Skip to main content
Top

24-03-2021 | Antriebsstrang | Kommentar | Article

Verbrenner-Ausstieg: Eine kritische Einordnung

Teil 3: Wer plant wann den Verbrennungsmotor-Ausstieg?

Author: Christiane Köllner

6 min reading time

Activate our intelligent search to find suitable subject content or patents.

search-config
print
PRINT
insite
SEARCH
loading …

Einige Autobauer wollen zu reinen E-Auto-Anbietern werden, viele Staaten künftig Benzin- und Dieselfahrzeuge verbieten. Was ist von den Plänen der Politik und Autobauer zu halten? Eine kritische Einordnung. 

Mehrere Automobilhersteller planen den Ausstieg aus der Verbrennertechnologie. Auch einige Staaten haben bereits Fahr- oder Verkaufsverbote für Fahrzeuge mit Verbrennungsmotoren angekündigt. Der dritte Teil unserer Serie "Wer plant wann den Verbrennungsmotor-Ausstieg?" ordnet die Länder- und Herstellerstrategien kritisch ein. Im ersten Teil geben wir eine Übersicht über die Ausstiegs- und Mobilitätspläne der Politik, der zweite Teil befasst sich mit den Antriebsstrategien ausgewählter Automobilhersteller.

Viele Staaten planen ein Ende des Verbrennungsmotors. Jüngst haben mehrere Länder der Europäischen Union (EU) die EU-Kommission in einem Schreiben dazu aufgefordert, ein Ausstiegsdatum für den Verkauf von Benzin- und Dieselfahrzeugen zu nennen. Laut des inoffiziellen Papiers (Non-Paper), das die diplomatische Vertretung der Niederlande in Brüssel veröffentlicht hat und von zahlreichen Ministern der genannten Länder unterschrieben wurde, soll der Ausstieg im Einklang mit dem Ziel der Klimaneutralität bis 2050 stehen. Ein konkretes Ausstiegsdatum nennen die Minister jedoch nicht. Auch einige Automobilhersteller haben zuletzt Aufmerksamkeit erzielt, indem sie die Abkehr vom Verbrennungsmotor und einen Umstieg auf reine Elektrofahrzeuge verkündeten. Was ist von den Plänen der Politik und den Ankündigungen der Autobauer zu halten? 

Editor's recommendation

01-04-2021 | Im Fokus

Ökobilanzen - Strittig, aber alternativlos

Die Abkehr von fossilen Energieträgern in der Mobilität ist beschlossene Sache. Die meiste Aufmerksamkeit erfahren derzeit batterieelektrische Fahrzeuge, doch auch synthetische Kraftstoffe und Brennstoffzellen sind noch nicht aus dem Rennen.

Die Klimapläne einzelner Staaten und Länder bleiben oftmals vage und unspezifisch. Ja, einige Länder sprechen konkret davon, den Verkauf von neuen Benzin- oder Dieselfahrzeugen zu verbieten. Doch die meisten Staaten formulieren schwammig, dass ab einem bestimmten Jahr, neu verkaufte Fahrzeuge emissionsfrei sein sollen. Damit kann allenfalls eine lokale, emissionsfreie Mobilität gemeint sein. Auch Elektrofahrzeuge produzieren Emissionen. Sie fallen unter anderem in der Herstellung der Antriebsbatterie und der Pkw-Nutzung, wenn kein Ökostrom verwendet wird, an. Solche klimapolitischen Formulierungen versuchen oftmals, die Emissionen von E-Autos zu kaschieren. So spielt die Berücksichtigung der E-Pkw als "Zero-Emission-Vehicles" eine fatale Rolle. 

Ein konkretes Verbrenner-Ausstiegsdatum, wie es von Volvo, Jaguar, Ford und GM genannt wird, ist wahrscheinlich nicht unbedingt entscheidend für die Antriebswende. Vielmehr dürfte ein zeitnahes, ehrgeiziges Ziel für einen hohen Anteil an Elektrofahrzeugen sinnvoller sein als ein weiter in der Zukunft liegender Ausstieg aus dem Verbrennungsmotor mit Hintertürchen wie bei GM, die bei schweren Pick-ups über 3,5 Tonnen dem Verbrenner noch eine Nischenrolle zugestehen könnten. Und bringt die für 2025 erwartete Abgasnorm Euro 7 die bislang schärfsten Vorgaben zu Emissionen von Stickoxiden und anderen Schadstoffen, käme das einem De-Facto-Verbrennerverbot gleich – so sieht es zumindest der Verband der Automobilindustrie (VDA). Dann würde sich ein konkretes Ausstiegsdatum sowieso erübrigen. 

Zero-Emission-Vehicles gibt es (bislang) nicht

Doch die Frage ist: Ist es überhaupt sinnvoll eine Antriebsart, also den (reinen) Elektroantrieb, zu bevorzugen? Ist es nicht besser auf einen Antriebsmix zu setzen, wie es Toyota oder Mercedes-Benz tun, um flexibel auf Marktentwicklungen reagieren und für den jeweiligen Anwendungsfall den besten Antrieb bieten zu können? Klar ist: Ein Zero-Emission-Vehicle gibt es (bislang) überhaupt nicht – egal mit welcher Antriebsform.

Wiederum sind die Pläne, E-Pkw als Ergänzung zu den herkömmlichen Verbrenner-Pkw in das Antriebsportfolio zu nehmen, auch politisch motiviert. Bei der Berechnung des Flottengrenzwerts werden die von den E-Autos verursachten CO2-Emission auf null gesetzt, das heißt die Emissionen bei der Ladestrom-Erzeugung werden ignoriert und jedes verkaufte Elektrofahrzeug wird doppelt bei der Berechnung der Flottenemission angerechnet. "Dadurch können die Hersteller mit jedem verkauften Elektroauto eine deutliche Senkung ihres Flottengrenzwerts erreichen, trotzdem weiter große Stückzahlen ihrer gewinnträchtigen ineffizienten SUV verkaufen und dabei die ansonsten fälligen Strafzahlungen für die Überschreitung des Flottengrenzwerts einsparen", fasst es Springer-Autor Andreas Luczak im Kapitel Elektroautos: Heilsbringer oder Sackgasse? des Buchs Deutschlands Energiewende – Fakten, Mythen und Irrsinn zusammen.

Fest steht: Einfach weiter Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor, die fossiles Benzin und Diesel verbrennen, herzustellen und zu fahren, ist keine Option. Fossile Brennstoffe zerstören das Klima und die Umwelt. Eine konsequente Energiewende hin zu erneuerbaren Energien ist entscheidend. Und ein Verbot von fossilen Kraftstoffen heißt nicht automatisch ein Verbot von Verbrennungsmotoren, wie auch Springer-Autor André D. Thess im Kapitel Der böse Verbrennungsmotor des Buchs Sieben Energiewendemärchen? unterscheidet. Das Verkaufsverbot würde sich nicht auf Kraftstoffe erstrecken, die aus Biomasse gewonnen werden, Wasserstoff und auch nicht auf E-Fuels, wobei diese Kraftstoffe wiederum unterschiedlich klimawirksam sind. Und was passiert mit den Verbrenner-Bestandsfahrzeugen, die mit einem Verkaufsverbot ja nicht einfach verschwunden wären? Fahren diese dann mit E-Fuels, die aber noch nicht industrialisiert sind? Kann man also ein Verbrenner-Verbot erst aussprechen, wenn eine andere Antriebsform garantiert werden kann? Bislang fehlt auch für die E-Mobilität eine ausreichende Infrastruktur. 

Vergleichbarkeit von Ökobilanzen schwierig 

Um die Umweltauswirkungen einer Antriebsform zu ermitteln und in diesem Sinne, Argumente für oder gegen eine Antriebsform zu finden, können nur Ökobilanzen helfen, die den Lebenszyklus von der Rohstoffgewinnung bis zur Entsorgung der Fahrzeuge erfassen. Jedoch mangelt es diesen oftmals an grundlegenden Daten für den belastbaren Vergleich, wie Thomas Siebel in seinem Report Ökobilanzen – Strittig, aber alternativlos aus der MTZ 4-2021 ausführt. Verschiedene Studien kommen aufgrund von unterschiedlichen Untersuchungsrahmen, initialen Annahmen, Eingangsparametern und methodischen Ansätzen oder veralteten Daten zu abweichenden Ergebnissen. Zudem fehlen in den Studien wichtige Daten für die fundierte Bewertung (zum Beispiel Daten für die Emissionen durch die Energieinfrastruktur), da sie heute noch nicht verfügbar sind. Siebel kommt zu dem Fazit: "Solange hier keine Klarheit herrscht, ist sowohl die Förderung der Elektromobilität als auch der Ruf nach Technologieoffenheit zu unterstützen". 

Ökobilanzen sind zwar relevant, doch die Frage, welche Rolle der Privat-Pkw spielen soll, kann nicht von diesen allein abhängen. Eine reine Antriebswende, verstanden als ein "weg von einem Antrieb, hin zu einem anderen" ist alleine weder ökologisch noch verkehrspolitisch wünschenswert. Oder wie es Springer-Autor Helmut Holzapfel im Kapitel Mobilitätszukunft: Bewusstseinswandel oder Technik? des Buchs Urbanismus und Verkehr ausdrückt: "Es bleibt die Frage: Wollen die Menschen überhaupt eine Zukunft mit immer mehr Herumfahren, mit welcher Technik auch immer?" Eine Antriebswende muss Teil einer Verkehrswende sein und diese wiederum Teil einer umfassenden Mobilitätswende. Der Autoverkehr steigt weltweit rasant an – und damit auch der Brems-, Reifen- und Straßenabrieb, der Lärm und die Staus. Alternative Antriebe sind in dieser Hinsicht auch keine Patentlösung. Es geht auch darum, mal zu Fuß zu gehen, das Fahrrad zu nehmen, auf unnötige Fahrten und schwere, stark motorisierte SUVs zu verzichten.

Fazit: Eine Antriebswende ist keine Mobilitätswende

Die Alternative zum Auto ist nicht das Auto mit alternativem Antrieb. Und Umsteigen ist nicht Aussteigen. Und die Antriebswende ist keine Verkehrswende und die Verkehrswende keine Mobilitätswende. Eine Verkehrswende berücksichtigt auch andere Verkehrsmittel als den Individual-Pkw, eine Mobilitätswende hat zum Ziel, unnötige Fahrten zu vermeiden. Eine reine Antriebswende vermag nur wenig an den Feinstaub-, Stau- und Lärmproblemen zu ändern. Dazu bräuchte es einen intelligenten Mix unterschiedlicher Verkehrsträger und insgesamt ein geringeres Verkehrsaufkommen. Eine echte Mobilitätswende besteht nicht nur im Umstieg auf klimaneutralere Antriebsformen und Verkehrsmittel, sondern auch im Kleiner, im Weniger, im Ausstieg.

print
PRINT

Related topics

Background information for this content

2020 | OriginalPaper | Chapter

Das gute Elektroauto

Source:
Sieben Energiewendemärchen?

2020 | OriginalPaper | Chapter

Elektroautos: Heilsbringer oder Sackgasse?

Über die Sinnhaftigkeit möglicher und geplanter Maßnahmen zur Reduktion der PKW-Emissionen
Source:
Deutschlands Energiewende – Fakten, Mythen und Irrsinn

Related content

10-03-2021 | Antriebsstrang | Schwerpunkt | Article

Verbrenner-Ausstieg: Die Pläne der Politik

Teil 1: Wer plant wann den Verbrennungsmotor-Ausstieg?

09-09-2021 | Antriebsstrang | Schwerpunkt | Article

Verbrenner-Ausstieg: Die Pläne der Autohersteller

Teil 2: Wer plant wann den Verbrennungsmotor-Ausstieg?

Premium Partner