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02-05-2013 | Bankenaufsicht | Interview | Article

"Gläubiger müssen wieder in Haftung genommen werden" - Teil 1

Author: Stefanie Hüthig

4:30 min reading time

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Professor Dr. Jan Pieter Krahnen erklärt im Interview in der Mai-Ausgabe von BANKMAGAZIN unter anderem, wie das Bail-in-Anleihen-Konzept die Stabilität des Bankensystems verbessern könnte. Lesen Sie hier das Interview in der Langfassung, Teil 1: Generelles Konzept der Liikanen-Kommission.

Springer für Professionals: Herr Professor Krahnen, als Mitglied der Liikanen-Kommission haben Sie das Trennbanken-System light vorgeschlagen. Was sind die Leitmotive?

Krahnen: Der Kerngedanke war: Der Steuerzahler soll nicht mehr eingreifen müssen – dafür sollen die Banken wieder scheitern können, ohne gerettet werden zu müssen. Unser erstes Motiv beim Trennbanken-Vorschlag war, die Komplexität zu vermindern, was wir insbesondere bei großen internationalen Banken als wichtig ansehen. Eine Abwicklung von Banken im Moment einer akuten Krise setzt eine Eingriffsfähigkeit der Aufsicht voraus, die in sehr stark vernetzten und komplexen Finanzinstituten derzeit undenkbar ist.
Ein zweites Motiv für die Trennung des klassischen Bankgeschäfts vom Kapitalmarktgeschäft ist, dass die beiden Geschäftsmodelle – das eine kundengetrieben, das andere transaktionsgetrieben – von ihrer Risikonatur her sehr unterschiedlich sind. Daher sollten die Finanzierungskosten für jede dieser Aktivitäten separat verrechnet werden. Bisher ist dies nicht der Fall. Nach unserer Empfehlung soll der gesamte Handel abgetrennt werden, also der Eigenhandel und auch der Fremdhandel. Mit ganz wenigen Ausnahmen gilt nämlich, dass der Handel im Auftrag der Kunden de facto nichts anderes ist als eine Abfolge von Eigenhandelsaktivitäten der Bank selbst. Wir fordern damit ausdrücklich nicht, das gesamte Investmentbanking auszulagern. Unser oberstes Ziel war es, das europäische Universalbankenmodell zu erhalten, denn das hat sich bewährt.

Wie sollen sich Banken in ihrem Konzept refinanzieren?

Bis auf eine vom Umfang her kleine Ausnahme bleibt die Passivseite nach unseren Vorstellungen unverändert. Diese Ausnahme hat es allerdings in sich. Alle Banken sollen nämlich eine Art von Fremdkapital emittieren, so genannte Bail-in-Anleihen. Wenn ein Institut in Schwierigkeiten gerät, gehen diese als Erstes und ohne große Vorwarnung in Haftung, wie es das neue Restrukturierungs­gesetz vorsieht. Diese Tranche des Fremdkapitals soll nicht von anderen Banken erworben werden. Die Aufsichtsbehörden wissen daher, dass keine Bank als Gläubiger involviert ist und es infolge der Einzelkrise nicht an einer anderen Stelle des Bankensystems zu einem Zusammenbruch kommen kann. Bei Schieflagen in der jüngsten Vergangenheit, wie etwa bei der IKB, hatte man immer nur den Korridor von Freitag bis Montag für eine Lösung zur Verfügung. In dieser kurzen Zeit ist es nicht möglich, genau zu identifizieren, wer zu den haftenden Gläubigern zählt und wie groß die Gefahr ist, dass sich darunter Banken befinden und es zu einem Ansteckungseffekt kommt. Deshalb hat man dieses Institut wie auch alle anderen in Deutschland bedrohten Institute gerettet. Diesen Rettungszwang wollen wir beseitigen.

Müsste man Ihren Vorschlag nicht weltweit einsetzen?

Im Sinne eines Level Playing Field für alle global agierenden Finanzinstitute wäre das natürlich ideal. Im Grunde ist es ein ordnungspolitischer Ansatz, den wir wählen. Wir sagen ja nicht, wir bräuchten eine Superbehörde, die zwischen guten und schlechten Geschäftsmodellen auswählt und gewissermaßen Managemententscheidungen fällt. Das kann gar nicht funktionieren oder aber es endet im Desaster. Viel besser ist es, an einem ordnungspolitisch sinnvollen Rahmen zu arbeiten und damit der Marktwirtschaft wieder zu ihrer eigentlichen Rolle zu verhelfen. Ökonomen nennen das „Market Discipline“: Kontrolle durch Marktkräfte. Diese Rolle ist im derzeitigen Wirtschaftsumfeld in großem Umfang außer Kraft gesetzt.

Das ist ja ein sehr logisches Konzept, dass es bisher bei Nicht-Finanzunternehmen gut funktioniert. Wie kommt es, aber dass Banken sich diesem Einfluss komplett entziehen konnten?

Banken sind untereinander zum Beispiel über Kreditbeziehungen stark vernetzt. Diese gegenseitigen Abhängigkeiten bezeichnen wir heute als systemisches Risiko. Dem einzelnen Institut sieht man dieses Risiko gar nicht an. Es wird vom System als Ganzes produziert, im Realsektor gibt es das nicht einmal annäherungsweise in diesem Umfang.

Von Bankenseite kommt oft die Aussage, dass die Vorhaltung von (zu) viel Eigenkapital gesamtwirtschaftlich schädlich sei. Wie stehen Sie zu dieser Aussage?

Dieser Aussage stimme ich nicht zu, ich kann aber ihren Hintergrund verstehen: Eigenkapital erscheint den verantwortlichen Bankmanagern als teuer, teurer als Fremdkapital. Der Grund dafür ist, dass der Staat als potenzieller Bankenretter wie ein Versicherungsunternehmen agiert, das Fremdkapital subventioniert, ohne dafür eine Prämie zu kassieren. Wenn die Fremdkapitalkosten – vielleicht wegen der aktuellen Reformvorschläge – wieder eine angemessene Höhe erreicht haben, wird Bankmanagern das Eigenkapital nicht mehr so teuer erscheinen. 

Zur Person und zum Institut
Dr. Jan Pieter Krahnen (58) hält die Professur für Kreditwirtschaft und Finanzierung an der Goethe-Universität Frankfurt am Main.
Er forscht zu systemischen Risiken und Bankenregulierung. Zudem ist er als Direktor des Center for Financial Studies (CFS) und des neuen Exzellenzzentrums SAFE tätig. Als Mitglied einer Expertengruppe der Europäischen Kommission (Liikanen-Kommission) war er an der Erstellung des Liikanen-Berichts beteiligt.

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