolgen. Daß diese Wunschvorstellung nur in ganz wenigen einfachen Fällen zum Erfolg führen kann, ist verständlich, wenn man die Komplexität und Vielzahl der zumeist auch noch gekoppelt auftretenden Mechanismen berücksichtigt. Wenn nicht einmal das elastische Werkstoffverhalten auf atomarer Basis vorausberechenbar ist, wie sollte es die doch wesentlich schlechter formal erfaßbare plastische Verformung sein.
Hans-Jürgen Christ
Kapitel 5. Die Versetzungsstruktur bei zyklischer Verformung
Zusammenfassung
Nach der z.T. doch sehr formalen Beschreibungsweise von Metallen und Legierungen ab Vielkomponentensysteme im letzten Kapitel sollen die grundsätzlichen Ergebnisse der Untersuchungen zu der sich bei der zyklischen Verformung einstellenden Versetzungsstruktur dargestellt werden. Dieses Gebiet ist so komplex und, wie z.B. die Anzahl der dazu vorliegenden Veröffentlichungen zeigt, so umfangreich, daß eine sinnvolle Beschränkung Not tut.
Hans-Jürgen Christ
Kapitel 6. Die mikrostrukturelle Basis der Vielkomponentenmodelle
Zusammenfassung
Das Kapitel 5 zeigt, daß bei der Wechselverformung von Metallen und Legierungen eine heterogene Versetzungsanordnung entsteht. In Versetzungsbündeln, -adern oder -wänden ist die Versetzungsdichte sehr groß; zwischen diesen Strukturen liegen Bereiche niedriger Versetzungsdichte vor. Bis vor einigen Jahren wurden die Verbundmodelle (oder Mehrkomponentenmodelle) nahezu ausschließlich dazu benutzt, entweder das Verhalten von Werkstoffen, die aus unterschiedlichen Gefügebestandteilen aufgebaut sind oder unterschiedlichen thermomecha-nischen Beanspruchungen unterliegen (→Eigenspannungen 1. Art, z.B. [107]), zu beschreiben, oder aber (ohne metallphysikalische Grundlage) auf rein formaler Basis das Spannungs-Dehnungs-Verhalten zu berechnen (z.B. [134, 117, 31]). Mughrabi [172, 169, 231, 232] konnte, ausgehend von der experimentellen Beobachtung von Eigenspannungen in einphasigen Kupfereinkristallen, das makroskopische Verformungsverhalten mit Hilfe eines auf zwei Komponenten beruhenden Verbundmodells erklären. Damit erhalten die in Kapitel 4 beschriebenen und mathematisch behandelten Vielkörpermodelle eine physikalische Grundlage. Unterschiedliche Streckgrenzen können Bereichen unterschiedlicher Versetzungsdichte zugeordnet werden. Die statistische Betrachtungsweise, die auf den Zusammenhang von Hysteresekurve und Streckgrenzenverteilungsfunktion führt (4.16 und 4.28), stellt somit eine mathematische Erweiterung des Mughrabischen Verbundmodells1 dar.
Hans-Jürgen Christ
Kapitel 7. Abhängigkeit von einer mechanischen Vorgeschichte
Zusammenfassung
Die Abhängigkeit des Spannungs-Dehnungs-Verhaltens und der Mikrostruktur von der vom Werkstoff “durchlebten” mechanischen Vorgeschichte ist sicherlich eines der wichtigsten aber gleichzeitig auch eines der schwierigsten Gebiete aus dem Bereich der mechanischen Eigenschaften von Metallen und Legierungen. Die Bedeutung folgt unmittelbar aus der Abhängigkeit der Schädigungszunahme (z.B. pro Lastspiel bei zyklischer Verformung) vom vorangegangenen Beanspruchungsverlauf. Allein auf der Basis der jeweils aktuell wirksamen Belastungssituation, ohne Berücksichtigung der Vorgeschichte, ist eine sichere Lebensdauerabschätzung nicht möglich. Eine lineare Schadensakkumulationsrechnung, die ja nur unter speziellen Voraussetzungen (siehe Abschnitt 2.1.4) Reihenfolgeeinflüsse berücksichtigt, stellt nur eine erste Näherung dar. Daß diese Methode der Lebensdauerprognose aber immer noch die am häufigsten benutzte ist, liegt nicht nur an ihrer bestechenden Einfachheit sondern nicht zuletzt an der Komplexität des Gebietes Vorgeschichteabhängigkeit.
Hans-Jürgen Christ
Kapitel 8. Zur experimentellen Methodik
Zusammenfassung
Es würde den Rahmen dieses Buches bei weitem sprengen, wenn auf die Details der experimentellen Methoden zur Untersuchung des zyklischen Spannungs-Dehnungsverhaltens eingegangen werden sollte. Deshalb werden in diesem Kapitel nur die Aspekte experimenteller Versuchsführung behandelt, die über die Standardverfahren hinausgehen und sich unter dem Gesichtspunkt des Verbundgedankens in einem neuen Licht darstellen (Allgemeinere und ausführlichere Informationen findet der Leser z.B. in [264, 19, 265, 57, 109, 266].).
Hans-Jürgen Christ
Kapitel 9. Der Incremental Step Test
Zusammenfassung
Die zyklische Spannungs-Dehnungskurve stellt eine der wichtigsten Auftragungen zur Beschreibung des Verhaltens eines Metalles oder einer Legierung bei Wechselverformung dar. In Kapitel 1 wurde anhand verschiedener Methoden der Lebensdauervorhersage dokumentiert, daß die ZSD-Kurve die werkstoffspezifische Komponente in die oft sehr formalen Modelle einbringt.
Hans-Jürgen Christ
Kapitel 10. Werkstoffverhalten bei welligem Gleitcharakter
Zusammenfassung
Die in Kapitel 6 vorgestellten Überlegungen hinsichtlich einer mikrostrukturellen Begründung des Verbundgedankens bei der Betrachtung des Verformungsverhaltens weisen darauf hin, daß heterogene Versetzungsanordnungen die Ursache für lokale unterschiedliche Fließgrenzen in einphasigen Metallen und Legierungen sind. Bei vielkristallinen Werkstoffen mit welligem Gleitcharakter bildet sich bereits ab sehr kleinen Beanspruchungsamplituden (siehe Kapitel 5) eine heterogene Struktur in Form von Zellen aus. Berücksichtigt man weiterhin, daß selbst bei vorgeschichteunabhängigem Verhalten die Einstellung der zu einer veränderten Belastungsamplitude gehörenden Versetzungsanordnung viele Lastspiele erfordert, dann sollte eine Zufallsbeanspruchung, die mit Hilfe des Incremental Step Tests angenähert wird, zu einer stationären Hindernis- (oder Streckgrenzen-)verteilung und damit zu ideal zyklischem Verformungsverhalten führen. Die Richtigkeit dieses Gedankenganges wird im Folgenden anhand experimenteller Beobachtungen überprüft und in den Kapiteln 11–13 auf zusätzliche Werkstoffklassen erweitert. Als “Nebenprodukt” dieser Untersuchungen ergibt sich eine Kontrolle der Eignung des Incremental Step Tests zur Bestimmung der zyklischen Spannungs-Dehnungskurve auf mikrostruktureller Basis.
Hans-Jürgen Christ
Kapitel 11. Verhalten bei planarem Gleitcharakter
Zusammenfassung
Als Modellwerkstoff für Legierungen mit planarem Gleitcharakter dient in diesem Kapitel α-Messing. Die dargestellten Ergebnisse (aus [282]) sollen zur Klärung der Frage dienen, ob und wie die im letzten Kapitel gewonnenen Erkenntnisse zum zyklischen Verformungsverhalten von Werkstoffen, die wellige Gleitung zeigen, durch das Versetzungsgleitverhalten beeinflußt werden.
Hans-Jürgen Christ
Kapitel 12. Der Einfluß der Teilchenhärtung
Zusammenfassung
Die in den beiden letzten Kapiteln vorgestellten Ergebnisse charakterisieren das zyklische Verformungsverhalten für die in bezug auf den Gleitcharakter extremen Fälle (wellig/planar) für einphasige (bzw. quasi-einphasige) Werkstoffe. Sie definieren somit Eckpositionen, mit deren Hilfe das Verhalten weiterer Metalle und Legierungen eingeordnet werden kann. Dies setzt nicht unabdingbar voraus, daß der betrachtete Werkstoff nur aus einer Phase besteht, wie die Beobachtungen zu den unlegierten Stählen zeigen. Allerdings sollten die zusätzlich vorliegenden Phasen zu keiner grundsätzlichen Beeinflussung des Verformungsverhaltens (bzw. des Versetzungsgleitverhaltens) führen.
Hans-Jürgen Christ
Kapitel 13. Gefügeumwandlung und dynamischen Reckalterung
Zusammenfassung
In diesem Kapitel wird das zyklische Verformungsverhalten des austenitischen Stahles X3CrNil8 9 (AISI 304L) auf mikrostruktureller Basis behandelt. Dieser Werkstoff zeigt ein ganzes Spektrum von Phänomenen, die einerseits dazu dienen, die in den letzten Kapiteln gezogenen Schlußfolgerungen zu überprüfen, und darüber hinaus eine Erweiterung von den einfachen Modellwerkstoffen hin zu komplexen technischen Legierungen ermöglichen.
Hans-Jürgen Christ
Kapitel 14. Zum Anwendungsbereich des Incremental Step Tests
Zusammenfassung
Dieses Kapitel stellt eine Art Zusammenfassung der bisherigen Ergebnisse im Hinblick auf das makroskopische zyklische Verformungsverhalten und die mikrostrukturellen Vorgänge im Incremental Step Test dar. Die folgenden Ausführungen haben zum Ziel den Anwendungsbereich zu definieren, in dem diese Versuchstechnik sinnvoll benutzt werden kann. Dieser Anwendungsbereich wird nicht nur vom Werkstoffverhalten, insbesondere dem Versetzungsgleitverhalten, bestimmt, sondern hängt nicht zuletzt auch von der Fragestellung ab, welche mit Hilfe des Incremental Step Tests beantwortet werden soll.
Hans-Jürgen Christ
Kapitel 15. Berechnung des Spannungs-Dehnungs-Verlaufes
Zusammenfassung
In diesem abschließenden Kapitel soll die praktische Anwendung der Vielkörpermodelle zur Berechnung des Spannungs-Dehnungs-Verlaufes bei zyklischer Beanspruchung mit variierender Amplitude im Vordergrund stehen. Die Notwendigkeit für die Durchführung einer solchen Berechnung ist in vielen Anwendungsfällen gegeben, wo z.B. die Dehnung als Funktion der Zeit unter Betriebsbedingungen ermittelt werden kann, der zugehörige Spannungs-Zeit-Verlauf aber aufgrund einer komplexen Bauteilgeometrie und inhomogener Spannungsverteilung an den lebensdauerbestimmenden kritischen Stellen experimentell nicht zugänglich ist.
Hans-Jürgen Christ
Abschließende Bemerkungen
Zusammenfassung
Die in diesem Buch dargestellten Ergebnisse und Überlegungen zur Wechselverformung von Metallen und Legierungen zeigen, daß das zyklische Spannungs-Dehnungs-Verhalten mit Verbundmodellen beschrieben werden kann. Die beiden ausffihrlich behandelten einfachen Vielkürpermodelle, die Parallelschaltung ideal elastisch-plastischer Elemente (Masing-Modell) und die Serienschaltung elastisch linear-plastischer Elemente, sind in der Lage wichtige Grundphänomene der zyklischen Verformung, wie Bauschinger-Effekt, Materialerinnerungsvermögen und 1: 2-Gesetz, wiederzugeben und in anschaulicher Form zu erklären. Die für die Anpassung dieser Modellvorstellungen notwendige werkstoffspezifische Funktion, die Streckgrenzenverteilungsfunktion, kann direkt aus dem Spannungs-Dehnungs-Verlauf eines Astes der Hysteresekurve gewonnen werden.
Hans-Jürgen Christ
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Metadata
Title
Wechselverformung von Metallen
Author
Dr.-Ing. habil. Hans-Jürgen Christ
Copyright Year
1991
Publisher
Springer Berlin Heidelberg
Electronic ISBN
978-3-642-52345-8
Print ISBN
978-3-540-53962-9
DOI
https://doi.org/10.1007/978-3-642-52345-8